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Portepee unL Maske passen nicht zu einander, Herr Leutnant bon Groneck!" „Aber ich fühle mich gebunden. Ich liebe Fräulein Fel sen," stieß Bernd bon Groneck mit gepreßter Stimme hervor, »und ich achte sie.". Der Oberst zuckte mit den Achseln. „Ich zweifle nicht an der Achtbarkeit des Fräulein Felsen," entgegnete er, „aber hier handelt es sich um ein Prinzip, Las zu verletzen ich sür pflicht widrig halten würde. In dieser gärenden, auflösenden Zeit, die die Tendenz hat, die Unterschiede und Abstände zwischen den einzelnen Klassen im Staate zu nivellieren, ist es gerade unsere Pflicht, unerschütterlich fest zu'halten an den alten, ge heiligten Traditionen unseres Standes. Wir wenigstens sollten den demokratischen Ideen keinen Eingang in unsere Reihen gewähren." In dem Leutnant lehnte sich etwas auf gegen diese Anschauungen. Was hatte Lie Liebe mit Ler Politik zu tun? Und inwiefern huldigte er demokratischer Gesinnung, wenn er dem Zuge seines Herzens folgte? Zum ersten Male empfand er es bitter, daß die militärische Disziplin es nicht zuließ, offen und ohne Scheu der Ansicht des Vorgesetzten zu widersprechen. Eine Pause entstand. Der Leutnant stand unbeweglich, Lie Blicke zu Boden gekehrt, schwer atmend, im harten Kampfe zwischen den heiß aufquellenden Empfindungen feines leiden schaftlichen Herzens und dem anerzogenen Respekt und Gehor sam. Der Oberst ging schweigend, die Hände auf dem Rücken, auf und ab.'. Nach einer Weile nahm er noch einmal Las Wort: „Sie stchen hier vor einer Krisis Ihres Lebens, Herr Leutnant von Groneck, Lie schon mancher vor Ihnen Lurchgemacht hat. Unser Beruf hat nicht nur seine Privilegien und Sonderrechte, er sordert auch Rücksichten und Opfer. Sie haben einfach zu wählen: Beruf oder Liebe! Ein Kompromiß-zwischen beiden ist in Ihrem Falle ausgeschlossen — Sie find Herr über Ihr Geschick. Entscheiden Sie, wie Sie es glauben vor sich selbst verantworten zu können." Dem Leutnant gab es - einen Ruck. Das war klar und deutlich. Das hieß mit anderen Worten: „Entweder Sie ent sagen Ihrer Liebe, oder aber Sie nehmen den Abschieid." Heiß und kalt burchschauerte, es den jungen Offizier. Aber noch ehe er sich so weit gefaßt, um eine Antwort hervorbringen zu kön nen, fügte der Oberst seiner Erklärung hinzu: „Gehen Sie mit sich zu Rate, bevor sie den entscheidenden Schritt tun. Ich dränge Sie nicht." Ein kurzes Kopfnicken des Gestrengen bedeutete ihm, daß er entlassen sei. Der Leutnant schlug die Hacken zusammen, verbeugte sich tief und ging. 3. Bernd von Groneck befand sich in einem Zustand dumpfer Betäubung. Hart und grausam war Lie Wahl, vor die ihn sein Regimentskommandeur gestellt. Was sollte er tun? den Ab schied nehmen? Ein heißes Weh durchfuhr ihn. Seit frühester Kindheit hing er an dem Soldatenberuf, der in seiner Familie seit Jahrhunderten traditionell war. Und nun sollte er alle Aussichten auf eine glänzende Karriere für immer aufgeben, sollte sich in jungen Jahren zur Untätigkeit verdammen? Eine leidenschaftliche Empörung loderte in ihm auf, ein zorniger Unwille. Sollte er sich ohne Widerspruch willenlos unterwerfen und so gleichsam indirekt zugeben, daß der Herr Oberst recht hatte, Dora Felsen war unwert, die Frau eines Of fiziers zu werden. Nein und tausendmal nein! War er denn ein unreifer Knabe, ein sinnloser Schwärmer gewesen, als er dem Mädchen, das er liebte, Herz und Hand angeboten? Nicht weil sie arm war, nicht weil sie einen schlichten, bürgerlichen Namen trug, war sie für unebenbürtig erklärt worden, sondern nur weil sie den Kampf ums Dasein unerschrocken ausgenommen und sich und ihre Mutter in ehrlicher Weise ernährt hatte. Das wurde ihr zum Schimpf angerechnet, Las schloß sie aus von der Ehre, der Frau Oberst und den anderen Offiziers-Damen gesell schaftlich gleichberechtigt zu werden. War das menschlich ge fühlt, gerecht geurteilt? War das nicht sinnloser Hochmut, ein unnatürlich aufgebauschtes Standesgefühl? Sollte er Len Schimpf, der in der Entscheidung des Obersten für Dora und für ihn selbst lag, ohne Protest hinnehmen? Nein und tausend mal nein! Für ihn als Offizier gab es in dieser Angelegenheit nur eine Berufung gegen den Befehl des Vorgesetzten, Lie an den Kaiser! Zum Glück besaß Bernd von Groneck in der Umgebung des Kai sers einen Verwandten, einen älteren Vetter, der nach einer glänzenden, zum großen Teil im Generalstab durchlaufenen Karriere vor kurzem zum Flügeladjutanten ernannt worden. Diesem trug er in einem ausführlichen Schreiben Lie ganze An gelegenheit vor und fragte ihn, ob er auf feine Vermittelung und Fürsprache rechnen könnte. Die Antwort traf fchon nach acht Tagen ein und lautete günstig, da die Erkundigungen, die der Adjutant in der Zwischenzeit eingezogen, für die Familie Felsen sowohl wie für Dora außerordentlich zufriedenstellend gewesen. Hocherfreut reichte Ler Leutnant ohne Verzug die for- melle Beschwerde auf dem vorschriftsmäßigen Wege ein und, dank dem Betreiben Les Flügeladjutanten, traf Lie kaiferliche Entscheidung schon in verhältnismäßig kurzer Frist ein. Die selbe lautete: Eine Familie, die Lem König und dem Vaterland Lrei tapfere Offiziere gestellt, ist in jeder Hinsicht ebenbürtig und Lem Leutnant von Groneck ist der erbetene Konsens zu sei ner Verlobung und späteren Verheiratung mit Fräulein Dora Felsen, sofern Lie sonstigen vorschriftsmäßigen Bedingungen erfüllt sind, nicht länger vorzuenthalten." Der Oberst teilte seinem Untergebenen in kurzer, knapper Form Lie auf dienstlichem Wege aus Berlin eingetroffene Kund gebung mit und schloß mit den Worten: „Seine Majestät haben befohlen, ich habe zu gehorchen." Im übrigen keine Aeußerung weder des Grolles noch einer versöhnlichen Stimmung; kein Wort Ler Teilnahme, kein Glück- wunfch. Für die beiden Liebenden begann dessen ungeachtet eine glückliche Zeit. Alle seine Abende brachte Bernd bei Dora und ihrer Mutter zu. Ihre Dankbarkeit, ihre zärtliche Liebe, die sich in unzähligen, überzeugenden Zügen verriet, entschädigte ihn reich für die Ungnade des Herrn Oberst, die er — darüber gab er sich keiner Täuschung hin — für immer auf sich geladen. Der Geliebten hielt er den Gegensatz, in den ihn seine Verlobung mit ihr zu seinem Herrn Oberst gestellt, sorglich geheim. Er wußte ja, Laß sie sich tief verletzt fühlen mußte, erfuhr sie je von dem Konflikt, in dem er sich befunden. Die unumgänglichen Besuche in den Familien der verhei rateten Offiziere, denen er seine Braut präsentieren mußte, ver-. schob er vorerst noch. Er wollte ihnen Zeit lassen, sich mit Ler Tatsache seiner Verlobung mit der ehemaligen Schauspielerin auszusöhnen. Endlich aber — die Hochzeit stand vor der Tür — ließ sich Lie Erledigung Ler unabweislichen gesellschaftlichen Pflicht nicht länger vertagen. Und so setzte Las junge Braut paar einen Sonntag fest, an dem man hintereinander die Höf lichkeitsbesuche erledigen wollte. Als Bernd zur verabredeten Stunde in der Felsenschen Wohnung eintraf, fand er Dora schon vollständig zum Ausgetzen gerüstet. Sie trug ein schlichtes, schwarzes Seidenkleid. Als Schmuck hatte sie eine einfache Perlenschnur um den Hals. Ihre ganze Erscheinung batte etwas Bescheidenes, und Bernd küßte sie herzlich auf die Stirn, im stillen erfreut über diesen neuen Beweis ihres feinen Taktgefühls. Doras Gemütsstimmuna schwankte zwischen erwartungsfreudiger Gehobenheit und ängst licher Kleinmütigkeit hin und her, die sich in einem Dutzend von Fragen äußerte, auf die ihr Bernd Bescheid geben mußte. „Ist Lie Frau Oberst eine liebenswürdige Dame?" „O ja, wenn sie will — aber leider will sie es nur selten." „Ist sie nicht eine geborene Gräfin?" „Eine Gräfin Häseler." „Und sehr stolz?" Bernd zuckte die Achseln und antwortete ausweichend: „Unser Glück ist ja nicht von der Laune Ler Frau Oberst ab- hängig." „Und wo machen wir nach ihr unsern Besuch?" „In der Familie des etatsmäßigen Stabsoffiziers. Seine Frau ist eine sehr liebenswürdige und sehr fein gebildete Dame." „Auch von Adel?" „Auch." Dora Felsen seufzte und fragte weiter: „Und dann?" Dann kommt mein Rittmeister an die Reihe. Seine Frau ist eine geborene Linder, einfach Linder." Doras Gesicht leuchtete auf. „Gott sei Dank! Das ist mir lieb, sehr lieb, da sie die Gattin Deines unmittelbaren Vorge setzten ist. Ich werde'mir recht sehr Mühe geben ihr zu gefallen. Meinst Du nicht, daß sie mich gut aufnehmen wird?" Bernd von Groneck nickte, obgleich er innerlich die freudige Zuversicht seiner Braut nicht teilen konnte. Gerade Lie Frau Rittmeister war sehr stolz auf Len Adel, den sie sich angeheiratet, und erinnerte sich nicht Mrw ihrer bürgerlichen Herkunft, Lie sie durch eine um so strengere Exklusivität und Vornehmheit ver gessen zu machen liebte. Den: jungen Offizier war überhaupt nicht weniger als freudig zu Mute, und er mußte sich Zwang an tun, um eine sorglose Miene zu stände zu bringen. Er durfte ja der armen Dora nicht von vorn herein den Mut benehmen. Bei den klopfte das Herz fast hörbar, als sie die Treppe zu Ler Woh nung des Oberst von Oertzen emporstiegen. Aber alle Angst und alles Bangen erwies sich als unnötig, denn der Diener, welcher dem Brautpaar die Korridortür öffnete, meldete: „Der Herr Oberst und Las gnädige Fräulein sind nicht zu Hause, und die Frau Oberst bedauert, nicht empfangen zu können, sie ist un päßlich."