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dies der Fall, so melden Sie es ans der zwölften Kriminalsektion. Ich bezahle es. — Wo ist Ihr Hund?" „Jin Hause, und da muß ich ihn jeden Abend lassen, wenn ich schlafen will, sonst heult er. — Haben Sie etwas entdeckt, Herr Kriminal?., Ihr seht so nilsgeregt aus; ich glaube, es ist Euch nicht gut bekommen." „Ihr habt recht, man soll nie neugierig sein. Mein Kollege war es wohl, und — —. Sagen Sie mal, haben § ie nicht etwas bemerkt, daß Leute nachts auf Ihrem Felde waren?" „O doch, noch kürzlich, am Tage nach dem Morde war jemand hinter dem Bretterzaun; ich sah es an den Fußspuren?" „Ja, ja — und vor dem Morde?" „Wahrscheinlich auch. Denn am Tage nach dem Morde ent deckte ich auch ältere Fußspuren bei dem Steinhaufen dort." In diesem Augenblick kam der Hund hervor. Soden ergriff ihn, nahm den garstigen Köter auf den Arm und streichelte ihn zärtlich. Dann setzte er das Tier behutsam wieder auf den Boden. Er verabschiedete sich von dem Bahnwärter. Der sah ihm kopf schüttelnd nach. „Was der wohl haben mag? Ja, Ihr studierten Herren, das geht über Eure Weisheit!" Das war nun bei Soden keineswegs der Fall. Er ging zum nächsten besseren Restaurant, wo er sich zunächst seine Kleider vom Hausdiener ausbürsten ließ. Er nahm dann einen Kaffee, studierte gleichzeitig im Adreßbuche und notierte sich eine Anzahl Adressen. Erst dann beschloß er seine Tätigkeit. Am anderen Morgen galt sein erster Gang der Staatsanwalt schaft. Er erstattete dort eine Anzeige und erbat sich einige Voll machten. Sodann nahm er sich eine Droschke und besuchte den Direktor des städtischen Museums, den Besitzer des Chevallier'schcn Hauses, den Baumeister, der seinerzeit dies Haus baute, und dann ließ sich Soden zum städtischen Tiefbauamte fahren. Erst jetzt begab er sich zum Kommissar Fehrer, der ihn übel gelaunt empfing: „Aber wo in aller Welt stecken Sie denn, Herr- Soden? Wir suchen Sie seit Stunden." „So?" fragte dieser zerstreut. — „Was ist denn vorgefallen?" „Chevallier scheint auf dem Punkte zu stehen, auszukneifeu." „Potz, Blitz und Donner! Wie ist das?" „Soeben war einer Ihrer Pflasterer hier und meldete, ein Mann, den er als Möbelhändler Merte erkannte, habe Chevallier- besucht. Dieser Händler befaßt sich bekanntlich mit dem An- und Verkaufe besserer gebrauchter Möbel." „Also muß Merte sofort befragt werden. Ich gehe gleich selbst hin." „Und dann haben wir noch eine Neuigkeit: Gestern abend kohrte der Rentier Mühlhaus von einer mehrwöchentlichen Reise zurück und fand fein inzwischen unbewohnt gebliebenes Haus aus geraubt und geradezu verwüstet. Wir zeigten dem Manne die bei Kruse beschlagnahmten Silbersachen, und er erkannte sie als sein Eigentum. Also jetzt ist es aufgeklärt, weshalb Volka und Kruse sich in jener Gegend damals anfhielteu." Soden ging zu dem Möbelhändler, dem er sich als Käufer vorstellte. Er erklärte aber, er suche bessere Sachen, als die ihm gezeigten, worauf Merte ihm bemerkte, daß er bald neue Auswahl erhalte und zwar spottbillige, seine Sachen. Es sei ein Ausländer, der plötzlich wegen eines Todesfalles abreisen müsse. „Wegen eines Todesfalles! Ach ja, das wird stimmen," sagte Soden sarkastisch. „Sie meinen gewiß den Herrn Charles Chevallier? Er sagte es mir, daß er abreise, aber nicht, daß er die Möbel ver kaufe." „Allerdings ist es dieser Herr. Toch wenn Sie etwa direkt etwas von ihm kaufen wollen, so geben Sie sich keine Mühe. Ich habe bereits die Sache perfekt gemacht." „Ich will auch nicht bei Chevallier direkt kaufen. Ter würde mir — dafür kenne ich ihn — dreimal höhere Preise stellen, als Ihnen. — Na, da komme ich mal über vierzehn Tage wieder, Herr Merte. Adio! 13. Soden war zu Kommissar Fehrer zurückgekehrt und berichtete das Ergebnis seiner Nachfragen. Dann meinte er: „Daß Chevallier sv plötzlich verduften will, überrascht mich doch sehr. Ich glaube, dein Tyrannen droht eine Palastrevolution." „Ich verstehe Sie nicht." „Nun, ich habe überhaupt eine längere Mitteilung zu machen. Dazu rufen Lie bitte, die Herren Hedde und Brenner herbei. Heute führen wir einen großen Schlag gegen die Chevallier'sche Bande. Die nötigen Vollmachten habe ich nur vom Staatsanwalt bereits geben lassen." Eine halbe Stunde lang verhandelten die vier Beamten hinter verschlosseuen Türen. Gleich nach Mittag fanden sich die vier in dem Depot des Tief bauamtes ein, legten die hohen Stiefel und Anzüge von Kanal arbeitern an und begaben sich dann zu einem Zelte, das sich nicht fern von der Lützenstraße.Der dem geöffneten Kanal befand. Einer nach dem andern — voraus zwei Meisterndes Tief- bauamles — klomm mit einer brennenden Laterne in den engen Schacht hinunter. Nun war man in einem der größten Kanäle der Stadt. Von fern schimmerten ein paar Laternen und erschollen ge dampfte Geräusche. Dort arbeiteten zwei Leute vermittelst Brech eisen an der Erweiterung eines Stollen, der vor einigen Stunden vom Kanal nach einem unterirdischen Nebenraum angelegt ivorden war. Alle sechs Teilnehmer der Expedition zwängten sich hindurch und standen gleich darauf in einem alten Kanal aus Römerzeiten, der wie fast immer sehr hoch und breit war. Leise schritt man vorwärts. Der erste Tlesbaumeister schloß die Karawane. Er maß vermittels einer langen Schnur, die am Ende ein Bleilot hatte, die zurückgelegte Strecke. War der Faden zu Ende, so zog er ihn ein, bis das Lot zu seinen Füßen war. So lange mußte man jedesmal warten. Dann schritt er, der Schnur nachgehend, weiter. Nach einer Weile bemerkte er auf einem Plane, wo man sich befand. „Gut," sagte Soden besorgt; „aber der Kanal läuft schnurr- grade weiter, und die Lützenstraße läuft hier quer über uns. Hören Sie das Gepolter?" „Das ist ein Lastwagen. Wir sind vier Meter unter dem Pflaster. Zwar geht der Kanal gerade fort, aber vielleicht macht er nachher einen Bogen nach rechts." Man schritt weiter. „Halt!" kommandierte der Meister. „Wozu halt?" drängte Soden. „Ich muß die Kurve des Kanals messen, sonst wissen wir nicht, wo wir sind." Das dauerte einige Zeit. Als der Meister wieder die Schnur einzog und den Kanal in den Straßenplan einzeichnete, folgte Soden mit den Augen gespannt der Bleistiftspitze. „Wir sind in dem falschen Kanal; denn wir befinden uns schon weit vom gesuchten Platze entfernt." Der Meister zuckte mit den Achseln: „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als weiter zu gehen, meine Herren." „Und laufen wir nicht in Gefahr, zu ersticken?" fragte Brenner, „Einstweilen nicht. Erst warnen uns unsere Laternen. Die fangen an, klein zn brennen und zu erlöschen, wenn man sie auf den Boden setzt; denn die Kohlensäure sammelt sich zuerst an tiefen Stellen au." Nun kam man an eine Stelle, wo der Kanal zum Teil ein gestürzt war. Eine der Wände lehnte gegen die andere, sodaß man sich gerade noch Hindurchzwängen konnte. Plötzlich stieg der Gang an. Rechts und links mündeten ganz enge abwärtsführende Seitens kanäle ein. Ein Mensch konnte hier nicht hereinkriechen. Soden blieb stehen: „Gehen wir nicht weiter, es ist nutzlos. Der Museumsdirektor sagte, die beim Bau des Chevallier'schen Hauses vorgefundene römische Maner sei eine Seitenwand des Kanals, der unler der Lorca Ukenana her zum Rheine führte, doch unter der heutigen Lützenstraße rechtwinkelig absprang, um die Ab wässer einer alten Vorstadt aufzunehmeu. Demnach führte jener Kanal längs der Wcilerstraße unter dem Bahndamm her zum Rheine. Also etwa so," sagte Soden und zeichnete auf dem Plane die Richtung ein. ' Der Führer meinte, der Kanal, in dem man stehe, könne mit jenem in Verbindung stehen. Man ging weiter. Plötzlich kommandierte der an der Spitze des Zuges schreitende Meister halt. „Nicht weiter!" warnte er, „hier geht es senkrecht in die Tiefe." Er ließ sich von seinem Kollegen das Lot geben und maß den Schacht. „Fast sechs Bieter!" sagte er. „Wo sind wir jetzt?" frug Soden. „Genau unter dem Nömcrplatz, also am Ende der Hofstraße." Soden kratzte sich hinter dem Ohre. „Wir müssen in einen jener Nebenkauäle." „Aber da kann ja kein Mensch durch!" meinte Fehrer. Der Tiefbaumeister hatte sich niedergesetzt und sann nach. „Doch," sagte er. „Was ein Großer nicht kann, bringt so ein kleiner schlanker Hecht fertig. Ich hole den Bries, das ist ein fünfzehnjähriger Bengel, dünn wie ein Strohhalm." Der schmächtige Junge ward herbeigeholt und genau instruiert, daß er nachforschen solle, wohin der Nebenkanal führe. Er bekam eine brennende Laterne, eine Dose Zündhölzer sowie eine Anzahl Verhaltungsmaßregeln mitgeteilt, da die Expeditiou in dem engen Gange nicht ungefährlich war. Als Bries nun aber in den Kanal kriechen wollte, erwies er sich als etwas zu dick; er blieb an jeder Steinkante mit den