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Allgemeiner Anzeiger : 13.05.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190505135
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050513
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-05
- Tag 1905-05-13
-
Monat
1905-05
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.05.1905
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politische Kunälchau. Der rusfisch-japauische Krieg. * Angesichts der schwerwiegenden Ent scheidung, die auf dem ostafiaiischen Kriegs schauplätze zunächst zur See erwartet werden mußte, ließ es sich erklären, daß die japanische Heeresleitung in der Mandschurei von einer Wiederaufnahme der Operationen vorläufig absah, und man mußte annehmen, daß der Zusammenstoß der Flotten eher erfolgen würde, als neue Kämpfe zu Lande, zumal da auch die russische Armee augenscheinlich nicht in der Lage war, zum An griff überzugehen. Nun verzögern sich die Er eignisse zur See in unvermutetem Maße, und so ist es wohl möglich, daß bei den Land heeren abermals die Feindseligkeiten in Gang kommen, ohne daß sich Roschdjestwensky und Togo zuvor miteinander gemessen haben. *Kuropatkin räumt das Feld in der Mandschurei nicht aus freien Stücken, wie gleich anzunehmen war. Er ist vielmehr durch Befehl aus Petersburg zur Heimkehr gezwungen worden. Dies hängt mit der Untersuchung der Vorgänge zusammen, die die letzte Kata st r o p h e verursacht habe. * Uber die aus Wladiwostok ausge laufenen russischen Torpedoboote sind in Tokio keine weiteren Nachrichten eingelaufen; man nimmt an, daß sie in den Hafen zurückgekehrt find. * Eine Zivilverwaltung in der Man dschurei, soweit sie hon Russen gesäubert ist, wollen die Japaner einsühren. Die japanische Regierung iü angeblich damit beschäftigt, die Pläne fertigzustcllen, nach denen in den von den Japanern besetzten Gebietsteilen der Mandschurei der Ersatz der Militärverwaltung durch Zivilverwaltung statt finden soll. Offiziere der Armee bleiben nach wie vor an der Spitze der Verwaltung und sollen durch Zivilsachverständige und Zivilvolizeigewalt unter stützt werden. Die Verweser für das Mandschurei- gsbiei find noch nicht bestimmt. Zur Deckung der Berwaltungskosten sollen ausreichende Steuern er hoben werden. * Prinz Karl Anton von Hohen- zollern, der eine Zelllang den kriegerischen Operationen im Hauptquartier der Japaner bei wohnte, wird am kommenden Dienstag von Nagasaki aus die Heimreise antreten. *Die Erregung in Japan über die Vor - schubleistung, die die Franzosen in Indo china der Flotte Roschdjestwenskys leisten, wird immer stärker. Sämtliche japanische Handels« kammern haben beschlossen, allen Handelsverkehr mit Frankreich abzubrechen. Die japanischen Blätter behaupten, durch die fortgesetzten Neutrali tätsbrüche der Franzosen sei derBündnisfall gegeben und England müsse mit tatkräftig ein greifen. Dies geschieht wirklich auch dadurch, daß England die japanischen Proteste in Pans rückhaltlos unterstützt. Delcassö be teuert, daß er die Neutralitätspflichten hochachte und alles tun werde, um die japanischen Be schwerden abzustellen. Es wird jetzt festgestellt, daß Roschdjestwensky, dessen Vorräte auf der langen Fahrt vollständig erschöpft waren, sich in der Kamranh-Bucht neu verproviantiert, sowie mit Trinkwasser und Kohlen neu ver sehen habe, ohne daß die französischen Behörden dies gehindert hätten. — Über den Aufenthalt der russischen und japanischen Flotte herrscht nach wie vor vollständiges Dunkel. Es wird aber behauptet, Togo habe durch Unglückssälle zwei seiner Schlachtschiffe verloren. * * Zu de« rusfische» Wirre«. * Der in Moskau tagende Kongreß der Semstwos sprach sich mit starken Mehr heiten für allgemeines Stimmrecht, für direkte Wahlen und für die Bildung von zwei Kammern aus. * Während der Andacht in der Jsaakkathe- drale in Petersburg am Sonntag bemerkte der dienstmende Offizier einen Kirchenbesucher, der Oistziersuniform trug und entgegen den Vorschriften seinen Mantel nicht abgelegt hatte. Aufgefordert, dies zu tun, weigerte er sich. Der diensttuende Offizier ließ ihn hierauf einer Leibesvisitation unterziehen, man entdeckte bei ihm eine mit Nitroglyzerin gefüllte Bombe. *An scharfen Maßregeln gegen allzu t^yne Kundgebungen der russischen Presse fehlt es ge legentlich immer noch nicht. Diesmal ist auf Antrag der Oberpreßbehörds der Redakteur der Petersburger ,Nowosti', Noto witsch, wegen Abdrucks eines auf den Umsturz der be stehenden Staatsordnung gerichteten Artikels in Anklagezustand versetzt, aber gegen Bürgschaft von 1000 Rubeln in Freiheit be lassen worden. Die Anklage, die den Verlust der Standesrechte und die Verbannung zur An siedlung in entfernte Gegenden Sibiriens (!I) nach sich zieht, ist wegen des in der ,Nowosti' veröffentlichten Programms des „Befreiungs- Verbandes" erhoben worden. — Derartige Mel dungen zeigen, daß es mit der Reformarbeit in Rußland doch nur recht langsam vorgeht. Die Presse wenigstens wird noch ganz im alten Stil behandelt. * V -le Deutschland. *Das Kaiserpaar hat am Montag Karlsruhe verlassen. Die Kaiserin kehrte nach Berlin zurück, nachdem sie unterwegs noch in Gera einen Besuch gemacht hatte. Der Kaiser fuhr über Straßburg nach der Hohkönigsburg und von dort nach Metz. * Die Großherzogin Anastasia, die Mutter der künftigen deutschen Kron prinzessin, wird krankheitshalber den Hoch zeitsfeierlichkeiten in Berlin fern bleiben. *Jm Monat April sind in den deutschen Münzstätten für 4 268 700 Mk. Doppelkronen und für 925 380 Mk. Kronen, für 725 972 Mk. Zweimarkstücke, für 1807 577 Mk. Fünfzigpfennig- stücke, für 166 218,90 Mk. Zehnpfennigstücke, für 97 614,30 Mk. Fünspfennigstücks, für 6589,08 Mk. Zweipfennigstücks und für 6213,61 Mk. Einpfennig stücke geprägt worden. (In erster Reihe wird bei diesen Prägungen die große Summe der Fünfzig pfennigstücke auffallen. Es handelt sich hier um die Umprägung in die neuen Stücke. *Ein Telegramm des Generäls Trotha berichtet von neuen Gefechten unsrer Truppen mit den Aufständischen. Im Süden der Kolonie, in den Karasbergen und bei dem Orte Gibeon, im Gebiete des Witboi- stammes, kam es zu Kämpfen mit den Hotten totten. Aber auch im Norden, im Hererolande, hat es ein heftiges Gefecht gegeben. Überall wurden die Aufständischen zurückgeworsen und zersprengt. Die Schutztruppe verlor 6 Mann. Österreich-Ungar». * Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ist vom Kaffer Franz Joseph mit seiner Vertretung bei den Hochzeits- feierlichkeiten desKronprinzen in Berlin betraut worden. *Graf Tisza hat in einer Audienz beim Kaiser darauf bestanden, daß ihm endlich seine Entlassung erteilt werde. Es ist wirklich auch kein Vergnüngen, ohne den Stab und die Stütze einer parlamentarischen Mehrheit regieren zn müssen und sich im Aögeordneten- hause Grobheiten sagen zu lassen. Frankreiek. *Jn Paris begann am Montag der Ver schwörer-Prozeß gegen den Hauptmann Tamburini, zu dem auch der frühere Kriegsminister Andree geladen ist. England. * Der frühere Kolonialminister Joe Chamberlein ist in Birmingham ernstlich erkrankt. Balkavstaaten. * Die Aufregung in Italien über die neueste Tripolisaffäre hat sich auf fallend schnell wieder gelegt. Die Pforte hat dazu das ihrige beigetragen, indem sie eine aus türkischen und deutschen Offizieren bestehende Uniersuchungskommission nach Tripolis entsandt hat, um den dortigen Hafen und die Befesti gungen zu kontrollieren. Die Verteidigungs- pläne sollen neu ausgearbeitet und die Garnison um sechstausend Mann verstärkt werden. Da mit zeigt der Sultan, daß er streng gewillt ist, Tripolis für sich zu behalten. *Der neue serbische Staats- pump ist wirklich gelungen. Der erfolgte ! Abschluß der neuen äußeren Anleihe von 110 Millionen Frank wird nunmehr amtlich be kannt gegeben; die Negierung erwartet aus Paris noch Nachrichten über die Einzelheiten, mehr noch aber das Geld selbst. K 3ckMers „Hell". Wohl keine Dichtung Schillers hat seins Zugkraft so bewahrt, wie fein „Wilhelm Tell"; keine ist formvollendeter Md packender wie diese, keine aber hat zugleich einen geschichtlich so wenig beglaubigten Hintergrund wie „Wilhelm Tell". Für die Schweizer natürlich gilt es als ein nationales Verbrechen, an der Tellsage rühren zu wollen. Für die Schweiz ist Tell eine geschichtliche Persönlichkeit. MM hat mehrere Tellkapellen und eine solche in Bürglen bezeichnet die Stelle, wo Teils Wohnhaus ge standen haben soll. Aber es find insbesondere schweizerische Geschichtsforscher, die nachgewiesen haben, daß ein Tell und ein kaiserlicher Land vogt Geßler nie existiert haben, daß nie kaiser liche Vögte wie Geßler und Landenberg in der Schweiz ermordet worden seien und daß auch zu jenen halbpolitischen Morden nie ein Grund vorlag. Ein erster geschichtlicher Nach weis von Uriel Freudenberger hat bereits im Jahre 1760 in einwandfreier Weise die Tell sage als eine aus dem Dänischen stammende Sage nachgewiesen, und Schiller war wohl wenig daran gelegen, die historische Persönlich keit Tells zu retten. Ihn reizte der Stoff, wie er ihn in der helvetischen Chronik Tschudis wohlgeordnet vorsaud und die in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts geschrieben, aber erst 170 Jahre später in Base! gedruckt worden war. Von Tschudi hat Schiller auch, wie er selbst angibt, den Sioff zu seiner „Turandot" entlehnt. Die alte Tellsage verlegt die Schützentat ihres Helden in das Jahr '1307. Aber das allerälteste geschichtliche Denkmal der Sage ist ein 1470 entstandenes Volkslied, dessen Inhalt die Luzerner Chronik von Melchior Ruß weiter ausbildet. Ein Volksschauspiel von 1512, das damals in Uri ausgeführt wurde, bringt die Sage zum erstenmal auf die Bühne. Die 1507 gedruckte Chronik des Luzerners Etterlin bringt zwar auch die Geschichte TsllS, aber doch nur als Episode in den Freiheitskämpfen der Schweizer gegen Österreich. Tschudi, dessen poetische Veranlagung offenbar stärker war als sein geschichtswisseuschaftliches Urteil, faßte beide Tellsage-Lesarten zusammen und fügte auch alle Zusätze und Ausschmückungen hinzu, die be kanntlich eine jede Begebenheit bei ihrer Ver breitung von Mund zu Mund und von Kind zu Kindeskind findet und so fand Schiller den fertigen hochpoeiischen Stoff vor. Die sogenannten Tellskapellen auf der Tellsplaite in Bürglen und in der Hohlen Gaffe bei Küßnacht find erst im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts erbaut worden und waren, wie sich urkundlich nachweisen läßt, an fänglich allen kirchlichen Heiligen und nicht etwa Tell und seinen Taten geweiht. Sie beweisen also für die geschichtliche Persönlichkeit Tells nicht das geringste. In den alten Kirchen büchern Bürglens und Uris findet sich von einer Familie Tell keine Spur und was sich später an Urkunden mit dem Namen Tello und TSIl findet, ist von berufener Seite haarscharf als nationale Fälschung erwiesen worden. Der Apfelschnß spielt schon im uralten indogerma nischen Mythus eins Rolle und tritt auch in andrer Form in der persischen, nor wegischen, dänischen und isländischen Helden sage auf. In der letzteren heißt der Held Orentel, von dem der Schweizer Held viel leicht seinen Namen erhalten hat. Alle Einwände, die sich gegen die geschichtliche Unterlage der Tell sage erbeben lassen, hat der Schweizer Geschichts forscher Eutychius Kopp in seiner fünfbändigen „Geschichte der eidgenössischen Bünde" (er schienen 1845—58) zusammengefaßt. 1) Kein Schriftsteller des 14. Jahrhunderts weiß etwas von einem Aufstande der vier Waldstätten gegen österreichische Vögte. 2) Die Existenz einer Familie Tell ist geschichtlich nicht nachweisbar. 3) Das Schloß Küßnacht hat bis 1350 der Ritterfamilie Bruneck gehört; ein Geßler ho niemals irgend ein Schloß der Waldstätten be- seffen. 4) Eine Sendung von österreichische« Vögten in die Waldstätte, wo sie sich Be drückungen erlaubten, ist nach der ganze« historischen Lage der Zeit ausgeschlossen. 8k kommt zu dem Schluffe, daß die ganze Ge schichte von den Vögten Lanoenberg und Geßler, von Melchthal, Baumgarten, Stauffacher und Wilhelm Tell, vom Hut auf der Stange und vom Apfelschuß, von Ler Tellsplatte und der Hohlen Gaffe durchaus in das Gebiet der Dichtungen gehöre. Das Verdienst unsres Schiller, jene Sage in ein formvollendetes tiefsrgreifendes Drain« verwandelt zu haben, wird durch diese histori schen Feststellungen selbstverständlich nicht uis das mindeste geschmälert. vr. k. minn- -s-S Von unä fern. Schillerfeiern haben in den letzten Tage« in Deutschland und im Auslande ungemein zahlreich stattgefunden. In ganz Hessen läutete« sämtliche Kirchenglocken. 228-Millio«en-An leihe. Von der neuen 228-Millionen-Anleihe der Stadt Berlin find nach dem soeben erschienenen Verwaltungs- bericht des Magistrats im letzten Elaisiahre 48 448 300 Mark veräußert und für folgende Zwecke verrechnet bezw. verwendet worden: Für die städtischen Gasanstalten nahezu 10 Millionen, für die Kanalisationswerke rund 7 Millionen, zur Erhöhung des Betriebs fonds 5, für die Markthallen - Verwaltung 3,18 Millionen usw. Es verblieb ein Bestand von nahezu 20 Millionen, der beim Depositen konto hinterlegt wurde. Die Gesamtschuld der Stadtgemeinde betrug am Ende des Bericht jahres etwa 339V2 Millionen Mark. Reicher Kindersegen erblüht dem Tage löhner Deiß in Weinburg im Elsaß. Seine Frau gebar ihm dieser Tage den zehnte« Knaben. Der älteste ist erst 17 Jahre alt- Beim siebenten war der Kaiser Pate, der jetzt wieder gebeten werden soll. Beim Radrennen in Braunschwei verunglückten zwei Radfahrer. Der Radfahrer Sevenich aus Aachen war sofort tot. Der Radfahrer Schröder Ms Hamburg wurde schwel verletzt. Es mußten ihm beide Beine abge nommen werden. Aufdeckung eines Hockergrabes. Del Koburger Verein für Anthropologie und Landess künde nahm die Aufdeckung eines Hügels bei Ahlstädt auf dem Wege nach Harras vor. Ge funden wurde ein großes Grab, das nebst zahlreichen Skeletten, eine Anzahl Gegenstände aus der römischen Eisen-Periode enthilt, u. « viele Fibeln und Armspangen aus Bronze- Es war ein nach Osten gerichtetes Massengrab- Die Toten befanden sich in hockender Stellung- Vermutlich stammt die Grabstätte aus der Ze« 500 vor Christ. Geb. Eine gemischte Familie. In Eilender! bei Aachen schloß ein Brautpaar den Bund fürs Leben, von dem Mann und Frau Kinder aus je drei Ehen mit in die neue Ehe bringe« werden, da beide mehrfach verwitwet find- Sollten dem verhältnismäßig noch jungen Paal auch noch Kinder beschert werden, so wären i« einem Haushalt nicht weniger als „siebenerlei Kinder vorhanden, was gewiß nicht allzu ost Vorkommen dürfte. Des Kiudes Engel. Eine Familie, die mit drei Kindern mit der Bahn nach Vechi« reiste, machte bei der Ankunft auf dem Bah«' Hofe die Entdeckung, daß das älteste Kind fehlte. Da sie in einem Durchgangswagc« fuhren, vermuteten sie nichts Arges, als sie das Kind, das im Wagen hin- und herlief, mH sahen. Jetzt aber mußte man annehmen, da« es unterwegs aus dem Zuge gestürzt sA Sogleich fuhr eine Lokomotive zurück und bald entdeckte man das Kind am Bahndämme, das wunderbarerweise außer einigen Hautabschü? jungen keine Verletzungen davongetragen hatt«- Vermutlich war die Wagentür nicht gut ver schlossen gewesen. K Twei frauen. 9s Roman von T. Borchart. (Fortsetzung.) Dem Grafen kommt kein Argwohn, daß Elisabeth sich für ihre Familie opfern könnte, denn des Obersten Ehrenwort bürgt ihm für Elisabeths Unkenntnis dessen, was er mit ihrem Vater verhandelt hat. Aber ein andrer Zweifel wird plötzlich in ihm wach und erfüllt ihn mit Schrecken. „Kind, nur eins sage mir noch, so offen und ehrlich wie das erste," fragt er mit bebender Stimme. „Liebst du einen andern?" Elisabeth schlägt ihre schönen Augen voll zu ihm auf: „Nein, ich liebe keinen andern," sagte sie einfach und schlicht. „Ich glaube dir — diese Augen können nicht lügen. Dann ist alles gut. Meine heiße Liebe wird, so will's Gott, die deine erwecken, und bis dahin laß mich dich nur lieben, Elisabeth, meine süße Braut." Er zieht sie an seine Brust und küßt sie. Elisabeth läßt es geschehen, er hat jetzt ein Recht dazu. Möchte ihre Duldsamkeit immer hin ein Tribut ihrer Dankbarkeit sein. Sie atmet erleichtert auf, weil sie meint, daß das Schwerste nun überstanden ist. Mit ihrem Bekenntnis glaubt sie alle Skrupel be festigt zu haben, und das Bewußtsein, wieder frei und offen zu ihm aufsehen zu können, ihm keine wärmeren Gefühe heucheln- zu müssen, macht sie zufrieden, fast glücklich. Dazu kommt noch der erhebende Gedanke, daß sie mit ihrem Schritt die Eltem und den Bruder gerettet hat, und ihr Herz quillt über vor Freude. Graf Landegg steht vor ihr, in seiner statt lichen Größe und imponierenden Vornehmheit. In seinen Augen liegt ein Strahl sonnigen Glücks, der sein Gesicht nicht allein bedeutend jünger, sondern auch schöner erscheinen läßt. Und Elisabeth fühlt, wie sein Außeres, sein ganzes Wesen auf sie wirken, sie fühlt, daß sie auf einen solchen Mann stolz sein kann, und eine wonnige Ruhe und Sicherheit kommt über sie. Plötzlich werden Graf Lmdeggs bis dahin leuchtende Blicke wieder ernster. Er nimmt Elisabeth bei der Hand und führt sie zum Sofa, auf dem er sich an ihrer Seite niederläßt. „Elisabeth, auch ich bin dir ein Bekenntnis schuldig." „Welches ?" fragt sie lächelnd, fast träumend. „Ich war schon einmal — verheiratet." „Du warst verheiratet?" fragt sie wohl er staunt, aber ohne jegliche Erregung. „Niemand wußte es, daß du Witwer bist. „Du hast nie davon gesprochen." „Das bin ich auch nicht, mein Kind." „Das bist du nicht? Wie soll ich das ver stehen?" fragt sie befremdet. Gras Landegg seufzt schwer. „Elisabeth meine Ehe wurde geschieden." „Ah!" Sie ist plötzlich leichenblaß geworden und ein Beben geht durch ihren Körper. Ein ge schiedener Mann! O Gott! Sie preßt die Hand auf ihr Herz und in ihren Augen spiegelt sich ein lebhafter Schrecken. Er errät wohl ihre Gedanken und seine Züge verdunkeln sich. „Ich wußte wohl, daß es dich überraschen würde, mein Kind, aber ich habe nicht er wartet, daß dich diese Mitteilung so Nieder drücken würde, wie es der Fall zu sein scheint — Elisabeth, du bist noch zu jung und unerfahren, um es zu verstehen, aber ich, der gereifte Mann, sage dir, daß Verhältnisse in unser Leben treten können, dis einen solchen Schritt rechtfertigen, und überdies find seitdem zehn Jahre vergangen, Zeit genug, um einen Charakter, dis Anschauungen zu ändern. Wenn ich zu keinem Menschen von meiner Ver gangenheit sprach, so lag es daran, daß ich jene trüben Bilder nicht heraufbeschwören wollte, die ohnehin mein Gemüt verdüsterten, mich bitter und wellscheu machten. In meinem Beruf suchte ich Ablenkung und Trost,, sonst verschloß ich mich ängstlich vor der Außenwelt, soweit meine Stellung das zuließ. Da wurde ich nach Berlin kommandiert und lernte hier deinen Vater kennen. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen und nahm zum erstenmal seit langer Zeit wieder an einem Familienleben teil. Ich kam in euer Haus — ich lemte dich kennen, Elisabeth. Ta ging etwas in mir auf, eine neue Sonne, ein neues Leben. Und dieses Leben wurde mir wert und teuer, das verlorene Glück nahte sich mir wieder in deiner Gestalt, und es wurde mein höchstes Ziel, dich zu er ringen. Nun, heute glaubte ich es erfaßt ,u haben, ich glaubte an dein Vertrauen zu mir, mehr als an deine Liebe. Aber die Tatsache, daß ich ein geschiedener Mann bin, drückt dich nieder, du hast kein Vertrauen zu mir, d« zweifelst an mir." Graf Landegg betrachtet sie sekundenlang, bange forschend, als erwarte er, daß sie sein« Worte widerlegen würde. Als sie aber schweigt, zuckt es schmerzlich in seinem Gesicht- „Elisabeth, du schweigst ... so habe ich richtig geraten. Dann. . . wäre es allerdings befiel . . . wir . . ." Er stockt und vollendet nicht- Elisabeth hat ihn plötzlich groß und erschreckt angesehen: „Herbert, nein, ich zweifle nicht an dir,! Du bist so gut und edel und — 0 — 0 — Sie bricht plötzlich in heißes Schluchze« aus. Da wird er weich, und seine düstere« Züge Hellen sich auf: „Nicht weinen, mein Lieb! Nie werd« ich dein Vertrauen täuschen." Er legt sein«« Arm um sie und streicht besänftigend über itzt Haar. Elisabeth richtet sich auf und trocknet ihr« Tränen. „Gib mir deine Hand, mein Lieb, und fi«* mich an," bittet er. Gehorsam hebt sie den noch tränenumflort«« Blick, und sekundenlang tauchen ihre Blw' ineinander. Graf Landeggs Hand, mit der«' Elisabeths Rechte noch immer umfaßt h«!'- zittert vor unterdrückter Leidenschaft — 7 diesem Augenblick aber tut sich die Tür und Elisabeths Eltern treten über die Schweb- Elisabeth springt in die Höhe und eilt in w Arme der Mutter, der sie um den Hals fällt-
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