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Allgemeiner Anzeiger : 10.06.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190506105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19050610
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050610
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-06
- Tag 1905-06-10
-
Monat
1905-06
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.06.1905
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Vie kwekreitsfeierUckkeiten m Verlm, die am 3. d. mit dem Einzuge der Kron- prinzesfin in Berlin ihren Anfang nahmen, haben am Dienstag ihren Abschluß gefunden. Die Fest-Straße „Unter den Linden" war, solange nicht die dem Berliner Publikum wenig angenehmen „Absperrungen" einiger Straßen kreuzungen stattfanden, das Ziel vieler Pilger aus allen Stadtteilen und selbstverständlich auch der in Berlin weilenden Gäste, die doch mög lichst „alles sehen" wollten. Nachdem noch der Sonntag-Vormittag ver schiedene Hochzeitsgäste, u. a. auch die Groß fürstin Wladimir, brachte, tat das Kronprinzen- paar unter Begleitung des Kaiserpaares und der vielen Fürstlichkeiten seinen ersten g e - meinsamen Kirchgang. Die Festpredigt hielt der Oberhosprediger Dr. Dryander über das vom Kaiser gewählte Bibelwort: „Einer trage des andern Last, so werden wir die Gesetze Christi erfüllen." Abends fand die große GalatafeI statt, die alle Hochzeitsgäste vereinigte. Gegen V-10 Uhr brachten die Studierenden sämtlicher Berliner Hochschulen ihren Fackelzug; es wurden gegen 5000 Fackeln gezählt. Einer endlosen Feuerlinie gleichend, bewegte sich der Zug durch die Prinz-Friedrich-Karl- Straße, Universitätsstraße, Platz vor dem Opern hause nach dem Schloß. Der Kronprinz, die Herzogin, der Kaiser, sowie die hohen Gäste befanden sich bei Ankunft des Zuges auf einem Mittelbalkon und an den daranstoßenden Fen stern. Sie wurden von den vorüberziehenden Studenten mit stürmischen Rufen begrüßt. Am Montag fand, wie schon berichtet, der Empfang der Abordnungen durch das Braut paar im Königl. Schlosse statt. U. a. wurden dem jungen Paare dort die Trauringe dargebracht. Entgegen dem bürgerlichen Brauche, wonach der Bräutigam die Trauringe für sich und seine Braut zu beschaff?'.: pflegt, ist der Kronprinz dieser Aufgabe enthoben, da ihm — was nicht allgemein bekannt sein dürfte — die Symbole der ehelichen Gemeinschaft als Hochzeitsgabe von privater Seite dargebracht werden. Wie schon sein Vater und Großvater gern diese Huldigung angenommen haben, so hat sich auch der Kronprinz auf die Bitte des Kommerzien rats Güttler in Reichenstein i. Schl, bereit er klärt, von ihm die aus vaterländischem Golde angefertigten Trauringe entgegenzunehmen. — Der Montag schloß mit dem Besuch der Gala oper im Berliner Opernhause. Der Dienstag - Nachmittag brachte die Trauung des Kronprinzenpaares in der Berliner Schloßkapelle. Während dort das junge Paar vor den Altar trat, um den Lebensbund zu schließen, feuerten sämtliche Schiffe der deutschen Kriegsflotte einen Salut von 21 Schüssen, — ein Glückwunsch dem jungen Paare aus ehernem Munde! Vie k)ock2eitsge schenke. Am Montag überreichten Deputationen von Provinzen, Städten und Korporationen dem kronprinzlichen Paare die nachfolgend angeführten Hochzeitsangebilche: Ostpreußen: Tafelaufsatz mit Elchgruppe. We st Preußen: Alte Danziger Möbel. Brandenburg: Perlenhalsband mitBrillant- agraffe. Brandenburger Landwirtschaftskammer: Viererzug märkischer Pferde. Pommern: Nachtisch-Besteck für 50 Personen. Schlesien: Zimmereinrichtung. Schleswig- Holstein: Silberne Kanne und Tablett. Westfalen und Rheinprovinz: Tafelschmuck stücke. Hannover: Nachbildung des Hildesheimer Silberfundes. Hessen-Nassau: Weinkanne und rhein- gauer Weine. Der deutsche Landwirtschaftsrat: Eine silberne Bowle. Die größeren preußischen Städte: Tafelaufsatz, der indessen, weil noch nicht fertig, nur im Modell übergeben werden konnte. Bunzlau: Bunzlauer Geschirr. 453 mittlere und kleinere Städte: Nachtisch-Service. Die Stadt Bernau und mehrere Offizierkorps ließen militärische Sta tuetten überreichen. Die Zahl der gleichfalls überreichten Alben und Adressen war recht bedeutend. Die Trauringe des jungen Paares wurden vom Kommerzienrat Göttler-Reichenstein in Schles. dargebracht und find Erzeugnisse aus schlesischem Golde, das durch Hüttenbetrieb des Gebers gewonnen wird. polirilcke Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. *Togo besuchte Roschdjestwensky im Marinehospital zu Sasebo, drückte ihm seine Sympathie aus, lobte die Tapferkeit und die zähe Ausdauer der Russen, die sie im Kampfe an den Tag legten und sprach die Hoffnung aus, daß Roschdjestwensky bald nach Rußland werde znrückkehren können. Tief bewegt dankte Roschdjestwensky und beglückwünschte Japan zu dem Mut und dem Patriotismus seiner See leute ; der edle Charakter der Sieger vermindere den Kummer um die Niederlage. "Das russische Panzerschiff „Nikolai" ist von allen russischen Schiffen, die von den Japanern genommen und nach Sasebo geschafft wurden, am meisten bes ch ädigt. Es hat an der Backbordseite mehrere Löcher von mehr als 3 Fuß Breite, eins ist 10 Fuß breit. Die meisten Schnellfeuerkanonen auf der Back- bordseite find zerstört worden. (Hierin ist wohl die furchtbare Wirkung der Torpedos zu er kennen.) *Der englische Dampfer „Kueilin" ist in Schanghai mit einem russischenTorpedo- jäger im Schlepptau angekommen, den er nördlich von Schaweischan verlassen angetroffen hatte. Der Torpedojäger hatte 180 Mann an Bord, die Besatzungen von drei andern Schiffen damit einbegriffen. Der Torpedojäger war seit 6 Tagen mit dem Strome getrieben worden, ohne dem Steuer zu gehorchen, und die auf demselben befindlichen Lebensmittel waren fast vollständig aufgezehrt. Die Besatzung wurde nach Wusung auf ein russisches Transportschiff gebracht. *Die Kommandanten der russischen Transportschiffe in Wusung haben sich damit einverstanden erklärt, daß ihre Schiffe dort znrückgehalten werden; die Be satzung derselben ist auf Ehrenwort, nicht mehr an dem Kriege gegen Japan teilzunehmen, in Freiheit gesetzt worden. *Die japanische Regierung beabsichtigt, die gefangenen russischen Seeleute möglichst bald und vollzählig nach Rußland abzuschieben, wahrscheinlich in der Erwägung, daß jene, da die russische Flotte völlig ver nichtet wurde, doch nicht wieder gegen Japan fechten werden. Die Mehrzahl der russischen Offiziere zieht jedoch vor, in japanischer Kriegs gefangenschaft zu verbleiben. * über die Greuelszenen an Bord des russischen Panzers „Orel" erzählte ein russischer Kapitän einem Korrespondenten: „An Bord waren SOO Mann, wovon bereits 300 tot oder verwundet waren. Das Verdeck war völlig aufgerissen. Es war unmöglich, den Verletzten zu helfen. Das Blut floß langsam über den Boden und vermischte sich mit Kohlen staub, der das ganze Schiff bedeckte, zu einer surchtbaren Masse. Die Verwundeten be hinderten die Gefechtsmanöver, ihr Klagen und Hilfeschreien deprimierten die Herzen der See leute. Da wurde Befehl gegeben, das Verdeck freizuhalten und die Verwundeten über Kord zu werfen. So wurden 150 von Wen eine Beute des Meeres. Die Leichtver wundeten leisteten diesem Befehl verzweifelten Widerstand und klammerten sich an Taue und Wände, um Barmherzigkeit flehend. Die Schwerverwundeten wälzten sich in ihrem Blute vom Platze, um ihrem Schicksal zu entgehen. Wir warfen sie alle ins Meer. Die in Maizuru auf der „Orel" angekommenen Schwerverwundeten haben ihre Wunden erst später erlitten." * Im Marineministerium liegen bereits zwei von Admiralen entworfene Ptäne zur Schaffung einer neuen Flotte vor. Der eine bemißt die nötige Zeit hierfür auf 15 Jahre und verlangt Beteiligung des Aus landes am Bau der Kriegsschiffe. Der andre verspricht, in drei Jahren Rußland eine neue Flotte zu schaffen. Im Laufe der drei Jahre sollen — ohne die Panzer, die Artillerie und die Torpedos — erbaut weiden: acht Geschwaderpanzer, fünf erstklassige Kreuzer und neun zweitklassige, 60 Minenkreuzer, 10 Ge schwadertorpedoboote. 20 Torpedoboote zur Küstenverteidigung, 60 Unterseeboote, 4 Minen transportschiffe, 7 See- und 80 Flußkanonen boote. — So eine Meldung der,Kö!n. Ztg.' aus Petersburg. In drei Jahren wird man ja sehen, wieviel davon wahr geworden ist. * Präsident Roosevelt scheint seine Be mühungen um den Friedensschluß fort- zusetzen, indem er bei den Mächten sondiert. Der deutsche Botschafter Speck von Sternburg hatte am Sonntag abend eine zweistündige Konferenz mit dem Präsidenten Roosevelt. Dieser erklärte den Preßvertretern, die Konferenz sei absolut vertraulich gewesen. Man glaubt, es habe sich um den Frieden gehandelt. Auch der britische Geschäftsträger verhandelte im Weißen Hause über die russisch-japanische Lage. qr qc Zu den russischen Wirren. * Während die Reformarbeit auf Grund der Zarenerlasse nur langsam vor sich geht, wenn man bei der papiernen Arbeit der Unzahl von Reformkommi fionen überhaupt von einem Fortschreiten sprechen kann, hat es der Zar sehr eilig mit einer Polizeiresorm, die in Wahrheit nur eine Verschärfung des diktatorischen Polizei regiments bedeutet. Der Gehilfe des Ministers des Innern und Chef der Polizei Rydszewsky ist zum Senator ernannt worden. Dem ,Regie rungsboten' zufolge find im Polizeidepartement Reformen zu erwarten. Die Blättermeldung, daß eine Revision des Departements infolge dort angeblich vorgekommener Mißbräuche an geordnet sei, ist unbegründet. Trepow ist unter Belassung in seinem Posten als General gouverneur von Petersburg zum Gehilfen des Ministers des Innern und zum Chef des Gendarmeriekorps ernannt worden. (Der Name Trepow sagt in diesem Zusammenhang mehr als genug.) * Der Minister des Innern Bulyginund der Statthalter im fernen Osten Alexejew haben ihr Abschiedsgesuch eingereicht, das aber nicht angenommen worden ist. * n * Deutschland. "Am Dienstag, dem Hochzeitstage seines ältesten Sohnes, fuhr der Kaiser früh um 8 Uhr beim Reichskanzler vor und teilte diesem mit, daß er ihn in den Fürsten- stand erhoben habe. Bismarck war seiner zeit als einfacher Adliger an die leitende Stelle Preußens getreten. Er wurde nach Königgrätz in den Grafen-, 1871 in den Fürstenstand er hoben. Bei seinem Rücktritt 1890 wollte ihn der Kaiser zum „Herzog von Lauenburg" er nennen. Bismarck aber schlug diese Ehrung dankend aus. Dem zweite Kanzler, General v. Caprivi, wurde nach Abschluß der zwölf jährige» Handelsverträge der Grafentitel ver liehen. Fürst Hohenlohe entstammte einer ur alten bis 1803 souveränen Fürstensamilie. Der jetzige Fürst Bülow trat seinen Posten als Staatssekretär des Auswärtigen als Herr von Bülow an. Nach der Erwerbung der Marianen und Karolinen (von Spanien) wurde ihm der Grafentitel zuteil und seine jetzige Erhöhung in den Fürstenstand gewinnt gerade dadurch, baß der Kaiser sie am Hochzeitstage seines Sohnes vollzog, einen intimen persönlichen Charakter. *Nach Beendigung der Vermählungsfeier« lichkeiten begab sich das Kronprinzen« raar nach dem JagdschloßHubertuS« tock, wo es für die nächsten Tage Wohnung genommen hat. * Aus Anlaß des Attentats, das in Paris auf König Alfons von Spanien verübt wurde, hat der Kaiser, wie die ,Nordd. Reichskorr.' erfährt, an diesen einTelegramm gesandt, in dem er ihm Glück wünscht zu der Errettung aus der schweren Gefahr, in die ihn die ruchlose Tat eines Wahnwitzigen gebracht habe. *Nach Aussage von Eingeborenen sollen sich Hendrik Witboi und einige andre Hottentottenkapitäne mit ihrem An hang nach Lehutitu in Britisch-Betschuanaland zurückgezogen haben. Sie beabsichtigen an geblich, von dort aus Einfälle in deutsches Gebiet zu machen. — In der Verfolgung der aus den großen Karasbergen flüchtigen Hottentotten stieß Hauptmann d'Arrest mit zwei Kompanien, zwei Geschützen und zwei Maschinengewehren am Karib-Revier auf ein großes, soeben erst verlassenes Lager und er beutete von der Nachhut des fliehenden Gegners viel Großvieh und einige Gewehre. Österreich-Ungarn. * Das ungarische Abgeordnetenhaus hat be schlossen, den früheren Präsidenten Perczel wegen der Verausgabung von 31826 Kronen haftbar zu machen, die für die Be soldung der 40 Saaldiener verwendet worden find, die aus Anlaß der verschärften Hausordnung zur Aufrechterhaltung der Ordnung angestellt worden waren. Das Haus hat sich dann mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß während der Pfingstferien ein neues Kabinett ernannt wird, aus unbestimmte Zeit vertagt, damit der Präsident in der Lage ist, im Falle der Ernennung eines neuen Ministeriums sofort eine Sitzung anzuberaumen. Frankreich. *Delcass6, der langjährige Leiterder auswärtigen Politik Frankreichs, hat seine Entlassung genommen. Ministerpräsident Rouvier übernimmt selbst das verwaiste Amt. England. * König Alfons hat am Montag den französischen Boden verlassen und sich in Cherbourg auf der Jacht König Eduards „Viktoria and Albert" nach England begeben. Der jugendliche König traf bereits am Nach mittag in London ein, wo er vom König Eduard begrüßt wurde. Balkanstaaten. * Die rumänische Regierung hat be schlossen, ihre Kriegsmarine zu ver mehren und zu diesem Zwecke einen Teil der letzten Anleihe zu verwenden. Es werden eine Anzahl von Torpedojägern für den Küsten dienst und Kceuzer für den Schutz der Donau linie und der Donaumündungen angeschafft werden, deren Kosten sich auf elf Millionen stellen werden. Von unü fern. Bubenhände hatten die Festdekorationen in der Straße Unter den Linden in der Nacht znm Sonntag zum Teil vernichtet. Bald nach dem die Schutzmannschaft zurückgezogen war, gegen 1 Uhr nachts, begannen Hunderte von Personen mit dem Zerstörungswerk, indem sie die Wachsrosen aus den Rosenketten heraus« rissen, die Obelisken am Pariser Platz plün derten, ja selbst an den Masten emporkletterten und die an denselben befestigten Kränzt auf die Straße warfen. Stellenweise wurde« die Girlanden herabgerissen, zerstückelt und als Siegesbeute mitgenommen. Auf der Nordseite der Linden, zwischen Universiiäts- und Charlotten« straße, waren die sämtlichen über den Bürger« steig hinweg gezogenen Girlanden zerstört woäen. Teilweise wurden auch die Gold verzierungen, die bei der Festdekoration Ver wendung fanden, losgetrennt und mitgenommen. K Twer flauen. 17j Roman von E. Borchart. (Fortsetzung.) Landeggs Zorn ist verraucht. Er konnte eS nicht sehen, daß sie weinte, und sein eigener Schmerz verschwand dabei. „Sei ruhig, Kind!" tröstete er sie weich und zart, „du darfst nicht weinen und dich nicht ängstigen. Ich verspreche dir, dich nicht mehr mit meiner Leidenschaft zu erschrecken und zu belästigen — ich werde warten, bis du mir frei willig ein liebes Wort gibst. Und nun, Elisa beth — willst du mir nicht jetzt wenigstens deine Hand reichen, zum Zeichen, daß du mir nicht mehr zürnst?" In Elisabeth war bei seinen Worten etwas ausgekeimt, ein seltsames Gefühl, das fie sich nicht erklären konnte. Schnell reichte sie ihm die Hand und als er seine Lippen darauf preßte, fühlte Elisabeth ein leises Beben durch ihren Körper rinnen. Nun wmüüe Graf Landegg und fuhr m scharfem Trabe heim. Vor der Rampe des Schlosses hielt er mit kurzem Ruck an, sprang ab und warf dem herbeieilenden Diener die Zügel zu. Dann hob er seine Frau mit freundlichen Worten, als fei nichts geschehen, vom Wagen. 11. Es ist Winter geworden. Schnee und Eis bedecken Berge, Felder und Saaten, Wald und Park haben ihr weißes, glitzerndes Kleid an gelegt. Die Stürme pfeifen und toben oft unheimlich durch das Schloß, setzen sich in den Türmen fest, rütteln an alten, morschen Angeln und Fenstern und biegen die Kronen der Bäume. Elisabeth fitzt in ihrem Zimmer und sehnt sich nach Blumenduft, Vogelsang und Früh lingsluft. „Wenn's doch erst Frühling wäre!" Immer hat fie eine glühende Sehnsucht nach Wärme und Glück, immer dieses unerreichbare Ziel vor Augen. Seit jener letzten verhängnisvollen Fahrt hat sich keine Gelegenheit zu einem ungestörten Beisammensein der beiden Gatten mehr gefunden und Elisabeth sucht fie auch nicht. Sie emp findet es als eine Wohltat, daß ihr Gemahl fie jetzt mit jeder Zärtlichkeit verschont. Sein zurückhallendes, aber trotzdem höfliches, freund liches Wesen täuscht sie über seine Euipfindung. Sie merkt nicht, daß er leidet und seine Augen oft verstohlen und verlangend auf ihr ruhen, daß fie jeder ihrer Bewegungen folgen. macht durchaus nicht den Eindruck eines Ritters von der traurigen Gestalt. Er ist ganz wie immer, kraftvoll, energisch in Worten, Bewegungen und Taten, er zeigt dasselbe Interesse an seinem Gut wie vorher, er kann lachen und sich anregend unterhallen und selbst die kluge Beate über seinen inneren Zu stand im unklaren erhalten. Elisabeths anfängliche Scheu, ihre Gewissens bisse werden dadurch geringer. Sie be ruhigt sich bei dem Gedanken, daß es so, wie das Verhältnis sich gestaltet hat, am besten ist; fie redet sich ein, ihn zufrieden zu stellen, wenn fie ihm nur ein freundlich heiteres Gesicht zeigt. Und das tut fie redlich, sobald fie nur mit ihm zusammenkommt. Er ist jetzt in dieser Jahres zeit mehr zu Hause, aber fie fieht ihn nur in Beates Gegenwart. Wie unhaltbar dieser Zustand ist, darüber denkt fie nicht nach, wie fie sich denn über haupt ängstlich vor jedem Grübeln und Sinnen hütet. Aber eine Stimme in ihrem Jnnem schweigt trotzdem nicht; fie wird laut bei jeder Gelegenheit. Das ist die Stimme, die nach Glück schreit, nach Frühlingssonnenschein, nach Liebe. Der Anblick des wilden Schneetreibens draußen, des todstillen Parkes, der kahlen Bäume, weckt diese Stimme, oder auch ein Brief von den Eltern, wenn fie immer wieder zwischen den Zeilen die Frage liest: Bist du glücklich, mein Kind? Ihre Briefe an die Eltern enthalten nie eine Klage. Sie schildert ihnen Landegg und ihr Leben aufs genaueste, hütet sich aber ängstlich, ihnen ihr seelisches Unbefriedigtsein zu verraten. Dennoch beunruhigt sich die wachende Mutter liebe ; fie forscht und fragt in jedem neuen Brief dasselbe, wenn auch nicht immer in ausdrück lichen Worten. Das Weihnachtsfest rückt immer näher. Was hätte Elisabeth darum gegeben, es in dem Kreise ihrer Lieben verbringen zu dürfen, doch das ist ausgeschlossen. „Ehegatten müssen den ersten Weihnachten im eigenen Hause feiern," hat fie ost sagen hören, und fie wagt es nicht, diesem Spruch entgegen zu handeln und den Gatten um die Erlaubnis zur Reise nach Berlin zu bitten. Wohl kann fie ihn bitten, die Ellern nach Landegg einzuladen, aber fie weiß, daß die Reise teuer ist und daß man zu Hause sparen muß, und sich das Reise geld von ihm schenken zu lassen, dazu sind die Eltern zu stolz. Darum schweigt fie und sucht sich durch allerhand Vorbereitungen zum Fest von ihren sehnsüchtigen Wünschen abzu lenken. Es soll eine Armenbescherung im Schlosse stattfinden, und fie hat vollauf zu tun, um für alle die Kleinen und Großen das Nötige zu beschaffen oder auch eigenhändig anzufertigen. Es macht ihr Freude, einen Gegenstand nach dem andern unter ihren Händen entstehen zu sehen. Es ist Beate nicht unlieb, zu sehen, wie Elisabeths Zeit dadurch so in Anspruch ge nommen wird, daß fie sich nicht um Dinge kümmern kann, die einer Herrin wohl zukämen, aber von ihr selbst bestimmt werden wollen. Sie hat es längst herausgefunden, daß Elisa beth trotz ihrer anfänglichen Unsicherheit und Unerfahrenheit verzweifelt gute Anlagen hat, in Wahrheit Herrin zu sein. Die junge Gräfin weiß eine so edle, stolze Haltung, eine so ruhige Sicherheit zu bewahren und so kurz und klar ihre Befehle zu erteilen, daß sie M die Herzen ihrer Dienerschaft im Sturme er obert hat. Besonders ihre Zofe hängt an ihrer jnngen Herrin mit verehrender Liebe. Sie M vielleicht die einzige, die ahnt, daß nicht altes in dieser jungen Ehe stimmt, aber fie hätte M
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