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Allgemeiner Anzeiger : 31.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190412312
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19041231
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041231
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-31
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.12.1904
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politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. * Auch während der Weihnachtsfeiertage wurde vor Port Arthur heftig gekämpft. Am Weihnachtsheiligabend nahmen die Japaner an der Weftftont der Festung einen Hügel, eine starke Viertelmeile von dem 203 Meter-Hügel. * Wie Gefangene aus Port Arthur berichten, soll der russische General Kontradenko getötet, General Fork schwer verwundet worden sein. * Nach amtlich noch nicht bestätigter Meldung aus Tientsin soll der Port Arthur belagernde General Nogi an Armen und Beinen schwer verwundet im Lazarett liegen. * Am Schahe finden jetzt wieder täglich Gefechte statt, ohne daß eine Partei sich irgend welcher nennenswerten Vorteile rühmen könnte. Kuropatkin hat jetzt, wie gemeldet wird, seine Mittelstellung durch schwere Geschütze verstärkt. *Jm Norden von Korea fanden scharfe Gefechte statt, in denen die Ja paner siegreich waren. Der in Nord-Korea kommandierende russische Oberst wurde wegen seiner Tapferkeit zum General befördert; er hat sein Hauptquartier am oberen Jalu. Das Hauptquartier des japanischen Generals wird telephonisch mit dem Palais des Kaisers von Korea verbunden. * Die Gewässer zwischen der (jetzt zu Japan gehörigen) Insel Formosa und der chine sischen Küste find von den Japanern als im Kriegszustände befindlich erklärt worden. * Der Mikado staitet in einem Erlaß seiner Marine unter Togo Dank und Anerkennung sür die heldenhafte Lösung ihrer Aufgabe, Zerstörung der russischen Port Arthur flotte, ab. * Der Kaiser von Japan hat die ihm angebotene Hilfe der deutschen Gesell schaft vom Roten Kreuz angenommen. Nach der .Breslauer Zeitung' wird im Januar eine Expedition unter dem Chefarzt Universitäts- Professor Dr. Henke-Breslau von Genua nach Tokio abfahren. * * Deutschland. * Die Verlegung des kaiserlichen Hofh altes von Potsdam nach Berlin ist nach vorläufig getroffener Disposition auf den 7. Januar festgesetzt. Gleich nach dem Neujahrsfest wird im Neuen Palais mit den Vorbereitungen für die Übersiedelung begonnen werden. *Eine neue Kleiderordnung für Staats- eisenbahnbeamte ist vom Kaiser am Weihnachtsheiligabend verfügt wor den. Die ,Nordd. Allg. Zig.' versichert, daß es sich um einige „den Bediensteten erwünschte Änderungen" handle, die „im wesentlichen eine Vereinfachung und Verbilligung der Kleidung bezwecken." *Der Entwurf einer Reichs- arzneitaxe ist vom Bundesrat den zu ständigen Ausschüssen zur Prüfung überwiesen worden. Es sind nur für einige Mittel neue Verkaufspreise sestgestellt; für das Diphtherie- Heilserum und einige andre Heilmittel sind die Preise herabgesetzt, für andre sind ent sprechend den veränderten Großhandelspreisen die Verkaufspreise in den Apotheken erhöht worden. * In den neuesten Berichten der H and Werks kammern über das Lehrlingswesen wird darüber Klage geführt, daß die Kenntnisse der Hand werkergesetzgebung auf dem Lande noch sehr mangel hafte seien. Die Meister sind trotz aller Maßnahmen sehr wenig über die Lehrlings-Vorschriften unter richtet, selbst mancher Bürgermeister weiß von diesen Vorschriften nichts. Die Ausbildung der jungen Handwerker auf dem Lande ist eine sehr mangel hafte, häufig werden sie zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet. Der Hauptgrund ist aber der, daß die Meister selbst nur mangelhaft ausgebildet sind, da sie sich bald nach der Lehrzeit selbständig wachen. Betreffs des WohnwescnS ergeben sich auch Mißstände; Reinlichkeit läßt zu wünschen übrig rc. — Erfreulich ist, daß die meisten Lehrlinge sich einer Gesellenprüfung unterziehen. Bei den Prüfungen waren die praktischen Arbeiten meist gut, die theore tische Ausbildung, namcwlich wenn keine gewerb liche Schule besucht war, befriedigte wenig. *Das Gouvernement von D eu t s ch-Süd° Westafrika veröffentlicht die Liste von 33 im Witboi-Auf stände ermordeten Farmern; außerdem werden noch 5 vermißt. Österreich-Ungar». * Das Ministerium v. Koerber soll sein Entlassungsgesuch eingereicht haben. Es führt seit dem Jahre 1900 die durch die Parteien verworrenen Staatsgeschäfte Öster reichs. Frankreich. *Das Charakterbild Sy Veto ns gestaltet sich immer dunkler. Seine Witwe hat 98 000 Frank an die Kasse der Patriotenliga zurück- erstattet, die Syveton, der Säckelmeister ge nannter Kasse war, unterschlagen hatte. Rußland. * Der Zar sieht ein, daß etwas geschehen muß, um die arg aufgewühlten Volksleiden schaften in etwas zu beruhigen. In einem langen Manifest kündet er einige Zu geständnisse an, deren Erfüllung in allen zivilisierten Ländern als selbstverständlich gilt und die eigentlich erst übersichtlich zeigen, woran Rußland krankt. Der Hauptforderung aber, Verfassung und Volksvertretung, stellt er die „unabänderliche Wahrung und Unerschütterlich keit der Reichsgrundsätze" entgegen. So wird dieses Manifest leider, statt Rußland wenigstens den inneren Frieden wiederzugeben, nur zur weiteren Erbitterung der Gemüter beitragen. * Die englische B o n n e der G ro ß fürst in Olga, ältesten Tochter des Kaiserpaares, ist dabei abgefaßt worden, wie sie auf dem Arbeitstische des Zaren in den Papieren umher stöberte und sich Notizen machte. Sie ist schleunigst über die Grenze abgeschoben worden. "Der neue russische Mobil machungsbefehl — es sollen etwa 300000 Mann zu den Waffen berufen werden, ist vom militärischen Standpunkte einfach un verständlich. Die sibirische Bahn ist gegen wärtig unter keinen Umständen imstande, für mehr als höchstens 400 000 Mann die Lebensmittel heranzuschaffen. Ehe das zweite Gleis sertiggestellt sein wird, können noch Monate vergehen. Auf welche Weise die russische Regierung sich die Verpflegung der neu mobilgemachten Truppenmassen denkt, ist nicht faßbar, übrigens soll vor kurzem, wie ver lautet, ein Brief General Kuropatkins an den Kaiser eingetroffen sein, in welchem letzterer sich bereits jetzt über Verpflegungsschwierigkeiten beklagen soll. * Der wirkliche Mörder Plehwes soll in London eingetroffen sein. Er kam über Paris ans der Schweiz, wohin er nach seiner Entführung aus der Gefangenschaft in Peters burg von seinen Freunden gebracht worden war. Amerika. * Der Präsident von Venezuela, Castro, ist und bleibt ein starrköpfiger Racker. Nach dem ihm wieder ein Konflikt mit Nordamerika droht, hat er in den beiden Haupthäfen seines Landes Breusot-Geschütze ansstellen lassen. Der ,New Jork World' wird aus Washington ge meldet, dem Präsidenten werde eine Frist von 60 Tagen gestellt werden, binnen deren er sein Verhalten zu ändern habe. Tue er dies nicht, o würde ein amerikanisches Ge- chwader zum Zwecke einer Demonstration rach Venezuela gesandt werden. Sollte sich dies als ungenügend erweisen, so würden die Zollämter in verschiedenen Häfen besetzt und so lange besetzt gehalten werden, bis die Streitigkeiten in befriedigender Weise beigelegt wären. Rückblicke auf äas Iakr 1904. Wie im Fluge rauscht die Zeit davon und reißt auch den Eindruck der Ereignisse mit sich. Was uns heute stark aufregt, ist übermorgen unter dem Anprall neuer interessanter Ereignisse vergessen. Das Jahr 1904 fing günstig an. Eine der ersten Meldungen, die es uns brachte, war die von der Beendigung des Bondelzwarts au f st a n d e s. Aber leider: am 12. Januar, als der Reichstag nach den Weihnachts serien zusammentrat, begann schon wieder ein Ausstand in Südwestafrika, unter dessen Folgen wir heute noch leiden, der der Hereros. Am 19. Januar bewilligte der Reichstag die notwendigen Kredite für den Hersrofeldzug und am gleichen Tage endete auch, ziemlich un erwartet, der Krimmitschauer Weber- Au sst and. Am 23. Januar brannte die norwegische Stadt Aal esund nieder, wobei Kaiser Wilhelm durch schnelle Hilfe die Herzen der Norweger gewann. Am 25. Januar starb Herzog FriedrichvonAnhalt. ZweiTage darauf wurden in Darmstadt 21 Personen infolge giftiger Konserven getötet und am gleichen Tage forderte Japan von Rußland bündige Erklärungen wegen dessen Man dschurei- Politik. Der Februar setzte mit günstigeren Mel dungen aus dem Herero-Aufstandsgebiet ein. Die Kompanie Franke (ihr Kom mandant ist dieser Tage zum Urlaub in Deutschland eingetroffen) entsetzte Windhoek und Okahandja und schlug die Aufständischen am Kaiser Wilhelmsberg. Am 6. erklärte Japan seine Beziehungen mit Rußland für ab gebrochen. Am 8. ging ein großer Teil der Stadt Baltimore in Flammen auf. Am 9. eröffneten die Japaner die Feindselig keiten gegen Rußland; Admiral Togo überfällt die russische Flotte bei Port Arthur und be schädigt drei russische Schiffs schwer, während Admiral Uriu bei Tschemulpo die russischen Kreuzer „Warjag" und „Korejetz" vernichtete. Am nächsten Tage besetzten dis Japaner Koreas Hauptstadt Söul und die Russen überschritten den Jalu. Am 23. nahm Korea das Protek torat Japans an. Am 25. unternahm Togo einen ersten mißglückten Branderangriff auf den Hafen von Port Arthur. Kuro patkin wurde militärischer Oberbefehlshaber der Russen im Osten. Am 5. März starb Graf Waldersee, viel gepriesen und viel geschmäht. Am 8. hob der Bundesrat den Z 2 des Jesuiten- gesetzes auf. Am 12. trat Kaiser Wilhelm seine Mittelmeerreise an. Am 14. trat Erzbischof Dr. Kohn von Olmütz von dem erz bischöflichen Stuhle ab. Am 16. wurde bei Kiautschou die erste Strecke der Schantung- Bahn eröffnet. Am 21. erfolgten in der italie nischen Kammer die Enthüllungen über die Unterschlagungen des früheren Kultusministers Nasi. Kaiser Wilhelm und König Viktor Emanuel trafen am 26. in Ncapel zu sammen. Am 28. nahm die französische Kammer das Ko n gr e g a t io n s g e s e tz an und eröffnete damit den „Kulturkampf." Die englische Tibet-Expedition hatte am 31. ihren ersten bewaffneten Zusammenstoß mit den Tibetanern, die jämmerlich unterlagen. Der 6. April brachte ein glücklicherweise erfolgloses Attentat auf den jungen König von Spanien. Am 8. wurde der englisch französische Schiedsgerichtsvertrag (der erste seiner Art, der seither Dutzende von Nachfolgern zwischen den verschiedensten Staaten gefunden hat) unterzeichnet. Am 13. wurde auf den spanischen Ministerpräsidenten Maura ein Attentat verübt. Am 13. ging vor Port Arthur der russische Banzer Petropaw - lowsk" mit Admiral Makarow, dem Maler Wereschtschagin und 600 Mann unter. Am 20. begann der dreitägige Streik der ungari sch e n E i s e n b a h n e r. Am 25. war Präsi dent Loubet in Rom, ohne den Papst zu be suchen. Am 30. wurde die Weltausstellung in St. Louis eröffnet. Am 1. Mai wurde dieMainzsrRhein- brücke eröffnet. Am selben Tage erlitten die Russen ihre erste Niederlage bei Kulien- tscheng. Am 3. Mai wurde General von Trotha zum Oberbefehlshaber in Deutsch- Südwestafrika ernannt. Am 5. gelang es den Japanern, durch Versenken von Schiffen die Hafeneinfahrt von Port Arthur sür größere Schiffe zu sperren. Am gleichen Tage starb der ungarische Schriftsteller Maurus Jokai, am nächsten Tage der Maler Franz v. Len- bach in München und am 9. Mai der Afrika reisende Stanley. Am 20. gingen zwei japa nische Transportschiffe mit 736 Mann zugrunde. Am 22. erfolgte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Vatikan. Am 29. Mai starb Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklen burg - S t r e l i tz. Am 1. Iuni wurde das zweite deutsch amerikanische Kabel beendet. Am 7. vermählte sich der junge Großherzog Friedrich Franz VI., von Mecklenburg-Schwerin mit der Herzogin AlexandravonCumberland. Am 15. ging der amerikanische Vergnügungs dampfer „General Slocum" mit 1500 Personen (meist Kindern) unter. Am gleichen Tage schlug General Oku bei Wafangkou den Nussengeneral Stackel be r g, der zum Entsätze Port Arthurs heran- gerückt war. Am 16. wurde Bobrikow, Generalgouverneur von Finnland, ermordet. Am 17. fand die Gordon-Bennett-A utomobil- fahrt bei Homburg statt, und am 22. begann die „Kieler Woche", zu der diesmal auch König Eduard eintraf. Am 3. Juli ging das dänische Aus wandererschiff „Norge" mit 700 Personen unter. Am 6. erstürmte die englische Tibetexpedition Gyangtse. Am 14. starb Ohm Krüger. Am 16. beschlagnahmten russische Schiffe die deutsche Post nach Japan. Am selben Tage wurde Andrejew, Gouverneur von Eli- sabethpol, ermordet. Am 28. wurde der russische Minister des Innern v. Plehwe er mordet. Am 5. August fand inIlsfeld der große Brand statt. Am 8. traf die Tibet expedition in der Hauptstadt Lhassa ein. Am 10. starb Waldeck-Rousseau. Am 11. wurden die. Hereros am Waterberge be siegt und vertrieben. Am gleichen Tage ging ein großer Teil der russischen Port Arthurflotte bei einem Durchbruchsversuch verloren. Der 12. August brachte den Russen den lang ersehnten Thronfolger. Am 31. fand die Flucht der Prinzessin Luise von Koburg aus Bad Elster statt. Am 2. September trat Graf Mir bach, OSerhofmeister der Kaiserin, von seine« Nebenämtern zurück. Die Russen räumten am gleichen Tage nach 7 tägigen Kämpfen Liau- jang. Am 4. verlobte sich der deutsche Kronprinz mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin. Am 11. wurden in Neu- Guinea fünf Missionare und fünf Schwestern ermordet. Am 15. erhielt Italien seinen Kronprinzen. Am 18. starb Fürst H er b ert B i sm ar ck. Am 21. erfolgte die Königskrönung Peters von Serbien. Am 26. starb der Graf-Regent von Lippe- Detmold; am folgenden Tage protestierte Schaumburg-Lippe gegen die Fortführung der Regentschaft durch die Biesterfelver Linie. Am 4. Oktober wurde das Kaiser- telegramm an den Graf-Regenten Leo pold zur Lippe-Biesterfeld bekannt. Am 9. erfolgte die Erhebung derWitbois. Nach dem am 10. General Kuropatkin zum allge meinen Angriff gegen die Japaner vorgegangen war, wurde er am 13. über den Schahe zurückgeworfen. Am 15. starb KönigGeorg von Sachsen. Am 24. sand die „große Seeschlacht an der Doggerbank" statt; infolge dessen Konflikt zwischen England und Rußland. Am 1. November ging Graf Posa - dowsky zu den Handelsvertragsverhand lungen nach Wien. Am 2. trat der bäurische Finanzminister v. Riedl zurück. Am 3. be gannen die Studentenunruhen in Innsbruck. Am 5. ohrfeigte Syveton den französischen Kriegsminister Andre. Am 8 wurde Roose velt wiedergewählt. Am 15. trat Andrö zurück, sein Nachfolger als Kriegsminister wurde der bisherige Börsenmakler Berteaux. Am 30. wurden die Verhandlungen wegen des Handelsvertrages in Wien abgebrochen. Am1. Dezember erstmmten dis Japaner den 203 Meter-Hügel bei Port Arthur. Vom 7.—10. erfolgte die völlige Vernichtung )er russischen Port Arthurflotte. Am 8. endete Syveton durch Selbstmord. Am 11. fanden blutige Unruhen in Petersburg statt. Hf dnter äer l^aske. 6j Roman von Lady Georgina Robertson. Lord Chesleigh nahm sich bei seiner Ankunst in London gleich einen Wagen und fuhr zu Mr. Lubank, dem berühmtesten Rechtsanwalt der Hauptstadt. Es war eine qualvolle halbe Stunde, die er im Vorzimmer warten mußte, bis Mr. Lubank erschien, und alles, was er in den letzten Wochen durchlebt hatte, trat noch ein mal vor seine Seele. Jetzt, wo er vor der Entscheidung stand, fühlte er erst, wie fest er hoffte, daß sie nach seinen Wünschen ausfallen möchte. „Es ist eine eigentümliche Angelegenheit, in der ich Ihren Rat erbitte," jagte Lord Chesleigh, als der Rechtsanwalt emtrat, „sie klingt fast unwahrscheinlich und ist doch leider nur zu wahr." Die Herren setzten sich und Lord Chesleigh erzählte den ganzen Hergang seiner übereilten Heirat. Mr. Lubank hörte aufmerksam zu und saß nach dem Schluß in tiefe Gedanken versunken. „Eine wunderbare Geschichte," begann er nach einer Pause, „aber es kommt vieles Selt same vor in der Welt. Leider kann ich Ihnen keine Hoffnung machen; es liegt kein Grund vor, der die Heirat annullieren könnte. Die Frage ist freilich überflüssig und doch will ich fie stellen: Sie haben nach keiner Richtung hin der Dame einen Vorwurf zu machen?" „Nein, wie sollte ich?" „Sie können also nicht vorgeben, hinter gangen zu sein, denn Sie haben aus freier Entschließung in die Trauung gewilligt; ich sehe keinen Ausweg für Sie." Lord Chesleigh erhob sich und ging einige Male in der Stube auf und ab; seine Züge drückten den heftigen Kampf aus, der in ihm tobte. Er hörte jetzt die Bestätigung dessen, was er ja wußte, an das er aber zu glauben mit aller Macht sich gesträubt hatte; daß es keine Möglichkeit gab, seine Ketten von sich ab schütteln zu können, und doch sagte er endlich, vor Mr. Lubank stehen bleibend: „Wollen Sie mir wirklich zu verstehen geben, daß die wenigen Worte, die ich aus Gut mütigkeit gesprochen habe, mein ganzes Leben vernichten werden?" „Sie müssen die Sache auch von der andern Seite betrachten," erwiderte der Rechtsanwalt. „Es find freilich nur wenige Worte, aber ihr Zweck ist ja eben, daß fie bindend sein sollen für das ganze Leben." „Es scheint mir unglaublich," ries Lord Ches leigh erregt aus, „es war doch garnicht meine Abficht; wie kann ein Mann gegen seinen Willen gebunden werden!" „Es war nicht gegen Ihren Willen, Lord Chesleigh, wie ich von Ihnen verstand, haben Sie damals mit voller Überlegung einge willigt." „Ja, weil ich glaubte, eine Sterbende vor mir zu haben, deren letzter Wunsch erfüllt werden sollte. Hätte ich ahnen können, wie die Sache ablief, ich hätte mich nie dazu her gegeben." „Das macht keinen Unterschied," versetzte Mr. Lubank. „Es ist sehr traurig!" Lord Chesleigh unterbrach ihn: „Sie müssen einen Ausweg für mich finden, Mr. Lubank, Sie dürfen mich nicht ohne Hoffnung fortlaffen. Ich habe große Achtung für die Dame, die sich meine Frau nennt, aber ich kann nicht neben ihr leben. Überlegen Sie den Fall nochmals, beraten Sie den Fall mit andern Juristen, nur nehmen Sie mir noch nicht jede Hoffnung." „Ich will alles tun, was in meiner Macht steht," entgegnete der Rechtsanwalt. „Wäre es nicht das beste, Sie sagten der Dame ganz offen, daß Sie eine unüberwindliche Ab neigung gegen ein Leben mit ihr hätten und bewegten sie dazu, sich im guten von Ihnen zu trennen?" „Vielleicht. Aber eine freundschaftliche Trennung, wie Sie es nennen, würde mich nicht berechtigen, eine andre zu heiraten, und das ist doch die Sache, auf die es mir an- kommt. Ich verlasse mich auf Sie, Mr. Lubank, tun Sie für mich, was Sie tun können, sparen Sie weder Mühe noch Kosten, aber geben Sie mir meine Freiheit wieder." „Ich will mein Bestes tun, Lord Chesleigh, aber ich fürchte, ich werde Ihren Wünschen nicht entsprechen können," sagte Mr. Lubank und, nachdem sein Klient sich verabschiedet hatte, fügte er zu sich selbst hinzu: „Wenn doch die jungen Leute vorsichtiger sein wollten: fie machen die unglaublichsten Dummheiten in bezug auf ihre Heiraten und dann kommen fie zu uns und wir sollen die Sache wieder in Ordnung bringen. Ich fürchte, in diesem Falle gibt es keine Hilfe." Lord Chesleigh blieb noch einige Tage in London; schließlich mußte er an die Rückkehr denken. Die Freude über seine Rückkehr war groß. Ellen hatte die Zeit nicht erwarten können und ihre Eltern empfingen ihn mit so warmer Herz lichkeit, daß sein Gewissen schlug. Er hatte sich ja keine Vorwürfe zu machen, trotzdem kam er sich wie ein Verräter vor. Als Ellen voll«: Glück die Arme um seinen Hals schlang und ihn küßte, tat es ihm leid, daß er ihr gar keine Liebe entgcgenbringen konnte. Er sah fie nur darauf an, ob fie wohl bald kräftig genug sein würde, um ihm zu erlauben, mit ihr zu sprechen, aber fie sah so zart und durchsichtig aus, daß er wohl noch auf lange Zeit davon absehen mußte. Als Mathilde eintrat, erschrak er, wie die wenigen Tage fie verändert hatten; es war ihm unmöglich, ihr ein Wort zu sagen und doch schien es ihm grausam, fie länger in Un gewißheit zu erhalten. „Mein Geschäft in London ist noch nicht beendet," sagte er im Laufe des Gesprächs zu Sir John, „ich werde noch einmal hinsahron müssen, um es ganz zu erledigen." Mathilde, für welche die Worte bestimmt waren, verstand ihn und wandte sich ab. Erst am Abend, «Is Ellen sich zurückgezogen hatte, konnte Lord Chesleigh ihr seine ganze Unter redung mit de« Rechtsanwalt witteilen. „Mr. Lubank will alles versuchen," schloß er, „aber er gab wir wenig Hoffnung auf
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