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„Mit Vergnügen." „Das freut mich. Dann wallen wir gleich mal in oie Stadt fahren. Da kommt gerade die Trambahn." Vvlka fragte mit finsterer Miene: „Wollt Ihr mich wieder cinfpinnen?" „Ihr sollt Herrn Kommissar Fehrer einige Auskünfte geben. Je nachdem die ausfallen, seid Ihr foforr wieder frei." „Na ja, nur kennen das man schon." Die beiden Männer bestiegen die Straßenbahn und befanden sich zwanzig Minuten später vor sichrer, der sogleich den Volka vornahm. „Nun, Volka, wir haben uns ja lange nicht gesehen." „Hab auch gar keine Sehnsucht nach Ihnen gehabt, Herr Kommissar." „Was macht Ihr, seit Ihr entlassen seid?" „Ich suche einen ehrlichen Erwerb, aber dazu laßt Ihr einen ja nicht kommen." „Nur langsam! — Brenner, leeren Sie ihm mal die Taschen." Es fand sich nichts Verdächtiges. „Nun, Volka, wo waren Sie am Sonntag abend zwischen acht und zwölf Uhr?" „Ja, dat weiß ich doch heute nich mehr, Herr Kommissar! Ich führe kein Tagebuch, wie 'n Backfisch." „Sie können sich gar nicht entsinnen? Das wäre aber schlimm für Sie." „Wat soll ich denn nu wieder gemacht haben?" „Im Hause des Herrn Chevallier in der Lützcnstraße ist Sonn tag abend eingebrochen worden." „Dat bin ich nich gewesen, Herr Kommissarius." , Wo waren Lie denn?" „Weiß ich doch heut nicht mehr!" „Na, da will ich Euch mal helfen," fügte Hedde; „um halb zehn Uhr wäret Ihr in der Lchenke von Meller." „Kann sein." „Dort fordertet Ihr Oel für ein Fahrrad." „Ach ja." „Wer war Euer Begleiter?" „'n Fremder, der-mich nach dem Bahnhof frag. Ich sagt ihm, da geh ich auch hin, ich muß bloß noch etwas Oel holen. Und wir gingen deshalb in die Wirtschaft." „Also der „große Unbekannte"?" Volka zuckte die Achseln. „Wohin gingen Lie dann?" „Zum Bahnhof, um mein Rad zu holen." „Uno dann?" „Fuhr ich nach der Heide. Ich wohne dort in der Herberge zum Schimmel." „Wir werden ja sehen, ob alles wahr ist. Sv lange bleibt Ihr hier." „Natürlich! Immer einsperren! Anders könnt Ihr nichts, wenn Ihr in der Klemme sitzt." „Nur keine Frechheiten, Volka!" drohte Fehrer. Man telephonierte zum Bahnhof, znr Polizeiwache, in deren Bezirk die Herberge „Znm Schimmel" lag und erfuhr, daß Volkas Aussagen unwahr waren. Der Gauner hielt sie aber dennoch aufrecht. „Nun merkt auf, Volka: Weist Ihr Euer Alibi znr Zeit von acht bis zwölf Uhr abends nicht nach, so fällt auf Euch der Ver dacht, bei Chevallier den Einbruch und den Mord begangen zu haben. Habt Ihr also auch etwas anderes auf dem Kerbholze, so gesteht das lieber ein, als daß man Euch des Mordes anklagt." „Den muß man mir erst beweisen," sagte der Gauner kalt. Volka kam in Untersuchungshaft. Brenner wurde zu dem Heinrich Kruse gesandt, dessen Wohnung der namenlose Brief genau bezeichnete. In der Tat wohnte dort ein Mann fvlchen Namens bei einer Plätterin zur Untermiete,' war aber nicht zu Hause, obschon der Abend Here ngebrochen war. Die ältliche Fran sagte, der Be sucher solle am Tage wiederkommen, Kruse habe Nachtdienst. „So?" sagte der Kriminalbeamte, den die Frau nicht als solchen kannte. „Was hat er denn jetzt für eine Beschäftigung?" „Er ist zur Aushilfe auf°dem Gülerbahnhof augestellt." „Trägt doch aber keine Uniforni!" meinte Brenner, aufs Ge- radcwohl darauf los sprechend. . „Nein, nur die Mütze, wenn er in den Dienst geht." Der Polizist wußte genug. Er sagte, er würde morgen wieder kommen und ging. Brenner ließ den nächsten Schutzmann sich vor das Haus postieren. Komme ein Mann mit Bnhnkappe, so solle er den zwar eintreten lassen, jedoch bei etwaigem Verlassen des Hauses anhalten und ihn sich answeisen lassen. Wäre es Krnse, so solle er ihn Kommissar Fehrer vorführen. Brenner begab sich znr nächsten Polizeiwache und frng per Telephon bei der Güterstation au, ob ein Heinrich Kruse dort aus hilfsweise angcstellt sei. Die Antwort lautete, einen Kruse gäbe es wohl da, aber der sei Betriebssekrctär und wohne nicht in der Benediktusstraße. Der Schutzmann vor Kruses Haus wurde durch einen Kriminal beamten abgclöst, und dieser nach zweieinhalb Stunden durch einen Kollegen. Um zwölf Uhr nachts kam Brenner, um mit diesem zu tauschen, doch, da sie gute Freunde waren^ blieben sie noch zu sammen. Gegen zwei Uhr morgens kam ein Mann mit einer Bahnuniformkappe die Straße herauf. Die Kriminalbeamten gingen ihm entgegen und richteten es so ein, daß sie mit dem Verdächtigen vor der Tür zusammenlrafen. Letzterer wollte gerade aufschließen, da frug ihn Brenner: „Lie sind Herr Heinrich Kruse, nicht wahr?" „Nein, wozu die Frage?" „Wir sind Polizeibeamte, hier sind unsere Karten und müssen Sie ersuchen, uns zur Wache zu folgen, wo Sie sich auszuweisen haben." „Das ist etwas anderes, wenn Sie von der Polizei sind. Ich bin der Kruse." „Dann kommen Sie einmal mit." „Wozu?" „Das werden Sie dort erfahren." Kruse war fahl geworden. Als man ihn auf der Wache durch- fuchte, fand sich ein komplettes Einbruchswerkzeug bei ihm vor. Er behauptete, er habe diese Sachen „soeben auf der Straße gefunden" und vorgehabt, sie morgen früh an's Fundbureau abzuliefern. Lo sehr die Polizeibeamten an Ausflüchte von feiten Schuldiger gewohnt waren, verblüffte sie die Dreistigkeit dieser Ausrede. Den Volka wollte Kruse nicht kennen. „Was treiben Sie denn nachts? Weshalb tragen Lie diese Kappe?" „Da ich keine Arbeit habe, biete ich Fremden meine Dienste als Kofferträger an. Deshalb trage ich auch die Bahnmiitze. Ani Tage würde man mich leicht wegen unbefugter Lohndienerei abfassen, deshalb wage ich es nur nachts." Die Polizeibeamten wußten nun, daß sie es mit einem ganz geriebenen Verbrecher zu tun hatten. Ausweispapiere besaß er nicht. Er kam in Haft. 9. Am folgenden Morgen fnhr Chevallier frühzeitig aus und zwar direkt znr Bellerstraße. Vor dem Hause Nummer vier ließ er halten. Dort wohnte Fräulein Anna von Schelder. Er stieg die Treppe hinauf und klingelte an der Türe des ersten Stockes. Ein niedliches Zöflein öffnete und führte ihn sogleich zu ihrer Herrin. „Guten Morgen, Charles." „Guten Morgen, Herz," sagte er, ihre Hand küssend. „Bist Du noch immer schlechter Laune?" „Ach, wie soll es anders sein! O, diese Zeitungen! Sie werden nicht müde, von dem Mord und dem Lelbsimorde in der Lützenstraße zu schreiben." Chevallier lächelte. „Ist das alles? Tröste Dich, sie werden schon aushören. Das Material ist bald erschöpft. Wenn Dich sonst nichts quält — —. Auch das ist erledigt," sagte er und überreichte ihr ein dickes Couvert. Die junge Dame schob es errötend unter ein Buch. „Nein, mich quält noch etwas anderes, Charles." „Ich habe Dir diesmal ziveitausend Mark, also das Doppelte gebracht, und bitte Dich, Dir mehr Zerstreuung zu gewähren." „Ach, Theaterbesuche, Gcsellschaftsabende, Bälle und alles das ändert nicht meine Peinliche Lage. Ich habe meine Familie verlassen, meinen alten Vater bitter gekränkt, nur um Dir zu folgen. Sechs Monate sind verflossen, und noch hat uns der Priester nicht ver einigt. Du weißt nicht, wie man über mich spricht!" ' „Ich kann es mir denken, armes Kind," sagte er, und sie plötzlich an sich ziehend, drückte er einen heißen Kus; auf ihre Lippen. „Nein, wir »vollen nicht länger warten, ich verspreche es Dir!" „Auch ich habe viel in diesen Tagen gelitten," sprach er nach denklich vor sich hin und seufzte. Das Mädchen sah ihn ängstlich an- „In ja, Tu bist so sonderbar! Was bedrückt Dich? Du ver heimlichst mir etwas. Ich fürchte mich, wenn ich Dich Plötzlich so in Nachdenken versinken sehe und Du seufzest. Mir ist dann, als drohte uns ein Unglück." „Närrin," sagte er wieder lächelnd, „es ist doch allzu natür lich, daß mich so außergewöhnliche Vorfälle aufgeregt haben. Tu weißt, meine Nerven bedürfen eines anderen Klimas als das deutsche. Bisher verreiste ich alljährlich, und ich möchte es auch Heuer so machen. Nur soll das gleichzeitig unsere Hochzeitsreise sein." „Reisen wir nach dem Süden?" „Jo." „Und wann?"