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Allgemeiner Anzeiger : 12.07.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190507129
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19050712
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050712
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-07
- Tag 1905-07-12
-
Monat
1905-07
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.07.1905
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U Twei fr-auen. 25j Roman von E. Borchart. (Fortsetzung.) Ottingen spricht so sachlich und nihig, daß Elisabeth in Sicherheit gewiegt wird, dabei aber so fesselnd und interessant, daß fie es nicht be dauert, in seiner Gesellschaft zurückgeblieben zu sein. Allein schon dem vollen Klang seiner Stimme zu lauschen, ist für fie ein Hochgenuß. Wenn fie ihn doch nur einmal fingen hören könnte! Sie weiß es aus Ediths Munde, daß jede diesbezügliche Bitte und Anfrage vergeblich wäre, darum hat fie ihn auch nicht dazu ermuntert. Aber fie kann es sich nicht versagen, von Musik zu sprechen, von der Kunst, die fie so lange schon in ihrem tiefsten Herzenswinkel vergraben mußte. Ottingen geht merkwürdigerweise darauf ein. Er braust nicht auf, er wird nicht leidenschaftlich erregt, wie bei der ersten Berührung dieses Gegenstandes. Ruhig und klar spricht er von den bedeuten den Meisterwerken der Muflkliteratur; sein Urteil ist reif und klar und zeugt von tiefem, eingehendem Verständnisse. Auch einige be rühmte ausübende Künstler erwähnt er mit Anerkennung ihrer Leistungen, nur von sich und dem, was er einst geleistet hat, spricht er nicht. Ottingens bestrickende Persönlichkeit und seine feine, geistvolle Unterhaltung verfehlen ihren Eindruck auf Elisabeth nicht. Sie ist da von gefangen und hätte ihren Unfall darüber vergessen, wenn Otlingen fie nicht eben daran erinnerte: »Haben Sie noch Schmerzen?" poUtilcke Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. * Iapanhat einen Waffenstillstand für jetzt direkt abgelehnt; es will erst auf Verhandlungen eingehen, wenn die Friedens- Unterhändler in großen Zügen wenigstens einig find. * * * Zu den russischen Wirren. *Jn Rußland alle Tage neue Schrecknisse! Des „Pobjedoneszew" haben sich die Behörden ja wieder bemächtigt, aber der „Potemkin" fährt ungehindert im Schwarzen Meere umher, erklärt sich als im Kriegszustände mit Rußland und brandschatzt die russischen Küstenstädte! Dazu kommt die Meldung, daß imKaukasus der Aufstand allgemein sei. Die dortige Bevölkerung wurde s. Z. in langjährigen harten Kämpfen von den Russen unterjocht; jetzt rächt fie sich in schrecklicher Weise. Die kriegerischen Bergbewohner im Bunde mit den Meuterern und Ausständigen in den Städten stellen, wenn organifiert, eine erhebliche Macht dar, denen das durch den Krieg so erheblich geschwächte Militär in keiner Weise ge wachsen ist. * Auf Anordnung der Behörden hasten die Einwohner von Feodofia die Stadt verlassen. Nur die Truppen und die Beamtenschaft blieben zurück. Mannschaften des „Fürst Potemkin", die an Land gehen wollten, wurden aus der Stadt mit Jnfanteciesalven empfangen; zwei Mann wurden getötet. Als Antwort darauf feuerte das meuternde Torpedoboot, das den „Potemkin" begleitet, aufdieStadt einen scharfen Schuß ab, der jedoch fehl ging. — Über die Stadt ist derBelagerungs- zustand verhängt worden. * Das bulgarische Schulschiff „Nadeschda" begegnete 30 Meilen südlich von Sebaftopol dem „Fürst Potemlin" und wechselte mit ihm Salutschüsse. Laut Aussagen der Mann schaft der „Nadeschda" befinden sich an Bord des „Fürst Potemkin" außer den Meuterern ungefähr 200 Zivilpersonen, darunter auch Frauen. * Auf der Wacht gegen die m e ut eris ch e n Russenschiffe find jetzt alle Küstenstaaten des Schwarzen Meeres, außer Rumänien auch Bulgurien und die Türkei. Nach einem Tele gramm aus Sofia hat das mit der Verfolgung des „Fürst Potemkin" beauftragte russische Tor pedoboot „Stremitelny" den Hafen von Varna angelaufen. Nach Einnahme von KMe und Wasser dampite der „Stremitelny" mit un bekannter Bestimmung ab. Die bulgarische Regierung hat die Hafenbehörden angewiesen, alle eventuell anlaufenden meuternden russischen Schiffe sofort zu desarmieren oder zum Ver lassen des Hafens aufzufordern und nötigen falls Gewalt anzuwenden. *Der im Konstantinopeler Hafen liegende Personendampfer „KaiserNikolaus" wurde von seinem meuternden Personal ins Schwarze Meer geführt; er will sich dem „Potemkin" an schließen. * Große Arbeiterunruhen find auch im Gouvernement Jekaterinoslaw (Süd rußland) ausgebrochen. * * * Deutschland. * Der Kaiserhat zu der bevorstehendenO st- seefahrt zahlreiche Einladungen ergehen lassen. Die Teilnehmer haben die Auf forderung erhalten, sich in Kiel einzufinden und sich dort zur Ausreise bereit zu halten. Die Ostseefahrt wird annähernd vier Wochen dauern. * In den nächsten Tagen wird unser neuestes Linienschiff „Preußen" (13 200 Tonnen groß) in Dienst gestellt. Es wird das Flaggschiff des 2. Geschwaders. Da auch noch „Kur fürst Friedrich Wilhelm" mit seinen Umbauten fertig wird, werden wir in diesem Jahr eine aktiveSchlachtflotte von 16 Linie n- schiffen haben. In solcher achtunggebietenden Der Befehlshaber der Aufklärungsschiffe wird seine Flagge auf „Jork" setzen. Es w den insgesamt 8 Admirale ihre Flaggen von den Schiffen unsrer Schlachtflotte wehen lassen. * Die Verluste infolge des Auf- standes inSüdwestairika betragen bis einschließlich den 9. Mai 1905 bei der aktiven Schutztruppe 694 Mann, darunter 49 Offiziere und 116 Unteroffiziere, bei der Marine 92 Mann, darunter 7 Offiziere und 11 Unteroffiziere, bei den Farmern, der Reserve usw. 195 Mann, darunter 13 Offiziere. Es find also im ganzen 981 Mann getötet worden, ferner verunglückten, jedoch nicht tödlich, 17 Mann und wurden 434 Mann verwundet. Unter den letzteren be- Vizcadmiral Krieger, Oberbefehlshaber des in Sebaftopol stationierten Geschwaders, das gegen den „Fürst Potemkin" aus geschickt war. fanden sich 36 Offiziers der aktiven Schutz truppe, 6 Offiziere der Marine und 4 Offiziere der Reserve. Insgesamt find getötet, verunglückt und verwundet 1432 Mann, und zwar 1070 Mann der aktiven Schutztruppe, darunter 86 Offi ziere und 206 Unteroffiziere, 118 Mann der Marine, darunter 13 Offiziere, 244 Mann der Reserve, darunter 17 Offiziere. Österreich-Ungar«. * Während der Verhandlung über den deutschen Handelsvertrag im österreichischen Abgeordnetenhause protestierten die Tschechisch-Radikalen unter anhalten dem ohrenbetäubenden Lärm gegen die Ver handlung und fragten, was mit ihren Dringlich keitsanträgen sei, deren fie im ganzen 700 ein- gebracht hatten. Referent Baernreither erstattete unter ununterbrochenem tosenden Lärm der Tschechisch-Radikalen, die mit Signalpfeifen pfiffen und mit Büchern auf die Pulte klopften, Bericht. Ahg. Stein warf plötzlich gegen die Tschechisch-Radikalen eine Streusand büchse, die hinter denselben zu Boden fiel, ohne jemand getroffen zu haben. Die Tschechisch- Radikalen stürzten darauf gegen die vorderen Bankreihen. Große anhaltende Erregung, ohrenbetäubender Lärm dauerte während des ganzen Referats Baernreithers an, erst während der Rede des nächsten Redners Kulp legte sich allmählich der ^.arm. ^raukreich. *Der französische Sozialistenführer I aurös wurde von dem deutschen Botschafter in Paris ersucht, sein Auftreten in Berlin am besten zu unterlassen. (Jaurös beabsichtigte, in Berlin über den Weltfrieden zu sprechen.) vinzen soll der Religionsunterricht in der Muttersprache erteilt werden. Ferner sollen der Bevölkerung des östlichen Rußland einige Erleichterungen gewährt werden. (Das ist doch immerhin etwas!) Baikanstaaten. * Eine unbeabsichtigte Wirkung hat die russische Meuterei auf die türkische Regie- rung geübt. Durch ein Jrade des Sultans wurde eine Kommission gebildet, die den Auf trag hat, die m Konstantinopel, in den Darda nellen und in Saloniki liegenden Kriegsschiffe auf ihren materiellen und ihren Gefechts wert Zu prüfen. Der eigentliche Zweck der Untersuchung, die durch die Vorfälle auf dem „Potemkin" veranlaßt wurde, ist, den Geist und die Disziplin der Offiziere und der Bemannung kennen zu lernen, worauf entsprechende Vor schläge gemacht werden. *Jn Konstantinopel soll bei der Beamtenschaft große Erregung herrschen, weil trotz Staatsanleihen und großen Ein nahmen keine Gehälter bezahlt werden, während Unsummen ins Sultansschloß und in die Taschen hoher Würdenträger fließen. Aus äem lieben cles Staatssekretärs k)ay. Der Tod des amerikanischen Staatsmannes John Hay gibt englischen Blättern Anlaß, die Lebensschichale und Taten dieses bedeutenden Mannes, der in der Geschichte der Ver. Staaten durch lauge Jahre eine führende Rolle gespielt hat, in ausführlichen Aussätzen darzustellen. Obwohl Kolonel Hay erst 67 Jahre alt war, so kam sein Tod doch nicht unerwartet, denn schon lange Zeit hindurch erregte sein Gesundheits zustand keine Hoffnung für ein längeres Leben. Als Soldat, Schriftsteller, Dichter, Politiker und Staatsmann hat sich Hay als ein Mann von genialem Scharfblick und eminenter Tüchtig keit eiwiesen. Schon in seiner frühesten Jugend hatte er das große Glück, in die Geheimnisse der Staatskunst durch Abraham Lincoln ein- gefühlt zu werden. Er war in das Bureau Lincolns bald nach Beendigung seiner Studien eingetreten und wurde nachher der Privatsekretär des Präsidenten. Bis zu Lincolns Tode ist er dann die furchtbaren Jahre des Bürgerkrieges hindurch die rechte Hand seines Lehrers gewesen und hat wacker in den Schlachten mitgekämpft und ist mit dem Range eines Obersten daraus hervorgegangen. Nach Lincolns Ermordung setzte Hay seine diplomatische Laufbahn fort und war nacheinander an den Gesandtschaften von Paris, Wien und Madrid tätig. Dann kam eine Zeit journalistischer Tätigkeit. Der Kolonel wurde Chefredakteur der ,New Jork Tribune', bis ihn eine Berufung als Gesandter am eng lischen Hofs nach London brachte. Wenige Ge sandten haben sich in den Herzen der Engländer so vieler Freundschaft und so großen Wohl wollens erfreut. Im Jahre 1898 wurde Hay dann in die außerordentlich wichtige Stellung eines Staatssekretärs unter der Regierung Mac Kinleys berufen, eine Stellung, die er bis zu seinem Tode inne behielt. In seinem Äußern War Hoy der Typus des beweglichen, nimmer müden Amerikaners. Von ziemlich schmächtiger Statur, machte er doch durch die scharf akzentuierte Art seines Auftretens den Ein druck einer bedeutenden Persönlichkeit, und während die kluge und bestimmte Form seiner Gesten den Diplomaten verriet, gab sein langer dichter Schnurrbart seinem Wesen etwas Mili tärisches. Nie ermattender Fleiß war die größte Tugend dieses vielbeschäftigten Mannes. Bei der Arbeit immer der Erste, fand er Zeit, einem jeden Rede und Amwort zu stehen, und eine Unterredung mit rhm zu erlangen, war nicht schwerer, als mit irgend einem gewöhn lichen Beamten. Und in der Seele dieses prak tischen und kühl denkenden Mannes schlummerte eine dichterische Begabung, die ihm in schweren Stunden Trost uns Vergcssenheir bot. Einst hatte ihn Lincoln während des Bürgerkrieges nach Quantics gesandt, um Erkundigungen ein- zuzichen. Der Potomac war zugefroren, und das Schiff konnte nur langiam fortkomwen, viel zu langsam für den unruhig vorauseilenven > Geist des jungen Sekretärs. Kein Feuer in del Kajüte, die Kälte so stark, daß niemand schlafen konnte. Die Matrosen standen zähneklappernd und fluchend am Ofen, aber der junge Hay saß die ganze Nacht über den Tisch der Kajüte ge beugt und schrieb eifrig. Er dichtete. Die „Poöms" von Hay, die 1890 erschienen, ent halten Gedichte, die in einem kraftvolle« Rhythmus zur Selbstzucht, zur Aufopferung und zur Pflichterfüllung mahnen. Seine Balladen gehören zu den bekanntesten Gedichten Amerikas. Hay hatte die leidenschaftliche Beredsamkeit der stark ausgeprägten Persönlichkeit, die die Hörenden mit sich sortreißt, und ihm stand die graziöse Kunst des Plauderns und Erzählens zu Gebote. Man erzählt sich gern eine witzige Antwort, die er einem sehr eingebildeten jungen Manne gab. Als dieser einst seine Fähigkeiten und seinen Wert recht unzweideutig zur Schau stellte, unterbrach ihn Hay mit den Worten: „Na also, lieber Freund, dann können wir Sie ja nach Ihrer Wertschätzung verkaufen und nach unsrer wiederkaufen, und dann werden wir ein vorzügliches Geschäft machen." Von unä fern. Kaiserliches Geschenk. Der Kaiser hat dem auf der Hohkönigsburg bei Schlettstadt be schäftigten Arbeiter Führe! aus Tannenkirch, dessen Anwesen in der Nacht vom 7. zum 8. Mai d. ein Raub der Flammen wurde, eine Unterstützung von 400 Mk. bewilligt. Diese Summe wurde aus dem dem Monarchen zur Verfügung stehenden Disposttionsfond be stritten, der sich aus den Eintrittsgeldern für die Besichtigung der Burg gebildet hat. Deutsche Kriegsschiffe an der norwegi schen Küste. Dis, deutschen Küstevpanzerschiffe „Aegir" und „Frithjof" sollen dieser Tage zu einer wissenschaftlichen Expedition ausbrechen; und zwar soll die auf vier Wochen berechnete Fahrt nach der norwegischen Küsie gehen. ' Es handelt sich um Wetterbeobachtungen und Untersuchungen, wie fie Fürst Albert von Monaco 1904 an Bord seiner Jacht auf einer Reife nach den Azoren ausgeführt hat. Das gewonnene Ergebnis soll ergänzt und erweitert werden. „Aegir" und „Frithjof" find lür diese wissenschaftliche Exoeditton mit Drachenballons und den neuesten technischen Vorrichtungen ausgerüstet. Als Stationen find Christiania, Bergen, Gudwungen, Molde, Dronthsim auser sehen. Es sei hervorgehoben, daß bereits früher Schiffe unsrer Marine sich in den Dienst der Wissenschaft gestellt haben und Forschungen auf dem Gebiete der Wetterkunde unteinahmcn. Eine uene Talsperre ist für die Stadt Remscheid jetzt im Neyetal bei Wipperfürth in Angriff genommen worden Um das Wasser nach Remscheid leiten zu können, Hai sich der Bau von vier Stollen als nötig erwiesen. Hamburger Hafsnanlage«. Die Ham burger Bürgerschaft bewilligte nach einem An träge des Senats 855 000 Mk. für die Er weiterung der Hafenanlagen. Der Danziger Kirchenbrand. Die Katha rinenkirche in Danzig, deren Turm durch einen Blitzschlag vernichtet wurde, ist jetzt auf polizei liche Anordnung geschlossen worden. Die stehen gebliebenen Umfassungsmauern des ausge brannten Turmes find so stark, daß fie de« Neubau eines Turmes und eines Glockenftuhles werden aushalten können und nicht abgetragen zu werden brauchen. Etwas sehr spät! Unter den Ärzten, denen jüngst der Charakter als Sanitätsrat verliehen wurde, befindet sich auch der praktische Arzt Dr. Kalter zu Neuß a. Rh. Zu seine« Leozeiten Hüfte ihn diese Auszeichnung vielleicht erfreut, leider ist er aber schon seil zwei Jahre« — verstorben. Nicht mit vollem Mage« bade«! Ler neunjährige Knabe Gustav Kothe begab sich gleich nach dem Essen nach der Vaddeler Bade anstalt. Ec war erst kurze Zeit im Wasser, als sich Erbrechen entstellte, dazu schlucke el Wasser und mußte ersticken. Der Druck des Wassers aut den gefüllten Magen verursacht Erbrechen. Krämpfe und auch Herzschlag. * Die Deputiertenkammer begann am Donners tag die allgemeine Beratung des Gesetzes betr. die Arbeiter-Jnvaliden-Versiche- rung. Rußland. * In Livland soll ein Gymnasium mit deutsch erUnterrichtssprache geschaffen Stärke ist Untre Flotte noch Niemals erschienen, drul!v-)>:ruulecrl»)iviprlleye ge^age. Zu den 16 Linienschiffen kommen acht Kreuzer. < werden. In allen Schulen der baltischen Pro- „Nein, ich fühle fie kaum mehr." „Wollen wir nicht einmal versuchen, ein Stück in den Wald zu gehen?" Elisabeth, die selbst gern versuchen möchte, ob ihr Fuß noch schmerzt, ist gern bereit. Otttingen ist aufgestanden und reicht ihr die Hand. „Nehmen Sie meinen Arm, wenn ich bitten darf, ich bin zwar ein Krüppel, aber viel leicht dennoch imstande, Sie ein wenig zu stützen." Elisabeth nimmt harmlos und ohne Ziere rei seinen Arm und macht behutsam einige Schritte. Es geht ganz gut, der Fuß schmerzt kaum noch, und fie ist sehr froh darüber. „Werner," sagt jetzt Ottingen zu dem Kleinen, der bisher nicht von Elisabeths Seite gewichen und aufmerksam ihrem Ge spräch gefolgt war, „sieh einmal, welche köst lichen Blumen dort auf der Wiese stehen. Willst du nicht einige für Tante Elisabeth pflücken?" Werner ist natürlich sogleich bereit und läuft davon, die Blumen zu holen. Da beugt sich Ottingen plötzlich zu Elisa beth herab und steht fie mit seltsam durchbohrenden Blicken an: „Warum find Sie die ganze Zeit über nicht nach Boyncburg gekommen?" Elisabeth erschrickt und wird unwillkürlich rot, nicht über die Frage selbst, sondern über den Ton, in dem sie gesprochen ist. Sie will ihm instinktiv ihren Arm entziehen, aber er hält ihn fest. „Antworten Sie mir, bitte." „Es fand sich keine Gelegenheit," erwiderte sie verlegen und verwirrt durch seinen ihr unverständlichen Blick. „Bedarf es dazu einer Gelegenheit? — Warum sagen Sie nicht die Wahrheit? Sie wollten mir bitterem Gesellen nicht be gegnen." „Sie find im Irrtum," entgegnet Elisa beth, jetzt wieder vollständig gefaßt; „ich komme auch sonst nicht so oft nach Boyne- bürg." „So find Sie doch unversöhnlich?" „Nein, wäre ich sonst in Ihrer Gesellschaft hier zurückgeblieben?" fragte fie zurück. „Dann lassen Sie mich hoffen, daß Sie in der allernächsten Zeit Ihren Besuch nach- holen werden." „Das kann ich nicht versprechen. Sie wissen, welcher Unfall mir heute zuge stoßen ist." „Sie wollen mir ausweichen," ruft er zu rück, „Ihr Fuß ist beinahe gut, und dann gibt es doch Wagen und Pferde, um den Weg fahren zu können. Vermögen Sie denn nicht zu begreifen, wie ich mich danach sehne, mit jemand, der die Kunst, die Musik liebt, wie ich, zu sprechen, nachdem ich jahrelang in der Verbannung gelebt habe?" Elisabeth kann es sehr wohl.begreifen; auch in ihrem Herzen drängt es nach Mitteilung, nach gegenseitigem Gedankenaustausch. Seine letzten Worte haben fie wieder völlig beruhigt, und fie glaubt, es wagen zu können, jetzt von seiner persönlichen Kunst zu sprechen. „Und warum verbannen Sie Ihre schöne Kunst in den verborgensten Winkel der Erde» sagt fie langsam. „Wie meinen Sie das?" fragt er erregt. „Warum fingen Sie nicht mehr, wariB gönnen Sie es keinem Sterblichen mehr, de« Wohlklang Ihrer Stimme zu hören?" „Halt!" ruft er wie beschwörend, läßt ihre« Arm los und fährt sich mit beiden Hände« wild und aufgeregt durch daS dunkle, kraust Haar. „Beschwören Sie die Geister der Ver gangenheit nicht herauf, machen Sie mich ni^ rasend. Was wollen Sie denn? Ich bi« nur noch ein Krüppel! Kann ich nicht mA ein ganzer Künstler sein, so will ich auch iE Halbes." „Tragen Sie nicht die Kunst in sich? W«« tut das Äußere dazu?" fragt Elisabeth, vo« diesem Gespräch ergriffen. „Was das Äußere tut? Das fragen b mich? Hahaha, was meinen Sie, welche« Eindruck auf der Bühne ein hinkender Ta««' Häuser, ein hinkender Siegfried mache* würde?" Sein Spott und seine Bitterkeit tun Elis«' beth in der Seele weh. „Und müssen Sie denn gerade auf der Büh«* Ihre Welt suchen?' „Einzig und allein. Lieber rühmlos sterbe«, als den Ruhm vergangener Tage in den SE ziehen und abschwächen. — Ich habe e>« Recht, meine Stimme vor der Welt zu ver bergen — aber Sie, Gräfin, mit welchem Rech' verweigerten Sie mir neulich die Bitte um Ihr*'' Gesang?"
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