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Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190509131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19050913
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050913
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-09
- Tag 1905-09-13
-
Monat
1905-09
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1905
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polinleke kunälckau. Zum Friedensschlüsse. "In Peterhos wurde am Donnerstag ein feierlicher Dankgottesdienst für den Friedensschluß abgehalten, zu dem die Hofchargen, die Mitglieder des Reichsrates, die Minister, Senatoren und die höheren Militär- und Zivilbehörden befohlen waren. * Die Unruhen in Tokio wegen der ungünstigen Friedens - Bedin gungen scheinen doch ernsthafter gewesen zu sein, als die ersten Berichte vermuten ließen. Es wird setzt geme!det, daß zwei Tumultuanten getötet und etwa 500 verwundet worden seien. Volkshaufen verbrannten in Tokio zehn christliche Kirchen und eine Misstons schule. Bei dem niederen Volke Japans herrscht noch die Hoffnung, daß Rußland in anbetracht der Großmut Japans freiwillig eine Ent schädigungssumme zahlen werde. (Da kennen die Leute die Russen schlecht!) "Die Volksmenge, die am Donnerstag abend das Bureau des Regierungsblattes Kokumin' angegriffen und beschädigt hat, begab sich späier nach der Amtswohnung des Ministers des Innern Joshikawa, über wältigte die das Gebäude bewachende Polizeimannscha°t und brannte das Haus nieder. Die Menge drohte auch die Amtswohnungen der andern Minister in Brand zu stecken, wurde jedoch von der Polizei daran . gehindert. * Veranlaßt durch die großen Ausschreitungen, ist durch kaiserliche Verordnung über Tokio der Belagerungszustand erklärt. Man kann bei der bewundernswerten Disziplin, die das japanische Volk in seinem Heere offenbart hat, nur annehmen, daß hier der Mob der Hauptstadt, verstärkt durch einige Tausend von der Opposition fanatisierter Bürger, sich betätigt Hal. Gerade weil die Siraßenkundgebungen so gewaltig geworden find, wird es der Regie rung um io leichter werden, dem Treiben der mit dem Friedensschluß Unzufriedenen energisch Einhalt zu tun. (Es darf übrigens nicht unbe rücksichtigt bleiben, daß die Einäscherung eines Tokioter Ministerhokels nicht auf eine Stute mit der etwa eines Berliner oder Pariser Ministerhotels zu stellen ist. Die japanischen Häuser find leichte Bauten aus Holz und Papier, und sie verbrennen, heißt keinen großen Schaden anrichten.) » * * Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat den Prinzen Harald von Dänemark L la Mite des Manen-Regiments Nr. 6, dessen Chef der König von Dänemark ist, gestellt. "Die großen Herbstmanöver der deutschen Flotte haben am Donnerstag begonnen. Ihr Schauplatz ist das Gebiet der Elbmündung, und die Manöver find bestimmt, festzustellen, ob die Verteidigungsmittel an der Elbmündung ausreichen, das Eindringen einer feindlichen Flotte in die Elbe zu verhindern. * Um auch der Gefahr etwaiger Cholera- Erkrankungen bei den Manövern vorzubeugen, find seitens der Militärverwaltung die weitgehendsten Vorsichtsmaßregeln ange- ordnet worden. Sie erstrecken sich insbesondere auf die Ernährungsweise der in Quartieren liegenden Truppen. Die Anwohner, bei denen die Mannschaften ins Quartier kommen, werden angewiesen, den Soldaten nur abgekochtes Wasser zu verabreichen. * Generalleutnant z. D. v. Boguslawski ist am Donnerstag gestorben. Boguslawski gehörte zu Ken Vertretern der sogenannten alt preußischen Tradilton in der Armee und ist in diesem Süu.e unermüdlich in der konservativen Presse tätig gewesen. Besonders bemerkbar machte er sich seinerzeit durch eine Broschüre, in der er energisch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit forderte. "Die Regierung hat bekanntlich die Aus dehnung der gesetzlichen Krankenversiche rung auf die Hausgewerbetreibenden in Erwägung gezogen. Der preußische Handels minister Hal nunmehr umiassende Er hebungen über die Notwendigkeit und Durchführbarkeit der Krankenversicherung ange ordnet und den Regierungspräsidenten einen vom Reichsamt des Innern ausgearbeiteM Fragebogen zugehen lassen, der unter Zu- i ziehung von Arbeitgebern, Hausgewerbe treibenden, Geistlichen, Kassenvorständen, Ge werbe - Autstchtsbeamten eingehend erörtert werden soll. * Aus oem Aufstandsgebiet in Ostafrika kommt erst jetzt eine Meldung über ein sieg reiches Gefecht einer kleinen Abteilung unsrer Schutziruppe gegen die Rebellen, in dem leider der deutsche Führer der Abteilung an der Seite seines schwarzen Feldwebels geblieben ist. Der nunmehr führerlos gewordenen Truppe gelang es aber trotzdem, den Feind zu besiegen und sich in guter Ordnung nach ihrem Be stimmungsort vurchzuschlagen. * Der Aufstand in Deutsch-Ost afrika hat sich den Mufidji-Fluß aufwärts weiter ausgedehnt. Mehrere Araber wurden ermordet. Frankreich. * Präsident Loubet wird während seiner Reisenach Spanien von dem Minister präsidenten Rouvier begleitet werden. Das Datum der Reise ist noch nicht festgesetzt, doch gilt als sicher, daß Loubet bereits Ende Oktober, nachdem er den Besuch des Fürsten von Bulgarien empfangen hat, seine Reise nach Madrid antreten wird. "Frankreich hat wegen all' seiner Be schwerden vom Sultan vonMarokko Genug tuung ohne jeden Vorbehalt bekommen; damit ist der Konflikt vollständig beigelegt. England. "König Eduard ist am Donnerstag von Marienbad abgereist, und wieder in London eingetroffen. Also auch diesmal kein Zu- sammemreffen von Onkel und Neffe! Rußland. "Der Zar geht scharf ins Gericht mit Feiglingen. Konteradmiral Nebogatow und drei seiner Kapitäne find unter Verlust ihres Dienstgrades und unter Anwendung der Bestimmungen des Marinestrafgesetzbuches aus dem Dienste entfernt worden. Auf den Bericht über die Übergabe der genannten drei Panzerschiffe und des Panzerschiffes „Orel" schrieb der Kaiser den Befehl, alle andern Offiziere dieser Schiffe bei ihrer Rückkehr nach Rußland vor Gericht zu stellen. In Betreff des Kommandaten des „Orel" soll die Ausführung dieses Befehls aufgcschoben werden, bis ein genauer Bericht eingegangen ist über die Umstände, unter denen der Kapitän den Befehl über den „Orel" von dem schwerver wundeten Kapitän, der vorher dieses Schiff be fehligt hatte, übernommen hat. — Noch besser wäre es, wenn man auch mit der korrupten Verwaltung ins Gericht gehen wollte, deren Opfer zum Teil die so hart bestraften Militärs waren. "Der Schah von Persien ist von Petersburg aus nach seiner Heimat zurück gereist. Entsetzlich find die Schilderungen, die von dem Aufstandsgebiete im Kaukasus einlausen. Die Mord- und Raubbanden ver nichten dort die Früchte jahrzehntelanger Kultur arbeit. Vierzig Näphthagruben find ausge brannt. In Baku dauern die Kämpfe zwischen Armeniern und Tataren fort. Die Stadt ist durch die Brände umher in dicke Rauchwolken gehüllt. Auch die Stadt Schuscha brennt und wird von Tataren umlagert. Eine Hungersnot scheint unvermeidlich. Der Gouverneur hat um Truppen und Brotsendungen gebeten. In der Stadt Baluchany, die gleichfalls brennt, feuerte die Artillerie zwischen ne Aufrührer, da sich die Fußtruppen als zu chwach erwiesen. "Zur Wiederherstellung der Ordnung in Baku wird die dortige Garnison um vier Regimenter und eine Artillerie brigade verstärkt. Aste«. * Bei den noch immer fortdauernden j Kämpfender Niederländer auf Lumatra ! wurden nach einer ?m Haag eingegangenen amtlichen Meldung im Lande der Gajus in einem nächtlichen Angriff auf holländische Patrouillen zwei Unteroffiziere und fünf Sol- daten getötet und zwei Offiziere und 14 Sol daten verwundet. Der Feind verlor 41 Tote. Vie äeutsck-oftafrikLnifcke 8ckut2truppe, die jetzt zur Unterdrückung der Negerunruhen im Verein mit den schon in Tätigkeit getretenen, oder demnächst eintreffenden Marinemannschaften dienen muß, ist ursprünglich entstanden aus den zur Niederkämpfung des Araberaufstandes unter Wißmann angeworbenen Sudanesen. Bei der ersten Anwerbung erhielt man durchweg sehr zuverlässige, erprobte Soldaten, die im Sudan jahrelang gekämpft hatten und durch den Krieg tüchtige Soldaten geworden waren. Sie schreckten vor keiner Gefahr zurück und hielten sich in jeder Beziehung vortrefflich. Von diesen Leuten find heute nur noch wenige in der Truppe. Sie mußten teils auf ihren Wunsch, teils nach langjähriger Dienstzeit wegen Feld dienstunfähigkeit entlassen werden. Später war es nicht mehr möglich, wirklich gute Sudanesen in genügender Anzahl zu erhalten, deshalb füllte man die Lücken mit ostafrikanischen Ein geborenen. Diese Suahelisoldaten genügen zur Bekämpfung eines Feindes, der nur mit Speer, Pfeil und Bogen bewaffnet ist und die Flucht ergreift, wenn Soldaten kommen; gegenüber einem wirklich kriegstüchtigen Gegner wäre aber wohl nicht allzu viel Verlaß auf sie. Im Ver hältnis zu europäischen Soldaten genießen diese farbigen Söldner viel Freiheit und erhalten eine für ihre Verhältnisse reichliche Bezahlung. Aus den meisten Stationen find sie nicht kaserniert, sondern wohnen in einem besonderen Soldaten dorf in der Nähe der Station und find fast alle verheiratet. Sie halten sich der übrigen schwarzen Bevölkerung gegenüber für etwas Besonderes, ähnlich wie in Deutschland die Militärpersonen dem bürgerlichen Element gegenüber. Ein schwarzer Soldat benimnt sich sogar oft auch gegen den Europäer, der keine Uniform trägt, recht anmaßend. Jeder schwarze Soldat hält sich aus seiner Löhnung meist noch einen „Boy". Ohne ihre Boys glauben die Soldaten nicht mehr existieren zu können und nehmen sie auch auf Kriegszügen mit. Auf den Stationen im Innern kann man oft beobachten, wie die Soloatenboys, lauter halb wüchsige oder schon erwachsene Negerburschen, während des Exerzierens um den Exerzierplatz herumlungern; wenn dann das Exerzieren zu Ende ist, übergibt am Ausgange des Exerzier platzes jeder Soldat Tornister und Gewehr seinem Boy, und dieser trägt die Sachen nach Hause. Von den Offizieren wird den Soldaten das Halten von Boys und deren Mitnahme auf Kriegszügen gestattet, weil fie ihnen den Arbeitsdienst abnehmen, so daß die Truppe für Gefechtszwecke frischer bleibt. Von und fern. (Kroßes Erdbeben in Süd-Italien. Kalabrien ist am Freitag vormittag von einem heftigen Erdbeben betroffen worden, das unge heuren Schaden angerichtet hat. Die genauen Verluste an Menschenleben lassen sich zurzeit noch nicht übersehen, find aber recht bedeutend. Drei blühende Städte: Pizzo, Monteleone und Martirano find nahezu völlig zerstört. Von gleichem Schicksal wurden viele Dörfer be troffen. Stündlich treffen neue Schreckens meldungen ein. Fürsten ans dem Hause Oranien werden in Berlin ihren Einzug hallen, aller dings nur als Bildwerke. Die Bronzedenk- mäler sollen ihren Standort auf der Balustrade des Königlichen Schlaffes erhalten. Dieser neue Ausfchmückungsplan des Schlosses ist vom Kaiser selbst entworfen worden. Die Skizze sieht auf den Pfeilern der Schloßbalustrade vier überlebensgroße Bronzefiguren der orani- schen Fürsten vor, die dem Ende deS 16. und vornehmlich dem 17. Jahrhundert angehören. Es scheint, daß der Kaiser durch die Errichtung des Coligny-Denkmals (an der Schloßapotheke) auf den Gedanken gekommen ist, seinen Ahn herren von Oranien einen Platz am Königlichen Schlosse einzuräumen. Berlin mobilisiert gegen die Cholera. Nachdem die Zahl der Cholerafälle in West preußen leider zunimmt und in Marienburg allein 12 neue Fälle (daran 6 mit tödlichem Ausgang) vorgekommen find, rüstet sich Berlin sehr energisch gegen den schrecklichen Gast. Es haben bereits Verhandlungen zwischen Magistrat und Polizeipräsidenten stottgefunden. Die An steckungsbaracken in Moabit find instand- gesetzt und nötigenfalls soll das ganze Kranken haus in Moabit für Cholera-Kranke und -Ver dächtige sreigemacht werden. Die Cholera. Vom 6. bis 7. d. mittags wurden im Gebiete des preußischen Staates 15 Erkrankungen und 6 Todesfälle an Cholera neu gemeldet. Zur Errichtung eines Altfrauenstiftes vermachte der am 4. November v. in Peters burg verstorbene Verlagsbuchhändler Adolf v. Marcks der Stadt Stettin ein Legat von 160 000 Mk. W-eder eine Typhusepidemie. Während die Typhuserkrankungen in Posen in der Ab nahme begriffen find und die Epidemie in Helbsleben unweit Erfurt als bereits erloschen gelten kann, ist diese Seuche neuerdings in Ebeleben bei Erfurt ausgebrochen. Bisher find dort 40 Fälle festgestellt worden. Die Er krankten sind hauptsächlich polnische Arbeiter. Drei Fälle sind bereits tödlich verlaufen. Die Schulen find vorläufig geschlossen. Et« neuer Reblausherd ist in der Lage Bechergrund bei Lorch in einem Weinberge ge funden worden. In der Gemarkung Damscheid bei Oberwesel, wo schon etwa 8000 Rebstöcke, als von der Reblaus verseucht, vernichtet wurden, find wieder mehrere Reblausherde fest gestellt worden. Einer Katastrophe entronnen find die Reisenden des Orienlexpreßzuges auf der Fahrt von Straßburg nach Paris, was der außer ordentlichen Geistesgegenwart des Maschinisten zu verdanken ist. Durch das unvorsichtige Manövrieren des Führers einer Lokomotive im Bahnhofe von Epernay wurde um 5 Uhr morgens dem Orientzuge der Weg verstellt. Der Expreßzug wurde sofort scharf gebremst und zum Stehen gebracht. Beide Maschinen find erheblich beschädigt, der Restaurantwagen hat gleichfalls gelitten. Die Passagiere wurden unsanft geweckt, aber alle blieben unverletzt. MinisterRuhstrat als Sachverständiger. Das .Bayrische Vaterland' berichtet, daß das Münchener Landgericht gegen den Besitzer des „Cais Hans Sachs" Anklage erhoben, da be fugter Kaffeesieder in seinem Lokale das Pokern erlaubt hat. Der angeklagte Cafetier soll Minister Ruhstrat als Sachverständigen ge laden haben. Am 23. d. findet Termin statt. (Es ist zu bezweifeln, daß dem Anträge deS Angeklagten wirklich stattgegeben werden wird, und das Ganze ist wohl als ein schlechter Witz zu betrachten.) Verhafteter Polizeikommiffar. Der Godesberger Polizeikommissar Fischer wurde verhaftet, angeblich wegen Unterschlagung und Fluchtbegünstigung. Ein Opfer der Tonuenfinsternis ist in Wels eins Frau Ettinger geworden, da fie ohne Zuhilsenahme eines farbigen Glases mit einem Fernrohr die Finsternis beobachtete. Kurz darauf hatte fie über Kopfschmerzen geklagt und tarb noch an demselben Abend infolge Gehirn- chlages. Glimpflicher kamen sechs andre Personen davon, die gleichfalls die Finsternis mit bloßem Auge beobachteten und schwere Sehstöiungen erlitten. Infolge Geuuffes giftiger Schwämme erkrankte in Rosenhein die Heizersfamüte Schafferle. Drei Kinder starben bereits. Die Mutter schwebt in Lebensgefahr. Der Vater be findet sich auf dem Wege der Besserung. O AlaMfrieäe. 4j Noman von Adalbert Reinold. Der junge Rechtsanwalt war bi? über die Ohren in die schöne Tochter des Hauptmanns verliebt, und als Jünger der Tbemis, welchem vor allem Beharrlichkeit nottut, hatte er es sich in den Kopf gesetzt, Bertas Gegenliebe zu ge winnen. Berta brachte dem Gespielen ihrer Kindheit die freundlichste Gesinnung entgegen, aber so sehr sich Eduard auch bemühte, eine tiefere Zuneigung für sich bei dem Mädchen zu ent decken, so sehr er auch beflissen war, einen tieferen Blick in das ihm zwar freundlich, aber gleichgültig entgegenblickende Auge Berias zu tun — es war bisher alles umsonst gewesen. Zwei Monate waren seit der Abendbegegnung Bertas mit dem Grafen v. Rohden dahinge schwunden, — der Graf war nicht wieder zum Besuch erschienen. Hatte er seine Pläne, über welche er m't Rheinsberg sprechen wollte, fallen gelassen? Hatte er das stille traute Waldhaus mit dessen lieblicher Bewohnerin so ganz und gar ver gessen ? Und Berta? War das Bild des jungen Mannes aus ihrer Seele entschwunden? Wie der Graf, so hatte Berta den Entschluß gefaßt, jede fernere Begegnung zu vermeiden — und dennoch blickte sie verstohl n den Wald weg hinunter, om er an jenem Abend daher geritten kam. Und als fie eines Abends, im Garten sitzend, Pferdegetrappel vernahm, da schlug ihr Herz fast hörbar laut. Aber es schwirrte ihr fast vor den Sinnen, als der Graf auf dem selben flüchtigen Pferde in gestrecktem Galopp den Waldweg daher geritten kam, ohne jedoch wie damals sein Pferd anzuhalten, sondern wie der Blitz vorüberfliegend. Und nicht allein war er, an seiner Seite ritt eine Dame voll jugendlicher Schöne. Als die Pferde vorbei fausten, war es Berta, als ob deS Grafen Begleiterin wie hohnlachcnd das einfache idyllische Waldhaus betrachtete und, fie er blickend, ihr einen triumphierenden, spöttischen Blick zuwarf. Und einige Tage später besuchte die kleine F-au Obersörsterin das Nheinsbergsche Haus und erzählte beim Kaffetrinken, die Rede ginge in der ganzen Nachbarschaft, daß wohl bald ein vw nehme? Paar getraut würde; oer Gras von Rohden solle sich mit der jungen Baroneß von Bingen verlobt haben. Wie nur kam es, daß Berta, nachdem die geschwätzige, kleine Frau sich empfohlen hatte, den ihr wohlbekannten Waldweg betrat, welcher zum Schlosse des Grafen von Rohden führte? Und seit dem Abend sah man das schöne Kind, wenn der Tag sich zu neigen be gann, denselben Weg sehr oft wie träumend dahinwandeln. An einem einsamen Kreuzweg setzte sich Berta auf eine Moosbank und blickte auf das Baumdickicht, durch das die letzten glühenden Strahlen der versinkenden Sonne aus dem Westen fie zu grüßen schienen. Sie lauschte der nahe aus dem Felsgestein bervoriprudelnden Quelle, deren demantklares Gewässer unaufhörlich im raschen Laufe in dem Waldgraben dahinfloß. Wohin? — Dahin, wohin auch Wohl die Gedanken der lieblichen Träumerin eilten - in den Park der gräflichen Besitzung. Aber während der murmelnde Waldbach sich in den Schloßweiher verlor, schweiften Bertas Gedanken noch über denselben hinaus zum alten Herrenhause und begegneten dort einer Person, die fie nie wieder zu sehen sich vorgenommen hatte! Es gab für das unschuldige Naturkind plötzlich keine Selbsttäuschung mehr; fie gestand sich ein, daß ihr Herz mit seiner ersten, heißen Liebe ihm gehöre — dem Grasen, der ihrer jedoch mit keiner Faser seiner Seele mehr zu gedenken schien. Eines Abends hatte fie wieder ihre Schritte nach der Moosbank gelenkt, die ihr Lieblings platz geworden. Berta lehnte das Haupt an einen Baum stamm, ihre goldblonden Locken spielten gleich sam mit dem tief sich herabneigenden Blätter- grün. Träumend senkten sich ihre Augen auf daS vor ihr liegende Walddickicht, die wunderbarste Abendruhe lag mild und sanft über dem Platze ausgebreitet. Berta schloß die Augen — ihr Mund lächelte — ein schönes Träumen wohl um gaukelte das ahnungslose Kind. Da lauschte es im Gezweigs über dem Walbgraben, aus der Hecke hervor schwang sich eine Gestalt. Erslbreckc öffnete Berta die Augen und wollte fliehen, wie gebannt blieb sie auf der Moosbank fitzen — Graf v. Rohden stand vor ihr. Berta lächelte — und dies Lächeln schien zu sagen: Endlich —! Du böser Mann, warum hast du mich so lange warten lassen? „Habe ich Sie erschreckt?" fragt? der Graf, und ein leises Zittern der Stimme verriet seine innere Bewegung. „O nein," entgegnete das Mädchen treu herzig und hochaufaimend. „Sie schienen in Gedanken vertieft," lächelte der Graf. „Unrecht von mir war es, Sie in Ihrem Märchentraum gestört zu haben." „Märchentraum?" hauchte Berta wie fragend vor sich hin. Sie saß noch immer auf der Moosbank und machte keine Miene, sich zu entfernen oder auch nur zu erheben. Der vor ihr stehende Mann bettachtete mit einem unbeschreiblich schwärmerischen Blick daS Mädchen. , „Sagen Sie mir, Fräulein Schwärmerin, begann er, sich ein wenig zu Berta nieder beugend, „war Ihr Märchentraum denn ein heiterer, glücklicher?" Sie nickte nur leise mit dem Kopfe und blickte den Grafen hierbei mit ihren blauen Augen treuherzig wie ein Kind an. Der Graf machte Miene, sich neben fie zu setzen; als verstände sich dies ganz von selbst, rückte Berta zur Seite.
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