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Allgemeiner Anzeiger : 11.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190511114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19051111
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051111
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-11
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.11.1905
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Infolge eines Irrtums schwer ver wundet wurde der in Rostock im Hause des ^meister? v. O. weilende Freikeir v. Tiele- Winckter-Rothenmoor. Er Katte sich am späten «beno, nachdem alles zur Ruhe gegangen war, »och einmal in das Eh,zimmer begeben und wurde dort von dem Hausherm, der ihn im Dunkeln iür einen Einbrecher hielt, durch einen Schuh schwer verletzt. Ja der Nordsee gestrandet ist in der Nacht zum Sonntag bei heftigem Weststurm das pommersche Handelsschiff „Roland". Die ganze Besatzung ist ertrunken, das Schiff ver loren. Verunglückte Feuerwehrüöung. Bei einer gemeinsamen Feuerwehrübung, die die Kanter und Wilhelmshavener Feuerwehr am Aamer Rathause anstellten, brach die Schiebe leiter. Ein Werftarbeiter wurde getötet, zwei andre wurden schwer verwundet. Brandstiftung. In dem Kontor des Warenhauses Gebrüder Boetzin in Bochum ent stand am Montag früh Feuer, das rasch um sich griff. Als die Feuerwehr eintraf, wurde der Inhaber des Warenhauses mit durchschossener Schläfe ausgesunden. Man vermutet, das; der Inhaber den Brand angelegt und dann Selbst- Word verübt hat 8Ü00V Mt. unterschlagen. In der Franümter Filiale der Diskontogesellschaft wurde der Prokurist Panser wegen Veruntreuungen von 80 000 Mk. verhaftet In: Berfolguugswahkstuu hat in Ham- burg-Hom die Frau des Lehrers Köniz ihre Dame durch einen Schuf, in den Kopf schwer Und ihren Mann durch zwei Schüsse in den Arm leicht verletzt. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte. In einem Wirtshaus zu Duisburg- Ruhrort kam es zwischen einem eben einge- kehrten Radfahrer und einem andern Gaste zu einer Schlägerei, weil der letztere behauptete, das Fahrrad wäre sein Eigentum und ihm ent wendet worden. Erst die herbeigerufene Polizei lonnte die Ruhe wiederherstellen. Das Rad war aber inzwischen von einem dritten aus dem Hausflur — gestohlen worden! Beim Spielen dis ergeue Mutter er schossen. Die Witwe Könnet in Köln ist von ihrem elfjährigen Sohn, der mit einem ge ladenen Flobert spielte, erschossen worden. Ein Glücklicher. Ein Fuhrknecht in Altenessen hat auf sein Los den ersten Hauvt- gewmn der Metzer Dombau-Lotterie tm Be trage von 100 000 Mk. gewonnen. Sech- Woche« Gefängnis für einen Kutz. Der auf einer Ackerwirtschast bei Mann heim bedienstet gewesene Knecht Efsenwein aab in einer Scheune einem Mädchen wider dessen Willen einen herzhaften Kuß. Der Dienstherr, der in diesem Augenblick hinzukam, erstattete Anzeige, infolgedessen gegen den Knecht An klage wegen Beleidigung des Mädchens er hoben wurde. Die 3. Strafkammer in Mann- Heun verurteilte jetzt den Schwerenöter für seine »Liebenswürdigkeit" zu 6 Wochen Gefängnis. Im Scherz erschossen. Auf einem Forst hof bei Wittenburg erschoß ein Knechl im Scherz ein 18 jähriges Mädchen. Feuer im Eisenbahnwagen. Der durch den Rosenfteintunnel (in der Nähe von Stutt gart) fahrende Orientexpreßzug streifte einen auf dem Nebengleis kurz vorher entgleisten Güterwagen, wodurch die Lokomotive und der Speisewagen schwer beschädigt wurden. Im Speisewagen entzündete sich das ausströmende Gas. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden. Die beiden Packwagen Kes Orientexpreßzuges lind entgleist. Vom Zugpersonal und den Reisenden wmde niemand verletzt. Ein Kellner des Speisewagens erlitt einen Bruch des linken Vorderarms. Der Sachschaden wird auf etwa 1b 000 Mk. geschätzt. Berflmaunstod. In der Konkordiagrube bei Beuthen (Schlesien) wurden zwei Bergleute durch herabstürzenke Kohlen erschlagen. Ern doppelter Raubmord wurde am Sonntag abend von zwei Jntanlecisten in Ostrowo begangen. Der in Mislcarek bei Ojtrowo wohnende Händler Glapa und dessen L0 jähriger Sohn begleiteten Gäste nach"dem Ostrowoer Bahnhof. Auf dem NachhauMege wurden sie von zwei Infanteristen übe.Men. Ohne Anlaß erhielt zunächst der Vater einen Seitengewehrhieb auf den Kopf, so daß der Tod sofort eintrat. Hierauf wurde der Sohn so schwer verletzt, daß er ohnmächtig zusammen brach. Bei einer Untersuchung der Ssiten- gewchre in der Jnfanieriekaserne wurden zwei blutdespritzte Seitengewehre gesunden und die Besitzer derselben verhaftet. Winiergewitter. In der Gegend von Esseg (Ungarn) ging am 3. d. ein von starken elektrischen Entladungen begleitetes Gewitter nieder, bei dem ein Mädchen vom Blitz ge troffen und getötet wurde. Fürst Obolenski, Oberprokuraior des heiligen Synod, Nachfolger Pobjedonoszews. Hinter de« Kulisse« schoß sich im Stadt theater zu Rochefort die Pariser Sängerin Luciane eine Kugel ins Herz. Sie hinterließ einen Zettel, auf dem geschrieben stand: „Im Vollbesitze meiner künstlerischen Mittel, vom Publikum bejubelt, gehe ich in den Tod, weil alles wertlos ist, wenn mein Herz verdorrt." Der Millionevdieb Galley. In Bordeaux traf am Montag der Dampfer „Chili" ein, an dessen Bord sich ein Teil der von dem Millionen dieb Galley entwendeten Summe sowie die Juwelen seiner Braut befinden. Verheere»de Unwetter ia der Schweiz. Ungeheure Föhnstürme Haden in den letzten Tagen in der ganzen Schweiz gewütet und schweren Schaden gestiftet. Bäume wurden ge stürzt, Häuser abgedsckt und auf den Seen die Schiffe beschädigt. Die Luft war förmlich heiß, das Thermometer wies Sonntag nachmittag 4 Uhr über 20 Grad. Erdfturz. Am Montag fand auf der Insel Möen (Dänemark), auf der sog. kleinen Klint, ein ungewöhnlich großer Erdsturz statt. Etwa sechs Hektar Land stürzten hinab und wurden zum Teil von der Ostsee verschlungen. Außer dem Wert an Boden wird der Wert der abge stürzten Wälder auf etwa 10 000 Kronen ge schätzt. Die Ursache des Erdfiurzes ist die be deutende Unterminierung des Bodens durch unterirdische Quellen. Die Königin Amalie von Portugal stürzte am Sonntag früh mit ihrem Pferde. Sie trug Mr leichte Verletzungen davon. Überschwemmung i« der Türkei. Der Skutarisee sowie die Flüsse Bojana und Drina sind über ihre Ufer getreten und haben etwa 30 Ortschaften und mehrere Stadtteile von Skutari überschwemmt. Viel Vieh ist dabei umgekommen, auch find Verluste an Menschen leben zu beklagen. Anarchistische Schulmädchen hat die Polizei in Jassy aufgehoben. Die 16 jährige Schneiberiochtcr Vanescu war „Präsidentin", die Sitzungen wurden in einem unbenutzten Weinkeller abgehalten, dessen Wände revolutio näre Inschriften in roter Farbe trugen, über 30 Mädchen waren zugegen, die beim Eintritt der Polizei die anarchistische Hymne anstimmten. Als die Beamten mit der Arretierung be gannen, stürzte die Vanescu auf den Leiter zu und stieß ibn mit einem Dolche nieder; er starb an der Wunde. Auch die andern „jungen Damen" versetzten den vier Polizisten Hunderte von Kratz- und Bißwunden. Eine Menge anarchistischer Literatur in rumänischer und französischer Sprache wurde gefunden. Heirat i« de« Lüften. Die Amerikaner, die sich ost durch die sonderbaren Sitten beim Eheschluß auszeichnen, sind weit übertrumpft worden, und zwar von ihren neuen Untertanen auf den Philippinen, den Negritos von der Insel Mindanao. Wenn zwei Eingeborene aus dem Innern dieser Insel eine regelrechte Ehe eingehen wollen, begeben sich die Eltern des Brautpaares auf die Suche nach zwei jungen Palmbäumen, die recht schön gerade sind, eine glatte Rinde haben, von der gleichen Größe find und genügend nahe nebeneinander stehen. Wenn sie die gewünschten Bäume gefunden haben, benachrichtigen sie die Verlobten, die sich an dem zur Hochzeit vorherbestimmten Tage mit dm Hochzeitsgästen zu den beiden Palmen begeben. Auf das von einem der Anwesenden, der die Rolle des Standesbeamten spielt, ge gebene Zeichen beginnen Braut und Bräutigam jedes auf seinen Baum zu klettern. Ist der junge Mann bis zum Würfel gekommen, so streckt er den Arm aus und sucht den Wipfel des benachbarten Baumes zu erreichen, bis er mit seiner Stirn die Stirn seiner Braut be rühren kann, die ihrerseits alles mögliche tut, um die Verbindung zu erleichtern. Sobald die Berührung von den Hochzeitsgästen kon statiert ist, erklärt der Leiter der Zeremonie feierlich den Vollzug der Heirat. Diese Ver einigung in den Lüften hindert die Negriios durchaus nicht, sich später von einem katholischen Mönch einsegnen zu lassen — die Negritos gelten als zum Christentum bekehrt, — aber die Berührung mit der Stirn in den Lüsten macht für sie allein die Gültigkeit der Verbindung aus. Amerikanische Rechtsprechung. In Panafius in Pennsylvania wurde der Farmer Kennedy zum Tode verurteilt, weil er einen Telegraphisten, der seine Frau entführen wollte, ermordet hatte. Jetzt wmde auch seine Frau zum Tode verurteilt mit der Begründung, sie sei an dem Morde ebenso schuldig wie ihr Mann. Chinesischer Aberglaube«. Bor einiger Zeit wurde beabsichtigt, die Dampsboote, welche auf dem Hsiau Tsing Ho-Kanal nach Dang Tschia Kon ver kehren, bis zum Westtor fahren zu lasten. Der Stadtgraben von Tstnan, der von den verschiedenen Quellen und vom LotuStcich gespeist wird, fliegt in den obengenannten Kanal und man fing an, das Bett deS Stadtgrabens weiter auszugraben, um die Fahrt der Dampfboote zu ermöglichen. Die end gültige Ausführung dieser Absicht ist wieder unter lassen worden; wenigstens vor der Hand, und zwar aus folgendem Grunde: Die Brücke am Wcsttor sollte umgebaut und an deren Stelle eins moderne geschaffen werden. Man fing «n, die Brücke abzuraißen und der Abbruch war auch bereits zur Halste bewerkstelligt, da will man nachts eine Fee gesehen haben, Welchs mit weißer Hose bekleidet lZeichen der großen Trauer) an der Brücke sitzend weinte. Atan nimmt an, daß die gute Fee unter »er Brücke gewohnt haben muß, und'daß das Schicksal TfinanS von ihr beeinflußt werden könnte. Deshalb wurde beschlossen, die Ar beiten sofort emzustellen, damit die Fee nicht gestört wird. Über den abgebrochenen Teil der Brücke hat man eiligst Bohlen gelegt, so daß die Brücke jetzt ganz eigentümlich aussieht, vielleicht einzig in ihrer Art, — die eine Hälfte ist auS Stein, die andre aus Holz. — Das alte und moderne China! GericktskaUe. München. Der aus der Haft vorgeführte, wegen Diebstahls und andrer Vergehen mehrmals vorbestrafte Schuhmacher Franz Hermann M. war zweier versuchter Einbruchsdiebstähle und eine» voll endeten schweren Diebstahls, sämtlich im straf schärfenden Rückfälle begangen, angeklagt, der Dreher Hermann H.. ebenfalls in Hast, und der Arbeiter Friedrich Wilhelm B. waren der Hehlerei beschuldigt. H. war in der siebenten Morgenstunde des 1. September von dem Platzarbeiter Sch. dabei betroffen worden, wie er vor dem G-ldschrank in dem Bureau der Kohlenhandlung von M. u. M. kniete, den unteren Holzteil bereits erbrochen hatte und damit beschäftigt war, die obere Tür gewaltsam zu öffnen. Es gelang ihm jedoch zu entweichen. Einige Tage später verübte er in einer Nacht einen Einbruch bei dem Gastwirt R. in der Hermannstraße, wo er 4 Pakete Zigarren, 200 Zigaretten, ein Portemonnaie mit Inhalt, eine Uhr, ein Messer und drei Billardbälle mitnahm. In der Nacht zum 12. September wurde die im Keller des Hauses Karlstraße 16 wohnende Witwe M. durch ein Ge räusch munter und bemerkte vor ihren Fenstern zwei Männer, die ihr verdächtig vorkamen. Sie rief laut um Hilfe und verscheuchte dadurch die Diebe, die eS nach den am Morgen vorgefundenen Spuren auf das Bureau der Gefängnis-Gesellschaft und der Schreibstube abgesehen hatten. Die Angeklagten H. und B. hatten sich der Hehlerei insofern schuldig gemacht, als sie einen Teil der gestohlenen Zigarren von M. angenommen und bei deren Absatz mitge wirkt hatten. M. wurde zu 3 Jahr Zuchthaus und 5 Jahr Ehrverlust, H. und B. wegen Hehlerei zu je 2 Monat Gefängnis verurteilt. Metz. Ein Deserteur und Fremdenlegionär stand in der Person des Musketiers KoSzikowSki vor dem Kriegsgericht der 33. Division. KoSzikowSki war vor sechs Jahren in das Infanterie-Regiment Nr. 130 eingetreten und infolge Mißhandlungen durch „alte Leute" nach sechsmonatlicher Dienstzeit desertiert. In Frankreich, wohin er sich wandte, fand er keine Arbeit; ein Gendarm, auf den er stieß, überredete ihn, in die Fremdenlegion einzutreten, da er doch sonst ausgewiesen würde. Geduldig diente er dort feine fünf Jahre ab und wurde dann nach Frankreich abgeschoben. Da börte er von den KriegSgerüchten, die in der Marokkofrage auf tauchten; da muß er dabei sein, und zwar auf vaterländischer Seite; er kehrte sofort zurück und meldete sich bei seinem alten Regiment. Unter diesen Umständen ließ es das Gericht bei der geringsten Strafe von sechs Monaten Gefängnis bewenden, auch wurde von einer Versetzung in die zweite Klaffe des Soldatenstandes abgesehen. Kuntes Allerlei. Was koste» Hrrrscherbesnche? Die französische Regierung verlangt vom Parlament fast 3 400 000 Frank für die letzten Besuche. Der Empfang des Schahs von Persien und des Fürsten von Bulgarien in Paris kostete 40 000 Frank, der Empfang der fremden Marinen 148 000 Frank, die Reife des Prä sidenten der Republik nach Spanien 410000 Frank (die Reise des Präsidenten kostete 300 000 Frank, die Instandsetzung der fran zösischen Gesandtschaft in Madrid aus Anlaß dieser Reise 110000 Frank), der Empfang des Königs von Spanien in Frankreich 622181,50 Frank. * 4- * Sch«lh«mor. In einer Fortbildungsschule fragt der Lehrer nach den fremden Ausdrücken für Pflanzen-, Tier- und Steinrunde. Noch fehlt der Ausdruck Mineralogie. Freudestrahlend antwortet einer: „Die Steinkunde heißt mich noch die Steenegraphie." Berichtigung. „Wollen Sie vielleicht eine Partie Billard mit mir spielen?" — „Nein, mit einem Affen spiel' ich nicht!" — „Herr! . . . Was unterstehen Sie sich!" — „Aber erlauben S', so ift's ja net gemeint, — i' hab' jetzt schon sechs Seidel Wein, da hab' i halt an Affen — und mil'm Affen spiel i' net." (,Lach. J-hrh,') Ei« humaner Hauswirt. Hauswirt: „Wann werden Sie denn endlich mal Ihre Miete bezahlen?" — Mieter: „Wat, for so'n Loch, wo'n janzen Dag keene irische Luft ein kann, woll'n Se ooch noch Miete haben?! J'bt's ja jar nich!" — Hauswirt: „Schön, das soll anders werden, ich werde dafür sorgen, daß Sie an die srische Luft kommen." Beschwerde. „Nu kiek bloß so 'nen Laden schwung; verlange ick da 'nen Priem, und det Rindvieh jibt mir Lackcitze?" — „Det is noch janitcht. Ich will neulich mal vor'n Jroschen Benzin holen, und da wickelt mir der dumme Kerl 'n Automobil in!" (HM. Bi.-) Gut gesagt. „Was ist eigentlich aus den Geschwistern Renneberg geworden?" — „Bruno, ist Förster, und Schwester Lina hat auch 'as Aufschnittgeschäft." c^ch.3°m.-) — ——s Graf v. Rohden blieb inmitten des Zimmers stehen — er vernahm Stimmen in dem Salon und wurde somit unfreiwilliger Zuhörer des Gespräches zwischen dem Baron von Geldern und dessen Enkelin. Die Damastportiöre ver hüllte dem Auge den Blick in den Salon, aber das Ohr vermochte deutlich zu vernehmen, was gesprochen wurde. Der Gras hörte die Stimme Idas. „Du weißt doch, Großpapa, daß ich Graf von Rohden erwarte. Du hättest ja morgen Zett genug zum Fragen gehabt." „Ich verlange heute Antwort von dir, be stimmte Antwort!" begehrte der Alte auf. „Ich WM Ruhe haben in den wenigen Nächten, die mir zu leben noch gegeben find. Und deshalb sollst du mir Antwort stehen. Ich frage dich Wiederi „Wo ist deine arme Cousine? Du allein wirst es wissen. Du hast mir die Höllen- uachricht inS Ohr geflüstert, der ich Glauben beimaß, bis mir ein Zufall Aufklärung über das Verhältnis, welches zwischen dem Grasen, Doktor Kühns und Berta bestand, verschaffte. 3a, ich weiß, du haßt fiel — Aber nimm dich in acht! Meinen Willen kann ich stündlich ändern! Ich bin einst ein grausamer Vater gewesen, aber ich will alles, alles wieder gut machen. Ich muß deshalb wissen, wo Berta ist." Die Sprache des alten ManneS war ein Durcheinanderhaften von Härte, Schmerz und Angst und klang bei den letzten Worten wie «in klägliches Bitten. Diesen Moment benutzte die Baronesse, um wsch einfallend zu antworten: „Aber wie kann ich denn wissen, wo Berta sich befindet? Die Nachricht von ihrem Ver hältnis mit Doktor Kühns, ihre Zeugnis ablegung für ihn find doch Gutachten, welche in den Zeitungen zu lesen waren, warum be schuldigst du mich denn so ganz unberechtigter weise? Laß uns morgen weiter von dieser unliebsamen Affäre sprechen, liebster Groß papa," fügte sie schmeichelnd hinzu, „du wirst sicher heute nacht gut schlafen. Jetzt kann jeden Augenblick Graf von Rohden hier sein." „Ja, Graf von Rohden," zeterte der Baron, „derselbe Mann, der die arme Berta zum Weibe begehrte und sie dann von sich stieß, gerade wie ich einst meine beste Tochter. — Das war schlecht von dem Grafen, so mit dem schutzlosen Mädchen zu verfahren! Aber die größte Schuld trifft mich — ich — ich — bin der Mörder ihres Vaters, den meine gute Tochter nicht zu vergessen vermochte, der sein Kind, das einzige, heilige Pfand der reinsten Liebe, welches die Dulderin ihm hinterließ, über alles liebte — du willst den Grafen beiraten? Ha ha, er glaubt wohl eine reiche Erbin heimführen zu können. Laß ihn dich nur zum Weibe wählen, er wird eine auf Almosen angewiesene Braut bekommen. Das Erbteil deiner Mutter ist längst durch deinen ver storbenen Vater in alle Winde geweht und noch viel mehr; — denn ich bezahlte obendrein seine bedeutenden Schulden. Alles, was ich besitze, gehört Berta — nicht ein Groschen davon deiner Mutter oder dir." Wenn Blicke den hilflosen, gebrechlichen Greis, der sich in furchtbarer Aufregung befand. hätten töten können, er wäre als Leiche zu Idas Füßen hingesunken. „Bedenke" — fuhr der Baron fort — „daß der Graf gewiß zurücktreten wird, wenn ich nach Pflicht und Recht Berta das Ihrige gebe. WaS dann mit dir, ungehorsames Kind?" „Der Graf kann nicht mehr zurücktreten, — täte er's, so gibt es Gerichte, die ihn zwingen würden, mich zu ehelichen oder mir eine hohe Abstandssumme zu zahlen," — rief, sich in ihrer aufflammenden Wut vergessend, die schöne Furie. „Und bei solcher Denkungsart nennst du Liebe, was du für den Grafen zu fühlen glaubst? — O, ich werde mit Graf Rohden fprechen, werde ihm sagen, daß du weder Herz noch Gefühl für daS Bessere hast. Fliehen soll er dich und alles aufbieten, Berta wiederzu finden. — Sie ist edel und gut, wie ihre Mutter es war, die meine Grausamkeit mit Liebe und Güte vergalt. — Auf dein Geheiß schrieb ich Tor in einem unglückseligen Augen blick jenen verhängnisvollen Brief, welcher Bertas Vater das Leben kostete. O, daß ich gut machen könnte, was ich getan! Anstatt den Stolz, den Haß zu nähren, nähme ich meinen edelmütigen Schwiegersohn und meine Tochter an mein Herz und hielte diese guten Wesen in allen Ehren als die teuersten, mir vom Himmel anvertrauten Gaben. — Ich kann nicht sterben, ohne die Verzeihung der ver stoßenen Berta erfleht zu haben — bevor nicht meine Hand sich segnend auf ihr liebes Haupt gelegt hat." Der Greis stieß die Worte in Absätzen hervor, aber io deutlich, daß keins derselven dem wie am Flecke gebannt gehaltenen Horcher entging. Er hörte schaudernd, wie auf die ihn selber erschütternden Worte des alten, dem Tode ent- aegengehenden ManneS das herzlose weibliche Wesen, das vor ihm stand, nur ein kaltes Lachen hatte, von den wenigen Worten be gleitet: „Armer Großpapa, du bist krank, wir werden wirklich ernstlich für dich Sorge tragen müssen. — Entschuldige mich jetzt, der Graf muß jeden Augenblick kommen, klingele deinem Diener, wenn dn seiner Hilft bedarfst —" Der Graf hörte dann noch die Worte des Barons: „Geh — geh — hinweg aus meinen Augen —" v. Rohden trat rasch zur Eingangstür zurück, öffnete sie und überblickte den Korridor. Hier stand das die Baroneß erwartende Kammer- Mädchen. „Wissen Sie, wo die Baroneß von Bingen weilt?" fragte er unbefangen die Zofe. „Das gnädige Fräulein ist drinnen bei dem alten Herm Baron," antwortete diese, und der Graf trat in daS Zimmer zurück, jetzt geräusch voll die Tür hinter sich schließend. In demselben Augenblick ertönte der Helle Laut der elektrischen Glocke, welche den Diener des allen Barons wohl herbeirief — seine unnatürliche Enkelin verließ kalt und gleich gültig den hilflosen, vielleicht sterbenden Groß vater. — Ws er (Fortsetzung folgt.)
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