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Allgemeiner Anzeiger : 15.10.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190410151
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19041015
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041015
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-10
- Tag 1904-10-15
-
Monat
1904-10
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.10.1904
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politische Kuncllckau. Ter russisch-japanische Krieg. * Der Vormarsch Kuropatkins hat schon wieder sein schnelles Ende gefunden. Die Japaner haben einen Teil der ihnen ent rissenen Stellungen wiedergewonnen und die Russen wollen nun den Eintritt des Frostes abwarten, weil sie dann die Flüsse leichter über schreiten können. * Mit den Russen in Port Arthur muß es schlecht stehen, wenn sich eine nach London ans Schanghai gelangte Meldung bestätigen sollte. General Stössel habe danach berichtet, er könne nicht länger als bis Ende November aushalten. Falls er nicht bis dahin entsetzt werde, müsse er die Festung über geben. *Jm Hasen von Port Arthur find nach einer Menter'-Meldung aus Tokio drei russi sche Kriegsschiffe durch das Bombarde ment zum Sinken gebracht worden. *Vor Port Arthnr haben die Japaner ein italienisches Fahrzeug beschlag nahmt, das versuchte, Mehl nach der Festung zu bringen. ' Nach Meldungen aus Tschifu weigern sich die Chinesen selbst bei den größten Ver sprechungen die Blockade von Port Arthur zu brechen. Täglich treffen Verstärkungen von japanischen Truppen und Geschützen in Dalny ein. Mehrere Chinesen, die sich am Brunnen bei Dalny zu schaffen Machten, wurden unter dem Verdachte der Brnnnenvergistung hingerichtet. *Die Gesamtzahl der japanischen Armee auf dem Kriegstheater wird gegen wärtig auf etwa 400 000 Mann angegeben. Die Belagerungstruppen von Port Arthur sollen mehrere Abteilungen nach Norden abge geben haben. *Das ,Petit Journal' berichtet aus Peters burg, daß augenblicklich zwischen den europäischen Kabinetten Noten gewechselt würden, betreffend die Einreihung vonChinesen in diejapa - nische Armee. * Dem Prinzen Karl Anton Don Hohen- zollern hat, wie,Wolffs Bnreau' aus Tokio meldet, der Kaiser von Japan den Chry- santhemum-Orden verliehen. Dies ist der höchste japanische Orden, den kurz vor Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges der Kaiser von Japan auch dem Kaiser Wil helm verlieh. * * Deutschland. * Der Kaiser hat dem türkischen Groß- westr Ferid Pascha das Verdienstkreuz der preußischen Krone, sowie zwei andem hohen Palastbeamten den Roten Adlerorden 1. Klasse verliehen. * In den Blättern war als Tag der Ver - mählunqdesKronprinzen Wilhelm, der 22. März genannt worden. Nach der ,Nordd. Allg. Ztg.' ist diese Vermutung nicht begründet. Es sind über den Tag der Ver mählung endgültige Bestimmungen noch nicht getroffen worden. *Die lippische Frage ist in ein ruhigeres Fahrwasser gekommen durch ein Telegramm, das der Reichskanzler Graf Bülow an den Vizepräsidenten des lippischen Landtags Kommerzienrat Hoffmann gerichtet hat. Darin wird versichert, der Kaise r habe durch sein Telegramm lediglich bezweckt, den Grund für die Nichtvereidigung der Truppen mitzu teilen, aber es habe selb st verständlich jeder Eingriff in die verfassungsmäßi gen Rechte des Fürstentums fern gelegen. Der Reichskanzler verspricht seine Mitwirkung für die baldige schieds richterliche Regelung der Frage. Die Landtagsverhandlungen in Lage ziehen sich übrigens länger hin, als man ursprünglich an nahm ; eine Partei will die Regentschaft dauernd, die andre nur bis nach Ablauf eines Jahres nach dem eventuellen Tode des Fürsten Woldemar festgesetzt wissen. Der Streit darüber wird natürlich hinfällig, wenn zuvor die Thronfolge frage rechtlich entschieden wird. *Auch der Chef der Weißenfelder Linie des lippischen Gesamthauses, Graf Georg hat nun in einer Eingabe an den Bundesrat seine Erbansprüche in Erinnerung gebracht. * Bei der Beantwortung der von der Preuß. Kanal-Kommission an die Regierung gestellten Fragen hat letztere es abgelehnt, aus diejenigen Fragen einzugehen, die sich mit weitergehendeU Plänen beschäftigen, als sie in der Vorlage beantragt find. Dahin gehört z. B. der Küstenkanal. Eine der interessantesten Fragen ist diejenige, die sich danach erkundigt, welches Ergebnis die Verhandlungen mit den Nachbarstaaten wegen Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den künst lich vertieften Strömen gehabt haben. Es handelt sich dabei bekanntlich um die Rhein- und Elb-Schiffahrtsakte, die eine freie Benutzung der Ströme vertragsmäßig ficher- stellen, und die daher der von den Konser vativen erstrebten Einführung von Schiffahrts abgaben entgegenstehen. Die Staatsregierung beantwortet diese Frage nicht, sondern behält sich vor, darüber in der Kommission mündlich weitere Mitteilungen zu machen. *Der württembergische Landtag ist auf den 18. Oktober einberufen worden. * Entgegen dem üblen Eindruck, den Oberst Leutweins Meldung vom Auf stände der Witboi - Hottentotten machen muß, scheint man sich im Kolonialamte in Berlin optimistischer Ausfassung hinzugeben, denn den ,Münch. N. N.' wird ans Berlin gemeldet: „Den Herero-Ausstand sieht man als beendet an. Jetzt steht die schwierige Aus gabe der Verpflegung, Unterbringung und Be schäftigung des Restes des Herero-Volkes bevor. Österreich-Ungarn. *Daß im ungarischen Parlament der etwaige Versuch des Ministerpräsidenten Grafen Tisza, der Wiederkehr der Obstruk tion Schranken zu ziehen, von feiten der Linken den schärfsten Widerstand finden würde, ist sofort von deren Seite erklärt worden. Wie aus Budapest gemeldet wird, beschloß die Un- abhängigkeitspartei in einer abgehaltenen Kon ferenz, sich jedem Versuche, durch Abänderung der Hausordnung die Redefreiheit und Wider standsfähigkeit des Parlaments zu beein trächtigen, aufs nachdrücklichste zu widersetzen. Jedenfalls stehen wieder stürmische Sitzungen bevor. England. * Die internationale Friedensgesell schaft halte an den englischen Minister des Auswärtigen die Bitte gerichtet, in Verein mit andern Mächten aufRußlandundJapan zur Einstellung des Krieges einzuwirken. Lord Lansdowne hat indessen erwidert, daß die Regierung einen derartigen Schritt nicht fiir nützlich erachte, da keiner der Kriegführenden das Verlangen nach einer Vermittelung andrer Mächte geäußert habe. Portugal. *Die Niederlage der Portugiesen m Südangola ist nach den letzten Be richten noch bedeutender gewesen und die Zahl der Toten noch größer als anfänglich bekannt geworden ist. Es verlautet, der Ministerrat verde zu einer besonderen Beratung zusammen- reten, die der Vorbereitung einer großen, aus regulären Truppen bestehenden Expedition gelten soll. Rustland. *Die offiziöse russische Telegraphen-Agentur ierichtigt sich selber, indem sie meldet: Die Gerüchte der Ernennung Kuropatkins zum Oberbefehlshaber seien „nur als Ausdruck der allgemeinen Anerkennung der her vorragenden militärischen Fähigkeiten Kuropatkins U betrachten", beruhten aber nicht auf Tatsachen. Die Agentur brachte diese .Gerüchte" in so bestimmter Form, daß ie doch wohl auf einer Tatsache beruht haben mögen. Nur dürfte sich inzwischen wieder das Hofwetter in Petersburg geändert haben. Viel- eicht erfolgt in ein paar Tagen wieder die Be stätigung der Gerüchte. ^*Jm Ministerium des Innern ist, wie gleichfalls nach d^n Tode Plehwes voraus- gesagl wurde, eine schärfere Scheidewand zwischen Verwaltung und Polizeiressort ausge richtet worden. Nrch einem Telegramm aus Petersburg wurde durch einen Ukas des Zaren dem Gehilfen des Ministers des Innern, dem das Gendarmeriekorps unterstellt ist, die Leitung der Polizei übertragen. Es ist somit in der Praxis eine Zweiteilung des Ministeriums des Innern in ein Verwaltungsmini- st erium und ein P o l i z e i mini st eriu m erfolgt. Balkanstaaten. *Jn dem serbischen Örtchen Zica hat am Sonntag die Zeremonie der Salbung König Peters stattgesunden. Der Kaiser von Rußland hat dem Könige telegraphisch gra tuliert: König Peter sprach dem Kaiser darauf hin seinen Dank aus. Amerika. *Die Ermittelungen des ,Newyork Herald' lassen Roosevelts Wahl im Staate NewDorkals gesichert erscheinen. (New Kork hat bisher fast immer demokratisch gewählt.) Der Gewinn New Jorks bedeutet einen glänzenden republikanischen Gesamterfolg. Der Leitartikel des genannten Blattes betont seine Unabhängigkeit, derzusolge auch er selbst keinen Kandidaten unterstütze, keinen bekämpfe. Dieser Frontwechsel ist bezeichnend. Asien. "Die Boxerbeweg nng in China scheint schon wieder einen recht netten Umfang anzunehmen. In der Kiautschon benachbarten Provinz Kwangsi soll ein.Boxerhaufe nach dreitägigem Gefecht von den Regierungstruppen besiegt worden sein. Es heißt aber, die Be wegung breite sich in den nördlichen Provinzen weiter aus. Japan nacb äem Siege bei liaujang. Einem interessanten Briefe aus Tokio, der der ,Köln. Ztg.' zugeht, entnehmen wir folgendes: Seit ersten September, als fortwährend Nachrichten von siegreichen Kämpfen vor Liau- jang einliefen, ist die Hauptstadt in ein Fest gewand gekleidet, alle Häuser sind beflaggt und mit bunten Papierlaternen und Blumen ge schmückt. Die Feier erreichte ihren Höhepunkt am Sonntag, den 4. September. Morgens 10 Uhr 7 Minuten traf die amtliche Nachricht in Tokio ein, daß Liaujang von den japanischen Armeen erobert worden sei. Um 10Vr Uhr war sie in allen Redaktionen bekannt. Die Extra blätter mit dem Inhalt: „Liaujang ist einge nommen" waren schon vorher gedruckt. Sie wurden jetzt von den Zeitungsausträgern rasch durch die ganze Stadt verteilt. Während sonst die Extrablätter von den Austrägern (Gogapa) nur gegen Geld abgegeben wurden, nahm man diesmal nicht die Zeit, noch lange auf den Empfang des Geldes zu warten. In jedem Stadtteil wurde rasch eine große Fahne aufge zogen mit der Inschrift: „Liaujang ist einge nommen." Von Zeit zu Zeit ragen über die Straßen kreuzweise zwei ungeheure Bambus tangen mit zwei großen japanischen Flaggen. In einigen Straßen hat man über die Straße von einer Häuserreihe zur andern fortlaufend Schnüre mit Fähnchen, Blumen und Laternen gezogen, so daß diese Straßen ganz überdacht sind. In andern Straßen ziehen sich längs rer Häuserreihen lange Gerüste hin, welche mit rotwejßen Tüchern (den Nationalfarben), Blumen und Laternen geschmückt find. Unter den Fahnen an den Häusern erblickt man viele, deren gold- arbene Spitzen an der Fahnenstange mit chwarzem Tuche bedeckt find, zum Zeichen, daß nn Sohn der Familie im gegenwärtigen Kriege den Tod gefunden hat. Wenn das Volk an einer solchen Fahne vorbeikommt, verneigt es ich, um seine Trauer mit der Familie zu be- ünden. Am Abend des 4. September war Tokio ein Lichtmeer. Elektrische Scheinwerfer be leuchteten die ganze Stadt. Banke», besonders die Mitsuibank, Kaufhäuser usw. schwammen förmlich im elektrischen Lichte. Es bewegte sich eine solche Volksmenge in den Straßen, um das Ltchtmeer und die Dekorationen zu sehen, daß man kaum gehen konnte. Ohne Unterschied erscholl der Freudenmf „Banzai" (Hoch) und „Omedeto" (Glück)! Am 5. September fanden viele Laternen züge nach dem Generalstabsgebäude und dem kaiserlichen Palast statt, wo man den Ruf Banzai erschallen ließ. Von den Arbeitern und Arbeiterinnen des Arsenals hielten etwa 8000 „Fahnenzüge" ab, etwa 6000 veran stalteten einen Laternenzng. Die Arbeiterinnen im Arsenal waren hauptsächlich Frauen von Soldaten, denen man durch diese Beschäftigung Gelegenheit zum Erwerb des Lebensunterhalts geben will, während ihre Gatten im Felde find. Auch das Arsenal kommt dadurch sehr gut auf seine Rechnung, denn man rühmt an diesen Frauen, daß sie aus Patriotismus besonders fleißig arbeiten. Zur Einnahme Liaujangs schreiben alle japanischen Zeitungen: Der Sieg ist glänzend, aber das ist nur der Anfang des wirklichen Krieges. Jedenfalls müssen wir nach Charbin marschieren, so daß südlich von Charbin kein russischer Soldat mehr ist. In den Kämpfen bei Liaujang find viele Söhne hervorragender Militärs gefallen, so Leutnant Terauchi, ein Sohn des Kriegs ministers, Leutnant Fukuschima, ein Sohn des in Deutschland sehr bekannten Generalmajors im Generalstabe Fukuschima, Leutnant Murata, ein Sohn des Generalmajors Murata, Leut nant Nagaoka, ein Sohn des Vikomte Nagaoka. Die ,Asahfl schreibt vom 5. September zum Tode dieser Söhne hervorragender Offizieren „Die Eltern werden wünschen, selbst zu sterbe: anstatt des Sohnes. Der Tod des-geliebten Sohnes gibt mehr Schmerzen als der eigene Tob. Wenn wir das Lied lesen, das General Nogi in Kintschau gedichtet hat, wo sein Sohn gefallen ist, müssen wir weinen: „Das Pferd geht nicht vorwärts (als es an den Ort kam, wo der Sohn starb); der Mensch spricht nicht (um durch seine Trauer und Klage andern nicht lästig zu fallen), außerhalb des Kintschau schlosses geht die Sonne blutrot unter." Um so mehr müssen diejenigen weinen, die solche Lieder dichten müssen (es ist hier allgemeine Sitte, beim Tode eines Lieben ein kleines Gedicht zu machen), aber lachend weinen, weil der Sohn, den sie gezeugt haben, zweckgemäß gestorben ist." Von uncl fern. Starker Schneefall ist im Gebiete der Algäuer Alpen eingetreten. Die Berge und Täler in der Höhenlage von 1200 Meter tragen bis ein Fuß Neuschnee. Senefelder-Denkmal. In Solnhofen fand Sonntag die feierliche Enthüllung eines Denk mals für Senefelder, den Erfinder der Litho graphie, statt. Baron von Lengercke, der kürzlich in Erbesbüdesheim seinen Schwiegervater erschossen hat, ist gegen Stellung einer Hinterlegung von 25 000 Mk. aus der Untersuchungshaft ent lassen worden. Ein großes Familiendrama. In Wiesbaden erschoß nachts der Schneidergeselle Menze seine Frau, seine drei 3 bis 5 Jahre alten Kinder und sich selbst. Das Motiv ist nicht bekannt. An einem und demselben Tage ge storben ist in Eschwege das Jakob Rückhardtsche Ehepaar. Der 74 Jahre alte Ehemann starb vormittags, die erst 58 Jahre zählende Frau nachmittags. Sie wurden in einem gemein samen Grabe unter Beteiligung zahlreicher Ein wohner beerdigt. Der Tod auf der Lokomotive. Der Lokomotivsührer des Berlin - Posener Personen- zuges wurde am Montag, als er sich bei der Einfahrt in den Bahnhof Opalenitza heraus beugte, von dem Vorsignal am Kopfe getroffen und getötet. O bin famirien-Oekeimms. 16j Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. lssoroetzungo Da wollte es Hedwig scheinen, als steige in des Obersten Augen ein milder Glanz auf, als er greife ihn tiefes Mitleid bei dem Anblick ihres Schmerzes, der sich deutlich auf ihren Zügen aus prägte, und das ließ noch einmal eineschwacheHoff- nung in ihr aufflackern. Alles konnte noch gut werden, wenn es ihr gelang, den alten Mann umzustimmeu. Ihr Herz hatte einen Moment fast still gestanden, jetzt schlug es wieder laut und heftig, ein leichtes Rot stieg in ihre Wangen, und ihre Augen süllten sich mit Tränen. „Herr Oberst," begann fie mit halberftickter Stimme, „Sie wollten wirklich — Sie könnten es übers Herz bringen nein! Sie tun es nicht!" rief fie in dem Tone der höchsten Seelenangst, sodaß der alte Herr sichtlich bewegt sich halb zur Seite wandte. Sie war vor ihn hingetreten, die gefalteten Hände flehend zu ihm erhoben und sprach nun mit rührender Naivetät: „Richt wahr, Sietrennen uns nicht? Sie können es ja nicht, Sie dürfen es nicht, denn wir lieben uns so unsäglich, so unaus sprechlich! O, haben Sie Mitleid, erbarmen Sie sich!" „Mein Fräulein," erwiderte der Oberst be treten und mit der in ihm aufsteigenden Rüh rung kämpfend, „fassen Sie sich. Es ist mir sehr schmerzlich. Ihnen sagen zu müssen, daß die Erfüllung Ihres Wunsches leider unmöglich, daß Ihre Hoffnung vergeblich, um so mehr ver geblich, als er — Willi — bereits mit einer andem so gut wie verlobt ist." Einige Sekunden starrt- ihn Hedwig mit angehaltenem Atem an, dann trat fie voller Entsetzen einen Schritt zurück. „Aber das ist ja" ... . fie wollte sagen „nicht wahr!" und verbesserte sich mit zitternder Stimme: „nicht möglich!" „Doch ist es so," entgegnete, etwas verlegen geworden, der Oberst. „Seine Eltem haben ihm die zukünftige Gatlin gewählt, und als gehorsamer Sohn muß er mit ihrer Wahl ein verstanden sein." Hedwig konnte noch immer nicht begreifen, daß ihr Glück ein so jähes Ende finden würde. Aber ehe fie noch ihren Zweifeln Ausdruck gab, fuhr der Oberst fort: „Es ist mir ja sehr schmerzlich und sehr peinlich, Sie zu einer Ent sagung förmlich zwingen zu müssen, und ich würde Ihnen von Herzen gern diesen Kummer ersparen, wenn es anders ginge. Aber Sie werden einsehen, daß eigensinniges Festhalten Ihrerseits an dem Verhältnis mit meinem Enkel nur die traurigsten Folge»! haben muß. Sie würden ihn, vorausgesetzt, daß er es darauf ankommen ließe, seiner Familie für immer entfremden, ihn aus seiner Laufbahn reißen, und sich beide nur unglücklich machen. Versuchen Sie, ihn zu vergessen. Es ist Ihre Pflicht, ihn vor einer Torheit, die er Ihret wegen begehen könnte, zu bewahren, und ich habe mich hoffentlich nicht in Ihnen getäuscht, wenn ich annehme, daß Sie freiwillig ihm sein Wort zurückgeben werden." „Ich soll ihn von mir stoßen? — Nein, daS können Sie nicht von mir fordern! Das zu tun, übersteigt meine Kräfte!" „Sie müssen," sagte der Oberst mild, aber festen Tones. „Glauben Sie denn, daß er gehen würde?" entgegnete Hedwig. „O, ich kenne ihn besser, er wird mich nicht aufgeben, und Sie werden erfahren, daß nichts imstande ist, uns zu trennen." „Kind, Kind!" mahnte ihre Mutter, „was nützt dieser Trost? Du mußt dich zufrieden geben, mußt dich in das Unwandelbare fügen, so schwer es dir auch werden mag!" Sie schlang den Arm um die Weinende und während sie derselben zärtlich die Wange streichelte, flüsterte fie ihr ins Ohr: „Niemals würdet ihr glücklich werden. Denke daran, daß dein Großvater für einen Mörder gilt. Das müßte den Referendar, sobald er es erfährt, bestimmen, sich von dir abzuwenden, und du kannst eS ihm auf die Dauer nicht verbergen, selbst wenn du es wolltest." Hedwig erschauerte. Daran hatte fie noch nicht gedacht, daß dieses Geheimnis drohend zwischen fie und den Geliebten treten würde; aber ihre Muster hatte recht, das allein war hinreichend, fie und Willi für immer zu trennen. Und sobald sie zu dieser Erkenntnis gelangte, war auch der Kampf in ihrem Innern beendet; ihre Tränen versiegten mit einem Male, fie entwand sich den Armen der Mutter und kehrte sich, äußerlich gefaßt und ruhig, dem Oberst zu. „Ich sehe ein," sprach sie, „daß es töricht war, Ihrem berechtigten Verlangen einen so hartnäckigen Widerstand entgegenzusetzen. Wohl, ich verspreche Ihnen, ein Zusammentreffen mit Herrn Hartung in Zukunft vermeiden und jeden Versuch seinerseits, ein solches zu erlangen, entschieden abweiscn zu wollen." Der Oberst war über dirse plötzliche Um wandlung sehr erstaunt. Das Benehmen Hed wigs erschien ihm geradezu rätselhaft, aber er zerbrach sich nicht lange den Kopf darüber. Er war froh, daß „die Kleine" so schnell zur Ver nunft gekommen. „Ich will Ihnen meine Anerkennung nicht versagen. Sie find ein tapferes Mädchen. Neichen Sie mir die Hand. Ich danke Ihnen," sagte er herzlich. - „Aber ich muß noch einen Dienst von Ihnen erbitten, daß Sie ihm schrift lich, durch wenige Zeilen nur, Ihren Entschluß mitteilen. Er würde ja sonst nicht aufhören, Sie zu belästigen. Nicht wahr, Sie werden den Brief schreiben?" „Du kannst es sofort tun, mein Kind" sprach ihre Mutter eifrig. „Hier hast du Schreib zeug und Papier. So, nun setze dich." Ge schäftig hatte sie alles herbeigeholt und einen Stuhl au den Tisch geschoben. „Nicht jetzt," wehrte Hedwig ab. „Ich kann nicht. Morgen oder wann du willst, Mutter." „Gut, ich will Sie nicht drängen," fiel der Oberst ein, „Sie bedürfen der Ruhe und Samm lung Und nun gestatten Sie, daß ich Ihnen nochmals danke. Leben Sic wohl, und denken Sie, wenn es Ihnen möglich ist, ohne Bitterkeit und Groll an mich." Damit wollte er sich verabschieden. In dem selben Augenblick wurde aber die Tür geöffnet,
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