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poUriscke kunälckau. Erlast einer Verfaffuag i« Rußland. Die Entscheidung des Zaren ist nun endlich gefallen. Nachdem ihn die unhalt baren Zustände im russischen Reiche von der Notwendigkeit weiterer Zugeständnisse über zeugt haben, hat er ein Verfassungs- Manifest erlassen, das eine bedeutende Ausdehnung des Wahlrechts aller Klassen in sich schließt und dem Volke Teil nahme an allen Regierungs-An gelegenheiten gewährt. Der hauptsächlichste Inhalt des Mani festes ist: 1) Dem Volke find unerschütterliche Grundlagen der bürgerlichenFrei- heit auf Grund wirklicher Unantastbar keit der Persönlichkeit, der Gewissens freiheit, Redefreiheit, Versammlung?- und Koalitionsfreiheit zu schenken. 2) Ohne die vorausgesehenen Wahlen zur Reichsduma zu unterbrechen, sollen sofort zur Teilnahme an derselben nach Möglichkeit der kurzen Zeit bis zu den W ah l en die Volks- klassen herangezogen werden, die bis jetzt gar kein Wahlrecht hatten. Später soll daS allgemeine Wahlrecht gemäß den vorausgesehenen neuen Gesetznormen geregelt werden. 3) Ms unumstößliche Regel soll festgestellt werden, daß kein Gesetz Kraft haben soll, das nicht durch die Reichsduma gutgeheißen wird und allen vom Volke Erwählten soll die Mög lichkeit gegeben werden, eine wirkliche Teil nahme an der Kontrolle der gesetzlichen Tätigkeit der eingesetzten Behörden aus zuüben. Am Schluffe werden „alle treuen Söhne Rußlands" aufgefordert, fich ihrer Pflicht dem Vaterlande gegenüber zu erinnern, zu helfen, die unerhörten Wirren zu unterbinden, und alle Kräfte anzuwenden, um Ruhe und Frieden im Vaterlands herzustellen. * * * * Der Jubel des Volkes auS Anlaß des Zarenmanifestes, das die Verfassung in sich schließt, ist ungeheuer; die Menschen umarmen fich auf offener Straße; Offiziere hielten freiheit liche Reden und wurden bejubelt. Witte ist der Mann der Lage. Infolge des Zarenmani festes wird der Eisenbahner-Ausstand schnell beendet werden; einige Züge verkehren schon wieder. — Graf Witte legte in einer Denkschrift an den Zaren sein Regierungs programm nieder. Auch bereitet er den Erlaß einer Amnestie für politische Verbrecher vor, durch den allen in letzter Zeit verhafteten politischen Verbrechern Straffreiheit zugefichert wird. * * * Deutschland. *Der König von Griechenland traf am Mittwoch beim Kaiser in Potsdam zum Besuch ein und hat im Neuen Palais Wohnung genommen. Dem offiziellen Charakter des Besuches entsprechend fand großer Emp fang statt. König Georg wird voraussichtlich am Donnerstag abend oder Freitag früh Pots dam wieder verlassen. Von Potsdam begibt fich der König nach Paris, wo er dem Präsi denten Loubet einen offiziellen Besuch abstatten wird. Darauf besucht er die Höfe in London und Wien, möglicherweise auch in Rom. — Diese Besuche gelten bekanntlich der Kreta- trage. * DerKaiser empfing den F ürstbischof von Olmütz Dr. Bauer. * Generalleutnant v. Xy land er, der langjährige ehemalige bayrische Bundesrats- bevollmächtigte, ist in München gestorben. * Der Reichstag ist durch kaiserliche Verordnung zum 28. November einbe rufen worden. *Die Entwürfe zum Reichshaus haltsetat für das Jahr 1906 find soweit fertiggestellt, daß mit der Drucklegung begonnen worden ist. Dem Bundesrat dürften bereits in diesen Tagen einige Spezialetats vorgelegt werden, sodaß er mit den Beratungen noch in dieser Woche beginnen kann. Dem Reichstage soll, woran ja auch stets festgehalten worden ist, der gesamte ReichshaushaltSetat gleich bei seinem Zusammentritt vorgelegt werden. * Die Vorlage über die Reichsfinanz reform ist bereits ausgearbeitet und kann dem Reichstag sofort nach seinem Zusammen tritt zusehen. Wie der ,Fränk. Kur/ aus Berlin ersährt, besteht die neue Tabaksteuer in einer Erhöhung deS Gewichtszolls, abgeftuft General Dragomirow ch. Der russische General Michail Dragomirow ist im Alter von 75 Fahren gestorben. In ihm ist eine der hervorragendsten militärischen Autoritäten Ruß lands dahingegangen. Er war einer der populärsten Generale Rußlands, in Theorie und Praxis gleich erfahren. Besonders trat Dragomirow im russisch türkischen Kriege hervor. Er führte die russische Avantgarde und wurde am Schipkapaß schwer ver wundet. Im ostasiatischen Kriege konnte er wegen seines geschwächten Gesundheitszustandes keine Ver wendung mehr finden. nach dem Verwendungszweck. (Was heißt das? Red.) Die Biersteuer enthält auch das Surrogatverbot außer für obergärige Biere. *DerLo tteriev ertragmitPreußen ist von dem gemeinschaftlichen Landtage der Herzogtümer Koburg und Gotha ange nommen worden. Ebenso genehmigte der Meininger Landtag in seiner Sitzung sm Montag den Lotterievertrag mit Preußen und den andern Bundesstaaten und den Entwurf zu einem neuen Lotteriegesetz nach der bezüglichen Vorlage mit allen gegen sieben Stimmen. *Die Landtags-Stichwahlen in Baden am Sonntag haben der Zentrums- Partei nicht gehalten, was ihnen die Haupt wahlen versprochen Hutten. Bei den 23 Stich wahlen, an denen es beteiligt war, ist dem Zentrum nicht ein einziges Mandat zugefallen. Es wurden 9 Naiionalliberale, 6 Sozialdemo kraten, 3 Konservative, 2 Demokraten und 1 Freisinniger gewählt. Die zweite Kammer setzt fich nunmehr zusammen aus 23 National- liberalen (gegen den früheren Bestand weniger 2), 5 Demokraten (weniger 1), 1 Frei finnigen (weniger 1), 12 Sozialdemokraten (mehr 6), 28 Zentrumsabgeordneten (mehr 5), 4 Konservativen (mehr 3). *Die gesamten Verluste unsrer TruppeninDeu t s ch -Südwestafrika betragen jetzt 1621 Mannschaften und Offi ziere, davon 1025 Tote und 596 Verwundete. Österreich-Ungar». *Der ,Pester Lloyd' bespricht das von Baron Fejervary entwickelte neue unga rische Regierungs-Programm und rühmt dessen ehrliche Abfichten sowie dir treff lichen Anregungen, die es enthalte, erklärt jedoch, daß bei den gegenwärtigen Verhält nissen im Abgeordnetenhause alle Mühe ver geblich sei und daß nur Neuw ahlen eine Entscheidung bringen könnten. Die Blätter der der Oppositionsparteien äußern fich pessimistisch und erklären, das Programm werde die Lage nicht bessern. Die sozialistische Presse drückt ihre Genugtuung über das Pro gramm aus und bezeichnet es als den Beginn einer neuen Ära in Ungarn. Jrankreich. *Die Verhandlungen gegen die in die An gelegenheit des Bombenattentats auf den König von Spanien verwickelten Anarchisten werden vom 27. bis 30. November stattfinden. Schweiz. * Bei den schweizerischen Nationalrats wahlen am Sonntag haben die Sozial demokraten nur einen Bewerber durchgebracht. Bisher hatten fie sechs Sitze im Nationalrate. Spanien. * Das neue spanische Ministerium ist nach einigen Schwierigkeiten unter dem Vorfitz des bisherigen Ministerpräsidenten Montero Rios gebildet. Das neue Kabinett ist folgender maßen zusammengesetzt: Montero Rios Präsi dent, Inneres Garcia Prieto, Finanzen Eche- garay, Äußeres Gullon, Handel Romanones, Unterricht Eguilior, Krieg und Marine Weyler, Justiz Puigcerver. Rußland. * Auf den Bahnlinien Moskau—Petersburg, Moskau—Kasan und Moskau—Archangelsk ist der Ausstand beendigt. * Der Oberprokurator deS russischen heiligen Synods, Pobjedonoszew, hat seine Entlassung eingereicht. *Die Bemannung der Schwarzen- Meer flotte soll gemeutert und ihre Führer getötet haben. Java«. *Das Marinedepartement in Tokio gibt bekannt, daß der „Wss ad nik" in Port Arthur wieder gehoben ist. Asse«. * Der amerikanische Admiral Train, der das Unglück hatte, auf der Fasanenjagd eine chinesische Frau zu töten, wurde bei Nanking von Chinesen niedergeschlagen, sein Sohn als Geisel sestgenommen. Bei dem ohnehin ge- svannten Verhältnis zwischen China und den Ver. Staaten ist dieser Zwischenfall von ernster Bedeutung, um so mehr, als die chinesischen Offiziere mit den Dorfbewohnern gemeinsame Sache machen. bayrischen Suäget figuriert als Einnahmeposten der Betrag von 171 429 Mk., gleich 100000 Gulden jährliche Rente, die Bayern von Österreich bezieht, und zwar auf Grund des am 14. April 1816 zu Frankfurt a. M. zwischen Österreich und Bayern abgeschlossenen Vertrages, in dem Bayern einen Geheimartikel durchsetzte, worin Bayern die Erwerbung deS badischen Main-Tauber-Kreises schon für die nächste Zeit in Aussicht gestellt wurde, und zwar nach dem damals befürchteten Erlöschen des Mannesstammes der badischen großherzoglichen Familie. Österreich ging die Verpflichtung ein, bis zur Durchführung dieser Abtretung eine jährliche Rente von 100 000 Gulden an Bayem zu bezahlen. Der Main- Tauberkreis ist die Landverbindung der alten Kurpfalz mit den neuen fränkischen Provinzen, die Bayern vor 100 Jahren noch der Säkulari sation zufielen. Baden änderte sein Hausgesetz am 4. Oktober 1817 ab, und es gelang dem Großherzog Karl auf dem Aachener Kongreß von 1819 das Erbrecht der aus der zweiten Ehe seines Großvaters Karl Friedrich stammen den Grafen von Hochberg, der heute noch in Baden regierenden Linie des Zähringer Hauses, gegen österreichische und bayrische Ansprüche durchzusetzen und die Gefahr einer Zersplitterung des jungen Staatswesens zu beseitigen. Das damals bunt zusammengewürfelte badener Land, dessen Gebiete aus den beiden alten Markgraf schaften Baden-Baden und Baden - Durlach, Teilm der Kurpfalz, Vorderösterreichs und kleinerer weltlicher und geistlicher Herrschaften bestehen, ist fich dann in den Kämpfen, die um die Umwandlung des alten FeudalstaateS in einen Rechtsstaat geführt werden mußten, seiner politischen Einheit bewußt und eines der verläßlichsten Glieder unsres deutschen National staates geworden. Die österreichische Rente, die Bayern heute noch bezieht, sollte aus Gründen der nationalen Ehre auS dem bayrischen Budget gestrichen, der häßliche Flecken aus einer über wundenen unrühmlichen Vergangenheit getilgt werden. Von uns fern. Urrfall der Königin voa Württemberg. Königin Charlotte von Württemberg stürzte auf einem Spazierritt im Seewald am Bodensee mit dem Pferde, das vor einem aus dem Gebüsch tretenden Forstwart scheute. Die Königin kam unter daS Pferd zu liegen und erlitt erhebliche Schürfungen an der Stirne. Königen Charlotte bestieg unerschrocken wieder das Pferd und ritt zum Schlosse zurück, wo jedoch ein Arzt gerufen werden mußte. Gefahr ist nicht vorhanden. Ne«eS Körner-Denkmal. In Döbling bei Wien, wo Theodor Körner 1812 seinem „Zriny" schrieb, fand am Sonntag die feierlich« Enthüllung des vom Bildhauer Leiseks ge schaffenen Kömerdenkmals statt. DaS deutsche Telegraphenkabel von Schanghai nach der Karolineninsel Jap, dessen Auslegung durch den deutschen Kabeldampfer „Stephan" am 26. v. beendet wurde, ist durch schnittlich in einer Tiefe von 6000—8000 Meter verlegt. Es ist das, worauf besonders hin gewiesen zu werden verdient, eine bisher un erreichte Leistung. Ei« interefsauter Altertums f«nd. Beim Umbau des Doms in Königsberg i. Pr. fand man ein aus dem 16. Jahrhundert stammendes Grabdenkmal, dessen Mittelstück ein Bild zeigt, das die Kreuzigung Christi darstellt, während sich im Hintergrunds die Stadt Danzig mit der Katharinenkirche in ihrer ursprünglichen Gestalt präsentiert. Der Grabstein wird zur Reinigung nach Hannover gesandt. Alsdann wird aus der Inschrift wohl auch hervorgehen, wen der Grabstein gedeckt hat Schwerer Eise«bah«««sall. Auf der Station Langenhagen der Strecke Hannover- Soltau fuhr ein 87 Achsen langer Güterzug auf einen Personenzug. Die Maschine des Güterzuges wurde in einen Wagen 4. Klasse gedrückt. Die Reisenden wurden durch das auf steigende Wasser verbrüht und durch die Feue rung verbrannt. Fünf Personen wurden getötet, vier schwer verletzt. Gallenmord. Der 26jährige Mechaniker Friedrich Heintz aus Pforzheim erschoß, wie er angab aus Versehen, seine 23 Jahre alte Frau. Er wollte nach einem unbedeutenden Wort wechsel seine Frau durch Vorhalten eines Ge wehres ängstigen, das Gewehr ging los und eine Bleikugel drang der Frau durch den rechten Oberarm und die Lunge und ging auf der andern Seite wieder zum Körper hinaus. Der Tod trat fast augenblicklich ein. Eine ergötzliche Cholerageschichte er eignete sich, der ,Ostpr. Ztg.' zufolge, in diesen Tagen auf einem Fahrzeug, das die Gilge stromabwärts trieb. Nachdem der llberwachungs- arzt das Boot einer Revision unterzogen, wurde dem Schiffer Kalkmilch verabreicht und ihm die erforderlichen Verhaltungsmaßregeln geg^ew Mit halbem Ohr jedoch nur hörte der alte Seebär diese an und brummte fortwährend da zwischen: „Kenn ich allens aus die frühere Cholerazeit I" Am Nachmittage trifft der Arzt auf der Rücktour den kenntnisreichen Schiffer wieder, und dieser macht dem Arzt Vorwürfe, daß seine Kalkmilch doch wohl nicht mehr „frisch sein müsse, da er fich ordentlich den Niagen verdorben", trotzdem er selbige mit dem Trink wasser noch verdünnt habe. Für die nun mehrigen Belehrungen zeigte der Schiffer mehr Aufmerksamkeit. U Älaiafrieär. 19j Roman von Adalbert Reinold. (Fortsetzung.) „Doch, doch," rief Graf Rohden, „ich weiß, daß Fräulein Rheinsberg für Doktor Kühns als Zeugin in die Schranken trat, aber es wäre ja doch immerhin möglich —" Die Baroneß maß den Grasen mit lauerndem Blick, fie hatte vielleicht eine Frage auf der Zunge, aber fie stellte keine. Mit stolzem, kalten Hohn und achselzuckend erwiderte fie: „Doktor Kühns ist neuerdings mit meiner Cousine gesehen worden. Glauben Sie denn, lieber Graf, der Großpapa hätte nicht die unzweifel haftesten Beweise von der Leichtfertigkeit meiner Cousine, mithin die gewichtigsten Gründe ge« habr, ihr das Betreten unsrer Schwelle ein für allemal zu verbieten? Dotrs nons, meine Vermutung geht dahin: Wo Doktor Kühns ist, dürfte diese Dame nicht weit davon sein. Und nun entschuldigen Sie bis auf Wiedersehen; meine Mama — ich sehe fie eben und möchte einige Worte mit ihr tauschen." Die Baroneß reichte dem Grafen die Hand. Dann rauschte sie in den Saal. Im Innern triumphierte fie, der Hieb mußte fitzen, fie glaubte einen ihrer besten Trümpfe ausgespielt zu haben. Nicht im entferntesten ahnte fie, daß ihre hämischen Verdächtigungen eine ganz andre Wir kung bei dem Grafen Hervorrufen würden, als fie erhoffte. Graf von Rohden war> wie es gewöhnlich die edelsten Naturen find, der Mann des Augen blicks. Er ließ fich dann von seinen Gefühlen ost Hinreißen. Kam er erst zur Überlegung, so schwankte er lange hin und her, er erwog und zauderte, und es entstanden dann langdauernde Zwischenräume. Sein Blick folgte der Baroneß — er seufzte tief auf. Ein Gedanke wallte bei ihm auf und war ihm zugleich Entschluß. Ec zog seine Uhr. „Halb acht," murmelte er, „noch treffe ich ihn, die Bureaus find gewöhnlich bis neun Uhr ge öffnet, und das seine ist in der Nähe." Der Graf blätterte in seinem Notizbuch. Dann durchschritt er den Saal nach der Ein gangspforte. Nahe derselben, aus einem Nebenzimmer tretend, begegnete ihm die Baroneß. Sie blickte ihn forschend an und sragte dann, ihm mit anmutigem Lächeln die Hand reichend: „Sie wollen uns doch nicht verlassen, Karl?" Zum erstenmal sprach fie wieder wie früher seinen Vornamen aus, denselben sanft betonend. „Bitte um Entschuldigung," entgegnete Graf Rohden, „keineswegs sage ich Adieu, eine notwendige geschäftliche Angelegenheit bestimmt mich, um acht Uhr präzise zur Stells zu sein. Ich hoffe, binnen einer Stunde das Vergnügen zu haben, Sie wieder zu sehen." Ein neuer forschender Blick der schönen Baroneß traf den Grafen, aber in seinem ernsten Gesicht zuckte kein Muskel, seine Augen blickten ruhig in die ihren. „Nun, halten Sie ihr Versprechen!" sagte sie, und ihr Auge blickte ihn zärtlich an. Dann fuhr fie wie scherzend fort: „Graf, — Sie sprachen vorhin von einer Waldrose. Die Rose hatte Dornen für Sie und hat Sie verwundet. Gestatten Sie mir, das schmerzliche Andenken auszuiöschen, indem ich Ihnen eine dornenlose Rose spende." Und mit Grazie löste fie die schönste Rose, welche inmitten der Halskrause ihren weißen Busen schmückte und denselben berührt hatte, und überreichte die süß duftende Blume dem Grafen, ihm zugleich sanft mit ihrer behand schuhten Hand die seinige drückend. Die Rose an die Lippen drückend, sagte er, fie wie firmend betrachtend: „Ich nehme fie, Ida, fie ist das Sinnbild der Liebe und Treue. Schade," setzte er fast unhörbar und mit einem tiefen Seufzer hinzu, „daß die herrliche Blume, so jung, so lieblich — in vollster Entfaltung vom Baume gebrochen, nur eine schöne Blumen-LeiSe ist. — Ich werde bald zurück sein." Er küßte Idas Hand und verließ unter einer Verbeugung den Saal. Die Baroneß sah ihm sinnend nach, dann wandte fie fich — ihr Blick flog unstet durch den weiten Saal. „Es war unvorsichtig," — murmelte fie — „seine Gedanken wieder auf fie hinzulenken. — Wenn er Mißtrauen schöpfte! — Wenn , all meine Pläne wären vernichtet. — Wäre fie hier! O könnte ich die Natter zertreten!" 11. Das Bureau des neuen Rechtsanwalts Dr. Kühns war trotz der erst vor einigen Monaten geschehenen Eröffnung ein vielbesuchtes. Freilich rekrutierten fich die Klienten deS jungen Advokaten nicht aus der vornehmen Klasse. Er harte sowohl im Zivil- wie Straf verfahren einige sogenannte Armen-Prozesse, die ihm überwiesen wurden, zugunsten seiner Parteien zu Ende geführt und zugleich durch sein Auftreten vor den Gerichten, wozu eine besondere Schlagfertigkeit und sein überzeugender Vortrag, gepaart mit streng ausgesprochenem Rechtsgefühl beitrugen, sowohl die Aufmerksam keit und dann den Beifall der Richter, wie das Zutrauen der Beteiligten und Zuhörer ge wonnen. Der junge Anwalt arbeitete mit ganz be sonderem Fleiß, ja mit einer Art von Hast und war bis spät abends als letzter in seinem Ge schäftszimmer. Der Regulator verkündete heute gerade die achte Stunde — seine Sprechzeit war dam» beendet. Ec erhob fich von seinem Sessel, durchschritt ein paarmal das Zimmer und dann, die Tür zur Schreiberstube öffnend, rief er den jungen Leuten zu: „Sie können jetzt fortgehen; ich bleibe noch, lassen Sie die Lampe wie gewöhnlich brennen! Er ließ die Tür aufstehen und trat wieder an seinen Arbeitstisch. , In diesem Augenblick kam noch ein Besuch. Eine Männerstimme fragte: ob Herr Dr. KühnS noch zu sprechen sei, und gleich darauf trat ein Schreiber herein, dem Anwalt eine Karte über reichend. . , - Dieser las die feine Inschrift — der einfache Name flimmerte ihm vor den Augen, trieb un willkürlich das Blut nach seinem Herzen. Der Name lautete: „Graf Karl von Rohden.