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Allgemeiner Anzeiger : 04.03.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190503044
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050304
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-03
- Tag 1905-03-04
-
Monat
1905-03
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.03.1905
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politische Kuncilckau. Die revolutionäre Bewegung in Ruhland. *Mit den Einzelnachrichten über die Streiks in Rußland, die bald aus brechen, bald wieder eingestellt werden, könnte man ganze Spalten füllen. Es ist das ein Kleinkrieg der erbittertsten Art und stört alles soziale und staatliche Leben auf das empfind lichste. Der Landwirtschaftsminister Jermolow hat im Auftrage des Zaren eine Denkschrift über die gesamte innere Lage abgefaßt. Er kommt darin zu dem Schluffe, daß eine dauernde Besserung nur durch Einführung einer Verfassung und das Zusammenberufen von Volksvertretern zu erhoffen ist. Der Zar hat nach Beratung mit den übrigen Ministern angeordnet, daß ein Manifest in diesem Sinne entworfen werden soll. Aber ehe dieses fertig gestellt wird, dürfte der etwas wankelmütige Selbstherrscher schon wieder andrer Meinung geworden sein. *Der Sicherheit der Bahnver bindungen der Ruffen droht unter Um ständen auch von der Ausstandsbewegung Gefahr. In Tschita (Transbaikalien) find die Arbeiter in den dortigen Eisenbahnwerk stätten in den Ausstand getreten. Ihre Hauptforderung ist die Beendigung des Krieges. Da der Verdacht auftauchte, daß die Arbeiter beabsichtigten, die Bahn zu be schädigen und die auf dem Bahnhof stehenden Lokomotiven unbrauchbar zu machen, ist eine starke Truppenabteilung aufgeboten worden. *Die russische Negierung hat sich endlich herbeigelassen, den nach Tolstoi volkstümlichsten Dichter ihres Landes aus der Haft zu entlassen, wie schon vor einigen Tagen angekündigt wurde: Maxim Gorki ist gegen eine Kaution von 10 000 Rubel in Freiheit gesetzt worden. Die Kaution hat der Moskauer Fabrikant Mo- rossow hinterlegt. Gorki ist Riga als Auf enthaltsort angewiesen worden. Es ist also nur beschränkte Freiheit, die Gorki genießen darf, und die zehntausend Rubel wird Herr Morossow wohl auch dann nicht Wiedersehen, wenn Gorki sich im stillen hält. * * * Der russisch-japanische Krieg. * Der japanischeGesandte Takahira in London erklärt ausdrücklich, daß weder Japan noch er selbst irgendwie beiFriedens - Verhandlungen beteiligt seien. Ander seits wird nicht in Abrede gestellt, daß der Inhalt einer Privatunterredung, welche Takahira mit dem Präsidenten Roosevelt gehabt hat, nach Petersburg und Tokio telegraphisch ge meldet worden ist. * Ein ,Reutet - Telegramm meldet, die Japaner hätten die Russen bei Tfingho- cheng, auf dem äußersten japanischen rechten Flügel, angegriffen und geschlagen. Der Angriff begann am 23. Februar. Die Russen wurden auf 17 000 Mann geschätzt; ihr Ver lust soll 2000 Mann betragen, der der Japaner nur gering sein. Die Japaner erbeuteten drei Maschinengewehre und viel Kriegsmaterial. * Mulden wird von der schweren japa nischen Artillerie beschossen. Das Feuer der elfzölligen Geschosse soll sehr wirkungs voll sein. Der Leiter der russischen Bank in Mulden hat die Anweisung erhalten, die Vorbereitungen für die Schließung der Bank zu treffen; in der Stadt herrscht große Unruhe. * Die Manns zücht der nach dem Kriegsschauplätze nachgesandten russischen Re serven scheint mancherlei zu wünschen zu lassen. In Omsk hatten sechs auf der Fahrt nach Ost- afien befindliche Soldaten aus einem Laden Eßwaren geraubt und den Geschäftsinhaber durch einen Beilhieb verletzt. Zwei der Schul digen find gehängt, die übrigen zu 20 Jahr Zwangsarbeit verurteilt worden. 'Am 25. Februar fand unter Vorsitz des Marschalls Damagata eine Beratung aller Divisionsstabschefs aus ganz Japan statt. Ebenso wurde eine wichtige Sitzung des Ministerrates abgehalten Deutschland. *Wie aus Danzig gemeldet wird, ver lautet in dortigen Marinekreisen, daß die Frage des Ausbaues eines Danziger Kriegs hafens von neuem in Fluß gekommen sei. Die Verhandlungen, die schon einmal geschwebt haben, sollen wieder ausgenommen worden sein. *Die einheitlicheArzneitaxe wird nach amtlicher Bekanntmachung vom 1. April ab in den Bundesstaaten eingeführt werden. Der Bundesrat ist berechtigt, einen Rabatt für Arzneilieferungen an öffentliche Anstalten und Kassen und an solche Vereine und Anstalten, die der öffentlichen Armenpflege dienen, sowie für Tierarzneien vorzuschreiben. *Jm lippischen Landtage wurde ein neues Karte zu den jüngsten japanischen Operationen. umfangreiches Schriftstück des Grafen Ernst zu Li p p e - Weißsnfeld verlesen, in dem er sich gegen die Beschlußfassung des Landtages über seine erste Eingabe wendet. Die Eingabe wurde bis zur Beratung der neuen Thronfolge- Vorlage zurückgestellt. Österreich-Ungarn. *Banffy erklärte dem Pester Berichterstatter der ,Zeit', bezüglich Ungarns habe der jüngste mit Deutschland abgeschlossene und im deutschen Reichstag genehmigte Handels vertrag keine bindende Kraft und werde auch bei den heutigen parlamentarischen Verhältnissen nicht in Kraft treten können. Die Annahme des Vertrages durch den österreichi schen Reichstag berühre Ungarn gar nicht. * Ein großer Teil der zur Opposition ge hörenden ungarischen Parlamen tarier beabsichtigt, am 15. März zur Erinne rung an die 1848 er Ereignisse in Gala im Abgeordnetenhause zu erscheinen und dort das Andenken Ludwig Kossuths zu feiern. Frankreich. *Mit der Frage der Verringerung der Bepackung der Fuß truppen hat sich der französische oberste Kriegsrat in seiner letzten Sitzung beschäftigt. Die Erleichterung soll für jeden Mann 5 Kilogramm betragen. England. *Die Londoner Blätter drücken bei Be sprechung des Berichts der Hull-Kom- Mission allgemein ihre Befriedigung aus und sagen, das Verdikt bedeute einen Sieg des Schiedsspruchsprinzips. »Stan dard' sagt: „Das Urteil ist der Hauptsache nach unzweifelhaft zugunsten Englands ausgefallen. Aber der russische Admiral und die russischen Offiziere sind mit auffallen der Nachsicht behandelt worden. Wir frruen uns alle, daß die Angelegenheit in freundschaftlicher Weise geregelt ist, aber etwas ist zu bedauern, nämlich, daß die Rechte der neutralen Schiffahrt bei Anwesenheft eines Geschwaders der Kriegführenden bedeckt bleiben von einer Wolke von gefahrvoller Unbe stimmtheit. Dieser Gegenstand lag vielleicht außerhalb des Rahmens der Hull-Kommission, aber die Frage kann schwerlich bei ihrem jetzigen Stande belassen werden; sie muß nach dem Kriegevor die HaagerFriedenskonferenzkommen." ,Daily Telegraph' und .Daily News' sagen, die Hull-Kommisfion wirke epochemachend, da sie der Welt ein Beispiel gegeben habe, wie Mei nungsverschiedenheiten beizulegen seien. Schweiz. * Zwischen der schweizerischen und der deutschen Negiemng hat ein Meinungsaustausch über die S chiffb arm achung des Rh eins von Basel bisStraßburg stattgeftrnden. Balkanstaaten. *Da die serbische Regierung auf eine Mehrheit für den Handelsvertrag mit Deutschland in der Skupschtina nicht rechnen kann, beschloß Ministerpräsident Pafitsch, dem Könige die Auflösung der Skup - schtina unter dem jetzigen Kabinett vorzu schlagen. Jus clem Keicbsrage. Der Reichstag erledigte am Montag den Rest des Marineetats nach den Beschlüssen der Kommission bis auf den Titel, der die Zulagen für die Fregatten kapitäne enthält. Der Antrag Gröber (ZK.) auf Streichung dieser Zulagen soll in einer Sitzung erledigt werden, wo das HauS beschlußfähig sein wird. Nachdem auch der Etat für Kiautschou eine rasche Erledigung gefunden hatte, wurde mit der Fortsetzung der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern begonnen. Zum Titel „Staatssekretär" liegen nicht weniger als 20 Resolutionen vor, die im wesentlichen sozialpolitische Fragen betreffen. Abg. Erzberger (Ztr.) kug eine Reche von Wünschen bezüglich der Ausgestaltung der Gewcrbeaufsicht vor, wobei er namentlich die Vermehrung der Auf sichtsbeamten und die Heranziehung von Arbeitern als Hilfskräfte für die Inspektion, ohne Rücksicht auf die politische Parteistellung, befürwortete. Abg. Wurm (soz.) nahm die Berichte der Gewerbe inspektoren zum Anlaß, um lebhafte und scharfe Beschwerden über das Unternehmertum und die lässige Sozialpolitik der Regierung vorzubringen, worauf die Weiterberatung vertagt wurde. Am 28. v. wird dis zweite Beratung des Etats des ReichSamtSdesJnnern fortgesetzt beim Titel: „Staatssekretär". Abg. Pauli (kons.) verlangt Einstellung der sozialpolitischen Gesetzgebung. Die deutsche Industrie ist schon jetzt soweit belastet, daß sie die Konkurrenz fähigkeit mit dem AuSlande verliert. Redner er hebt dann eine Reihe von Forderungen zur Er haltung des Mittelstandes und vor allem des Handwerks: Einschränkung oder Verbot der Ge- fängnisarbeit, Einsührung des Befähigungsnachweises, zunächst für die Bauhandwerker, Zuteilung der leistungsfähigen Betriebe an die Handwerkerkammern für die die geprüften Meister. Abg. Eickhofs (frs. Vp.) befürwortet eine mit Abgeordneten verschiedener Parteien gemeinsam ein gebrachte Resolution, die Prüfungsordnung für Arzte dahin abzuändern, daß auch die Abiturienten der deutschen Oberrealschulen zu den ärzlichen Prüfungen zugelassen werden. Abg. Bärwinkel (nat.-lib.) spricht sich gegen die Unterdrückung des Hausierhandels aus. Eine Statistik, wie das Zentrum will, ist schwer aufzu stellen, dagegen kann man gegen die vielen gefälschten Wandergewerbescheine schärfer eintreten. Staatssekretär Graf v. Posadowskh legt dar, daß die Berechnung der Ergebnisse eines Tischlereibetriebes vom Mathematiker des ReichS- amteS auf Grund des Zahlenmaterials dieses Be triebes erfolgt, also unanfechtbar sei. Die Abgrenzung von Fabrik und Handwerk ist sehr schwer ; ich habe mit dem Preuß. Handelsminister schon einen Über blick veranstaltet, der zu einer Abänderung der Gewerbeordnung führen wird, denn auf dem Ver waltungswege lasten sich diese Wünsche nicht durch führen. Uber die Stellung, die der Bundesrat zu den Konsumvereinen einnimmt, besteht eine Ver ordnung vom Jahre 1896. Der grundlegende Gedanke ist unbedingte Neutralität. Jede amtliche Unterstützung ist ausgeschlossen, mit Ausnahme der Konsumsnstalten, die in direktem Zusammenhang mit den Reichsanstalten stehen. Die Beteiligung der Reichsbeamten wird durch daS Beamtcngesetz ge regelt. Eine Beteiligung der Beamten an der Buch- und Kastensührung und am Verkauf ist untersagt, nicht aber die Beteiligung der Über wachung im Vorstand und Aufsichtsrat. Maßregeln gegen oie LehrlingSzüchterei sind vom BundeSrat und soviel ich weiß, auch von den Einzelstaaten in der letzten Zeit nicht erlassen worden. Die Unfall verhütung in den landwirtschaftlichen Betrieben soll energisch gefördert werden. Es werden neue scharfe Vorschriften erlassen werden. Meine Äußerung über die Assoziation des Kapitals ist vielfach mißverstanden worden. Ich habe nur gesagt, wenn man diese Assoziation nicht will, werden viele große Aufgaben ungelöst bleiben. Wenn man die Assoziation deS Kapitals absolut bekämpft, dann gibt es für bis Lösung dieser Kulturaufgaben nur zwei Wege: Entweder die großen Aufgaben müssen unterbleiben, oder aber es müßte eine Lösung dieser Aufgaben durch die Staatsgewalt erfolgen, und wenn man das tut, dann nähert man sich mehr oder weniger dem Kollektivismus, der von der äußersten Linken dieses Hauses verketen wird. ES wird Ihnen nicht entgangen sein, daß in weiten Kreisen der Bevölke rung eine Skömung auf die Verstaatlichung deS Bergbaus hinzielt. Es ist ferner in einer Ver sammlung gesagt worden, die Einführung des Schleppmonopols auf den Kanälen genüge nicht, der gesamte Schiffahrtsbetrieb müsse verstaatlicht sein. Man hat die Warenhäuser, Konsumvereine, Basare usw. als Krebsschäden für daS Handwerk hingestellt und schließlich sogar behauptet, auch die Aktiengesellschaften gehörten zu diesen. Wir würden also schließlich so weit kommen, auch gegen die Aktiengesellschaften vorzugehen. Eine solche weit gehende Verstaatlichung wünschen wk natürlich nicht. Ich habe zwar erklärt, daß gewisse große Aufgaben sich nur durch die Assoziation deS Kapitals lösen lasten; ich gebe aber zu, daß mit dieser Assoziation unter Umständen große Schattenseiten verbunden sind. Sollte eS soweit kommen, daß, wie durch die Trusts in Amerika, eine gefahrbringende Macht im Staate entsteht, so würde dann allerdings das Eingreifen der Staatsgewalt erforderlich sein. Von den Mittelstandesfragen sind heute vor allen Dingen zwei, die der Sicherung der Äauforderungen und die Regelung des Befähigungsnachweises, an geregt worden. Über die Sicherung der Bau forderung liegt dem preußischen StaatSministerium bereits ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf vor, über den das preußische StaatSministerium noch heute befinden wird. In der Frage des allgemeinen Befähigungsnachweises steht die Mehrzahl der Handwerker auf einem ablehnenven Standpunkt. Die verbündeten Regierungen sind ausnahmslos der Ansicht, daß von einer Einführung des allgemeinen Befähigungsnachweises keine Rede sein kann; und da der Bundesrat dieselben gesetzlichen Rechte hat Wie dieses Hohe Haus, so ist eine Einigung über diese Frage vollständig ausgeschlossen. Anders ist eS mit der Frage deS BesähigsnachweiseS im Baugewerbe. Die dort zutage getretenen sehr bedenklichen Mißstände sollen durch eine Novelle zur Gewerbeordnung beseitigt werden. In welcher Form das geschehen wird, darüber kann ich Ihnen heute noch keine nähere Auskunft geben. — Es ist eine Bundesratsverordnung, die den Automobilverkehr in Deutschland einheitlich regelt, in Aussicht genommen. Etwas andres ist die Frage der Haftpflicht, die Frage liegt auf privatem Gebiet, und auch sie ist Gegenstand eingehender Erwägungen innerhalb der Reichsregierungen. ES fragt sich, soll man die Haftpflicht des einzelnen Automobilbesitzers konstatieren oder soll man eine Zwangsgenosscnschaft errichten, der jeder Automobilbesitzer angehören muß? Diese Frage ist noch, nicht entschieden, aber sie wird in nächster Zeit erörtert werden. Abg. Raab (Antis.) bespricht eingehend die Lage der Handelsangestellten und die Zustände im Schiffer gewerbe. Abg. Pach nicke (fr. Vgg.) legt die Stellung seiner Partei zu den einzelnen Resolutionen dar. Abg. Bruhn (Antis.) greift die Warenhäuser als Spekulation auf die Dummheit und Bequemlich keit des Publikums an. Darauf vertagt sich das Haus. Von unä fern. Die Gräfin Montignoso. Das sächfische Gesamtministerium beschloß, daß vonseiten der sächsischen Regierung in der Montignoso-Affäre nichts mehr geschieht. Die Angelegenheit soll als Privatsache betrachtet und ihre Verfolgung einem Florentiner Rechtsanwalt übertragen werden. Der Räuber in Uniform, der die Fahr« kartenverkäuferin Hedwig Effenberg auf Bahn hof Zoologischer Garten in Berlin zu berauben versuchte, ist in dem früheren Schaffner Karl Schönborn ermittelt worden, der auf dem Bahnhof Potsdamer Platz bis zum 1. Februar angestellt war. Frecher Naubanfall. Inmitten Berlins an der Hedwigskirche wurde am Montag mittag einem Kassenboten, der über eine Million Wert papiere bei sich trug, von einem ihm entgegen kommenden Nadler, der ihm Schnupftabak in die Augen warf, eine Geldtasche mit 20 000 Mk. Bargeld entrissen. Der Räuber kam damit nicht weit, er wurde ergriffen und als ein Bau unternehmer aus Fürstenwalde festgestellt. Er scheint nicht voll zurechnungsfähig zu sein. K Omer der jVkske. 24j Roman von Lady Georgina Robertson. igorNevu»«-! „Und du hast ihm nie gezeigt, wie du über ihn denkst? Oder glaubst du, daß er sich sür eine andre interessiert?" „Ich fürchte es fast, Mama," entgegnete Monika traurig. „Er spricht so oft von einer Cousine seiner Frau, ich bilde mir ein, daß er sie liebt. Dora nennt sie Tante Thilla, und seine Stimme klingt ganz anders, wenn er sie erwähnt." „Ach, du meinst Mathilde Burton?" ver setzte Lady Forbes. „Die brauchst du nicht zu fürchten." „Woher weißt du das?" fragte Monika, indem ein glückliches Lächeln über ihr Gesicht flog. „Weil Lord Brendon sich um sie bewirbt." „Aber sie liebt ihn vielleicht nicht, die eine Tatsache schließt ja die andre nicht ein. Du kannst dich darauf verlasfen, wenn ich eine Nebenbuhlerin habe, so ist sie es. Sein Herz hängt mehr an Mathilde Burton, als an seiner verstorbenen Frau. Zuweilen frappiert es mich, und dann habe ich doch wieder das Gefühl, als habe er diese auch sehr geliebt." „Natürlich hat er das," bemerkte die' ältere Dame. „Neulich kam ich in das Wohnzimmer; er stand so in Gedanken versunken vor ihrem Bilde, daß er mich zuerst gar nicht sah. Ich Kat heran und legte die Hand auf seinen Arm. „Lady Forbes," sagte er, „ist das ein Aus druck von Glück, der auf diesem Antlitz liegt?" „Gewiß", entgegnete ich, „ich sah nie jemand so sorglos und heiter aussehen." Er schien sich zu freuen; ich glaube, er denkt viel an die Verstorbene." Sie hatte kaum ihren Satz beendet, als Lord Chesleigh eintrat. Er erkundigte sich, ob die Damen Lust hätten, eine Spazierfahrt zu machen. Lady Forbes lächelte. „Mir ist es reichlich warm heute," sagte sie. „Aber die Jugend empfindet das nicht so, Monika wird es gewiß Freude machen." „Wie denken Sie darüber, Miß Forbes?" wandte er sich an diese. „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Lord Chesleigh," erwidert Monika. „Ich fahre bei diesem schönen Wetter sehr gern aus, besonders aber unter zwei Bedingungen. Erstens möchte ich mit Dora in dem Pony wagen fahren und zweitens müßten Sie selbst den Kutscher machen. Die Verantwortung für Ihren Schatz wäre mir zu groß, wenn Sie nicht dabei find." Wie klug dasMSdchen ist, dachte Lady Forbes. Lord Chesleigh war um eine Antwort ver legen. Er wußte zu gut, zu welchen Ver mutungen er Anlaß geben würde, wenn er Miß Forbes und die Kleine aussuhr. Anderseits war es eine Freundlichkeit gegen sein Kind, die er nicht gut ablehnen konnte. „Ich will Sie gerne fahren," sagte er, „und für Dora wird es eine besondere Freude sein. Aber wir könnten den großen Wagen nehmen, vielleicht entschließt Lady Forbes sich doch noch, uns zu begleiten, wenn wir warten, bis es etwas kühler geworden ist." Aber davon wollte die Dame nichts hören; eine so gme Gelegenheit für ihre Tochter durfte sie unter keinen Umständen stören. „Ich werde mich zurecht machen," bemerkte Monika; „in einer halben Stunde komme ich mit der Kleinen herunter." Sie hoffte, , daß Lord Chesleigh bei ihrer Mutter bleiben würde und wußte, daß diese ihn dann wegen Mathilde Burton äushorchte. Ihre Vermutung erfüllte sich. Ein ein facher, aufrichtiger Mann ist immer in die Hand einer klugen Frau gegeben. Und Lady Forbes hatte eine so teilnehmende, wohl wollende Art, zu reden, daß niemand Hinter gedanken bei ihr suchte. Sie fing an, von der kleinen Dora zu sprechen, sagte ein paar Worte über die verstorbene Lady Chesleigh und fragte dann beiläufig nach ihrer Verwandten, der schönen Miß Burton, sür die Lord Brendon sich so sehr interessierte. Ihrem scharfen Blicke entging es nicht, daß über Lord CheSleighs Antlitz ein Zug des Un muts flog. „Wer sagte Ihnen, daß Lord Brendon sich um Miß Burton bewirbt?" fragte er schnell. „Das weiß jeder, der Lord Brendon kennt," war die Antwort. „Ich hörte einmal, wie er von ihr sprach, er sagte ja nicht viel, man merkte ihm an, wie er sie liebte." „Das ist Unsinn — Verzeihung, ein Miß verständnis," warf Lord Chesleigh ein. „Lord Brendon hat gar keine Aussichten bei Miß Burton. Sie find seit langem befreundet, weiter nichts." Lady Forbes sah ein, daß ihre Tochter recht hatte und Mathilde ihm nicht gleichgültig war. Immerhin war sie nicht anwesend, da durch hatte Monika eine große Chance mehr und sie mußte sehen, wie sie dieselbe ausnutzte. * * * Lady Forbes hatte von der Wirtschafterin gehört, daß sie eine Näherin im Hause hatte und da sie gerne hier und da sparte, nahm sie sich vor, sich einiges nebenbei Mitarbeiten zu lassen. Wenn sie etwas erreichen wollte, war sie außerordentlich liebenswürdig. Mrs. Bird kannte sie und durchschaute, warum sie Ellen sehen und sprechen wollte. Diese saß eifrig bei der Arbeit, als die Tür sich öffnete und eine elegante, stattliche Dame eintrat. „Es ist Lady Forbes," dachte sie und wunderte sich, was sie wohl hier wollte. Mit der Zeit hatte sie ihre Verlegenheit über die Verkleidung etwas verloren, wenn sie mit Menschen verkehrte, welche unter ihr standen. Ihrer Standesgenosfin gegenüber trat sie doppelt hervor. Sie wurde rot, sah so ver schüchtert aus, daß Lady Forbes noch liebens würdiger wurde. Sie brachte ihre Bitte vor und war überrascht, wie bereitwillig dieselbe gewährt wurde. „Welch ein angenehmes Organ die Person hat/ dachte Lady Forbes, „und welch gute Manieren." Laut sagte sie: „Ich werde Ihnen dis Sachen, die geändert werden müssen, her» über schicken, meine Tochter und ich haben zu sammen nur eine Jungfer und die hat genug
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