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Allgemeiner Anzeiger : 19.11.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190411199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19041119
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041119
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-11
- Tag 1904-11-19
-
Monat
1904-11
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.11.1904
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potililcke Aunälebau. Der englisch-russische Zwischenfall. * Zum HullerZwischenfalb wird ge meldet, Kapitän Klado hätte wichtiges Material mit nach Petersburg gebracht. Persönlich ist er vollkommen davon überzeugt, daß zwei japa - nischeTorpedoboote in der Nordsee ge wesen sind; er sowie verschiedene Osfiziere des Panzerschiffs „Suworow", auf dem Klado sich befand, wollen deutlich beide Torpedoboote gesehen haben; ein Irrtum sei durchaus aus geschlossen. Außerdem sollen noch andre sehr wichtige Anzeichen darauf Hinweisen, daß ein verbrecherischer Anschlag auf das Ostsee- geschwader geplant war. Kapitän Klado kann darüber jetzt noch nicht sprechen, doch wird alles der Kommission in Paris, die in nächster Zeit dort zusammentreten soll, unterbreitet wer den; es werden dabei „überraschende Ent hüllungen" erwartet. -N B L Ter russisch-japanische Krieg. *Die Meldungen vom Kriegsschauplätze können garnicht vorsichtig genug ausgenommen werden. Beide Teile geben nur das bekannt, was sie zu leugnen nicht vermögen. Da die Berichterstatter der Zeitungen in vorsichtiger Entfernung gehalten werden, so sind diese armen Leute aut Erfindungen angewiesen und die Chinesen in Tschifu haben diese Industrie zu einer förmlichen Spezialität erhoben. Jetzt verlautet wieder, die Japaner hätten nunmehr ihre Verteidigungswerke und Rüstungen voll endet, und eine große Schlacht am Schatze und Hunho stünde unmittelbar bevor. Am Donnerstag und Freitag fand ein Artillerie- Kampf auf der ganzen Front statt. Besonders großartige Verteidigungsweike haben die Japaner bei Bianoputze und am Kalin-Paß angelegt. Verstärkungen nnd Munition werden Oyama fortwährend nach Niutschwang zuge schickt und mit größter Beschleunigung von dort nach der Front befördert. Oyama verlangte weiter 50000 Mann Verstärkung. * Unsicher und widersprechend find die Meldungen aus Port Arthur. Ausge schlossen erscheint wohl, daß die Lage dort für die Russen sich noch bessern könnte. Um so bewundernswerter ist der Mut, mit dem Stössel und die Seinen die stark beschädigte Festung gegenüber den wütenden Anstürmen der Japaner halten. Es verlautet, die Munition in Port Arthur fange an knapp zn werden. * * Deutschland. l. Die Königin Wilhelmina und ihr Gemahl, Prinz Heinrich der Niederlande, die seit etwa sechs Wochen besuchsweise in Mecklenburg-Schwerin weilten, haben die Heim reise angetreten. Während die Königin Wilhelmina direkt nach dem Haag zurückkehrte, bat ihr Gemahl sich zunächst zu einem Besuche bei der Familie des Fürsten Georg von Schaumburg-Lippe nach Bückeburg begeben und wird von dort aus nach kurzem Aufenthalte die Weiterreise nach dem Haag antreten. * Mehrere Blätter verzeichnen ein in Metz umgehendes Gerücht, daß der Bischof Benzler sich mit dem Gedanken trage, seine Würde niederzulegenund sich zu seinen Benediktinern nach Maria Laach zurückzuziehen. *Jn dem Entwurf zum ReiLshaushaltsetat sür 1905 ist, Berliner Blättern zufolge, eine be deutende Vermehrung der Stellen für höhere Voll- und Telegraphenbeamte vorgesehen. sind an neuen Stellen in Aussicht genommen: Bei der Zentralbehörde: ein Vortragender Rat und drei Stellen für Geheime Expedierende Sekretäre; du den Ober-Postdirektionen: zwei Ober-Postrats- slellen für Abteilungs-Vorsteher, 20 Stellen für Postrkte, 18 für Ober-Postinspektoren und 74 für Büreaubeamte erster Klasse; bei den Verkehrs ämtern : 59 Stellen für Direktoren, 102 für etats mäßige Post Inspektoren und 111 für Ober-Post- und Telegravhensckretäre; außerdem ist die Umwandlung von 105 stellen für charakterisierte in etatsmäßige Postinspektorenstellen vorgesehen. Es find das also 390 neue Stellen gegenüber 186 im Etat sür 1904. Hiernach werden alle Postbeamten, die bis zum Januar 1904 die höhere Verwaltungsprüfung be standen haben, in höhere Stellen einrücken können. * Der Gesetzentwurf über den privaten Versicherungsvertrag, der im Reichs» justizamt aufgestellt, mit Sachverständiges aus Wissenschaft und Praxis durchberaten und dem nächst auf Grund der Rückäußerungen von den Einzelregierungen bearbeitet wurde, ist dem Bundesrat zugestellt worden, nachdem ihn das preußische Staatsministerium begutachtet hatte. Die Zahl der Änderungen, die er gegen seine ursprüngliche Fassung erfuhr, ist nach der Magd. Ztg/ beträchtlich. Man nimmt an, der Bundesrat werde einige Monate zur Beratung brauchen, sodaß es zweifelhaft ist, ob in der ohnehin schon stark belasteten nächsten Session der Gegenstand zur Verabschiedung kommt. *Jn Südwestafrika soll der Rebellenführer Morenga verwundet worden sein. Frankreich. * Senator Wallon ist am Sonntag, 92 Jahre alt, in Paris gestorben. Er war berühmt unter dem Namen „der Vater der Verfassung". Am 30. Januar 1875 nahm die Nationalversammlung mit einer Stimme Mehrheit den von Wallon eingebrachten Antrag an, der lautete: „Der Präsident der Republik wird auf sieben Jahre gewählt." Dadurch war das Prinzip der republikanischen Verfassung fest gestellt. Zum Dank wurde Wallon zum Justiz- Minister ernannt und später mit allen möglichen Ehren überhäuft; er war Senator für Lebens zeit und Sekretär der Akademie. Italien. * Am Sonntag haben in Italien dieSti ch- Wahlen stattgefunden. Allerdings find noch nicht alle Ergebnisse zweifellos bekannt, immer hin aber steht schon soviel fest, daß das Ministerium Giolitti einen glänzenden Sieg erfochten hat. Die Sozialisten vermochten nicht, die Zahl ihrer Mandate in der vorigen Kammer wieder zu erreichen. Belgien. * Die Brüsseler Kongoregierung ver folgt mit großer Erregung die Vorbereitungen Englands zu einem Feldzuge in das Gebiet derNiam-Stämme, welches nach belgischer Auffassung unzweifelhaft zu dem Machtkreise des Kongostaates gehört. Falls England den unangekündigten Einmarsch mit 2500 Sudanesen und 15 Maschinengewehren in das Niamgebiet mit Erfolg durchführt, würde es sicher das davon östlich gelegene Bar el Gazal mit in Besitz nehmen. Der Kongostaat hätte damit seine gesamten nach dem nördlichen Seengebiet reichenden Verbindungen verloren. Man glaubt deshalb in Brüssel, daß die Kongoregierung bereits Befehle abgesandt habe, vom Kongo aus eben falls Truppen nach dem Niamgebiet und nach Bar el Gazal abzusenden, wodurch man den Engländern zuvorkommen würde. Spanien. *Der wirtschaftliche Notstand in Spanien dauert ungeschwächt an und dementsprechend nimmt die Auswanderung vornehmlich aus den Provinzen Galicien, Asturien und Leon immer mehr an Umfang zu. In fünf Tagen haben wieder 4000 Personen den heimischen Boden verlassen. Manche nehmen Frau und Kinder mit als Zeichen einer end gültigen Trennung vom Vaterlande, das ihre bescheidenen Ansprüche ans Leben nicht zu be friedigen vermag. Die meisten begeben sich nach Cuba, wohl weil die überfahrt am billigsten ist, manche aber auch nach Südamerika. Ruhland. *Der ungeheure Verbrauch an Offizieren auf dem Kriegsschauplätze hat dazu geführt, daß sämtliche Reserve-Offiziere im europäi schen Rußland zu den Fahnen einberufen worden find. * Immer gewaltiger äußert sich der Unwillen der Massen gegen die Reservisteneinberufungen. Am Sonntag kam es in Warschau zu aus gedehnten Unruhen. Die Zensur läßt zwar keine Meldungen durch, doch verlautet mit Be stimmtheit, daß beim Straßenkampfe 10 Per sonen, darunter zwei Schutzleute getötet und mehr als 30 Personen verletzt worden sein sollen. Balkanstaate«. * Die in jüngster Zeit wieder aufgetauchten, ^>s englischer Oyelle stammenden Meldungen, ^Muen zufolge Rußland bemüht sei, die Er- Wnbais der Pforte dafür zu erlangen, daß ein ?Nil der Schwarzemeer flotte die Dardanellen passiere, werden nach ,Wolffs Bureau' von beiden in Betracht kommenden Teilen in Abrede gestellt. In einigen Tagen werden die letzten zwei russischen Dampfschiffe mit Kohlen und Wasser für die baltische Flotte die Meerengen passieren. Amerikas *Das amerikanische Marineamt wird vom Kongreß eine Vermehrung der Marine- Offiziere nnd -Mannschaften um mehr als das Doppelte der jetzigen Zahl ver langen. Für den weiteren Ausbau der Flotte werden 303 Millionen Dollar verlangt. * Die S t i m m e n z a h l der So z i a l i st en wird auf 500 000 gegen 100 000 bei der letzten Nationalwahl geschätzt. Die „Genossen" find daher nicht geneigt, in die neue demokratische Volkspartei einzuireten. Zur Ermordung -es Deutschen Arischer in Afghanistan. Londoner Blättern wird mitgeteilt, daß nach den letzten Briefen, die in London von Herrn Fleischer, dem Vorsteher der Geschützfabrik des Emir von Afghanistan, eingetroffen find, dieser im Begriffe stand, nach Peschawar abzureisen, um seine Familie nach Kabul zurückzuholen. Herr Fleischer war zuerst vor sechs Jahren aus der Kruppschen Fabrik nach der afghanischen Hauptstadt gekommsn. Er stammt aus Losch- witz bei Dresden und ist der Sohn eines lutherischen Geistlichen. Nachdem ihm der Emir ein Geschenk von 60 000 Rupien gemacht hatte, kehrte er nach Deutschland zurück, heiratete und nahm seine Frau mit nach Afghanistan. In Kabul wurden ihm zwei Kinder geboren. Weihnachten 1902 verließ Frau Fleischer mit ihren beiden Kindern aus Gesunicheitsröckfichten Kabul, um sich nach Indien zu begeben. Sie wurde auf Veranlassung des Emirs von Mrs. Daly, der Doktorin der afghanischen Regierung, geleitet. Herr Fleischer war Anfang dieses Jahres in Indien und es wurde ihm eindring lich klar gemacht, welche Gefahren eine Rückkehr nach Afghanistan mit sich bringe. Er ant wortete, daß seiner Ansicht nach das Land nicht in so ungeordneten Zuständen sei, und entschloß sich zur Rückkehr. Bei seiner letzten Reise von Kabul nach Indien äußerte er sich besorgt über die Verhältnisse des Weges und sagte, er fühle sich nicht eher sicher, als bis er bei Lundi Kotal die Grenze erreicht habe. Man redete ihm wieder zu, nicht zurückzukehren, und zwar vor allen Diugen nicht mit seiner Familie. Er glaubte als Deutscher sicherer zu sein als ein Engländer. In einem vom 19. September datierten Briefe aus Kabul sagt Herr Fleischer: „Ich kam Ende Mai nach Kabul zurück. Das Wetter war unterwegs sehr heiß. Ich traf Major Bird (ein Oberstabsarzt, der vom Vizekönig dem Emir zugeschickt worden war) zwischen Jelahabad und Dakka. Der Emir hatte die Abficht, einen Wirklichen Arzt und einige Hospital-Assistenten zu engagieren. Diese sind aber noch nicht ein getroffen. Ich glaube, daß die Verzögerung Schuld des afghanischen Vertreters ist. Vor zwei Tagen sagte mir der Emir, daß die Doktoren definitiv engagiert worben seien. Wenn meine Familie diesen Herbst herauskommt, so werde ich versuchen, sie von Bombay oder wenigstens von Peschawar abzuholen." Die Leiche des Herrn Fleischer ist noch nicht gefunden worden. Es wird berichtet, daß Fleischer mit dem Führer seiner Eskorte einen Wortwechsel hatte und daß der Führer ihn des halb erschossen hat. Die Angelegenheit ist der indischen Regierung gemeldet worden, und diese hat eine eingehende Untersuchung angeordnet. Von >>lab und fern. Luise von Koburg. In Paris ist das Aktenmaterial betr. die Prinzessin Luise von Koburg, das dem Wiener Oberhofmarschallamt zusammengestellt wurde, eingetroffen. Dasselbe wird sofort dem Justizminister zugestellt, der dieses alsdann Montag oder Dienstag der zu ständigen Gerichtsbehörde unterbreitet. Es enthält alle früheren ärztlichen Gutachten und die gesamten gerichtlichen Protokolle. Auf Er suchen des Anwaltes der Prinzessin, Clemenceau, hat Präsident Ditte versprochen, die französischen Ärzte, die mit der Untersuchung der Prinzessin beauftragt find, zu vereidigen, damit sie ihr Amt sofort beginnen können, was voraussicht lich Ende nächster Woche geschieht. Die erste Arbeitslosenzählung in diesem Winter wird am nächsten Sonntag in Char lottenburg vorgenommeu werden. Die Zählung soll eine allgemeine sein; sie bezieht sich auf alle männlichen Arbeiter, die am 19. d. arbeits los gewesen sind. Jeder Arbeitslose muß, wie schon früher, eine Zählkarte aussüllen. Au neun verschiedenen Stellen der Stadt werden Zählurnen aufgestellt, in denen auch solche Arbeitslose, die ohne Vermittelung von Zählern Angaben machen können, ihre Mitteilungen niederlegen. Der Schluß ist am Sonntag nach-, mittag 3 Uhr. Für die Beibehaltung der Geschwore nengerichte ist der langjährige Vorsitzende des Dessauer Schwurgerichts, Landgerichtsdirektor Geh. Justizrat Gast in seiner Begrüßungs ansprache an die Geschworenen bei Eröffnung der letzten diesjährigen Schwurgerichtsperiode eingetreten. Die Geschworenengerichte, so führte er aus, seien zwar vielfach angegriffen worden, es müsse aber abgewartet werden, was bei den Nnderungsversuchen herauskäme, und ob dann die Urteile besser und richtiger sein würden. Was man von der Aufhebung der Schwur gerichte erwarte, würde sich kaum erfüllen; denn auch die gelehrten Richter seien ebenso wie die Laienrichter fehlbar. Die Hauptsache sei, daß bei der Auswahl der Geschworenen allenthalben die nötige Aufmerksamkeit angewandt würde. Disziplinarverfahren. Der sozialdemo kratische Landtags-Abgeordnete Voigt-Bernburg hatte in der letzten Session des anhaltischen Landtages eine Beschwerde gegen die Berg- leitung in Leopoldshall erhoben, dahingehend, . daß Beamte der Leopoldshaller Werke staat liches Material und staatliche Arbeiter sür ihre Privaizwecke benutzt hätten. Das von der Regierung eingeleitete Untersuchungsverfahren führte zu dem Ergebnis, daß gegen einen Be amten ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, das voraussichtlich noch in diesem Jahre zum AbMuß gelangt. Ein Brief aus Port Arthur. Ein Mün chener Leser hat aus Port Arthur von einem dort ansässigen Freunde einen Brief erhalten, aus dem die ,M. N. N.' folgende Stellen mitteilen: „Uber ein interessantes Abenteuer werde ich Dir später ge naueres berichten. Ich fuhr nämlich auf Wunsch und Veranlassung von Herrn Cordes mit einer chinesischen Dschunke nach Tschifu, wurde aber nach vierstündiger Fahrt von vier japanischen Torpedo booten abgefangen und, nachdem uns die Segel ge kappt wurden, wieder zurückgeschickt mit der tröst- - liehen Nachricht, daß, sobald wir Miene machten, doch noch nach Tschifu zu segeln, wir ohne weiteres in den Grund gebohrt würden. Angenehm war die ganze Geschichte nicht, da wir drei Frauen und zwei Kinder an Bord hatten, die fürchterlich weinten nnd natürlich beim Anblick der feindlichen Schiffe schon meinten, uns würde allen der Kopf abgeschnitten. Ganz so schlimm war eS nicht. Ich als einziger englisch Sprechender führte die Verhandlungen mit dem betreffenden Offizier, der sich so höflich und schneidig benahm, wie man eS nur wünschen kann. Auch die Matrosen haben sich sehr anständig be tragen. Briefe und Dokumente wurden abgenommen, desgleichen sämtliche Patronen. Nur ich bekam auf mein Verlangen meinen Revolver mit Patronen sowie meinen Dolch wieder. Glücklich, w-nn auch unter schwierigen Verhältnissen, sind wir alle wieder hier in Port Arthur angelangt und warten der Dinge, die da kommen sollen. Hoffentlich geht alles glücklich vorüber, so daß ich auf ein fröhliches Wiedersehen hoffen kann." Ein vom Unglück dauernd Verfolgter ist der Arbeiter Grothe in Staßfurt. Nachdem der Mann schon mehrmals das Bein gebrochen, hat der Bedauernswerte jetzt wieder das Unglück, auf dem Schachthofe des Bergwerks „Agathe" von der Leiter zu stürzen und abermals ein Bein zu brechen. Der Verunglückte wurde dem Krankenhaus in Halle zugeführt. O 6m familien-6ekeimms. 26j Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. ^Fortsetzung.) Willi starrte das junge Mädchen beinahe verständnislos an, er war totenbleich geworden. „Hedwig, — waS — sagst du da?" sprach er stockend. Sie senkte, ohne zu antworten, das Haupt. Die Hände im Schoß gefaltet saß sie regungslos vor ihm. „Liebst du mich denn nicht mehr? Kannst du mir denn nicht mehr vertrauen, mir, der ich dich mit allen Kräften meiner Seele liebe?" rief Willi mit halberstickter Stimme. Die Herzenstöue erschütterten sie auf das Tiefste und warfen ihre bisher mühsam be wahrte Fassung nieder. Sie sprang aus, eine jähe Blutwelle tauchte ihr Gesicht in Purpur. Dann trat sie ihm entgegen und sank auf schluchzend an seine Brust. „Ja, ich liebe dich noch ebenso heiß, un aussprechlich! — Ich liebe dich und möchte m ch wie ein willenloses Kind in deine Arme legen, weil ich weiß, daß du ein echter Mann bist — der starke, schützende, mein ganzes Schicksal beherrschende Mann. Und ich weiß auch, daß diese Liebe nimmer von mir weichen wird. Ich möchte sie auch nicht missen, nicht einmal das Leid, das sie mir verursacht, denn alles, was damit zusammenhängt, ist schön — so wunderbar reich, daß ich es nie zu schildern vermöchte. Es muß wohl ein Geschenk vom Himmel sein — es ist wie Religion. Das weiß ich erst jetzt, seitdem ich — hier bin. Es isi seither in mir aufgegangen, wie ein Same — und jedes Blättchen an dieser Wunderpflanze ist mir teuer, gleichviel ob Wonne oder Leid darauf geschrieben steht." Was Willi bei diesem leidenschaftlichen Be kenntnis des teuren Wesens fühlte, das konnte er nicht aussprechen. Aber das brauchte er auch nicht. Und wenn auch sein Blick, das Zucken seiner Hand es ihr nicht unbewußt mitgeteilt hätte, Hedwig wußte es doch, daß er sie verstand. Er atmete jetzt tief auf, wie von einer be klemmenden Last befreit. — „O, nun muß ja alles — alles gut werden, nun —" Er verstummte, wie sie ihn anblickte. Sie schüttelte sanft abwehrend den Kops. Das lieb liche Lächeln, das ihre Lippen umspielte, hatte etwas unbewußt Überlegenes. „Du vergißt, was geschehen — wo ich bin — und was mir noch bevorsteht. An das Glück, welches du erwartest, dürfen wir nicht mehr denken. Das ist vorbei — vorbei für — immer." Damit löste sie sich aus seinen Armen. „Nein, es ist nicht vorbei!" sagte er ent schieden. Und nun sprach er eindringlich, be geistert von ihrer Liebe, er malte ihr mit glühenden Farben die Zukunft, er war ja so felsenfest überzeugt von dem endlichen Siege über alle Widerwärtigkeiten. Und vor seinen beredten Worten schmolz ihre Bangigkeit. Sie ruhte wieder in seinen Armen, ganz hingebende, vertrauende Liebe. „Es war schlecht von mir," sagte sie leise, ohne das Haupt von seiner Schulter zu erheben, „daß ich mich damals von dir lossagte. Ja, du hast recht, mir zu zürnen. Aber wenn du es auch tust, ich will es dulden; denn ich habe es durch meinen Kleinmut verdient." „Nein, nein! ich zürne dir nicht! Du hast ja keine Schuld. Man ließ dir keine Wahl, man zwang dich — o ich weiß!" — Er legte die Hand liebkosend auf ihr blondes, duftendes Haar und betrachtete sie zärtlich und be wundernd. Jetzt merkte er auch, daß in ihrem Wesen eine große Verwandlung sich vollzogen hatte. Ihre Stimme sogar hatte sich verändert, war gehaltvoller, tiefer geworden. An demselben Nachmittag, an welchem dieses Wiedersehen zwischen Hedwig und Willi statt fand, hatte Oberst Rodenberg eine Unterredung mit seinem Freunde Lenz in der Wohnung des letzteren. Der Inspektor hatte ihn von den bisherigen Erfolgen JasperS unterrichtet und die bestimmte Hoffnung daran geknüpft, daß es bald gelingen werde, dem ehemaligen Kammerdiener das Ge ständnis seiner Schuld abzupressen. „Jasper ist ganz der Mann dazu," schloß er und ich werde die Angelegenheit in seinen Händen belassen. Heute oder morgen schon werden wir Gewißheit haben. Der Alte hat nach seinem verunglückten Selbstmordversuch alle Widerstandskraft verloren, und ich glaube, es geht überhaupt mit ihm zu Ende, was ja inso fern am besten ist, als mit seinem Tode der ganze Skandal und alle die Unannehmlichkeiten einer öffentlichen Gerichtsverhandlung Ihrer Familie erspart bleiben. Und nun, lieber Freund, wie steht es denn bei Ihnen zu Hause? Ihr Schwiegersohn ist ziemlich hergestellt, wie ich hörte, aber was haben Sie bei dem Referendar — hm! — jetzt wohl schon Rechts anwalt — erreicht? Ist er wirklich auf di« Idee verfallen, mit der Verteidigung seiner — hm! — seiner Cousine debütieren zu wollen?" Der Oberst begnügte sich, mit einem Achsel zucken zu antworten. Lenz sah ihm eine Weil« in das düstere Gesicht und nickte dann ver ständnisinnig. „Ich begreife, Sie sprechen nicht gerne darüber. Aber, lieber Rodenberg, wenn di« Sache wirklich so steht, möchte ich Ihnen doch nochmals dringend raten, den jungen Mann bei zeiten — einzuweihen. Sie könnten unlieb same Überraschungen dadurch verhindern." „So lange ich diese — diese Verwarft« schäft fernhalten kann, werde ich's tun," ent gegnete der Oberst. „Mir graut davor, den verhängnisvollen Schritt zu machen. Es ist ein verzweifeltes Geschick! Steckt man die Hand einmal in solchen Schlamm, man bringt sie nicht mehr rein!" — Er ging darauf in sehr gedrückter Stimmung von seinem Freunde. . . . Im Hartungschen Hause traf der Oberst zu seinem Erstaunen Frau Wechsler mit Beatrice im Salon. Es war ihr erster Besuch seit jenem Premiörenabend, und derselbe mußte wohl einen bestimmten Zweck haben. Sie gab zwar vor, nur gekommen zu sein, um sich von der fort schreitenden Genesung des Hausherrn persönlich zu überzeugen, ließ aber doch erraten, daß haupt sächlich das Verlangen sie hergetrieben, wegen des Heiratsprojektes Gewißheit zu erhalten. Beatrice hatte ihr schon jede nötige Aufklärung
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