Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 07.10.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190510070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19051007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051007
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-10
- Tag 1905-10-07
-
Monat
1905-10
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.10.1905
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
.Ler schwer beleidigte Zuchthäusler. Einer f" »schwersten Jungen", den das Hamburger Zucht- M- beherbergt, ist der Ein- und Ausbrecher Scboo. Ar ehrenwerte Herr, der wegen unzähliger Ein- Me zu 15 Jahr Zuchthaus und ebensolangem Hrderlust verurteilt worden war, wollte auf eigen- Mge Art beweisen, daß er seine Ehre dennoch nicht Moren habe, und er rief das Gericht an, daß cS M verletzte Ehre wiederherstelle. In einem Zivtl- ^rozeffe, den der Zuchthäusler gegen einen Bekannten dem Zuchthause heraus angestrengt hatte, be- UPtete eine Zeugin, seine Aussagen seien Agen. Schoo fühlte sich dadurch aufs tiefste kränkt und verklagte die Zeugin wegen Beleidi- Dg. »Herr Schoo", wie ihn der Vorsitzende des Schöffengerichts gutmütig nannte, hielt während °er Verhandlung eine donnernde Rede über die ihm getane Schmach. Und als die darob ganz reuige «"geklagte mit dem Ausdruck des Bedauerns die Beleidigung zurücknehmen wollte, da schwoll dem Een Zuchthäusler erst recht der Kamm, und in seinem -Plaidoyer" wies er aufs nachdrücklichste darauf hin, dH die ihm widerfahrene grobe Beleidigung aufs !Ergischste geahndet werden müsse, denn er habe «me Lust, „seine Ehre in den Kot ziehen zu lasten". W der Tat wurde auch die Angeklagte wegen ^leidigung de» „Herrn Schoo" zu 20 Mk. Geld- i«afe verurteilt. Triumphierend blickie der olle ehrliche Zuchthäusler auf die Bestrafte und ging Mz erhobenen Hauptes aus dem GerichtSsaal, um i>Ae nur noch zehnjährige Zuchthausstrafe weiter ^zusitzen. Zu Tode geprügelt. Nach kurzem Wort- Achsel prügelte Montag nacht in Nohr bei Mutt der Arbeiter Ortmann seine Frau aus versucht buchstäblich zu Tode. Der Mörder 'n entflohen. Folgenschwere Explosion. In Bünnar Ui Löningen entstand durch die Explosion eines ^nzinbehälters ein großes Feuer, durch das Mehrere Gebäude zerstört wurden. Zwei Arbeiter Mden lebensgefährlich verletzt. Erstochen wurde in Stuttgart in der Nacht Ak Montag der Küfer Kütteler von einem Ebener, den er aus seinem Hofe wegweisen Mte, nach kurzem Wortwechsel. Der Täter Mtde ergriffen. Brückeneinsturz. Der dritte Bogen der N dem Frühjahr im Bau befindlichen eisernen »Mrbrücke in Heidelberg ist am Sonntag einge- Azt. Menschen find nicht verunglückt, der ^iffahrtsverkehr aber dürste auf längere Zeit Mrt sein, da der eingeftürzte Bogen mit der vieren Hälfte im Flusse liegt, während die Edie aus dem Wasser herausragt. ES zogen drei Bursche« ... Auf dem Wchsberg spielte sich, wie aus Salzburg be- Met wird, ein erschütterndes Drama ab. Mi Handwerksburschen, namens Lechner, dkiebermg und Butzmüller, hatten sich verab- Aet, gemeinsam zu sterben und legten diesen Mchluß in einer von ihnen unterschriebenen Mlärung nieder. Sie hatten sich von ihrer Mchaft einen Revolver gekauft, und den Rest M 2 Kr. 40 H. vertranken sie. Sie begaben "4 sodann auf den Mönchsberg. Butzmüller h°b ^st Schüsse auf seine Kameraden ab und Me diese, dann legte er die Waffe gegen sich "'bst an und verwundete sich schwer. Butzmüller M noch an, daß er und feine beiden Kameraden Utchlossen hätten, gemeinsam zu sterben, weil U sich in Not befanden und keine Aussicht auf ^eit hatten. , Berühmtheit aus Aktien. Den ver- Mlen Talenten, die bisher im Dunkelsten der Mekanmheit nach der Sonne des Ruhmes pachteten, kann jetzt geholfen werden, und ^ürlich find es die Pariser, die das Mistel Abhilfe erfunden haben. In der Rue -Echslieu wurde ein franko-englisches Bureau „rasche Berühmtheit" eröffnet, dessen Leiter gekannten Schriftstellern und Künstlern gegen Unterlegung bestimmter Taxen einen ent- Mchenden Berühmtheitsgrad binnen kurzer "'ist verbürgt. z. Ei« Eifersuchtsdrama im Theater. Mhrend der Montag-Vorstellung im Eldorado- Mater in Nantes tötete der französische Mnant Thomas die Sängerin Rose Noel Mch einen Schuß aus seinem Dienstreoolver. N wurde festgenommen und gab bei seinem Mhör an, daß er beobachtet hätte, wie die Ml von der Bühne herab mit einem im "wkett fitzenden Herrn kokettiert habe. Dadurch 'ff er in solche Aufregung versetzt worden, daß er, seiner Sinne nicht mehr mächtig, die Tat begangen habe. Tödlicher Sturz aus dem Luftballon. Während eines Volksfestes in dem Paris benachbarten Saint-Cloud stürzten zwei Ameri kaner, Lowe und Foulley, die eine neuartige Fesselballonsahrt zum Gebrauche des Publikums vorbereiteten, aus einer Höhe von 40 Meter zur Erde. Lowe war sofort tot; Foulley ist schwerverletzt. Hebe« eiues englische« Kriegsschiffes. Die Ankunft verschiedener Sachverständiger in Sebaftopol, die von der Regierung beauftragt find, ein in der Bucht von Balaklawa liegendes großes englisches Kriegsschiff zu heben, erregt lebhaftestes Interesse. Das Schiff wurde während des Krimkrieges durch die russischen Landbatterien in den Grund gebohrt. Es sind bereits verschiedene Versuche gemacht worden, es zu heben, aber die Bergemittel waren stets ungenügend gewesen. Die russische Admiralität soll davon überzeugt sein, daß das gesunkene Schiff eine große Summe Goldes an Bord hat, das ursprünglich sür die Bezahlung der englischen Armee bestimmt war. Der bevor stehende Bergungsversuch wird durch den Italiener Restucci geleitet werden. Der Wert der Kriegskasse an Bord des Schiffes wird verschieden hoch geschätzt. Einige sprechen von einer Viertel Million, andre von mehr als 600 000 Pfund. — Restucci soll für den Fall, daß ihm die Bergung nicht gelingt, auf Zahlung verzichtet haben, während ihm im andern Falle ein Anteil an dem etwa gefundenen Golde versprochen ist. Er ist der Erfinder verschiedener Apparate für unterseeische Arbeiten. Die Pest in Sibirien. Meldungen aus Tschita besagen, daß auf den Bahnstationen Dalainor und Mandschuria Fälle von Beulen- peft festgestellt worden find. In Dalainor seien 20 Fälle vorgekommen, von denen 10 tödlich verliefen. Die Verwaltung beantragte, Trans baikalien sür pestbedroht zu erklären. Bon einer Seemine in die Luft ge sprengt. Die Schiffahrt in den ostafiatischen Gewässern ist noch immer durch zahlreiche schwimmende Seeminen gefährdet, die aus dem russisch-japanischen Kriege herrühren. Der Küsten dampfer „Hsieho" ist kürzlich von einer unter seeischen schwimmenden Mine bei Wei-Hai-Wei in die Luft gesprengt worden ist. Er wurde am Vorderteil getroffen und ging in zehn Minuten unter. Fünfzehn von der Mannschaft wurden in zwei Booten gerettet und von dem Dampfer „Chinhua" nach Schanghai gebracht. Ein drittes Boot mit einer gleichen Anzahl Personen schlug um und ging unter. Sine aufsehenerregende Brandstiftung glaubt man schuld daran, daß Sonntag nachts um 1 Ubr in den Militärwerkstätten von Hiro- schima (Japan) ein verheerendes Feuer aus brach. Noch ehe die Löscharbeiten wirksam ein greifen konnten, waren zwanzig Gebäude zerstört. Der Brand dauerte noch zwölf Stunden an, währenddem er weitere sieben Gebäude vernichtet hatte. Eine Untersuchung ist eingeleitet, um die Urheber des Brandes ausfindig zu machen, von dem man annimmt, daß er ebenso wie der Untergang der „Mikasa" ein Werk unzufriedener Elemente sei. GericktskaUe. Breslau. Wegen Poiidefraudation von 4531 Mark, begangen durch Beförderung des .Breslauer Generalanzeigers' mittels Expreß Boten wurve der Verleger Werle zu 34 964 Mk., sein Expedient zu 17 482 Mk. und zwei Botenehepaare zu kleineren Geldstrafen, alle zusammen übet 60 000 Mk. Slrafen — verurteill. Die Strafkammer hatte die Angeklagten zweimalffreigesprochen, das Reichsgericht aber die Urteile aufgehoben. Hannover. Der vom hiesigen Schwurgericht wegen doppelten Lustmordes an Kindern zum Tode verurteile Postschaffner Büther hat gegen das Todes urteil Revision eingelegt. H SerlinerHumor vor Geriet, Die gestörte Kanarienhecke. Vorsitzender des Landgerichts: Angeklagter Sch., die Anklage legt Ihnen zur Last, den Zeugen Wolf mißhandelt zu haben, indem Sie ihn mit einem Spazierstock ge schlagen haben sollen. Haben Se das getan? — Angeklagter seine breitschultrige Hünengestalt): Jewiß habe ick det jedan und deswejen, weil ick mir for eene Jemeinheit rcvangchicren mußte, die der Zeuje jejen inir verübt hat. — Bors.: Hatte er Sie be leidigt ? — Angekl.: Beleidijt, det iS jar keen Aus druck davor. Er hat mir jeschädijt und im höchsten Jcade lächerlich jemacht. Ick bin nämlich een jroßer Vogekliebkaber und een sehr erfoljreicher Kanarien- züchter. Uff verschiedene Ausstellungen bin ick prämiiert worden und ick muß sagen, det mein jrößtet Verjniejen meine Vöjel sind. Um die kritische Zeit wohnte der Zeuje Wolf bei mir möbliert. Ick sah mir aber veranlaßt, ihn zu kündijen, denn er hatte nemlich die Unverschämiheet jehatt, meine Dochter, als sie ihn den Kaffee rinbrachte, eenen Kuß zu jeden. Fir die Kündijung hat er sich denn uff schreckliche Weise jerächt. Eeenen Sonntag machten wir alle zusammen eenen Ausflug, weil det Wetter so scheen war. Die Diere von die Stube, wo ick meine Vöjel unterjebracht habe, mußte ick offen lasten, weil ick det Fenster nich offen lassen konnte und die Ausdünstung von die fuffzig darin be findlichen Vöjel doch eene Lüftung verlangten. Wolf blieb an den Dag zu Hause. Ick hatte damals fünf Kanarienweibchen zu fitzen, die über im janzen 19 Eier brüteten. Wir waren schon früh wejjemacht und wie wir abends nach Hause kamen, war natürlich mein erster Jang nach det Vogelzimmer. Ick hatte sofort den Eindruck, det een Unberufener in det Zimmer jewesen war. Die Vöjel waren merkwürdij unruhij, drei von den Kanarienweibchen saßen überhaupt nich uff ihre Eier und et schien mir, als ob die Eier nich mehr so läjsn, wie sie vorher jelcjen hatten. Wolff, den ick zur Rede stellte, stritt et ab und verbat sich eene der- artije Beiästijung. Eenije Zeit druff zoch er aus. Bon den Tage ab brüteten die Vöjel nich mehr so wie't sind sollte. Die fünf Weibchen gingen nur wider- willij uff ihre Eier und saßen bloß kurze Zeit, denn verließen sie wieder det Nest. Ick hatte so wat noch nich jeseh'n und frachte eenije erfahrene Kanarien- rüchter um Rat- Sie kamen, bekiekten sich die Nester, die Eier, die Vöjel, schüttelten die Köppe und wußten ooch kcenen Rat. Als die Vöjel unjefähr doppelt so lange brüteten wie et sonst der Fall iS, entschloß ick mir eens von die Eier uffzumachen. Ick hatte eene übelriechende verdorbene Flüstijkeet erwartet, statt dessen zeijte sich eene feste weiße Maste, und als ick det Müße aus'nanderpellte, kollerte det Jelbei mir in die Hand. — „Tet iS ja een jekochtet Ei!" sachte meine Olle, während ick entsetzt bald uff ihr, bald uff det Ei starrte. Eene dunkle Ahnung foljend, nahm ick det nächste Ei raus, aber wat soll ick Ihnen fachen, alle neunzehn Eier waren jekocht und zwar hart jekocht, mindesten« 10 Minuten. Mein Verdacht fiel uff Wolff. Nach Lage der Sache konnte et jar keen andrer jewesen sind. Ick habe ihn dadruff uffjesucht, ihn über's Knie jelejt und Zehne mit mein Bambusrohr »uffjezogen. — Herr Sch. wurde zu 10 Mark Geldstrafe verurteilt, doch stellte ihm der Vorsitzende anheim, gegen Wolff auf Schadenersatz klagbar zu werden. Kanavaio. Aus Paris wird berichtet: Ranavalo, die entthronte Königin der Madagassen, die die Franzosen aus ihrer Heimat entführt und nach Algerien verbannt haben, kommt wieder nach Paris. Die französische Regierung hat der armen Königin auf vieles Bitten die Erlaubnis dazu erteilt, nachdem sie ihr diese zunächst lange verweigert hatte. Auch jetzt noch wird die Königin nicht in Paris selbst bleiben können, sondern ohne Aufenthalt durchfahren und sich nach Saint-Germain begeben, wo ihr eine Villa zur Verfügung gestellt ist, nicht von der Regierung, sondern von einer ihr bekannten Dame. Sie darf aber von Zeit zu Zeit „inkognito" nach Paris kommen, um Einkäufe zu besorgen und Museen zu besuchen. So wird ihre große Sehnsucht nach dem Glanz und der Pracht der französischen Hauptstadt wenigstens etwas befriedigt werden. Sie hat es sich der einst wohl nicht träumen lassen, daß sie noch einmal ihr Leben als Verbannte und in ihrer Bewegungsfreiheit stark Beschränkte beenden würde. Sie mag oft traurige Vergleiche an stellen, wenn sie ihre heutige Lage ansieht und an die Zeit zurückdenkt, da sie selbst Hof hielt und in einem goldgewirkten Kleide erschien, von Stlaven auf einem Throne getragen, und alle die vornehmen Madagassen, ja auch die europäischen Diplomaten, sich tief vor ihr ver beugten; und ihre Hofleute waren besonders stolz, wenn ihre Königin sie würdigte, sie aus ihrem Bade ein wenig mit Wasser zu bet« spritzen. DaS war sür sie nicht weniger als anderswo ein Orden. Die arme kleine Königin verdankt ihr trauriges Los den Ratschlägen, die sie sich an ihrem Hofe einflüstern ließ. Besonders die den Franzosen feindliche Prin zessin Ramafindrazana hatte einen sehr großen Einfluß auf die Herrscherin. Unter den Günst lingen der Ranavalo, die sie bei ihrer Ver bannung verlassen mußte, befand sich einer, an den sie wohl noch häufig zurückdenken mag. Er hieß Ratfimihabu; er war ein sehr intelli genter junger Mann von angenehmem Äußern, der einige Jahre in Frankreich gelebt und dann ganz besonders die Aufmerksamkeit seiner Königin auf sich gewendet hatte. Der Sitte gemäß hatte Ranavalo ihren Premierminister geheiratet. Dieser starb in Algerien; man er innert sich wohl noch, daß sich eines Tages das Gerücht verbreitete, die entthronte Königin denke daran, sich wieder zu verheiraten. Zu der Reise, die Ranavalo jetzt „mit gütiger Er laubnis des französischen Kolonialministers" nach Frankreich unternommen hat, hat sie Vor bereitungen getrosten, als gelte es, an das andre Ende der Welt zu gehen. Alle Magazine der Stadt wurden geplündert, und sie kehrte immer mit Schätzen überreich beladen in ihr Haus zurück. Den ganzen Sommer über hatte sie in strenger Zurückgezogenheit verlebt, war wenig auSgegangen, hatte niemand empfangen und erfreute sich nur der Gesellschaft ihrer Lieblinge, eines Papageis, dreier riesiger Hunde und zahlloser Katzen. Ganze Stunden lang stand sie schweigend auf die Balustrade der Terrasse in ihrem Hause gelehnt und be trachtete das Panorama, das sich vor ihr aus- breitete. Jetzt endlich wird ihre Sehnsucht er- füllt, und sie wird aus der Lethargie für eine kurze Spanne Zeit zu ihrer alten Lebenslust erwachen. Kuntes Allerlei. Der Fingerabdruck als Schutzmittel gegen Urkundenfälschung. Der bekannte französische Gelehrte Bertillon macht den Vor schlag, Zahlungsanweisungen nicht nur mit der Unterschrift, sondem auch mit dem Abdruck des Daumens zu versehen. Ein Abdruck des Dau mens muß als Muster in Besitz der Bank sein, bei der der Aussteller der Anweisung ein Gut haben hat, damit der Abdruck auf dem vor- gelegten Scheck auf seine Echtheit geprüft wer den kann. Die Letter einiger großer Pariser Geldinstitute haben den Vorschlag sehr praktisch und annehmbar gefunden. Sie find bereit, mit dem Fingerabruck-Verfahren einen Versuch zu machen, wenn ihre Kunden damit einverstanden find. Das Verfahren wird fich aber wohl nur bei Anweisungen auf hohe Beträge als zweck mäßig erweisen. Ei« merkwürdiger „Nebenberuf". Vor einigen Tagen, so schreibt die .Petersb. Ztg.', leimen zwei Lehrer aus dem Gouvernement Nishnij Nowgorod auf der Fahrt in einem Zuge einen jungen Mann kennen, der fich zu ihnen gesellte und fich ihnen als Kollege vor stellte. Der etwas angeheiterte Lehrer erklärte im Laufe des Gesprächs in offenherziger Weise, daß er nicht nur Lehrer, sondern auch Geheim polizist sei. Auf die erstaunten Fragen seiner Mitreisenden gab der sonderbare Lehrer die Auskunft, daß er in anbetracht seines geringen Lehrergehalts als Nebenberuf die Tätigkeit eines Geheimpolizisten ausübe. „Im Winter bin ich Lehrer," sagte er, „im Sommer aber reise ich umher . . . Eben bin ich dabei, auf einen Herrn in der ersten Klasse aufzupassen, der eines großen Diebstahls verdächtig ist . . ." (Sehr geschickt scheint der vielseitige Jugend- dildnersein „Nebengeschäst" nicht angefangen zu haben.) * M M Neue Bezeichnung. A.: „Finden Sie nicht auch, daß der neue Kanzleirat ein recht eigentümlicher Gesellschafter ist? Seine fort währenden Voraussetzungen, Berichtigungen, Einschränkungen machen ihn geradezu unaus- stehlich l" — B.: „Jawohl. . . der reine Abermenschl" (,D°rfb.o ber Irrtum wird bald gelichtet sein," er widerte Doktor Kühns, dem Polizeibeamten die Hand drückend. . Beide Herren bestiegen den Wagen; der In jektor rief dem Kutscher nur das Wort „Zurück! fu, und die Kalesche rollte den Weg zurück, den lie soeben gekommen. Zu derselben Zeit, in der sich der soeben ge- Milderte Vorgang aus dem Bahnhofe, von keinem 5uge bemerkt, abspielte, befand sich die Enkelin BaronS v. Geldern, die Baroneß Ida, in Einem fieberhaften Zustande. , Die Kunde von dem Mordversuch war auch " das HauS der BaronSsamilie gedrungen, F folgte bald die unglaubliche Nachricht, Doktor KühnS sei verdächtig, der Attentäter sein. , Ida hatte am Abend vorher die Abschieds- Me zwischen ihrer Cousine und dem jungen MtSanwalt belauscht, auch sie hatte dann die «Affe vernommen. , Das ganze Denken des herzlosen Mädchens ^zentrierte fich auf den Zustand des Grafen M Rohden. Er lag verwundet, vielleicht ^bend. Träfe ihn vielleicht der Tod, sie »Me mit ihm alle Hoffnungen, Glanz und Mck verlieren, wie sie sich dieselben auS- u Ruhiger geworden, übersah sie dann mit der iss. eigenen Schlauheit die Situation im Allen vollkommen. Blieb der Gras am Aen, und dies lag dem doch in der Möglich- Ada nicht jeder empfangene Schuß tödlich j.Muft, so war er für Berta sür immer ver- "N, — Graf von Rohden Var der Ihre, sie hatte gesiegt. — Das Attentat war dann ihr bester Mithelfer zum Siege. Sie glaubte des Grafen Charakter nur zu gut zu kennen, — niemals, so schloß fie, würde er, nachdem ihm der Brief des Doktors Kühn unterbreitet würde, eine wettere Annäherung an ihre Cousine erstreben, — und wenn noch ein Schimmer von der Annahme bei dem Grafen hätte aufkommen können, es handle fich um ein Mißverständnis, oder gar eine Täuschung — daS Mordattentat auf ihn mit dessen eigen tümlicher Folge, der Verhaftung des jungen Advokaten, mußte die Echtheit des Brieses be stätigen. Wollte KühnS nicht wirklich für den Täter gelten, so mußte er die Zusammenkunft mit Berta an dem einsamen Waldort enthüllen, und nie konnte er in seiner hohen Stellung die Ansichten seiner Kreise über solche Dinge bei seite schieben. Die Baroneß sah fich als Siegerin, als Gräfin von Rohden. * * * Der Wagen, in dem Eduard und der Inspektor sich befanden, hielt vor dem alten, düsteren Gerichtsgebäude, in welchem fich auch die BureauS der Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsrichter befanden. Auf dem Wege war der Advokat schweig sam und auf einige Behauptungen, welche oer Beamte zu machen versucht hatte, wenig mit teilsam gewesen. „Ich habe die Order, Sie sogleich dem Herrn Untersuchungsrichter vorzusühren," erklärte der Inspektor, als sie in das Städtchen einfuhren. „Ich danke Ihnen, Herr Inspektor," war auch hierauf die kurze Antwort ohne jede weitere Bemerkung. Eduard trat vor den Richter; dieser war ein alter, ihm wohlbekannter Herr, mit dem er sowohl im Amte, wie im Leben verkehrt hatte. Gestern hatte er fich bei dem alten Henn ver abschiedet, heute stand er vor demselben des größten Perbrechens beschuldigt. Die beiden Männer maßen fich mit seltsamen Blicken. Der Untersuchungsrichter begann sofort nach der Begrüßung: „Herr Doktor, Sie kennen die Formalien, bevor wir aber damit beginnen, meine ich, wird eS Ihnen ein leichtes sew, den unseligen Ver dacht gegen Sie, der zu Ihrem Verhör führen mußte, zu entkräften, wenn auch der Revolver hier, aus dem zwei Schüsse abgefeuert find, während vier Läufe noch geladen blieben, wohl als Ihnen gehörend anerkannt werden muß; denn hier auf dem silbernen Griffschild steht Ihr Name deutlich eingraviert. Der Mordver such ist genau zehn Minuten nach acht Uhr am gestrigen Abend geschehen. Erklären Sie nun kurzweg, wo Sie um diese Zeit waren, ich werde sofort durch unsern Herrn Inspektor an betreffender Stelle Nachfrage halten, und die Sache ist abgetan, Sie können noch heute Ihre Reise wieder aufnehmen." „Daß ich kein Meuchelmörder bin," er widerte Eduard, „davon werden Sie überzeugt sein, Herr Richter. Der Revolver, der hier vor uns liegt, ist mein Eigentum, er ist mir schon vor Monaten auf unerklärliche Weise abhanden gekommen. Ich kaufte ihn vor länger als zwei Jahren, schoß damals auS Liebhaberei mit unter, benutzte ihn aber weiter nicht, nament lich bemerke ich, daß derselbe, als ich ihn ver mißte, ungeladen war; denn ich besaß seit langer Zeit keine Munition mehr." „Sehr erklärlich," nickte befriedigt der Unter suchungsrichter, „der Revolver kann Ihnen ent wandt worden sein, zumal da Sie daS Ding nicht mehr gebrauchten. Wollen Sie mir jetzt nur sagen, wo Sie gestern in den Stunden von sieben bis etwa halb neun Uhr weilten." Der Verdächtigte stutzte, in seinem eben noch offenen Antlitz zeigte sich die Spur der Verlegenheit. „Darüber kann ich Ihnen keine Aufklärung geben, Herr Richter," sagte er dann. „Sie kennen unsre Gesetze so gut wie ich," sagte der Richter. „Durch Ihre Weigerung, die einzig wichtigste Frage zu beantworten, zwingen Sie mich, Sie in Untersuchungshaft zu nehmen, und ich befürchte, daß, wenn Sie auch ferner ans Ihrer Weigerung beharren, der Fall zur gerichtlichen Verhandlung gedeiht." Der Advokat blickte den alten Richter mit großen Augen an und erwiderte: „Ich weiß daS alle- und muß die Hast über mich ergehen lassen. Dagegen bin ich überzeugt, daß ich von dieser schändlichen An klage auch freigesprochen werde, ohne etwas zu tun, was fich nicht mit meiner Ehre verträgt. Jetzt bin ich schuldlos, wenn ich aber das mir geschenkte Vertrauen einer andern Person ver riete, so würde ich eine schwere Schuld auf mich laden und mich meiner Feigheit wegen selber verachten müssen." Wf u (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)