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lln alle neicks und Kömgstneuen (Dannen! Politische Parteilosigkeit ist zu unsrer Zeit ein weitverbreiteter Fehler der bürgerlichen Bevölkerung. Und doch ist es gerade jetzt mehr denn je Pflicht, daß jeder ernsthafte Deutsche politisch eine klare Stellung wähle. Auch für uns! Zwar ist bei der vorigen Reichstagswahl ein von uns unterstützter Kandidat als Sieger hervorgegangen. Aber uns darf dieses Bewußtsein des Erfolges nicht lässig machen, wir dürfen kein allzustarkes Vertrauen darein setzen, daß die nächste Wahl wiederum so günstig für uns ausfallen werde. Denn überall ist dir Sozialdemokratie eifrig am Werke, zu werben und zu rüsten. Da muß sich in jedem königstreuen Manne das politische Gewissen regen, da wäre es politischer Selbstmord, wenn nicht ein Jeder sich seinen Platz im politischen Leben suchen wollte! Wo finde ich diesen Platz ? Nicht in einer einseitigen Interessenvertretung ohne Anschluß an eine politische Partei. Denn das würde nur die Zersplitterung, nicht die Gesundung der wirtschaftlichen Verhältnisse fördern! Ich finde diesen Platz nur DM" in der konservativen Partei! "WD Wir find konservativ, in dem Sinne, daß Sie Stetigkeit, öie ruhige Entwicklung öas Kaupterforöernis ist in öer Weiterbildung öes geschichtlich Gewordenen. Wir halten die bestehende staatliche Ordnung für die beste. Wir verweisen den von der Sozialdemokratie vorgegaukelten Zukunftsstaat in das Reich der Unmöglichkeiten. Wir halten uns aber auch von der Betonung eines entschiedenen Liberalismus fern. Denn der ungehinderte Fortschritt zur Freiheit führt zur Massenherrschaft, zur Vernichtung des Wauern- und Mittelstandes. Diese aber sind neben dem beruss- treuen Wearntenturne die festesten Stützen der Gesellschaft, und wir halten cd für eine unsrer vornehmsten Pflichten, diese zu erhalten. Wir hängen nicht zäh am Alten um des Alten willen; wir sind nicht reaktionär. Wir suchen vielmehr das Beste aus den neu zeitlichen Bestrebungen und wirken dadurch erhaltend (konservativ), daß wir in der Erfüllung gerechter und notwendiger Wünsche aller Werufsstänöe Mitarbeiten. Aus den nachstehenden Leitsätzen, dem sogenanuten „Tivoliprogramm", kann Jeder ersehen, was wir im Einzelnen wollen. Wir bitten aber zn beachten, daß das Programm im Jahre 1892 aufgestellt und inzwischen manche Forderung erfüllt ist. Wir lassen deshalb an alle konservativ gesinnten Männer, die sich bisher noch von uns fernhielten, den Aufruf zum Beitritt in unsern Verein hiermit ergehen. Pulsnitz, im März 1905. Nev konservative Herein für den MmtsgerichtsKezirK Hulsnitz. Beitrittserklärungen beliebe man an Herrn Amtsrichter Reichert in Pulsnitz zu richten. Der Mitgliedsbeitrag ist l Mk. jährlich. Programm der Deutsch-Konservativen Partei. Die Deutsche Konservative Partei hält es für geboten, in Anlehnung an die bewährten Grundsätze, welche in ihrem Programm von 1876 ausgesprochen sind, zu den wesentlichen Aufgaben der Gegenwart in nachstehendem Programm Stellung zu nehmen: 1. Wir wollen die Erhaltung und Kräftigung der christlichen Lebensanschauung in Volk und Staat und erachten ihre praktische Be tätigung in der Gesetzgebung für die unerläßliche Grundlage jeder gesunden Entwickelung. Staat und Kirche sind von Gott verordnete Einrichtungen; ein Zusammenwirken beider ist die notwendige Vorbedingung zur Gesundung unseres Volkslebens. Wir erkennen einerseits dem Staate des Recht zu, kraft seiner Souveränität sein Verhältnis zur Kirche zu ordnen; an dererseits wollen wir keinen Gewissenszwang und deshalb kein Uebergreifen der staatlichen Gesetzgebung auf das Gebiet des inneren kirchlichen Lebens. In diesem Sinne werden wir auch für das gute Recht der evangelischen Kirche auf selbständige Regelung ihrer inneren Einrichtungen eintreten. Die konfessionelle christliche Volksschule erachten wir für die Grundlage der Volkserziehung und für die wichtigste Bürg schaft gegen die zunehmende Verwilderung der Massen und die fortschreitende Auslösung aller gesellschaftlichen Bande. Wir bekämpfen den vielfach sich vordrängenden und zersetzenden jüdischen Einfluß auf unser Volksleben. Wir verlangen sür das christliche Volk eine christliche Obrigkeit und christliche Lehrer für christliche Schüler. 2. Wir wollen die für unser Vaterland gewonnene Einheit auf dem Boden der Reichsverfassung in nationalem Sinne stärken und ausbauen. Wir wollen, daß innerhalb dieser Einheit die berechtigte Selbständigkeit und Eigenart der einzelnen Staaten und Stämme gewahrt werde. Wir wollen in Provinz, Kreis und Gemeinde eine Selstverwaltung erhalten, gegründet nicht auf das allgemeine Wahl recht, sondern auf die natürlichen Gruppen und organischen Gliederungen des Volkes. 3. Wir wollen die Monarchie von Gottes Gnaden unangetastet erhalten wissen und bekämpfen, bei gesetzlich gesicherter bürgerlicher Frei heit für alle und bei wirksamer Beteiligung der Nation an der Gesetzgebung, jeden Versuch, die Monarchie zugunsten eines parla mentarischen Regiments zu beschränken. 4. Wir können nur eine solche Weiterbildung unseres öffentlichen und privaten Rechtes als segensreich anerkennen, welche, auf den realen und geschichtlich gegebenen Grundlagen fußend, den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht wird und damit die Stetigkeit unserer gesamten politischen, sozialen und geistigen Entwickelung sichert. Wir erwarten, daß das neue bürgerliche Gesetzbuch von deutsch-nationalem Rechtsbewußtsein getragen werde. 5. Für die gebotene Sparsamkeit bei allen öffentlichen Ausgaben in Reich und Staat treten wir ein zur Erhaltung der wirtschaftlichen Wohlfahrt und der Steuerkraft des Volkes. 6. Wir sehen in der vollen Wehrkraft des deutschen Volkes eine unerläßliche Bedingung für die Machtstellung der Nation und für die Erhaltung des Friedens. 7. Die maßvolle Fortführung einer zielbewußten Kolonialpolitik unter dem Schutze des Reiches werden wir unterstützen. 8. Wir stehen auf dem Boden der Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881, welche die Grundsätze des praktischen Christen tums in der Gesetzgebung zur Geltung bringt. Die auf Grund dieser Botschaft erlassenen Gesetze betreffend die Einrichtung von Krankenkassen, die Versicherung gegen Un fall und die Jnvaliditäts- und Altersversicherung bedürfen der Vereinfachung. Wie wir für die Besserung der Lage der Arbeiter, unter erheblicher Belastung der Arbeitgeber, eingetreten sind, so halten wir nach wie vor die Stärkung des Mittelstandes in Stadt und Land und die Beseitigung der Bevorzugungen des großen Geld kapitals für die dringendsten Aufgaben der Sozialpolitik. Wir fordern ein wirksames Einschreiten der Staatsgewalt gegen jede gemeinschädliche Erwerbstätigkeit und gegen die un- deutsche Verletzung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr. 9. Wir erstreben eine Gestaltung des Erb- und Familienrechtes, welche die Erhaltung eines kräftigen Bauernstandes gewährleistet. Die Einführung einer zweckentsprechenden Heimstätten-Gesetzgebung für den kleineren Grnndbesitz und die Ueberfuhrung der auf dem Grundbesitz lastenden Hypothekar-Verschuldung in zu amortisierende Renten-Schuld erachten wir als wünschenswert. 10. Für die Landwirtschaft, welche unter der Ungunst des Weltmarktes, der internationalen Währungsverhältnisse und der inneren wirt schaftlichen Entwickelung leidet, ist der bestehende Zollschutz aufrecht zu erhalten, im weiteren aber ein ausreichender Zollschutz für die Zukunft anzubahnen; auch ist für die Umgestaltung der Gesetzgebung betreffend den Unterstützungswohnsitz im Sinne ausgleichen der Gerechtigkeit Sorge zu tragen. 11. Für die Industrie ist der durch die Konkurrenz des Auslandes bedingte Zollschutz aufrecht zu erhalten und wo nötig, zu verstärken. 12. Für das Handwerk erscheint vornehmlich die Einführung des Befähigungsnachweises, die Stärkung der Innungen und Jnnungsver- bände, die Begründung und Förderung genossenschaftlicher Vereinigungen geboten. Redlicher Handel und Gewerbebetrieb ist zu schützen durch Beschränkung und Beaufsichtigung des Hausierhandels und der Abzahlungsgeschäfte, sowie durch die Beseitigung der Wanderlager und der Wanderauktionen. 13. Die Börsengeschäfte sind durch eine Börsenordnung wirksamer staatlicher Aufsicht zu unterstellen; insbesondere ist dem Mißbrauch des Zeitgeschäftes als Spielgeschäft, namentlich in den für die Volksernährung wichtigen Artikeln, entgegenzutreten. 14. Diejenigen Anhänger der Sozialdemokratie und des Anarchismus, deren vaterlandslose und auf den Umsturz gerichtete Bestrebungen weite Kreise unseres Volkes gefährden, sind als Feinde der staatlichen Ordnung zu bekämpfen. 15. Einer gewissenlosen Presse, welche durch ihre Erzeugnisse Staat, Kirche und Gesellschaft untergräbt, ist nachdrücklich entgegenzutreten. Hochhaltung von Christentum, Monarchie und Vaterland, Schutz und Förderung jeder rechtlichen Arbeit, Wahrung berechtigter Autorität, das sind die obersten Grundsätze, welche die Deutsche Konservative Partei auf ihre Fahne geschrieben hat. Berlin, den 8. Dezember 1892. Druck den E. L. Försters Erben, Puleiitz.