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Allgemeiner Anzeiger : 04.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190501048
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050104
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-04
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.01.1905
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politische Kunäfcbau. Der rusfisch-japauische Krieg. *Vor Port Arthur hat das alte Jahr den Japanern noch einen hübschen Erfolg ge bracht, indem sie am Mittwoch eins der Haupt forts, Erlungschan, erobert haben. Das selbe gehört schon zu dem inneren Fortgürtel, so daß die Redoute allein noch den Nüssen bleibt, die allerdings mit allem Raffinement befestigt sein soll. Der entscheidende Sturm auf Erlungschan war dadurch eingeleitet worden, daß zuvor der Hauptwall unterminiert und in die Lust ge sprengt wurde. Die Sturmkolonnen gruben sich sodann in die schnell aufgeworfenen Schützen gräben ein. Von dort aus unternahmen sie die letzten Sturmangriffe, die nach zehnstündigem verzweifelten Kampfe zur Eroberung des Forts durch die Japaner führten. Auch auf der Ost seile, auf der Taubenhalbinsel, nisten sich die Japaner immer fester ein und nehmen dadurch den Belagerten die letzte Möglichkeit eines Ent weichens nach dieser Seite hin. * Bei der Eroberung von Erlungschan haben die Japaner 43 Geschütze erobert. Außerdem haben sie auch den Nirgo - Hügel erstürmt und damit einen weiteren Schritt gegen die eigentliche Festung gemacht. *Bei der Einnahme des Forts Erlungschan sollen die Japaner 500 Mann der Besatzung gefangen genommen haben. Die Ver luste der Jcpaner bei der Einnahme des Forts werden auf 1000 Mann geschätzt. *Die Meldung, daß neue russische Torpedojäger aus dem Hafen von Port Arthur nach Wladiwostok entkommen seien, wird jetzt von russischer Seite selbst als salsch bezeichnet. *Den zeitweise zur Berichterstattung nach Tokio zurückgekehrten Admiralen Togo und Ka mimura ist beim Eintreffen daselbst ein glänzender Empfang bereitet worden. *Japan verfügt jetzt auch nach einer Meldung aus Schanghai über fünf Unter seeboote. * * * Deutschland. *Die in den letzten Tagen mit deutschen Bankhäusern geführten Verhandlungen betreffs einer neuen russischen Anleihe haben nunmehr zum Abschluß geführt. Die russische Regierung schreitet zur Ausgabe einer 4V-plo- zentigen Anleihe im Betrage von 500000 000 Mark gleich 231500 000 Rubel. *Das neue Gesetz betr. die Jnkrafttrelung einer anderweiten Klasseneinteilung sür die Gewährung von Wohnungsgeld- Zuschüssen an die unmittelbaren Staats beamten ist im Meichsanz/ veröffentlicht worden. Es tritt vom 1. April 1904 ab in Kraft. *Ein neuer militärischer Erlaß, als Vor beugungsmittel gegen die Soldaten- mißhandlungen, ist dieser Tage den Truppenteilen zur strengsten Befolgung zuge gangen. Danach soll, um Leuten, die zu Gewalttätigkeiten neigen, von dem Ausrücken im Heere fernzuhalten, fortan mit keinem Soldaten mehr kapituliert werden, der im bürgerlichen Verhältnis wegen Mißhandlung oder eines andern Roheitsvergehens vorbestraft wurde. Ebenso soll mit allen Angehörigen des Heeres, die während ihrer Dienstzeit wegen Mißhand lung bestraft wurden, nicht weiter kapituliert werden. Österreich-Ungarn. * Kaiser Franz Joseph hat dem Minister präsidenten v. Körber den Abschiedbe - willigt. Es mag dem alten Kaiser nicht leicht geworden sein, sich von diesem Manne zu trennen, der vier Jahre lang den parlamen tarischen Stürmen mit einem Gleichmut getrotzt hat, der seinesgleichen sucht und Darmsaiten an Stelle der Nerven voraussetzt. Was nun werden sollt Es wird einfach nach dem Rezept des Grafen Taaffe „fortgewurstelt" und im Not fälle muß, wie schon so oft, der berüchtigte Diktatur-Paragraph (8 14) helfen. Frankreich. *Eine Flottendemonstration be scheidenen Umfanges wollen die Franzosen gegen Marokko ins Werk setzen. Zu diesem Zweck sollen die beiden Linienschiffe „Charlemagne" und „Jena" nach Marokko ab gehen. (Ganz so bestimmt kann man das nicht annehmen, denn die Marokkaner scheinen ent schlossen zu sein, den Franzosen alle Hinder nisse zu bereiten, zu denen sie imstande sind. Das sind bei den marokkanischen Verhältnissen mehr, als die Franzosen mit ein paar Kriegs schiffen zu bewältigen vermögen.) Spanien. *Die Meldungen von einer beabsichtigten Verlobung des Königs von Spanien mit einer mecklenburgischen Prin zessin entbehren, wie der Madrider Kor respondent der Köln. Ztg/ von zuständiger Seite hört, jeglicher Begründung und beruhen auf willkürlicher Vermutung. Ruhland. * Das Zarenmanifest hat seinen Zweck, die Gemüter zu beruhigen, fast ganz verfehlt, besonders weil die Aussührung der versprochenen geringen Reformen dem vom Volke gehaßten Beamtenstand übertragen worden ist. Besonders mißfällig ist der gleich nach dem Zarenmanifest bekannt gemachte Regiemngserlaß ausgenommen worden, der ganz nach dem alten Rezept mit Drohungen operiert. Dadurch fühlen sich die Intelligenz und die Volksmassen gleichmäßig abgestoßen und erzürnt. * Die nervöse Unruhe, mit der in Rußland fortwührenv Personalveränderungenvorgenommen werden, hat wieder zwei Überraschungen ge zeitigt. An Stelle des Admirals Kaznakow wurde Admiral Bubassow zum Vertreter Rußlands sür die Hullkommission ernannt. Einer Beschleunigung der Arbeiten der Hullkommisfion wird der Personenwechsel nicht gerade dienlich sein. — Auch der Admiral Skrydlow ist aus Wladiwostok nach Petersburg zurückberufen worden. Afrika. * Der englische Gouverneur von Südafrika hat bei einer Zusammenkunft der Buren- führer für beide ehemaligen Republiken eine Volksvertretung in Vorschlag gebracht. Die Verhandlungen darüber find aber einst weilen ergebnislos verlaufen. Asten. *Der indische Nationalkongreß, der am Mittwoch in Bombay seine Beratungen ge schlossen hat, haj^ u. a. die Expedition nach Tibet und die daraus entstehenden Kosten und die Spezialgesandtschaft nach Persien und Afghanistan ver urteilt, weil dadurch Indien der Gefahr ausgesetzt wäre, in auswärtige Verwickelungen zu geraten. Unglückschronik -es Jahres MH. Feuer und Wasser, von Anbeginn die ver heerendsten aller Elemente, haben wie immer, auch in diesem Jahre gewaltige Opfer gefordert. Gleich die Jahreswende brachte die Kunde von einer furchtbaren Feuersbrunst, dem Brande des Jroquois-Theaters in Chicago, am 30. Dezember 1903, bei dem an 600 Menschen einen gräßlichen Tod fanden. Wenige Wochen später, am 23. Januar d., zerstörte ein Riesenbrand die zumeist aus Holz gebaute norwegische Stadt Aalesund. Es ist noch in aller Erinnerung, mit welch kräftiger Initiative unser Kaiser, der Gastfreundschaft eingedenk, die er alljährlich an den herrlichen Gestaden genießt, eine rasche Hilfsaktion ins Werk setzte. Nur 14 Tage später, am 7. Februar, wurden in der auch von vielen Deutschen bewohnten Stadt Baltimore, der Hauptstadt Marylands, gegen 600 Gebäude, darunter das prachtvolle Rathaus und andre wertvolle öffentliche Bauten, ein Raub der Flammen. Leider kamen auch fünfzehn brave Feuerwehrleute bei diesem Un glück unrs Leben. Der Schaden wird auf fast eine Milliarde Mark geschätzt. Am 16. April legte des Feuers Macht einen Kaiserpalast in Asche, freilich den eines Schattenkaisers, des Beherrschers von Korea, des Landes der Morgenftille, über das jetzt das fiegesstolze Japan wohlwollend seinen Sonnenschirm breitet. Ein riesiges Feuer brach am 25. Juni in der Kaiserstadt Berlin aus: am Ringbahnhos Putlitzstraße, wo gr ße Stapel von Telegraphen stangen und Schineuschwellen in Brand geraten waren, die riesigen Flammen, die hier fast zwei Tage lang ewporloderten, die ungeheuren Rauchwolken, die unerträgliche Gluthitze zeigten eine Brandkatastrophe von größtem Umfange; doch ist, dank den Vorkehrungen der wohlge schulten Berliner Feuerwehr und der Bahnbe hörden, weiter nichts passiert. Gefährlicher hätte leicht ein Brand werden können, der Mitte Juli ganz im Herzen der Kaiserstadt Wien den dicht an der Stephanskirche, an der schmalen Domgasse gelegenen Domherrnhof er griff; glücklicherweise gelang es, nachdem das Dach des alten großen Gebäudes zerstört war, dem Feuer Einhalt zu tun. War dieser Brand durch Menschenverschulden, nämlich durch achtlos weggeworfene Schwefelhölzer, entstanden, so führten im weiteren Verlaufe des Sommers natürliche Umstände, nämlich die große Dürre und Trockenheit des Sommers, die ja zum völligen Versanden stolzer Ströme, wie der Elbe und der Weichsel, führten, in Wäldern und Ortschaften zahlreiche verheerende Brände herbei. Solche suchten das schöne Friedrichsroda heim, das Gebirgsstädtchen Graupen bei Boden bach, Gräfenhainichen, dann das Städtchen Winterberg im Böhmerwald, wo ein halbes hundert Wohnhäuser niederbrannten; am schlimmsten aber das württembergische Dorf Ilsfeld bei Heilbronn, in dem Hunderte von Wohnhäusern ein Raub der Flammen wurden. Ein entsetzliches Schadenfeuer suchte auch die Magdalenenkirche und idas Waisenhaus in Straßburg i. E. heim, wobei es nur unter großer Aufopferung seitens der Garnison gelang, die Kinder zu retten. Im Laufe des Herbstes machten auch zwei erschreckende Brände von Riesenpetroleumlagern von sich reden, wie sie in den Außenbezirken großer Hafenstädte vor handen find. Am 26. August explodierten mehrere Tanks in den Petroleumlagem von Hoboken bei Antwerpen ; es entstand ein Feuer, das gegen 200 Millionen Liter Erdöl verzehrte und bei dem 8 Menschen ums Leben kamen. Ein ganz ähnlicher Brand wütete am 5. November im Hamburger Stadtteil Borg- selde; der angerichtkte Schaden belief sich auf 2 Mill. Mark. Gedenken wir noch der Feuersbrunst, die am 30. August die Stadt Binan auf Luzon (Philippinen) verzehrte, und bei der mehrere hundert Eingeborene verbrannten, des entsetzlichen Feuers, dem am 17. September das wkrttem- bergische Städtchen Binsdorf fast ganz zum Opfer fiel, des Brandes, der am 1. Oktober eine Fleischkonservenfabrik in New Jork zerstörte und bei dem 50 pflichttreue Feuerwehrmänner ums Leben kamen, so haben wir, um den Reigen des Unheils zu schließen, noch den Brand des Baseler Stadttheaters zu erwähnen (6. Okt.). Dieser verlief, da das Feuer nach Schluß der Vorstellung das leere HauS ergriff, glücklicherweise ohne Menschenverlufte. Die Unglücksfälle, die fich auf dem Wasser ereigneten, find wie immer zahllos gewesen. Die deutsche Handelsmarine ist im abgelaufenen Jahre glücklicherweise von größeren Katastrophen verschont geblieben. Nicht so die belgische. Am 11. Januar ist der kanadische Postdampfer „Clallam" unweit Viktoria (Britisch-Kolumbia) untergegangen, 53 Personen ertranken. Die britische Kriegsmarine hatte am 18. März einen eigenartigen Unglücksfall zu beklagen; es wurde in der Bucht von Spithead ein an den Flotten manövern beteiligtes Unterseeboot von dem Dampfer „Berwick Castle" überrannt und sank mit der Besatzung. Ein furchtbares Unglück, das namentlich auch in Deutschland alle Herzen erzittern machte, ereignete sich am 16. Juni unweit New Jork auf dem Vergnügung?- Kämpfer „General Slocum". Das Schiff, auf dem die Schulkinder der evangelischen deutschen St. Markus-Gemeinde einen Ausflug unter nahmen, ging in Flammen auf; mehr als tausend Kinder und Mütter kamen dabei durch Feuer, Rauch oder Wasser ums Leben. In wenigen grauenhaften Augenblicken wurden ganze Familien ausgerottet. Entsetzlich war auch das Unglück, das den dänischen Aus wandererdampfer „Norge" am 29. Juni traf. Er scheiterte an den Rockallfelsen, nordwestlich der schottischen Küste. Von 765 Personen an Bord kamen 637 ums Leben. Am 9. August ging der englische Dampfer „Hoangho" bei Amoy an der chinesischen Küste unter, 350 be zopfte Söhne des Reiches der Mitte mit fich reißend. Am 26. Oktober traf die deutsche Wörmannlinie ein empfindlicher Verlust. An der unwirtlichen Küste nördlich von Swakop- mund lief der Truppentransportdampfer „Ger trud Wörmann" auf; es gelang, unsre braven Truppen, 24 Offiziere und 382 Mann, zu retten, das schöne Schiff aber ist verloren. Das verflossene Jahr darf der Eisenbahn minister v. Budde zu seinen guten zählen; zwar gab es genug der üblichen Bahnunfälle, die unter „Vermischte Nachrichten" gehören, doch keine Katastrophen wie die von Offenbach oder Altenbeken. Möge es so bleiben, sogar noch viel besser werden! Der schlimmste Unfall war wohl die Güterzugsentgleisung von Kosel-Nau heim am 14. Juni, bei der 5 Menschen ums Leben kamen. An dem erheblichen Material schaden, der die andern Unfälle begleitete, ist ja wenig gelegen. Das klassische Land der Eisenbahnunfälle, Nordamerika, hat fich als solches wiederum bewährt. 20 Menschen starben am 3. Juli eines entsetzlichen Todes infolge der Entgleisung eines Expreßzuges bei Litchfield (Illinois). Durch einen Zugzu- sammenftoß bei Gleenwood unweit Chicago am 14. Juli wurden 18 Personen getötet und 58 verletzt. Fürchterlich war das Eisenbahnunglück von Eden (Kolorado) am 8. August, wo eine Eisenbahnbrücke unter einem Schnellzug zu sammenstürzte. 125 Personen verloren das Leben. Auch bei New-Marcket (Tenessee) stießen am 24. September zwei Züge zusammen, die Zahl der Opfer war 45 Tote, 121 Verletzte. Unermeßlichen Schaden richtete wiederum die Gewalt des Wassers an. Am 18. Januar zerstörte eine Wasserhose einen Teil der Stadt Blumfontein, der Hauptstadt des einstigen Oranje-Freistaats; eine größere Zahl von Menschen fand hierbei den Tod. Im Februar suchten gewaltige Überschwemmungen das russische Mittelasien und China heim; Dammbrüche find dort ungemein häufig. Bei Tfinanfu, unweit Kiautschou, brach ein Damm des Hoangho, und viele hundert Menschen ertranken. Im Staate Kolorado wurde am 1. Oktober durch den Bruch eines Stauwerks der Ort Trinidad ver nichtet. Die Zahl der Toten wird mit 5000 angegeben. 14 Menschenleben fielen einem Naturereignis andrer Art Ende April in der Schweiz zum Opfer, unweit Grengiols im Kanton Wallis wurde der Weiler Mühlebach durch eine ge waltige Lawine, deren Masse auf V. Mill. Kubikmeter geschätzt wird, verschüttet. Ein furchtbarer Orkan suchte am. 27. Juni die Stadt Moskau heim. Er verwüstete zahlreiche Gebäude, Gärten, Villenvororte; viele Menschen wurden verletzt. Zahlreich find die Todesfälle im abgelaufenen Jahre, die auf Typhusepidemien, wie die in Südwestasrika, Gelsenkirchen, Detmold, auch unvorsichtige Aussührung des Alpensports und das den Sportsmann Wieden unschuldigen Staats bürger gleichmäßig bedrohender Automobilsports zurückzuiühren find. Lebhaft hat fich die Öffentlichkeit auch mit den Todesfällen be schäftigt, die, wie der des Generalgvuverneurs Bobrikows von Finnland, des Ministers Plehwe, auf politische Attentate zurückzuführen find. Wir wollen die Unglückschronik dieses Jahres nicht schließen, ohne an das allerge- waliigste und größte Unglück des Jahres, schreck licher als alle andern zusammen, zu erinnern: den russisch-japanischen Krieg, der schor mehr als 100 000 Menschen in der Blüte der Jahre dahinraffte. Möge das kommende Jahr diesem Unglück ein Ende setzen! Von unci fern. Ein aristokraflscherSchillervereitt. Dem .Schwäb. Merk/ zufolge sind Kaiser Wilhelm, der Grobherzog, die Großherzogin und der Erbgroßh-rzog von Baden, sowie Herzog Philipp von Württemberg dem schwäbischen Schillerverein als Stifter beigetreten. K dnter äer 1>^aske. 7s Roman von Ladh Georgina Robertson. GorlsttunsU Artur fand Ellen im Eßzimmer und ihre Augen leuchteten, als sie ihn sah. Sie streckte ihm beide Hände entgegen und sagte lachend: „Ich komme mir selbst fremd vor in Hut und Jacke; ich dachte nicht, daß ich je wieder spazieren gehen würde. Wie gut von dir, daß du mich begleiten willst; ohne dich würde die Sonne nicht halb so hell scheinen und die Welt weniger schön aussehen. Freust du dich auch ein bißchen darauf, mit mir zu gehen?" Was sollte er sagen? Er reichte ihr den Arm und Lady Marstone, die ihnen nachsah, sagte sich, daß sie nächst Gott ihm die Ge nesung ihres Kindes verdanke. Doktor Gibson war noch ab und zu von London herübergekommen, um nach seiner Patientin zu sehen. Er hatte vorgeschlagen, daß das junge Paar die Wintermonate zu sammen nach Italien gehen sollte, dort würde Lady Chesleigh fich vollständig erholen. Lady Marftone hatte fich schon gewundert, daß Artur nicht selbst einen derartigen Plan angeregt hatte; er schien nicht den Wunsch zu hegen, seine Frau ganz für sich allein zu haben; viel leicht fürchtete er die Verantwortung, wenn die Pflege und Sorge für sie ganz in seinen Händen ruhte. Mangel an Liebe konnte es doch nicht sein! Jeder, mit dem sie zusammen kam, gewann Ellen lieb, wie sollte eS der nicht tun, dem sie ihr ganzes Herz geschenkt hatte! — Lord Brendon fuhr fort, seine Beobachtungen zu machen, und da er von der eiligen nächt lichen Trauung gehört hatte, konnte er sich dem Gedanken nicht verschließen, daß Lord Chesleigh gegen seinen Willen durch die Verhältnisse dazu gezwungen worden sei. Die beiden Herren hatten eines Nachmittags eine Partie Billard gemacht, der Mathilde mit Interesse zusah, als Sir John fragen ließ, wer ihn und Ellen auf einer Spazierfahrt begleiten würde. Mathilde lehnte es für fich gleich ab, da fie gegen Abend einige Besorgungen mit ihrer Tante machen sollte. Die beiden Herren sahen fich an. Lord Brendon war überzeugt, daß Artur mit Freuden die Gelegenheit ergreifen würde, mit seiner Frau zusammen zu sein; zu seinem größten Erstaunen sagte dieser zu ihm: „Wollen S i e nicht mitfahren, Lord Brendon? Niemand versteht es so gut, Lady Chesleigh zu unter halten, wie Sie." „Gewiß, sehr gerne," war die Antwort; „wenn ich aber eine hübsche, junge Frau hätte, so würde ich es keinem andern überlassen, fie zu begleiten." Er war erstaunt und gleichzeitig etwas ent täuscht, denn so angenehm ihm Ellens Gesell schaft war, hatte er doch gehofft, jetzt ungestört mit Mathilde reden zu können. Kaum halte er das Zimmer verlassen, als Lord Chesleigh ausrief: „Mathilde, ich glaube, Brendon liebt dich!" „Ja, das tut er," gab fie gleichgültig zurück, „es ist nicht meine Schuld, Artur." „Nein, aber er darf es nicht, ich kann es nicht ertragen. Ist er um deinetwillen hierher gekommen?" „Vermutlich." Sie sah ihn an und ihre Stimme zitterte, als fie fortfuhr: „Du darfst mich nicht mit Eifersucht Plagen, Artur, es ist alles ohnehin schon schwer genug für mich. Du vergißt dich wieder, du darfst doch jetzt nicht so mit mir sprechen." „Warum mußte Ellen fich gerade in mich verlieben! Lord Brendon würde viel besser für fie passen." Mathilde schüttelte den Kopf. „Nein, er unterhält und amüsiert fie, ihre Liebe gehört dir, und die wird fie nie einem andern schenken." In diesem Augenblick trat Lady Marstone ein und unterbrach das Gespräch. Sie schien erstaunt, ihren Schwiegersohn hier zu finden. „Ich glaubte, du wärest mit Ellen ausge fahren," bemerkte fie. „Ich habe Lord Brendon meinen Platz ab getreten," erwiderte er. Die alte Dame sah ihn verwundert an, dann zog fie fich wieder zurück, nachdem fie Mathilde gebeten, fich in einer halben Stunde bereit zu halten. „Ich fürchte, meine Tante wunderte fich, uns hier zusammen zu finden," bemerkte Mathilde. „Es ist alles anders geworden, so ganz anders." „Ja, das ist es. ES gibt Zeiten, wo ich denke, ich träume einen bösen Traum. Mein ganzes Innere empört sich gegen mein Schicksal, ich bin ost so außer mir, daß ich dies Haus verlassen möchte, um es nie Wicher zu betreten. Die ganze Familie, Vater, Mutter und Tochter, find mir dann so zuwider, weil fie mich an festen Ketten halten und ich keinen freien Willen mehr zu haben scheine. Und dann tritt die nächtliche Szene wieder vor meine Seele, Ellens kindliche Lieie zu mir uud ihr Ver- trauen: ich kann Men nicht unfreundlich be gegnen, ich kann ihr nicht einmal das Leben mißgönnen, obgleich fie mich unglücklich gemacht hat. Wären wir beide nur erst fort von hier, Mathilde." „Ob die Zeit je kommen wird?" bemerkte diese. „Natürlich muß fie kommen. Es ist noch kein Grund zu verzweifeln. Wir werden bald Nachricht von Mr. Lrbank bekommen und wenn er uns einen Ausweg zeigt, bin ich fest ent schlossen, ihn zu wählen. Ich werde mit Lady Marstone sprechen, fi« ist verständig und gütig, fie wird unS helfen." „Es wird ihr Tod sein," sagte Mathilde, „fie wird selbst empfinden, wie Ellen unter der Nachricht leiden muß." „So leicht stirbt ein Mensch nicht," er widerte Lord Chesleigh. „Ich wollte ja auch, ich könnte es ihr ersparen, wenn ich auch selbst noch mehr dafür büßen müßte, aber eS geht nicht anders. Und nun beruhige mich wegen Lord Brendon, ehe du fortgehst. Seit wann liebt er dich?" „Test fast vier Jahren, mein Later lebte noch, ich war damals erst stchzehn Jahre alt." „Erzähle mir allej," bat er. „Da ist nichts zu erzählen. Er liebte mich und hielt eines Tage- um mich an. Ich lehnte seinen Antrag ab."
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