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Allgemeiner Anzeiger : 25.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190511254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19051125
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051125
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-25
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.11.1905
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politttcke Kunälckau. Die Wirre« i« Rußland. * Die Lage in Rußland ist trotz des Nach» lassens der Spannung, fortgesetzt sehr ernst. Als ein sehr beunruhigendes Symptom wird es bezeichnet werden müssen, daß in sonst so gut unterrichteten Petersburger Kreisen ver lautet, die Ernennung des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch zum Diktator werde noch immer ernstlich erwogen. Mit diesem Gerücht ist gleichzeitig die Nachricht aufgetaucht, Graf Witte werde wahrscheinlich zurück- treten, da er krank sei. Die Petersburger Telegraphen-Agentur beeilt sich wohl, diese Nachricht als vollständig unbegründet zu be zeichnen, ebenso wie die Meldung von der Verhängung des Kriegszustandes über Peters burg; in hohem Maße beunruhigend erscheint es aber immerhin, daß zwei Nachrichten von so ernstem Charakter gleichzeitig auftauchen, und sogar durch die offiziöse Telegraphen-Agentur verbreitet werden. Damit ist die Richtung be zeichnet, in welcher sich die Wünsche gewisser einflußreicher russischer Kreise bewegen. * Während die Arbeiterbewegung in den großen Industriestädten des Reiches nachzulassen beginnt, nehmen die Bauernunruhen wieder an Umfang und Deftigkeit zu. Im Bezirk Staryi—Oskol, Gouvernement Kursk, find 17 Landgüter ge plündert und in Brand gesteckt worden. Infanterie und Kosaken find dorthin entsandt. Die Gouvernements Kursk und Pensa, wo gleichfalls Bauernunruhen vorgekommen find, werden als im verstärkten Verteidigungszustand befindlich erklärt. — In Petersburg dürfte sich die Lage, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten, jetzt bald merklich bessern. In den meisten Betrieben wurde am Montag die Arbeit wieder ausgenommen, auch die Zeitungen erscheinen wieder. "Die an den KronstädterUnruhen beteiligten Personen werden nach amtlicher Mitteilung nach Abschluß der Untersuchung infolge des über Kronstadt verhängten Kriegs zustandes vor ein Kriegsgericht gestellt, wurden oder werden aber nicht standrechtlich verurteilt. Meldungen über bereits ge fällte Todesurteile erscheinen als Manöver einer gewissen Partei, die entschlossen ist, das Publikum um jeden Preis zu erregen, und die kein Mittel verschmäht, um dieses Ziel zu er- erreichen. Die Untersuchung allein wird den wahren Charakter der Kronstadter Unruhen Umstellen und Material für ein gerichtliches wie für ein unparteiisches Urteil der Öffentlich keit über die Schuldigen liefern. * Fünfhundert russische Gefangene an Bord der russischen Transportschiffs „Wladi mir" und „Woronesch", welche von Nagasaki (Japan) nach Wladiwostok abgehen sollten, er schienen der Meuterei verdächtig, weshalb sich die Offiziere an die Japaner mit der Bitte wandten, ihnen Truppen zu senden. Ein japa nischer Polizeiosstzier und 100 Beamte gingen an Bord der „Woronesch", vier japanische Tor pedoboote umringten die Schiffe. Roschdjest- Wenski, der Besiegte aus der Tsuschimastraße und zukünftige russische Marmeminister, ist an Bord der „Woronesch". * * * Deutschland. "Kaiser Wilhelm wohnte am Montag nachmittag anBord der Stationsjacht „Carmen" an der Unglücksstelle des untergegangenen Torpedobootes den Taucher- und Ber gungsarbeiten bei. "Unter den Schiffen, die dem König Haakon VII. das EhrengeIeit auf der Fahrt von Kopenhagen nach Christiania in sein neues Königreich geben werden, wird sich auch ein deutsches Kriegsschiff und zwar das Linienschiff „Braunschweig" befinden. "Die,N. Mil. Pol. Nachr.' wollen wissen, der Plan einer Reichs » Fahrkarten- steuer sei fallen gelassen worden. Die .Deutsche Tagesztg.' meldet, daß eine Fahr kartensteuer mit unter den Vorschlägen war, die i vom Reichsschatzamt an den Bundesrat ge- ! langten. Ob der Bundesrat ihr zugestinNt habe, werde sich wohl bald herausstellen. * Der Reichstagsabgeordnete für den Wahl kreis Chemnitz, Schippel (Sozialdemokrat), hat sein Mandat niedergelegt. * Anläßlich der Einweihung der neuen Moselbrücke bei Moulins erklärte der reichSländische Landwirtschaftsminister Zorn von Bulach, im folgenden Jahre würden alle von Metz nach Frankreich führenden Schleusen des Kanals erweitert und vertieft werden; es sei das dank dem Entgegenkommen der französischen Negierung möglich ge worden. Es sei zu hoffen, daß sich auf dem Kanal, der in Frankreich Anschluß an das große Kanalnetz habe, ein recht inniger Verkehr mit Frankreich entwickeln werde. * Der Hauptfeind der Deutschen in Süd- Westafrika und der gefährlichste Gegner unsrer dorffgen Truppen, HendrikWitboi, ist nicht mehr am Leben! Beim Überfall eines Verpflegungswagens bei Fahlgras am 29. Oktober wurde er schwer verwundet und ist nunmehr an den Folgen dieser Verwun dung gestorben. Mit Hendriks Tode dürfte die Widerstandskraft der Hottentotten ihren Höhepunkt überschritten haben. Zwar ist Hendriks Sohn, Samuel Isaak, zum Kapitän gewählt, aber sicherlich wird dieser die ver zweifelte Rolle des Führers des Aufstandes je eher je lieber loszuwerden versuchen und seinen Frieden mit der deutschen Regierung machen. Österreich-Ungar«. "Die Grundrisse der Wahlreform vorlage der österreichische Regierung find solgende: 1) Aufhebung der Kurien. 2) Ein führung des allgemeinen und gleichen Wahl rechts. 3) Kleine Wahlbezirke. 4) Aufteilung der Zahl der Mandate auf die einzelnen Kron länder nach Kopfzahl und Steuerleistung der selben. — Die Regierung erwartet die Zu stimmung zur Vorlage vom gegenwärtigen Reichsrat, so daß die Neuwahlen im Spät sommer 1906 schon unter dem allgemeinen nnd gleichen Wahlrecht vor. sich gehen werden. Die Statthaltereien wurden beauitragt, so schnell als möglich Berichte und Vorschläge betreffend die Wahlkreiseinteilung zu erstatten. Frankreich. * Der Zwischenfall des G en er a lis's i mus Brugöre und des Generals Percin, der erstere hat dem letzteren den Gruß verwei gert, hat keineswegs die erwartete friedliche Lösung gefunden. Hieß es doch, daß der Generalissimus nach dem Zwischenfalle, den er mit dem General Percin im Boulogner Hölz chen hatte, eine versöhnliche Haltung beobachten wollte. Allem Anschein nach hatte der neue Kriegsminister Etienne im Gegensätze zu seinem Vorgänger Berteaux es an Bemühungen in dieser Richtung nicht fehlen lassen. Aber sie müssen vergeblich gewesen sein. Denn im Ministerrat erstattete der Kriegsminister über die Angelegenheit Bericht. General Blugöre wird danach mit 14 Tagen Arrest bestraft werden, weil er den Blättern Mitteilung von der ge heimen Unterredung mit dem Kriegsminister Etienne über den Zwischenfall mit dem General Percin gemacht hat. England. "Die hervorragenden englischen Finanz- Männer erklärten in einer Versammlungin London, „daß für längere Zeit an die Unterbringung einer russischen Anleihe nicht zu denken sei". Auch die anwesenden Ver treter aus Rußland, Frankreich und Deutsch land stimmten darin überein, daß auf die russische Regierung ein Druck unbedingt dadurch ausgeübt werden müsse, daß, soweit jüdisches' Kapital in Betracht kommt, eine Anleihe in j Zukunst unmöglich gemacht wird. Dieses! Prinzip wurde unter stürmischem Beifall (!) zum j Beschluß erhoben. Norwege«. "Uber die KönigSwabl im Stor- thing wird noch folgendes Nähere bekannt: Nachdem Storhings - Präsident Begier unter Hinweis auf das Ergebnis der Volksabstimmung ! vorgeschlagen hatte, den Prinzen Karl von > Dänemark zum König von Norwegen zu wählen, erklärte PastorEriksen, Sozia« l i st, daß seine Partei für den Vorschlag des Präsidenten stimmen werde, da durch die früher gefaßten Beschlüsse das Königstum be reits festgesetzt sei und keine Veranlassung vor liege, für einen andern Vorschlag zu stimmen. Staatsadvokat Castberg (Republikaner) erklärte, daß er und seine Gesinnungsgenossen sich vor dem Willen der Mehrheit des Voltes beugten und für den Vorschlag des Präsi denten stimmten. Nachdem die Abstimmung in der bereits gemeldeten Weise erfolgt war, hielt Storthings - Präsident Berner eine kurze Ansprache, in der er unter anderm ausführte, mit diesem Beschlusse des Storthings sei der Schlußstein auf das Selbständigkeitswerk gesetzt, das in diesem Jahre durchgesührt worden. Er schloß mit dem doppelten Wunsche: „Gott bewahre den neuerwählten König! Gott be wahre unser teures Vaterland!" In diesen Wunsch stimmten die Mitglieder, die sich während der Ansprache des Präsidenten von ihren Sitzen erhoben hatten, ein. Balkanstaate«. "Serbien ist und bleibt ein interessantes Land. In Belgrad bildet augenblicklich ein Zusammenstoß deS Kronprinzen Georg mit seinem endgültig scheidenden Erzieher, dem französischen Maior Levasseur, das Tages gespräch. Levasseur besuchte den Kronprinzen in voller Uniform, um sich von ihm zu ver abschieden. Wie verlautet, konnte der Prinz im allgemeinen seinen Erzieher nicht leiden. Bei dem Abschiedsbesuche des Majors soll nun zwischen diesem und dem Kronprinzen ein Wortwechsel entstanden sein, der dann zu Tät lichkeiten ausartete. Man erzählt, der Kron prinz habe Levasseur ein Wasserglas an den Kopf geworfen, was der Major dem Kron prinzen nicht schuldig geblieben ist. Kronprinz Georg soll dann die Effekten des Majors Levasseur beschädigt nnd einige Bücher desselben zerrissen haben. Der König sei von dieser An gelegenheit sehr peinlich berührt worden und habe den Kronprinzen aufFestung geschickt. Levasseur reiste nach Paris. Amerika. "Die Rückfahrt des britischen Ge schwaders von New Jork hat sich ver zögert, weil mehr als tausend Mann auf den fertig zum Auslaufen liegenden Schiffen fehlten. Ob viele dieser Mannschaften, die vorläufig als Fahnenflüchtige angesehen werden, sich später wieder einstellen, erscheint zweifelhaft. Zur Bauernsrage in Ruhland. Mit bezug auf das kaiserliche Manifest, durch welches Erleichterungen für die Bauern bevölkerung angeordnet werden, sei über die Geschichte der Loskaufszahlungen, dis nun allmählich beseitigt werden sollen, folgendes milgeteilt: Die Leibeigenschaft ist in Rußland durch das Gesetz vom 19. Februar 1861 aufgehoben worden. Gleichzeitig damit war verfügt wor ben, daß die Bauern durch Abzahlung in das Eigentum der Grundstücke, deren dauernde Nutz nießung ihnen bis dahin zugewiesen war, treten können, wenn die Grundherrschaft sich damit einverstanden erkläre. Zwangsweise Ablösung war anfangs nur für die westlichen Gou vernements vorgeschricben und wurde erst im Jahre 1882 auf das ganze Reich ausgedehnt; die Bauern, die ihr Land bis dahin noch nicht abaelöft hatten, wurden mit Beginn des Jahres 1883 zu Eigentümern. Die Glundherren erhielten vom Staate eine Entschädigung, und die Dauer der CntlastungSprozedur war im Jahre 1861 auf 49 Jahre festgesetzt worden. Die Abzahlungs- zeit würde also für die einen im Jahre 1910, tür die andern im Jahre 1932 abtausen. Die Bauernschaft ist zu einem großen Teile nicht in der Lage gewesen, diese Loskaufszahlungen regelmäßig zu entrichten, sodaß alljährlich viele Millionen an Rückständen zu verzeichnen waren. Durch kaiserliche Gnadenerlasse wurden diese Rückstände mehrfach niedergeschlagen. Das kaiserliche Manifest verkündigt nunmehr, daß die Abzahlungen schon am 14. Januar 1907 auf hören sollen, womit der Staat den Bauern ein Geschenk macht, das Millionen kosten wird. Überdies werden die Ablösungsbeträge für das Jahr 1906 auf die Hälfte ermäßigt, nachdem sie für die im Jahre 1861 begonnenen Ablösungen schon im Jahre 1881 ermäßigt worden find. Auch auf die Bauernlandwirtschaftsbank bezieht sich das kaiserliche Manifest. Diese Bank ist im Jahre 1883 errichtet und 1895 umgestaltet worden und ist dazu bestimmt, den Bauern, die Grundbesitz zu erwerben wünschen — denn auch unter den im Jahre 1861 und im Jahre 1883 beteilten, ist die Beschwerde allgemein, daß sie zu wenig Land erhalten hätten — die Erwerbung zu erleichtern. Das Manifest setzt nun fest, daß der Bank erhöhte Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Land erwerbungen rascher vor sich gehen können, und bezüglich der Darlehen sollen gleichfalls Erleichterungen geschaffen werden. Von uncl fern. Ei« schrecklicher Schifssuvfall hat sich am 19. d. an der nordfranzöfischen Küste er eignet. Der englische Passagierdampfer „Hilda", der den Verkehr zwischen Nordfrankreich und England vermittelt, stieß während eine? heftigen Schneesturmes bei Sankt Malo auf einen Felsen. Das Schiff sank in wenigen Minuten. 75 Per sonen fanden den Tod in den Wellen. Nur zwölf Passagiere und ein Mann von der Be satzung konnten gerettet werden, da der Schnee sturm das Rettungswerk überaus erschwerte. Keine Choleraüberwach««g mehr. In der vergangenen Woche find im preußischen Staat verdächtige Erkrankungen oder Todes fälle an Cholera amtlich nicht gemeldet worden. Die gesundheitliche Überwachung des SWiff- fahrts- und Flößereiverkehrs auf den Wasser straßen ist auf der Elbe, der Havel, dem Finowkanal, der Spree, der Oder oberhalb von Küstrin und unterhalb von Hohensaaten und auf der Warthe oberhalb von Landsberg auf gehoben worden. Auf den übrigen Strömen, auf denen sie eingesührt war, nämlich der Weichsel, Brahe, Netze und der Warthe unterhalb von Landsberg, sowie auf der Oder zwischen Küstrin und Hohensaaten, wird sie bis zu dem mit Eintritt des Frostes zu erwartenden Auf hören des Flößereiverkebrs auf der Weichsel in Kraft bleiben. Mit Rücksicht auf den Rückgang der Choleragefahr werden amtliche Mitteilungen über die Cholera bis auf weiteres nicht mehr erfolgen. Eine interessante Reisestatistik veröffentlicht die Zeitung des Vereins deutscher Eisenbohnver- Wallungen. Sie betrifft den sogen., Verein?-Reise verkehr, der nunmehr auf ein zwanzigjähriges Bestehen zurückblickt Die Einnahmen aus den znsammenstcllbaren Fahrscheinheften haben in den 20 Jahren ständig zugenommen. Wenn man von dem WeltouSstellungsjahre 1990, das nahezu SIV-- Mill. Mark einbrachie, absicht, so geben beson ders die letzten fünf Jahre ein anschauliches Bild von der Zunahme des Vereins-Reiseverkehrs. Bis zum Jahre 1901 stieg die Gesamteinnahm! auf 40,4 Millionen Mark; im folgenden Jahre ging diese Zahl infolge der Einführung der 45 tägigen Gültigkeitsdauer der Rückfahrkarten etwas zurück, um 1903 wieder auf nahezu 47 Mill. Mk. empor zuschnellen. Das letzte Jahr reichte fast an daß Weltausstellungsjahr heran: die Einnahme stieg auf über 50,5 Mill. Mk. Anfänglich umfaßte der VsreinS- Reiseverkehr nur die 66 Bahnen deS Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. Die Gesamtzahl der für alle drei Wagenklaffen auSgegebenen Fahr scheinhefte betrug im letzten Jahre 774 919, so daß durchschnittlich auf ein Heft der Betrag von 65,1° Mark entfiel. Auf die deutschen Bahnen allem kam eine Gcsamteinnahme von 54'/^ Mill.; die böhM Einnahme erzielten wiederum die bayrischen SwaiS- bahnen (6,16 Mill. Mk.). Ihren 1V4 Geburtstag feierte dieser Tage die Frau oerw. Landrat Elisabeth Coermann in Münster i. W. Die alte Dame ist seit einiger Zeit gezwungen, beständig zu fitzen, sonst aber geistig und körperlich von be wundernswerter Rüstigkeit. Überfahre«. Auf dem Hauptbahnhof in Düsseldorf wurde der Telegraphenarbeiter Heinrich Berghausen vom Schnellzug überfahren und schrecklich verstümmelt. O Maläfrieäe. 2Sj Roman von Adalbert Reinold. Entsetzung.) Nun folgte eine persönliche Vorstellung der Personen, welche hier der seltsamste Zufall zu- sammensührte, und ferner eine nähere Erklärung der Ereignisse. „Ich wußte es bereits, daß' Fräulein Rheinsberg und Doktor Kühns Jugendbekannte find — und zwar aus unsrer lieben Berta eigenem Munde" — erklärte lächelnd die alte Geheimrätin — „Herr Doktor KühnS bleibt für den Abend unser Gast, und wir werden Gelegenheit haben, noch manches zu plaudern. Susanne — geh' jetzt, dich umzukleiden und ihi" — wandte sie sich an ihren Sohn und ihre Schwiegertochter — „macht es ebenso. Inzwischen werde ich mit den Kindern in den Garten gehen; denn" — setzte sie scherzend hinzu — „trügt mich nicht meine Vermutung, so haben sich Fräulein Berta und Herr Doktor Kühns manches unter vier Augen zu sagen." Befremden konnten zwar die Worte der Geheimrätin nicht, aber unverständlich waren sie doch, sowohl für das junge Ehepaar, wie für Susanne. Die Mama aber, das fühlten sie, mußte über Doktor Kühns und die neue Gouvernante, welche sich der ganz besonderen Protektion der Geheimrätin zu erfreuen hatte, noch ganz Besonderes wissen. * * * Berta und Eduard standen sich wieder allein einander gegenüber. Was alles war seit jenem August-Abend über beide ergangen, als sie sich unter der alten Linde zum letzten Male in die Augen blickten! „Wirst du mir je verzeihen können, liebe Berta," sagte Doktor Kühns mit weicher Stimme, „daß ich, wenn auch unabsichtlich, durch meine unglückselige Bitte, mir einen Abschiedsgruß zu gönnen, so unsägliches Leid über dich gebracht habe?" „Ich habe dir nichts zu verzeihen," ent- gegnete sie, „ein eigenes, unbegreifliches Geschick waltete über uns, und eine srevelnde, schänd liche Hand bemächtigte sich des ihr günstigen Zufalles, um mein Lebensglück zu zerstören und dich ebenso unschuldig in einen schändlichen Verdacht zu bringen." „So weißt du alles?" fragte der junge Mann. „Alles," gab sie tonlos zur Antwort. Eduard ergriff ihre Hand. „Du weißt also," rief er tief bewegt, „daß ihr beide betrogen wurdet? — Du bist schwer von dem Grafen gekränkt — kann ich für ihn Verzeihung bei dir erlangen?" — Als Berta schweigend die Augen senkte, fuhr er fort: „Er hat wie du gelitten und " „Heiratet die Baroneß von Bingen," fiel Berta ihm ins Wort. „Aber ich trage keinen Groll im Herzen gegen den Betrogenen — ich bedaure, ich bemitleide ihn nur." „Berta," rief freudig der Jugendfreund, „es ist ja alles Lug und Trug, was aus dem von Geldernschen Hause kommt. Der Graf hat sich mir vertraut, er und ich kämpften gegen das schändliche, listige Weib — vereint suchten wir deine Spur, und in dem Augenblick, wo du gefunden, wird das Spinnennetz der giftigen Intrigantin zerrissen sein, und Graf von Rohden schließt dich als seine über alles geliebte Braut in die Arme." Berta fühlte ihr Innerstes erschauern. „Nicht jetzt — nicht jetzt! Ich kann ihm jetzt nicht begegnen, ich muß Ruhe, Frieden mit mir selbst zu gewinnen suchen," hauchte sie. „Berta," bat er, „in deinen Worten drückt sich ein Zweifel aus. Aber glaube mir, der ich dir entsagte und dir das denkbar höchste Glück wünsche, das wir Sterblichen erreichen können, glaube mir, seine Liebe hat nie aufgehört, sein Herz hing mit Allgewalt an dem deinen. Ich selber war es, der ihm den Rat gab, im von Geldernschen Hause eine gerechterweise erlaubte List dem unerhörtesten, schändlichsten Betrug entgegenzusetzen, um diesen zu entlarven. Der Graf, obgleich er gefälschte Briese, die täuschend ähnliche Handschriften trugen und dich auf das schmählichste verdächtigen, empfangen hatte, ver ließ Cannes, wohin er sich geflüchtet, um dich in unsrer Heimat, in deinem stillen Waldhause aufzusuchen. — Er fand das Haus verlaffen, — du solltest nach Hamburg gegangen, nach Amerika ausgewandert, vielleicht auch hier in der Residenz sein. Wenn je ein Mann seine rasche Handlungsweise bitter bereut hat, so war es von Rohden. Einen edelmütigeren Menschen gibt's wohl kaum zum zweitenmal, und er verdient es, glücklich zu werden." „Glücklich zu werden," hauchte wie träumend das Mädchen. „Wahre Liebe miütraut niemals." Dann blickte sie ihn mit ihren lieben Augen groß und treuherzig an und lächelte: „Du bist ein rechtschaffener Anwalt, Eduard, und ich ein schwaches Mädchen, das ihn einst über alle? liebte. Ich meinte, meines Lebens Ideal ge funden zu haben, sank vor demselben auf die Knie und betete es an." „Bertha — so sprichst du, wie dein Her rs dir gebietet. O, laß mich, wie es heute eine Zufälligkeit mir erlaubte, ein junges. Menschenleben zu retten — so der Vereiniger zweier edlen Menschenherzen werden! — Willigst du ein — ?' Sie senkte den Blick, um dann wieder die Augen aufzuschlagen, aus denen die Tränen wie leuchtende Kristalltropfen hervordrangen. . „Sag' ihm," flüsterte fie, „daß ich ihm me gezürnt habe, ihm auch ferner nicht zürne." 15. An diesem ereignisvollen Tage hatte die Vost dem Grafen von Rohden eine gerichtliche Zustellung aus Liliental überbracht, die ihn aufforderte, sich drei Tage später zur Zeugen vernehmung in Sachen des früheren Ver walters Hoffmann wegen Selbstanklage des ver suchten Meuchelmordes vor dem Untersuchungs gericht einzufinden. Der Graf war am Abend im Bureau Doktor Kühns' gewesen, hatte ihn aber nicht getroffen. Er hinterließ ihm ein Schreiben, worin er Doktor Kühns mitteilte, daß er schon am nächsten Morgen abreisen wolle, weit er zugleich auf seiner Besitzung verschiedene not wendige Geschäftsangelegenheiten Z» regeln
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