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I Netze im Werte von rund 165 000 M. hat die Emdener Heringsfischerei A -G. Neptun, ihr Geschäftsbericht mitteilt, in einer einzigen Sturmnacht verloren, nämlich in der »om 6. Oktober, v. Infolge einer Unglücksbotschast auS Sudwestafrika gestorben ist der Oberlehrer Müller, Leiter der höheren Mädchenschule in Norden. Er hatte während des Unterrichts ein Telegramm erhalten, worin ihm mitgeteilt wurde, daß sein Sohn, der Dr. Müller, der als Mendanturrat bei der Schutztruppe in Süd- westafrika angestellt war, im Lazarett ver narben sei. Der schwergebeugte Bater begab nch in voller Aufregung sofort nach Hause, wo bald darauf ein Herzschlag seinem Leben ein liheS Ende bereitete. Der Verstorbene hat ein Alter von 64 Jahren erreicht und erfreute sich am Orte großer Beliebtheit. Die Lrmgoer Briefe. Seit der Ver urteilung der Frau Kracht vor dem Detmolder Schwurgericht zu Zuchthausstrafe find, trotzdem Uch Frau Kracht in strenger Haft befand, vier neue namenlose Schreiben eingelaufen, deren Ähnlichkeit in Schrift und Stil mit den übrigen auch dem Laien auffallen mußte. Die Ver teidiger haben diese vier Briefe mehreren Schreibsachverständigen vorgelegt, die zu dem einstimmigen Urteil gekommen find, daß der Schreiber der letzten vier Briefe übereinstimmt mit dem der ersten Briefe. Das Landgericht Detmold hat erkannt, daß der Anttag der Ver teidigung, das Verfahren wieder aufzunehmen, berechtigt ist. Die Briefe werden den Sach verständigen vorgelegt, von deren Gutachten die Wiederaufnahme abhängt. Der Graf-Regent bat im Gnadenwege die Strafvollstreckung hinausgeschoben. Frau Kracht befindet fich in strenger Einzelhaft. Tas Gewiffe«. Ein früherer Schreiber des längst verstorbenen Justizrats Bendel in Brandenburg a. H. hat jetzt an den dortigen Magistrat aus Transvaal die Summe von oO Mk. geschickt mit der Bitte, sie an die Erben des Justizrats auszuzahlen oder, falls diese M mehr vorhanden find, den Betrag der Stadtarmenkasse zuzuwenden. Der Absender des Geldes schreibt, daß er vor vielen Jahren, er noch als junger Mensch Schreiber bei dem Justizrat Bendel war, aus der Portokasse W und nach 4 bis 5 Mk. unterschlagen habe. Sein Gewissen lasse ihm nun keine Ruhe, so daß er jetzt den Erben den sechsfachen Betrag Stückzahlen wolle. Großer Diebstahl. In der Nacht auf Sonntag wurde in Frankfurt a. M. das Uhren- Neschäft von Schaefer ausgeraubt. Es wurden iür etwa 20000 Mk. Uhren gestohlen. Vom Täter fehlt jede Spur. Wege» Vergehens gegen 8 175 des Strafgesetzbuches sollte kürzlich in Hannover An Einjährig-Freiwilliger dem Militärgefängnis überliefert werden, beging aber in einem un bewachten Augenblick Selbstmord durch Er- Wetzen. Diese Affäre hat jetzt Veranlassung A der Verhaftung von drei weiteren angesehenen Personen in Hannover gegeben; außerdem kommen noch andre Leute in Frage. Zwölf Schüler höherer Lehranstalten wurden relegiert, keil fie mit jenen in unerlaubten Beziehungen Wanden haben sollen. Im Scherze. In Halle a. S. stürzte am Montag im Übermut die dem Trünke ergebene Arbeiterfrau Loyk den Schlosser Dinges aus dem Fenster ihrer Wohnung im zweiten Stock. Tinges wurde lebensgefährlich verletzt. Im Verfolgungswahn stürzte fich die mau des Postsetretärs Motte in Hamburg mit shrem vierjährigen Töchterchen aus dem Fenster Krer in der dritten Etage befindlichen Wohnung. Das Kind war sofort tot, die Mutter ist lebenS- Whrlich verletz!. Die Frau leidet seit vorigem Jahre an Verfolgungswahn. Beim Entladen des Gewehrs zer- Ichmcuene ein Schuß dem Assistenten der land- wirtschaftlichen Versuchsstation in Lauchstädt, Dr. Hupfeld, die rechte Hand, die abgenommen werden mußte. Blutige Straßenkrawalle werden aus München-Gladbach gemeldet. Zwölf Arbeiter, > welche mit einem roten Plakat lärmend durch die Stadt zogen, entrissen einem Schutzmann den Säbel. Mit den nun herbeieilenden zehn weiteren Schutzleuten entwickelte fich ein heftiger Kampf, wobei die Arbeiter mit Hacken, Beilen und Schaufeln einhieben. Schließlich wurden vier verhaftet; die übrigen entkamen. Alle werden wegen Landfriedensbruchs angeklagt werden. Bo« einer Kuh attackiert wurde an einem der letzten Tage ein Automobil in der Nähe der Eulenburg bei Peine. Der Besitzer des Automobils, ein auf einer Vergnügungsreise durch Europa befindlicher Deutschamerikaner, flog in weitem Bogen in den Chausseegraben, ohne nennenswerte Verletzungen zu erleiden, ReichstagsaLg. Fries, auf der Rückfahrt von Afrika gestorben. seine Frau mußte jedoch ärztliche Hilfe in An spruch nehmen. Der Chauffeur blieb am Steuer rads hängen. Beim Kentern eines Bootes auf dem Pielburger See in Himerpommern ertranken drei Lehrer. Retchstagsabg. Kulerski. Buchdruckereibesitzer Viktor KulerSki, der den sechsten Marienwerder Wahlkreis im Reichstage ver tritt, wird von der Staatsanwaltschaft zu Gran den; wegen Aufreizung zum Klassenhaß steckbrieflich verfolgt. Bei Sprengnngen, die auf der Feste »Kaiser Wilhelm" bei Mutzig (Elsaß) statt fanden, wurde ein Soldat des 105. Regiments getötet. Sechs Personen vom Blitz getroffe». In ein Wächterhaus der Bahn St. Peter- Fiume schlug der Blitz ein und lötete den Wächter, seine Frau und vier Kinder. Im Liedeswah«. Der siebenundvierzig- -fähnge Portier der Tierarzneischule in Budapest kAete im Liebeswahn die sechzehnjährige Tochter -öes Direktors. Der Millionendieb Galley. Der Pariser Matin^ berichtet aus Bahia: Der Anwalt des hier verhafteten Bankbeamten Galley hat be antragt, seinen Klienten in Freiheit zu setzen, da dessen Verhaftung gesetzwidrig sei. Der Gerichtshof wird fich mit der Angelegenheit befassen und wahrscheinlich die Freilassung Galleys verMgen. Die Nilflut. Aus einem Bericht der ägyvtischen Regierung geht hervor, daß die Nilflut diesmal nicht nur niedriger ist, als die vom Vorjahre, die selbst keine besonders gute gewesen war, sondern auch niedriger als die von 1899 und 1902, beides Jahre außerge wöhnlich niedriger Flut. Die Flut des Weißen Nils ging noch an, aber der Blaue Nil hat vollständig versagt. Die Reisernte Hat vielfach gelitten, die Baumwollernte aber ist durch das Wasserbecken von Assuan gerettet worden und dürfte eine bisher nie verzeichnete Größe er reichen. Der Pegel bei Assuan ist jetzt volle drei Meter unter dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Die Negierung geht in ihren Maß regeln bereits von der Annahme aus, daß sich diesmal die Flutverhältnisse von 1902 wieder holen werden. Ei« vielderheirateter Ma««. Zwanzig Geheimpolizisten find in Nordamerika auf der Suche nach Dr. George A. Witzow, der be schuldigt wird, fich in ungefähr hundert Fällen der Vielehe schuldig gemacht und seinen Frauen Beträge von 500 bis 10 000 Dollar abge nommen zu haben. Dr. Witzow wird als eine schöne Erscheinung geschildert. Bei seinen Heiratsschwindeleien ging er mit größter Ver schlagenheit zu Werke. Er machte bei jeder Heirat vor dem Standesbeamten andre An gaben über Namen, Religion, Beruf und Staatsangehörigkeit, wie es ihm gerade am besten patzte. Bei seinen Betrügereien kam ihm seine Sprachenkenntnis, er beherrscht sieben Sprachen, sehr zu statten. Außerdem wird er beschuldigt, zahlreiche Räubereien unter Be nutzung von Betäubungsmitteln verübt zu haben. In einer der letzten Wochen hat er jeden Tag eine andre Frau geheiratet. Er hat beinahe in jedem Staat der Union eine ihm ge setzlich angetrante Gattin. Unter de« namhafte« Wührer« der japanischen Armee und Flotte befinden fich mehrere Christen von gutem Ruf. Die Generale Kuroki und Oku halten fich zur presbyterianischen Kirche; fie nehmen in ihrer Gemeinde eine her vorragende Stellung ein und gellen als Männer von vorbildlichem Wandel. Admiral Togo ist gleichfalls Mitglied der presbyterianischen Kirche, und Vizeadmiral Uriu bekleidet sogar das Amt eines Gemeiudeältesten; man rühmt beiden nach, daß fie viel für die Interessen ihrer Kirche geran haben. Oyama nimmt eine sehr wohlwollende Stellung zum Christentum ein, und seine Ge mahlin gilt als eine der eifrigsten Katholikinnen im Lande. Auch unter den niederen Offizieren und den gemeinen Soldaten gibt es nicht wenige Christen. GericktskaUe. G«ese«. Der Redakteur Teska vom hiesigen ,Lech', der seinerzeit die Art der Verhaftung eines Polen auf dem hiesigen Bahnhöfe durch einen Polizeibeamten in einem Artikel in beleidigender Form scharf kritisierte, hatte sich wegen Beleidigung vor Gericht zu verantworten. Der Staatsanwalt beantragte eine Gefängnisstrafe von zwei Monat. Als T. in ungebührlicher Weise die Schärfe der Strafe kritisierte, wurde er wegen Ungebühr vor Gericht zu 20 Mk. Geldstrafe, wegen der Beleidigung aber zu 4 Wochen Haft verurteilt. Metz. In Metz trat anfangs November v. eine Anzahl Männer ohne Unterschied deS Bekenntnisses und der Partei zusammen, um Frönt zu machen gegen den auch in Metz immer wehr überhand nehmenden Schmutz in Wort und Bild. Es galt zunächst, den Giftquellen nachzuspüren, und bald war auch eine solche ausfindig gemacht. Es wurde der Staatsanwaltschaft ein Tabak- und Zigarren händler aus Metz angezeigt, der unzüchtige AnsichtS- karten verkaufte. Die Strafkammer verurteilte den Schmutzfink zu 150 Mk. Geldstrafe sowie zu de» Kosten des Verfahrens. Auch in Saargemünd ist vor etlichen Tagen ein andrer Schmutzfink der gleichen Sorte ebenfalls zu 150 Mk. Geldstrafe ver urteilt worden. kulslanäs reiche Klöster. Wie bekannt — so übersetzt die,Petersburger Zeitung^ aus einem russischen Blatte, — stehen alle Kapitalien der Wohltätigkeitsinstttutionen, von wem und zu welchem Zweck fie auch ge stiftet sein mögen, in Rußland unter staatlicher Kontrolle. Die einzige Ausnahme von dieser allgemeinen Bestimmung bilden die Kapitalien der (orthodoxen) Klöster, welche einzig und Mein der unkontrollierten Verwaltung der Klosterobrigkeiten unterstellt find. Die genaue Höhe dieser Kapitalien ist natürlich nicht be kannt, doch handell es fich ohne Zweifel um Summen von geradezu schwindelnder Höhe, wie einige positive Daten dies bezeugen. Die kirchlichen Einnahmen des Alexander-Newski- Klofters belaufen fich auf 200 000 Rubel jähr lich; die sonstigen Einkünfte zum Bau von Kirchen, zur Unterstützung Armer und Abge brannter ufw. übersteigen 750 000 Rubel jähr lich, während aus den Immobilien des Klosters eine Jahreseinnahme von über 500 000 Rubel erzielt wird. Von diesen rund 1Vr Mill. Rubel, die das Kloster jährlich im Minimum einnimmt, bezieht der Abt eine Jahreseinnahwe von 65 000 Rubel, während der Ökonom ein Jahres gehalt von 20 OM Rubel bekommt. Jeder der 70 Mönche, die das Kloster zählt, ist ver pflichtet, bei seinem Eintritt in das Kloster eine gewiffe Summe einzuzahlen, die, je nach dem Bildungsgrade des Einttetenden, zwischen 500 und 150 Rubel schwankt. Von den Jahres einnahmen des Klosters werden unter diese Mönche 250 OM Rubel verteilt, während der große Rest dem Vermögen des Klosters hinzu- gefügt wird. — Ähnlich liegen die Verhältnisse hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen im Nowodewnschi-Kloster hinter der Moskauschen Pforte. Als das reichste Kloster in Rußland ist das Troize-Sergiew-Kloster bei Moskau zu bettachten, indem es über ein Kapital von 3 Milliarden und enorme Jahreseinnahmen verfügt. Die Gesamtzahl der Klöster in Ruß land ist auf siebenhundert zu veranschlagen. Um eine Vorstellung von den Vermögensver hältnissen der Mönche zu geben, erwähnt das russische Blatt, daß ein kürzlich verstorbener Mönch des Alexander-Newiki-Klosters 100 000 Rubel hinterlassen hätte. Von der Priorin eines südrusfischen Klosters wiederum wird berichtet, daß fie eine Operettengesellschaft in einer der Städte Südrußlands mit jährlich 30 000 Rubel subventioniert. Diese Zahlen und Tatsachen als beredt genug hinstellend, schließt das russische Blatt: „Ob Krieg oder Frieden — Geld braucht das Vaterland in jedem Fall!" Kuntes Allerlei. Nach «wer Durst-Statistik, die der Ver ein zur Bekämpfung des Alkohols aufgestellt hat, wird das meiste Bier naturgemäß in Bayern und Württemberg getrunken. Die größten Biertrinker besitzt nach dieser Statistik das Städtchen Creußen bei Baireuth, wo fich 23 Wirtschaften bei 962 Einwohnern befinden, es kommen mithin 42 Seelen mit Frauen, Kindern und Kranken zusammen auf jede Wirt schaft. In Wirklichkeit kommen auf jede Kneipe, da man Frauen, Kinder und Kranke abrechnen muß, etwa 18 Mann. Dabei bestehen alle Kneipen gut. Es gibt aber noch andre Ort schaften, deren Bewohner ähnlichen Durst haben, so Kasendorf bei Kulmbach (605 Einwohner) 10 Wirtschaften mit je 60 Stammgästen, Ried lingen (Württemberg) 2300 Einwohner, 32 Wirt schaften mu je 72 Stammgästen, Löffingen (Baden) 1110 Einwohner und 15 Kneipen mit je 74 Stammgästen rc. -- * Harmonie. „Wie verträgt sich Herr Süfferl mit seiner jungen Frau?" — „O sehr gut; sie wirft ihm das Trinken vor und er ihr das Essen nach!" — „Mein Name ist Berta Rheinsberg," fiel diese rasch ein. „Bitte um Verzeihung," entgegnete der Mas, „ich wußte nicht, daß Herr Rheinsberg eine Tochter — nicht doch" — fuhr er fich selbst verbessernd fort — „ich meinre nämlich eine Tochter in Ihrem Alter" — und es schien, als wolle er hinzusügen — „und von w seltener Schönheit besitzt;" — denn sichtlich verwirrt blickte er die junge Dame an. Ein schalkhaftes Lächeln kräuselte den Mund des reizenden Mädchens, und mit sinem fast mutwilligen Ausdruck in den Augen sagte Berta: „Herr Graf, Ihr Gedächtnis hat keinen Raum gehabt für ein kleines Mädchen, das einmal zum Besuch auf Ihrem Gute sich befand und das durch Ihren großen Bernhardiner derart erschreckt wurde, daß es lang hinpurzelte, worauf Sie selber hinzusprangen, das dumme Kind aufhoben und es sorgsam auf eine Garten- oanl niedersetzten, dabei den unschuldigen Leo herbeirufend und ihm das Fell schüttelnd. Sie sehen, — lachte fi, in lieblichster Weise — „daß mein Gedächtnis stärker als das Ihrige SU sein scheint." „In der Tat, Fräulein Rheinsberg, Sie haben recht. Jetzt erinnere ich mich deutlich Ihres damaligen kleinen Unglücksfalles. Es "Aen ° lvohl sieben bis acht Jahre her sein, der GrafAbenkuer sich ereignete —" meinte ; ihr Blick schweifte über die andschaften. Sie sah im Geiste das schloßartige, w Renaissancestil gebaute alle Herrenhaus des Grafen mit dem herrlichen Park, der das Ge bäude umgab, vor fich. Auch der Graf Wen nachzudenken, aber sein Blick umfaßte das vor ihm liegende traute Heim der jungen Dame, die ihm gegen über stand. Nach einer Pause begann er wieder: „Seltsam! Ich habe seit der Zeit, daß wir uns nicht wieder begegneten, so ziemlich die ganze Erde durchreist, — aber nie und nirgends fand ich eine ländliche Szenerie, die fich dieser herrlichen Waldgegend an die Seite stellen könnte. — Und ich werde, wenn Sie es er- lauben, gnädiges Fräulein, mitunter Ihr trautes Heim aufsuchen, ist mir doch Ihr Herr Papa ein freundlicher Ratgeber und lieber Nachbar." Und das große offene Auge des Grafen bettachtete mit sichtlichem Wohlgefallen seine schöne Nachbarin, — dann senkte sich sein Blick und schweifte über den wohlgepflegten Vorgarten, au dessen Pforte die beiden jungen Leute standen, und tiefaufatmend sagte er: „Ja Fräulein — ich war vor sieben Jahren, als ich mein Elbe anzutretrn genötigt war, blutjung, eine fast wilde Sehnsucht trieb mich hinaus in die weite Welt. Ich bin jetzt der Reisen müde und beabsichtige, mich dauernd auf meinem Besitz niederzulassen." Der Graf war im Gespräch mit Berta der Pforte ganz nahe getreten, er lehnte mit dem linken Arm auf dem Gitter, und den Kopf senkend, zeichnete er, wie zerstreut, mit der Spitze seiner Reitgerte Schnörkeln in den weißen Kies des Weges. Das kluge Pferd stand, fich selbst über lassen, im Fahrweg und rieb den schlanken Hals an einer der Silberbirken, welche längs des Weges gepflanzt waren. Graf von Rohden mochte höchstens sieben- bis achtundzwanzig Jahre all sein. Er war gewiß ein stattlicher Mann zu nennen. Die elastische mittelgroße Figur zeugte vom herrlichsten Ebenmaß; sein gebräuntes Ge sicht war sowohl im Profil, als sn t»es gleich edel gezeichnet: mild und doch männlich willens stark. Sein Auge von unbestimmter Farbe war groß und ausdrucksvoll. Dunkles Haar drängte sich in natürlichen Locken unter dem feinen Stroh hut hervor. Der an den Körper eng anschließende Reit anzug hob die gewölbte Brust, die breiten Schultern, Taille und Muskeln deutlich hervor. Rechnet man dazu, daß dieser schöne Graf schon im zwanzigsten Lebensjahre Erbe von einem Barvermögen, das nach Millionen zählte, und Gütern, welche einen Wert von auch einer Million repräsentierten, geworden war, so kann man wohl denken, daß Graf v. Rohden zwanzig Meilen im Umkreis und noch mehr in der Re- fidenz, der begehrenswerteste Freier der jungen Damenwelt des alten und neugebackenen Adels, der reichen Aristokratie, wie der, in unsrer Zeit zahlreichen, ost von gestern auf heute empor- gekommeneu Parvenuwelt war. Sprachlos standen die beiden schönen, jungen Menschen nebeneinander. „Ich begreife," nahm Berta den Faden der abgebrochenen Unterhaltung wieder auf, „daß Sie. Herr Graf, fich recht heimisch und glück ¬ lich auf Jbrem schönen romantischen Wohnsitz fühlen müssen. Oft, sehr oft bin ich, während Sie, wie Sie sagen, die weite Welt durch reisten, einsam und allein durch die beiden, unsre Wohnungen trennenden Laub- und Nadel hölzer gewandert, blieb dann vor der großen Parkpforte stehen und lugte durch das Gitter in den allen, wunderbar trauten Garten. Schon als Kind erfreute mich der dunkle Park mit dem silbernen Weiher, aus dem fich die Weißen Wasserrosen zwischen dem breiten, grünen Blättergewirr emporstrecken, im Hintergründe das mächtige, grau-rote Schloß mil den blitzen den Fenstern zwischen seltsam gesonntem Stein- geschnörkel. — So, meinte ich, müßten die „Zauberschlösser" ausgesehen haben, von welchen ich in den bunten Märchenbüchern gelesen, die mir Papa immer in neuer Auflage zum Ge schenk machte." „Ei, Sie kleine Schwärmerin!" lächelte treuherzig Graf von Rohden, „da müssen Sie doch auch in die verborgenen Misterien meines Zauberschlosses eindriugen und die Schätze sehen, welche eS wirklich in verschiedenen Exem plaren birgt. Ich würde gern persönlich den Führer machen — und nicht wahr, — Sie lieben doch die Blumen, Fräulein Berta? — Die duftende Jasminlaube hier, die reizend ge formten Beete dort auf dem Rasen zeugen da von. — Nun, besuchen Sie mich mit Ihrem Herrn Papa und Sie werden von der Blumen pracht entzückt sein, die ich meinem alten Gärtner zu verdanken habe." Wf > (Fortsetzung folgt.)