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Allgemeiner Anzeiger : 13.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190512132
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19051213
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051213
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-13
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.12.1905
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politische Kunäschau. Die Wirren in Rußland. * Immer und immer wieder züngeln in Rußland aus der Asche der Revolution die Gluten auf. So wurde in Saratow der General Sacharow, einer der besonderen Vertrauensmänner des Zaren, durch drei RevolverschSffe ermordet. Eine „Nihilistin" (wie man sie früher bezeichnete), die einer Ver bindung angehört, die hauptsächlich für Ab schaffung der Todesstrafe eintritt, wurde als Täterin verhaftet. — Die übrigen Meldungen aus Rußland sprechen von einem teilweisen Nachlassen des Telegraphenbeamtenstreiks. — Zur Vorbereitung des geplanten politischen Generalstreiks hatte der Rat der Arbeiterdeputierten Delegierte in die Provinz entsandt, um die Stimmung zu sondieren. Sie find jetzt zurückgekehrt und verkünden, daß die Arbeiterrayons Charkow, Jekaterinoslaw und Krementschug keine Lust zum Streik verspüren, vor Weihnachten wenigstens nicht, da sie finanziell zu sehr erschöpft find, um einen dritten politischen Streik mitzümachen; doch sei grundsätzlich der politische Generalstreik für Januar von allen angenommen, besonders die Nordwestgsbiete Rußlands seien dazu bereit. * Die Lage der Petersburger Regierung wird durch Gewalttaten nicht gebessert. Immer rühriger arbeiten die Anhänger des alten Regi ments, um den Grafen Witte zu stürzen. Die Monarchistenpartei in Moskau entsendet im Namen der neurusfischen, ortho doxen Bevölkerung zur Abgabe einer feierlichen Erklärung über dieFestigung der Selbst herrschaft eine Abordnung an den Kaiser. Auch sonst mehren sich die Beweise dafür, daß von der monarchischen Partei mit Hochdruck ge arbeitet wird, um die Verfassung zu hintertreiben. * Aus Anlaß derVerfassungsbestre- bungen des Zaren ist im russischen Kaiser- hauseeinZwist entstanden, dessen Wirkungen zur Zeit noch nicht übersehbar find. Der Zar wollte nämlich einen Erlaß unterschreiben, worin er zur Beruhigung des aufgeregten Volkes kundgeben wollte, daß er am Tage der Er öffnung der Reichsduma die neue Verfassung beschwören werde. Als er am Schreibtisch saß und einigen Mitgliedern des Zarenhauses diese Urkunde vorlas, um sie gleich darauf zu unter schreiben, stieß ihn Boris Wladimirowitsch an, wobei dem Kaiser die Feder aus der Hand fiel, Ob dieser Vorfall absichtlich herbeigesührt wurde, oder ob es sich dabei um einen Zufall handelt, will niemand genau wissen. Tatsache aber ist, daß die Urkunde bis heute noch nicht unter zeichnet ist. * InReval versuchte der deutsche Dampfer „Bingen" vergebens seine Ladung zu löschen. Er hatte Post sowie 40 Telegramme an Bord und mußte Slite auf Gotland anlaufen, um die Post abzuliefern. * Uber Livland ist der Belagerungs zustand verhängt worden. Deutschland. * Herzog Karl Eduard von SaLsen- Kobnrg-Gotha hat das Protektorat über dm GothaischenLandesverband des Deutschen Flottenvereins übernommen. *Ein deusch-abessinischer Han delsvertrag soll demnächst an den Reichs tag gelangen. Wie verlautet, soll der Vertrag die Gleichstellung der deutschen Reichsange hörigen und Ausfuhrwaren mit den Vertretern und den Erzeugnissen andrer Staaten verbürgen. *Der Entwurf eines Gesetzes betr. die Ab änderung der Gewerbeordnung liegt jetzt dem Reichstage vor. Der Entwurf will die im Baugewerbe herrschenden Mißstände beseitigen. Von der Einführung des Be fähigungsnachweises wird hierbei ab gesehen. *Aus Südwestafrika meldet Gou verneur v. Lindequist, daß der Kapitän der Hoachanasser Hottentotten Man ässe nebst 23 Anhängern im Gefecht bei Gubuoms ge fallen sei. Kapitän Michael von Omaruru und sein Bruder Hugo hätten sich mit acht Be gleitern bei der Behörde in Walstschbai gestellt. (Der neue Gouverneur ist vom Glück alHrr- ordentlich begünstigt.) Österreich-Ungarn. * Die Anwesenheit des Königs von Griechen land in Wien wird mit einer Vermittelung Osterreich-Ungarns im griechisch-rumä nischen Konflikt in Verbindung gebracht. Man hält in Wies den Moment dazu nicht für günstig, da die leitenden Persönlichketten der beiden Balkanstaaten allzu temperamentvolle Herren find. In Athen dürfte sich jedoch bald ein Kabinettswechsel vollziehen, und dann stände Der ermordete General-Adjutant des Zaren Sacharow ch. einer österreichischen Vermittelung nichts im Wege. Frankreich. *Die französischen Blätter l.ußern sich wenig befriedigt über die jüngste Rede des deutschen Reichskanzlers, ins besondere vermißt man die Anerkennung der französischen Interessen in Marokko. (Diese Ansicht von der Sachlage läßt nicht die Auf fassung in deutschen Landen bestehen, als hätte Frankreich sich schon gänzlich mit der Not wendigkeit einer Auseinandersetzung mit Deutschland bezüglich Marokkos abgefunden.) England. * „Karnickel hat angefangen". Die .Times' und ihre Gesinnungsgenossen wollen ganz un schuldig sein: nur D euts ch land und seine Politik und Presse haben die Entfremdung zwischen beiden Völkern verursacht. So heißt es jetzt in den Äußerungen englischer Blätter zu der letzten Reichstagsrede des Fürsten Bülow. Es verlohnt einstweilen der Mühe nicht, darauf näher einzugehen. Norwege«. * In allen Kirchen Christianias fand am Donnerstag ein Dankgottesdienst für den glücklichen Ausgang der Königs- Wahl statt. In der Erlöserkrrche wohnten der König, die Regierung, das Storthing und die Stadtvertretung dem Gottesdienst bei. Spanien. *Auch Spanien hat in diesem Jahre seine Militärvorlage. Die Budgetkommisfion der Kammer hat einen außerordentlichen Kredit von 20 Millionen für den Ankauf von Kriegs material in Spanien und andern Ländern, be sonders 200 Geschützen bewilligt. Jus ciem Keickstage. Im Reichstag begann am Mittwoch dis erste Lesung des Etats, der Flottenvorlage und der Reichsfinanzreform. Reichskanzler Fürst Bülow! leitete die Besprechung ein. Dre KeichSfinanzreform ! sei die wichtigste der drei Vorlagen. Mit ein« ! kleinen Finanzreform sei der Regierung nicht ge- s dient, sie wolle etwas Dauerndes schaffen. Die i bisherige Art der Matrikularbeiträge habe nicht der- - hindert, daß das Reich seit 1875, wo es schuldenfrei war, eine Schuldenlast von dreieinhalb Milliarden anhäufte. Jede neue Steuer, solle sie einigermaßen ergiebig sein, müsse auch allgemeine Genußmittel treffen. Dabei sei der denkbar geringste Druck für die Steuerpflichtigen anzustreben. ReichSschatzsekretär Frh. v. Stenael gab die gewohnte Übersicht über das abgelaufene und das laufende EtatSjahr und eine Voraussicht auf das kommende. Seine Ausführungen blieben im ein zelnen vollkommen unverständlich. Abg. Fritzen (Zentr.) bedauerte die späte Ein berufung des Reichstags. Ohne Bewilligung von Diäten werde der Etat nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können. Redner forderte vom Reichskanzler nähere Mitteilungen über die Marolkoangelegenheit und unser Verhältnis zu England und Japan. In bezug auf die Forderungen der Flotte sagte er wohl wollende Prüfung, Zustimmung aber nur unter Vor behalt gesicherter Deckung zu. Bei der Tabaksteuer empfahl er den Wertzoll und Freilassung deS Rippen tabaks. Für die Brausteuer wollte er nur Surrogat verbot und Staffelung, nicht aber die Erhöhung zu- gestehen. Vor allem aber erklärte er sich entschieden gegen die gesetzliche Beschränkung der Makikular- beiträge auf höchstens 24 Mill. Mk.; äußersten Falles müsse man die Erbschaftssteuer bei ganz großen Vermögen auf Kinder und Ehegatten auSdehnen. Reichskanzler Fürst Bülow ergriff hieraus nochmals das Wort, um über die auswärtige Politik zu sprechen. Die gcaenwärtige Lage sei keine durch aus befriedigende; Verstimmungen seien erst über wunden, neue zu befürchten. Man habe zu rechnen mit einer tiefgehenden Abneigung der öffentlichen Meinung in England argen uns. Er begrüße, es, daß sich in allerletzter Zeit Ansätze zeigten in ernsten englischen Kreisen zur Beseitigung dieser bedenklichen Spannung. Der Reichskanzler äußerte sich weiter über den Dreibund. Eine Abwendung Italiens vom Dreibund sei nicht zu besorgen. Deutschland müsse allerdings sorgen, daß es stark genug sei, im schlimmsten Falle auch ohne Bundesgenossen allein seine Stellung verteidigen zu können. Die Be ziehungen zwischen Deutschland und Japan seien gut und freundlich. Die Räumung China? von den Besatzungstruppsn werde Wohl im Frühsahr erfolgen können. Von den Wirren in Rußland halte Deutschland sich vollständig fern; weder mit Ratschlägen, Angeboten noch irgend einer Art von Intervention sei man an Rußland heran- getreten. Ein llbergreifen der Unruhen nach Deutschland, darauf möge man sich verlassen, werde die Regierung zu verhindern wissen. Die ein gehende Darstellung von der Entwickelung der Marokko frage, die Fürst Bülow dann gab, ge stattet einen Einblick in den großen Ernst der Lage, Lie durch die Frage vor einiaen Monaten geschaffen worden war. Für Deutsch land handelte eS sich darum, Front dagegen zu machen, daß über seine Interessen in Marokko ohne seine vertragsmäßig erforderliche Zu stimmung verfügt werde. Dieser klare RechtSstand- punkt habe angesichts der versuchten gefährlichen und unberechtigten JgnorierungSpolitik sestgehalten werden müssen. Daß man Deutschland das Motiv unterschiebe, es suche nach einem Anlaß, über Frank reich herzufallen, sei absurd. Wenn derartige Gerüchte aufkommen könnten, beweist dies, daß feindselige Stimmungen gegen Deutschland vorhanden seien, denen gegenüber man auf der Hut sein müßte. Wer Deutschlands Friedensliebe noch nicht erkannt habe, der will sie nicht sehen und da helfen auch alle Versicherungen nicht. Am 7. d. setzt das Haus die erste Beratung des Etats, der Flottenvorlage und der Reichsfinanzreform fort. Staatssekretär des Marineamts v. Tirpitz: Die Novelle enthält die etatsmäßige Vermehrung unsere? FlottenbestandcS durch sechs große Kreuzer, die sowohl zur Friedens- wie zur Kriegs Verwendung bestimmt sind. Sie sind bestimmt, im Auslands — daher der Namen „Auslandskreuzer" — die Ses- und Handelsinteressen Deutschlands zu vertreten und die deutsche Flagge zu repräsentieren. — Die Mer- seeinteressen Deutschlands sind ganz rapide gestiegen, so daß, was die Reichsregierung als Auslandsver tretung plant — vis» große Kreuzer als Stationäre, vier große Kreuzer als BerbindungSgeschwader — als sehr mäßig zu betrachten ist, namentlich, wenn man bedenkt, was andre Nationen in dieser Hin sicht tun. Das Verhältnis zwischen Linienschiffen und großen Kreuzern beträgt in England 1:1, bei uns 3:1. Wird we Novelle angenommen, werden wir bei 38 Linienschiffen zwanzig große Kreuzer besitzen. Weiter fordern wir eine Vermehrung der Torpedo boote. Der russisch-japanische Seekrieg hat bewiesen, daß das Torpedoboot nur dann etwas nutzt, wenn seine Mannschaft und eS selber durchaus kriegStüchüg sind. Das Unterseeboot hat Verbesse rungen erfahren. Wir fordern deshalb 5 Millionen für Unterseeboote. Für dis Armierung der Schiffe kommt die erhöhte Bedeutung in Betracht, die in neuerer Zeit das Ferngefecht gewannen hat. Die Vergrößerung der Schußweite übt auch auf di« schwere Artillerie ihre Rückwirkung aus, und des halb müssen die Schiffe größere Tragfähigkeit er halten. Auch deshalb brauchen wir größere Schiffe. Erforderlich wird mit den größeren Schiffen eine Erweiterung des Kaiser Wilhelm-Kanals auf beiden Setten. Notwendig ist die Verstärkung der einzelnen Geschützmannschaften. Die Kosten find so gewissen haft wie möglich geschätzt. Wir werden uns be mühen, im Rahmen dieser Schätzung zu bleiben. Hoffentlich stimmt eine möglichst große Mehrheit der Flottenvorlage zu, damit jedweder sehen kann, daß die erwählten Vertreter des deutschen Volkes in dieser Frage geschlossen hinter der Regierung stehen. Abg. Bebel (soz.): Die plötzliche Verabschiedung deS Reichstages im Sommer vorigen Jahres war ein Verfahren äußerster Rücksichtslosigkeit, gegen daS ich namens meiner politischen Freunde entschieden Protest einlege. Sowohl in der Thronrede wie in den gestrigen Ausführungen deS Reichskanzlers wird die gegenwärtige internationale Lage als Hochernst dargestellt. Eine Reihe andrer Äußerungen wie die des Kaisers auf dem Moltke-Bankett bestätigen diese Auffassung. Schon gegm Weihnachten vorigen Jahres sollen wir nach einer Rede des Abg. Paasche in Kreuznach unmittelbar vor einem Kriege mit England gestanden haben. Des Kaisers „Probo- kationS- und Demonstrationsreise" nach Tanger hat England und Frankreich erst zusammengeschweißt. Im Laufe dieses Sommers sollen wir wegen der Marokko- Frage von neuem dicht vor einem großen euro päischen Kriege gestanden haben. Durch Fehler in der äußeren Politik leidet unser ganzes Volk. Wenn Deutschland jetzt in Europa isoliert ist, hat es dieS zum größten Teil seiner eigenen Politik zuzuschreiben. Redner verlangt die Zurückziehung der deutschen Be satzung aus Kiautschou, daS nach Bismarcks Wort gerade groß genug sei, um viele Dummheiten zu machen. In seinen weiteren Ausführungen hebt Redner die Bedeutung der internationalen Sozial demokratie als Friedenshüterin hervor. Die Ver- tei'ung des deutschen Handels auf Land- und See mächte rechtfertige eine so übermäßig große Flotte nicht. Preuß. Finanzminister v. Rbeinbaben weist die Angriffe Bebels zurück. Abg. Bebel hat den deutschen besitzenden Klassen Mangel an Pflichtgefühl und Opferwilligkeit vorgeworfen. Aber die Arbeit geber tragen allein für die Arbeiterverfichcrung 276 Millionen jährlich. Das bat noch kein Land der Erde nachgemacht. Der Minister befürwortet darauf nachdrücklich die von allen Bundesstaaten einhellig gewünschte Änderung der Reichssinanzen durch die Reichsfinanzreform. Die Einzelstaaten können nicht über 24 Millionen Mark an Matri- kularbeiträgen leisten, ohne zu Anleihen geradezu gezwungen zu werden. Wohin soll es führen, wenn dar Reich als Gläubiger bei den Einzelstaaten er scheint und ihnen das Letzte nimmt? ES ist eine eminent politische Frage, daß man die Freudigkeit zum Reiche bet den Einzelstaaten vermehre, anstatt sie ihnen zu rauben. Der Minister geht dann auf die von dem Abg. Fritzen angeregte Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Kinder und Ehegatten ein und wamt vor einer Überschätzung der finanziellen Wirkung einer solchen Maßnahme. ES würde auch eine erhebliche Ungleichheit zwischen mobilem und immobilem Vermögen entstehen, die namentlich bei letzterem sehr oft dazu führen würde, die hypo thekarische Verschuldung zu vergrößern. Der Minister bestreitet die Richtigkeit der Behauptung, daß durch s die von den Bundesstaaten borqeschlagenen Steuern absolut notwendige Nahrungsmittel mit unerschwing lichen Lasten belegen würden. ES bekümmert da» Herz eines Patrioten, wenn in den letzten Tagen nur immer Einspruch gegen die neuen Steuern er hoben wird. Ist das der Dank für die Einigung deS Reiches? Bestehen wir denn nur noch auS Interessenten, und können wir denn gar keine Opfer, noch dazu nicht einmal schwere, bringen für not wendige Ausgaben? Ich denke zu hoch von unserm Volke, um anzunehmen, daß eS nicht doch norwendige Opfer bringt. Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.): Abg. Bebel nimmt sich das Recht heraus, zu prüfen, ob ein Krieg berechtigt ist, oder nicht. Wir sagen, daß in Fragen der nationalen Ehre und Wohlfahrt da» deutsche Volk wie ein Mann hinter seinem Kaiser stehen mutz. Zum Schutze gegen das Ausland wollen wir auch unpopuläre Steuern bewilligen. Dafür verlangen wir aber auch Schutz im Inland. Die Sozialdemokratie enthüllt ihr wahres Gesicht mit erschreckender Deutlichkeit — ich meine nicht den SecvtliSmuS und die Parteidiktatur, sondern die prinzipielle Vorbereitung zum Massenstreik und die Verherrlichung des Meuchelmordes aus Anlaß der russischen Revolution. Gegenüber diesen Ver hetzungen der Volksklassen gegeneinander läßt die Regierung es an der nötigen Energie fehlen. Wir sind nicht in der Lage, Maßregeln zuzustimmen, die Organisationen schaffen, die die Vorherrschaft der Sozialdemokratie sichern. Nächste Sitzung am 9. d. K Vie Kauern-Kfunkiläe. 8) Erzählung au» d. bayrischen Berge« v- Max Real. V-rtsewmg.) Veronika lachte hell auf. „Du derfst ma uo' so in» G'wiffeu red'«, «S hilft da nix. Wer mi will, «maß mi nieder- kiassn, nur so de-wingt er aa »ei Herz. Siehgst, i hab' halt koan Respekt vor dem Srippelmandeln, wia ff mnananda lauffn, aba aa gar koan, und »au, vor de« i koan Respekt hab', den kam i «et gern hab'n und de« ver trauet i aa «ei Wirtschaft net an!" „So, i8 dös dei' letz?» Wort l" ^ja, döS Kl" GuMherer hatte nach seinem Hut «griffe«, daun legte er ein Geldsttzck auf den Tisch und sagte: „No, wir well'« seh'g'n, wie wett du'S mit dein'm vbermuat »o bringst. Vielleicht kommt aa no' die Stund', woft froh warst, wenn der Gunthererbcmer zu dir auf» Freien kam. Ni? ober iS z'spat und für d' Reu' gibt dir koana an Pfemng. Und damit pfüat Gott, Bären Wirtin." Der Bauer wendete sich zur Tür. In diesem Moment tönten von fern her deutliche Hilferufe. „Hilfe! Hilfe!" Guntherer blieb wie angewurzelt auf seinem Platze stehen. ES war unterdessen so dunkel geworden, daß man in der Wirtsstube kaum mehr die Hand vor dem Gesicht sehen konnte. „Hilfe! Hilfe!" klang es wieder herüber. Im Hof schlug der Tyras laut und «arnend cu. „Da is an Unglück g'sLehen," rief Veronika und sprang, ohne auf Guntherer weiter zu achten, zur Tür hinaus. Dieser folgte ihr, mehr instinktiv als mit eigenem Willen. Er hatte Trautis Stimme erkannt und der Gedanke, daß seinem lieben Mädl etwas zugestoßen sein könnte, legte sich wie lähmend auf ihn. Erst als ihm auf der Straße die kühle Nachtluft über daS Gesicht fuhr, kam er zur Besinnung. „DSS iS d' Traudl g'wen," sagte er zu Veronika, die er eiligen Schrittes eingeholt hatte. „Es werd' ihr doch nix um Himmels- Willen g'scheh'g'n sein." Er sprach die Worte bebenden Tones. „Hoffentli' nix Schlimmes," sagte Veronika, ein noch rascheres Tempo emschlagevd, sodaß der Bauer ihr kaum zur Sette zu bleiben ver mocht«. Guntherer hatte gar nicht Zett, darüber sachzudenken, wie die Bärenwirtin dazu komme, ihm ihre allerdings ausgiebige Hilfe angedeihen zu lassen. Ihn beherrschte lediglich das schreck liche Gefühl, seiner Traudl sei ein Unglück zu gestoßen. Ws sie jetzt den schmalen Fußweg, der durch die Getreidefelder zum Gunthererhof Mct, entlang ritten und an die große Kek- blattlsube kamen, die den Abschluß des Ge müsegartens des Hauks bildet, zwang Veronika den Bauer plötzlich still zu stehen, indem sie gleichzeitig den Finger an den Mund legte. Aus der Laube klang ein heiseres, wildes Mstern. .Wannst no' mal schreist, na a'iLieht a Unglück!" hörten die draußen Stehenden einen Mann mit unterdrückter Stimme sagen. „Es braucht neamand z'wisfen, daß wir zwoa da beisamma san!" „Und wennst mi net geh'« laßt, Sepp, schrei i nomal . . . liaba sterben, wia de Schänd l" „Dumme Gans, bist in meiner G'walt, was ko i dafür, daß i di so wahnfinni gern hab'!" Man vernahm ein Geräusch, als ob der Mann das Mädchen an sich zu ziehen versuchte. Guntherer wollte in die Laube stürzen, Veronika hielt ihn aber zurück. „Du willst mi gern hab'n und überfällst mi wia a Räuber, während i da in da Laub'n fitz! Scham di! Und wennst ma jetzt an Weg net sofort frei gibst, schrei i, daß 's ganze Dolf z'sammlauft," sagte Traudl. „Vasuach's, aber i laß net von dir, ... du muaßt mi erhören," zischelte der Bursche. „I hab' mit dir nix z'schaff'n ... i will von dir nix, d'rum laß ma mei' Ruah!" Man vernahm jetzt wieder deutlich ein GelSulch, als ob das Mädchen sich den Lieb kosungen des Burschen zu erwehren suchte. „Wenigstens an Kuß! . . . Nur an oan- zigen," keuchte er. „Hilfe! Hilfe!" schrie jetzt Traudl. Guntherer konnte seinen Zorn nicht länger meistern. Er sprang über die niedere Hecke, die den Gemüsegarten begrenzte, und stürzte sich mit dem Nuie: „Lump elendiger!" in dis Laube. Ehe er fich's jedoch recht versah, schleuderte ihn der weitaus stärkere Unbekannte mit einem kräf tigen Ruck in ein Krautfeld, wo er stöhnend zwischen den noch jungen, aber kräftig aufge schossenen Stauden liegen blieb, während der Bursche rasch über die Hecke weg die Flucht zu ergreifen suchte. Aber er hatte die Rechnung ohne die Bärenwirtin gemacht. Veronika faßte den Fliehenden am Arm und hielt ihn fest, s» sehr er sich auch wehrte. „Halt, Bürscherl, so q'schwind san ma aal Dösmal hast's mit mir z'tuan." „Laß mi aus, wenn da dei'Leb'n liab is," sagte der Festgenommene mit vor Wut erstickt« Stimme. „Ja, was stehch i denn, der Lenzer Sepp is! I hab' ma's ja glei' denkt, daß du'S bist, a andrer is zu a solch ana Lumperei net, fähig!" erwiderte Veronika ohne jede Er regung, indem sie seinen linken Arm noch fester umschloß. In der rechten Hand des Sepp blitzte jetzt etwas Helles wie Metall, rasch Meß er gegen die Brust Veronikas. Diese aber hatte di« Absicht durchschaut. Sie fing den Stoß auf und umklammerte wie ein eiserner Schraubstock daS Handgelenk des Burschen, sodaß er vor Schmerz aufschreiend das Messer fallen ließ. „So hab'n ma net g'wett, Hadernstrick," sagte sie ernst, „zu mein'm und dein'm Glück is aus dein'm löblichen Beginnen nix wor'n. Oan Mukser aber wennst no' machst, na' sollst amal die Bärenwirtin kenna lerna!" Als ob diese Drohung nicht ohne Wirkung geblieben wäre, ging Sepp jetzt ruhig und ohne jeden Widerstand mit. Unterdessen waren auf den Lärm deS kurzen Kampfes und da»
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