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Allgemeiner Anzeiger : 24.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190412248
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-24
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.12.1904
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Von f^ak unä fern. Der ehemalige Erzieher des Kaisers, Prof. Hinzpeter in Bielefeld, leidet nach der Jost' seit längerer Zeit an einem schweren Nafenleiden. Die Operation, der er fich im städtischen Krankenhause unterzogen hat, ist be kanntlich glücklich verlaufen. Spiritus für Beleuckrtungszwecke. über eine neue Erfindung zur Verwertung des Spiritus für Leuchtzwecke wird der Münchener Illg. Ztg/ aus Berlin geschrieben: Nach langen, vergeblichen Versuchen ist es endlich gelungen, dem Spiritus durch Zusatz eines Qls die Fähigkeit zu geben, daß er ohne Anwen dung eines Glühkörpers mit helleuchtender Flamme brennt. Früher trat bei allen Ver suchen der kbeistand ein, daß sich harzige Stoffe infolge unvollkommener Verbrennung im Dochte absetzten, ihn verstopften und unbrauch bar machten. Das neue Verfahren ist für das Deutsche Reich patentiert worden. Es eröffnet fich damit die erfreuliche Ausficht, daß die Verwertung des Spiritus für Leuchtzwccke, die Lei dem bisherigen Vergasungsverfahren noch wenig Anklang fand, weiteren Kreisen ermög licht wird. Das große Bauunglück in Bremer haven. Von den bei dem Hauseinsturz iu der Kaiserstraße zu Bremerhaven Verunglückten sind bis jetzt zehn Tote, drei schwer und zwei leicht Verletzte geborgen worden. Es befanden sich noch vier Personen unter den Trümmern. Im Alter von 108 Jahren gestorben ist in Wirballen der frühere praktische Arzt Dr. Zipnewski aus Warschau, der vor drei Jahren nach Wirballen kam, um den Rest seiner Tage im Hause seines dort ansässigen Schwagers, des Apothekers Bukowski, zu verbringen. Der Verstorbene, der seit längerer Zeit gelähmt war, hatte bis zum 30. Lebensjahr Medizin studiert, war dann als „politischer Verbrecher" zu 15 Jahr Zwangsarbeit in Sibirien ver urteilt worden, wo es ihm gestattet wurde, die ärztliche Praxis weiter auszuüben. Der alte Herr soll eine Summe von 200 000 Rubel hinterlassen haben. Treibjagd mit Musik. Ein sonderbares Vergnügen leisteten fich in Groß-Schierstedt die Pächter der Jagd. Mehrere Nimrode zogen zur Treibjagd, eine Musikkapelle voran und die Treiber, mit den üblichen Holzgewehren be waffnet, hinterdrein. Es war ein seltener Genuß, namentlich für die Treiber, denn nach jedem sicheren Schuß wurde eine Fanfare ge blasen. Rohe Ausschreitungen. Auf der Straßen bahnstrecke Krefeld-Hüls setzte sich ein Hand langer einer Dame auf-den Schoß. Er mußte mit Gewalt aus dem Wagen entfernt werden. Da ihm Kumpane zur Hilfe kamen, entstand eine Schlägerei, bei der ein Schaffner übel zu gerichtet wurde. Am Abend fanden fich an der Haltestelle der Straßenbahn in Hüls acht Burschen ein, schleppten einen unbeteiligten Schaffner und einen Wagenführer in eine Seitengasse und bearbeiteten sie mit Messern. Der Führer erhielt drei Stiche in den Kopf, der Schaffner fünf Stiche in den Rücken, davon traf einer die Lunge. Das Befinden des Schwerverletzten läßt das Schlimmste befürchten. Einer der Unholde wurde verhaftet. Die Entdeckung einer Mordtat wurde aus Danzig gemeldet. Vor sechs Wochen war dort der 16 jährige Zimmerlehrling Kurt Weyer auf unerklärlicheweise verschwunden. Alle Nach forschungen nach dem jungen Mann blieben erfolglos. Dieser Tage wurde nun seine Leiche, deren Arme und Beine mit Schnüren gefesselt waren, aus der Mottlau gelandet. Wie die Behörde zuerst annahm, ist Weyer das Opfer eines Racheaktes geworden. Indessen hat die eingehende Untersuchung ergeben, daß Weyer nach ziemlich ungeschickter Selbstfesselung Selbst mord verübt hat, wahrscheinlich wegen unüber windlicher Abneigung vor dem Besuch der Fort bildungsschule. Mit erbetteltem Revolver. Ein in einer Münchener Psründneranstalt unterge brachter Tagelöhner besuchte am 18. d. seine in Nymphenburg wohnende Ehefrau in der einge standenen Absicht, seinen Stiefsohn zu erschießen. Er traf diesen auch gleich im Hausgang und gab aus allernächster Nähe zwei Nevolverschüsse ab, die aber ihr Ziel glücklicherweise verfehlten. Der alte Mann war im Augenblick entwaffnet und festgenommen. Nach eigener Angabe hat der Verhaftete, um den Revolver kaufen zu können, das Geld auf der Straße zusammen gebettelt. Bei seiner polizeilichen Vernehmung drückte er sein Bedauern darüber aus, daß er seine Mordabsicht nicht habe ausführen können. Eingestelltes Strafverfahren. Der Student Frhr. v. Matter, der seine Geliebte und ihr Kind in einem Hotel zu Nürnberg er schossen und sich selbst so schwer verletzt hatte, Frau Anna Nothe ist gestorben. Die jetzt aus dem Leben Geschiedene hat ein Alter von 54 Jahren erreicht. Sie ist weiten Kreisen bekannt geworden durch den Strafprozeß, der wegen Betruges gegen sie geführt wurde. Nach ihrer Verurteilung zu IV- Jahren Gefängnis ist Frau Rothe Ende April v. nach dem Zentralgefängnis für Frauen in Kotibus übergcführt worden. Als sie ihre Strafe verbüßt hatte, begann bei ihr ein altes Frauenleiden akut zu werden, so daß sie langsam dahinfiechte. Bei ihrem Schwiegersohn, dem pensionierten Eym- nasialprofcssor Sellien, hatte die Verstorbene ein Heim gefunden; sie ist dort infolge hochgradiger Schwäche verschieden. daß er sein Augenlicht verlor, ist nach mehr monatlicher Untersuchungshaft entlassen worden, da die Sachverständigen die Tat als im Zu stande der Unzurechnungsfähigkeit begangen fest gestellt haben. Frhr. v. Walter ist nach Berlin zu seinen Eltern zurückgekehrt. Ein seltenes Jnbiläum ist am Nikolaus tage in dem Weingute St. Nikolaus zu Scy bei Metz gefeiert worden. Es ist daselbst noch eine jener großen, früher in Lothringen üblichen Weinkeltern vorhanden, die — im Jahre 1571 erbaut — jetzt ein Alter von einem drittel Jahrtausend erreicht hat. Gewiß ein ehrwürdiges Alter, und es wird kein gleiches Stück mehr geben. Dieses Monstrum ist in einer Länge von 14 Meter aus mächtigen Eichenstämmen gefertigt und bietet daher schon in der Bauart viel des Merkwürdigen. Was aber bei jener Maschine die Hauptsache ist, an diesem Kelter- Urahn ist der Zahn der Zeit saft spurlos vor über gegangen, dieser arbeitet heute noch aus gezeichnet und stellt die meisten der modernen Keltern in den Schatten. Mancher Clairet- Wein ist von dieser uralten Kelter geflossen, nud wir wollen hoffen, daß sie noch recht viele „gute" Jahrgänge mit ins Faß bringen hilft. Gezähmte Banditen. Im Londoner Alhambra-Theater werden vom 2. Januar an sechs tschungtschusische Banditen als Jongleure und Gaukler auftreten. Fünf von den Mit gliedern der neuen Truppe waren vor einiger Zeit noch anerkannte Mitglieder ein tschungtschu- sischen Räuberbande, die sowohl russische als auch japanische und chinesische Truppen über fielen und ausplünderten. Sie machten jedoch die Wahrnehmung, daß sie mehr Geld ver dienten, wenn sie den russischen Truppen ihre GericktskaUe. Benthe«. Wegen Unterschlagung und Be truges wurde die Leiterin der „Banca Ludowy" in Mhslowitz, Anna Macha, von der Strafkammer zu 1 Jahr 2 Monat Gefängnis verurteilt. 2 Monat wurden auf die Untersuchungshaft angerechnet. Hof. Grobe Überschreitungen des Züchtigungs rechtes wurden dem Schulverweser Karl Wolfram aus Mechlenreuth, der als Hilfslehrer in Hüttung angestellt ist, zur Last gelegt. Er hatte fich vor dem hiesigen Landgericht zu verantworten. In der Regel schlug er mit einem ein Zentimeter starken, viereckigen Stäbchen oder mit einen längeren Lineal. Ein Schüler soll einmal 69 Schläge mit dem vier eckigen Stäbchen aufs Gesäß und vielfach in die Kniekehle erhalten haben, dann habe ihn der Lehrer mit dem Rufe: „Krüppel, ich mach dich kalt", zu Boden geworfen und ihm heftige Stöße auf Brust und Kreuz gegeben. Der Junge ist einige Zeit darauf gestorben, doch konnte kein ursächlicher Zusammenhang des Todes mit den Mißhandlungen nachgewicsen werden. — Die Mädchen zerrte der Erzieher oft an den Haaren in der Stube herum, oder er schlug ihnen die Zähne locker. Weiter hieß es, der Lehrer soll in den Schulzimmern mit Zimmerstutzen Schießübungen nach Gläsern vcranstalket haben, so daß den Kindern die Kugeln über die Köpfe hinweg geflogen seien. Der Angeklagte gab einen großen Jongleur-Kunststücke vorführten, als wenn sie raubten und mordeten; deshalb gaben sie ihr Räuberhandwerk auf und belustigten einige Zeit die russischen Truppen bei Liaujang, Mukden, und am Schahe. Fünf- oder sechs mal führten sie ihre Kunststücke auch dem General Kuropatkin vor und dieser gab ihnen auch einen Paß zur Benutzung der transsibirischen Eisenbahn. Zu Schillers 1VV. Todestage. Für die unentgeltliche Verteilung von Schillers „Wilhelm Teil" an die schweizerische Schul jugend will der Bundesrat 25 000 Frank aus werfen. Die Bundesversammlung hat den Plan genehmigt, ebenso ihre Zustimmung zu einem andern Plan ausgesprochen, nachdem in der Schweiz eine Schiller-Stiftung ins Leben treten soll, aus der alte und invalide schweizerische Dichter unterstützt werden sollen. Einem Massenmörder scheint die Polizei in Penaflor bei Sevilla auf die Spur gekommen zu sein. Nach der Joss. Ztg/ wurden nämlich dort in einem Garten sechs Leichen von Leuten entdeckt, die vom Besitzer ausgeplündert und erschlagen waren. Man fürchtet, daß noch weitere Leichen gesunden werden. Im Garten pavillon unterhielt der Besitzer eine Spielhölle; er ist spurlos verschwunden. Seine Frau und Söhne wurden als Helfershelfer verhaftet. Die Angelegenheit erregt großes Aufsehen. Die Regie rung wird einen besonderen Richter einsetzen. Rigo ir. Mitteilungen der Mschauer Zeitung' zufolge soll der Kaschauer Zigeuner primas, der mit seiner Kapelle in Bersin weilte, dort das Herz einer Nichte des brasilianischen Gesandten gewonnen haben. Fräulein Annusta Maria Stechow (klingt sehr wenig brasilianisch!) heißt die Dame und sie soll sehr reich, schön und gebildet sein. Der Primas ist nach Kaschau gekommen, um seine Frau durch eine bedeu tende Abfindungssumme zur Scheidung zu be wegen. Europäische Sklavenhändler. In Riga wurde eine Gaunergesellschaft verhaftet, die seit Monaten einen schwunghaften Mädchenhandel betrieben hat. Ihre Opfer sind fast ausschließ lich Arbeiterinnen. Die Zeitung ,Nowi Kraft in Port Arthur, die trotz der fast beispiellosen Belagerung ihr Erscheinen fortgesetzt hat, schreibt wie folgt: „In der Nähe unseres Setzerzimmers ist etwa ein Dutzend Granaten krepiert. Verschiedene Explosionen drückten die Mauern ein, während andere nur die Fenster zerschmetterten. Unser Text wird auf Papier von unbestimmter Farbe gedruckt. Wir haben nicht immer gutes Weißes Papier, und wir sind daher manchmal ge zwungen, blaues, rotes oder orangefarbenes Papier zu verwenden. Die Soldaten auf den Wällen lesen aber unsere Zeitung mit großem Eifer." Eine vollständige Ausgabe der ,Nowi Krai' dürfte vielleicht schon sehr bald nach Schluß des Krieges kaum zu bezahlen sein, wenn sie überhaupt zu haben ist. Teil der Verfehlungen zu und kam auffallend ge linde mit einer Geldstrafe von 200 Mark davon. - ^um ^otteriewesen in äeutlcklanä. Bei den mit den andern deutschen Lotterie- Staaten eingeleiteten Verhandlungen verfolgt die preußische Regierung das Ziel, die im Lotteriewesen herrschenden Mißstände zu be seitigen. Hierzu gehören vor allem das Neben- einanderbestehen zahlreicher Staatslotterien, von denen die meisten mit ihrem Loseabsatz wegen der Beschränktheit ihrer Konzesfionsgebiete in erster Linie auf Preußen angewiesen sind, so wie die Überschwemmung Deutschlands mit reklamehaften Offerten. Eine Beseitigung dieser Mißstände läßt fich nur erreichen, wenn das Angebot in Staatslotterielosen in ein an gemesseneres Verhältnis zu der Nachfrage ge bracht wird. Dazu bedürfte es einer so starken Reduktion der gegenüber der Zahl und Spiel kraft der Bevölkerung bei den meisten Lotterien unverhältnismäßig großen Spielkapitalien, daß die Möglichkeit, für die Spieler günstige Chancen zu bieten, mehr oder minder ent fallen, anderseits bei den hohen Spesen den betreffenden Staatskassen ein so hoher Ein- »ahmeausfall erwachsen würde, wie sie ihn nur schwer zu tragen vermöchten. Unter diesen Umständen ist für solche Lotteriestaaten der günstigste Ausweg die Beteiligung an der preußischen Staatslotterie, die vermöge ihres Umfanges und ihrer verhältnismäßig geringen Betriebskosten günstigere Gewinnchancen als kleinere Lotterien zu bieten vermag. Dieser Weg ist daher in den mit Mecklenburg- Schwerin und Lübeck abgeschlossenen Ver trägen in der Weise beschritten, daß diese Staaten ihre eigenen Lotterien eingehen lassen und dafür den Losevertrieb der preußischen Lotterie in ihren Gebieten gestatten; sie er halten hierfür eine in Berücksichtigung ihrer bisherigen Lotterieeinnahmen bemessene Jahres rente von Preußen, gewinnen also den Vorteil einer unbedingt sicheren, wenn auch vielleicht hinter ihrer höheren Soll-Einnahme etwas zurückstehenden Einnahme, während Preußen das Risiko des Loseabsatzes in diesen Staats gebieten, das es ja auch leichter als die kleineren Staaten zu tragen vermag, allein übernimmt. Jedenfalls sind die Renten so be messen, daß sie voraussichtlich aus Einnahmen von den in diesen Staaten abzusetzendeu preußischen Losen nicht völlig werden gedeckt werden können, übrigens wird auch Preußen infolge der Einstellung der gedachten beiden Lotterien, deren Angebot von Losen völlig auf hören muß, unschwer für seine mehr auszu gebenden Lose Absatz finden können. Selbst verständliche Bedingung der Verträge ist, daß Mecklenburg und Lübeck durch Strafvorschriften die preußischen Lose vor der Konkurrenz nicht zugelassener Lotterien schützen. Auch mit Mecklenburg-Strelitz ist ein Staatsvertrag ab geschlossen, der diesem Staat, der bisher eine eigene Staatslotterie nicht besaß, aber den Losevertrieb fremder Lotterien unbeschränkt und ohne jeden Vorteil für die Staatskasse zuließ, eine sehr erhebliche Rente Preußens dafür sichert, daß er die preußische Lotterie in seinem Gebiete ausschließlich zuläßt. Die Verträge haben bereits die Zustimmung des mecklen burgischen Landtages und des lübeckischen Bürgerausschusses gefunden. Da sie die Über nahme dauernder Lasten für die preußische Staatskasse involvieren, werden sie demnächst auch den preußischen Landtag beschäftigen. Mlt den sämtlichen andern deutschen Lotterie staaten schweben ebenfalls Verhandlungen, über deren Abschluß noch nichts Sicheres voraus zusagen ist. buntes Allerlei» Stilblüte. Auf dem Hochjoch verstauchte fich eine Touristin Frau B. einen Fuß. Es wurde ein Esel requiriert, der die Verunglückte ins Schnalsertal bringen sollte. Im letzten Moment kam jedoch der Gatte der Verun- unglückten daher, wodurch der andere Esel über flüssig wurde. baren Lage herausbriugt. Ach, Mathilde, warum gab ich deinen Bitten nach!" „Wir glaubten doch recht zu handeln," er widerte sie. „Hätten wir den Schatten einer Möglichkeit auch nur einen Augenblick in Betracht ziehen können, daß deine Einwilli gung, Ellens Mann zu werden — für wenige Stunden zu werden, — sie dem Tode ent reißen könnte? Und doch war es ' so; eine Ablehnung von dir würde ihr sofortiger Tod gewesen sein. Denke auch an die armen Eltern!" Trotz aller ihrer Bemühung, standhaft zu bleiben, erstickten Tränen ihre Stimme. „O, Mathilde," sagte er, „könnte ich doch die Ereignisse der letzten Stunden aus meinem Leben streichen! Wir haben nicht das Richtige getan, wenn wir auch die beste Absicht hatten. Ich durfte mich unter keinen Umständen und aus keinen, wenn anch scheinbar noch so schwer wiegenden Gründen mit ihr trauen lassen. Das war und blieb, ganz objektiv betrachtet, eine innere Unwahrheit, und darin liegt das Unrecht, für das wir büßen müssen. Wenn es Gottes Wille war, daß sie genesen sollte, so wäre das wohl auch ohne mein Zutun ge- schehen. Wir haben unrecht gehandelt, Mathilde, auch gegen Ellen, und daraus kann nie etwas Gutes erwachsen." „Ich trage die Hauptschuld," seufzte Mathilde traurig, „ich habe dich dazu überredet. Und das arme Kind liebt dich so sehr." „Sie tut mir auch leid. Ich freue mich ja für sie und ihre Eltern, daß sie genesen wird, aber was soll aus uns werden?" Sir John kam in diesem Augenblick herein. „Hast du dich ausgeruht, Artur?" sragte er. „Du wirst oben wieder gewünscht." Dann ergriff er beide Hände des jungen Mannes und fügte warm hinzu: „Mein lieber, lieber Sohn, von ganzem Herzen erflehe ich Gottes reichsten Segen auf dich herab, möchte er dir vergelten, was du an uns getan hast." Und diesen warmen, tiefempfundenen Worten gegenüber hatte Lord Chesleigh nicht den Mut, etwas über seine Gefühle zu sagen. „Ich muß warten, bis Ellen kräftiger ist," dachte er. Tage und Wochen vergingen und wenn Ellens Genesung auch stete Fortschritte machte, so war sie doch bei weitem noch nicht so kräftig, daß Lord Chesleigh es hätte wagen dürfen, ihr die wahre Sachlage einzugeftehen. Und jeder Tag schien die Bande sester zu knüpfen, die ihn an das holde Kind fesselten. Sie war nur ruhig und zufrieden, wenn er an ihrem Lager weilte und sie seine Hand in der ihren hielt und immer und immer wieder sprach sie mit ihm von ihrer Liebe und zweifelte keinen Augenblick an der seinigen. Sie dachte nur daran, ihm zu gefallen und bat ihn, Geduld mit ihr zu haben, wenn sie noch so jung sei und so wenig vom Leben ver stände. „Mama," sagte sie eines Tages, „ich bin so glücklich, glaubst du, daß einmal eine Zeit kommen könnte, wo ich bedauerte, nicht gestorben zu sein?" Lady Marstone schloß ihr Kind in die Arme; sie lächelte über die sonderbare Idee, aber Lord Chesleigh durchzuckte ein tiefes Mitleid. Ellen streckte ihm ihre schmale, weiße Hand hin. „Ich habe dich so sehr lieb," bemerkte sie, „es scheint mir oft, als ob ein ganzes Leben zu kurz wäre, um dir meine Liebe zu zeigen." Und diese Worte verfolgten und peinigten ihn den ganzen Tag. Lady Marstone beobachtete die beiden oft. Sie hing sehr an dem Herkömmlichen im Leben und die übereilte Trauung hatte ihr nie recht gefallen, so dankbar sie für den offenbaren Er folg derselben war. Es machte sie stutzig, daß sie nie das kleinste Zeichen wahrnahm, daß Lord Chesleigh Ellen liebte. Sollte er eine so zurückhaltende Natur sein? Ein Mutterherz ist schwer geneigt, zu glauben, daß jemand die Liebe und Hingebung ihres einzigen Kindes nicht erwiderte, und so suchte Lady Marstone fich zu überreden, daß sie fich täuschte. Die Augustsonne schien hell ins Zimmer, als Ellen zum ersten Riale die Erlaubnis bekam, hinunter getragen zu werden. Sie freute fich wie ein Kind auf dies große Ereignis, und als sie in ihrem weißen Morgenkleide, das goldige Haar aufgelöst, vor ihrer Mutter stand und die ersten Gehversuche machte, sah diese mit Stolz ihr schönes Kind an, auf dessen Wangen die Röte der wiederkehrenden Gesundheit fich zeigte, während ihre blauen Augen im Strahl der er wachten Liebe glänzten. Der verwöhnte Liebling des Hauses wurde mehr denn je verzogen, alle beeilten sich, jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, und liebevoller Eifer hatte unten das kleine Wohnzimmer, in daS Ellen ihren Einzug halten sollte, aufs schönste geschmückt. Natürlich sollte Lord Chesleigh fie hinunter tragen; es war sein Recht, und fie hatte lachend erklärt, fich keinen andern, als seinen starken Armen anvertrauen zu wollen. Die alte Barbara kam, um zu melden, daß Lord Chesleigh ihr auf dem Fuße folge. „Sie sollten nicht so lange stehen, Miß Ellen," sagte fie, „es ermüdet Sie zu sehr." „Aber Barbara, du vergißt dich wieder, ich bin doch nicht mehr Miß Ellen, sondern Lady Chesleigh, so gut wie Mama Lady Marstone ist." „Ja, ich vergesse es immer, Mylady, ich bitte um Entschuldigung." Mit einem tiefen Seufzer wandte Ellen fich zu ihrer Blutter. „Ach, Mama, wann werde ich alt und ver ständig genug aussehsn, um für eine verheiratete Frau zu gelten!" rief fie Ms. Lady Marstone lachte. In demselben Augenblick wurde angeklopst, und Lord Chesleigh trat ein. Ellen streckte ihm beide Hände entgegen. „Ich bin fertig, Arrur," sagte fie und schmiegte fich an ihn. Wie glücklich würde dies« Stunde für ihn gewesen sein, wenn er ste ge liebt hätte. um i (Fortsetzung fslgttj
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