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Allgemeiner Anzeiger : 28.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190409284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040928
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040928
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-09
- Tag 1904-09-28
-
Monat
1904-09
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.09.1904
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politische Kunälcbau. Der rusfisch-japanische Krieg. *Die südlich und östlich von Mukden einander gegenüberstehenden feindlichen Armeen Koben Mar schon nahe Fühlung gewonnen, über mehr oder weniger heftige Vorposten - kämpse sind sie aber einstweilen noch nicht hinausgekommen. Die neue Schlacht steht immer noch „unmittelbar bevor". "JnderBelagerungPortArthurs haben die Japaner Fortschritte gemacht. Ob wohl eine amtliche Bestätigung fehlt, scheint eS nach einer .Reuter'-Meldung aus Tokio sicher, daß die Javaner das Kmovatkinfort und eine andre Anhöhe westlich von Jeschang besitzen, die sie in verzweifeltem Ansturm nahmen. Allen Versuchen der Russen, diese Stellungen wieder zu erobern, wurde erfolgreich Widerstand ge leistet. Ein amerikanischer Kaufmann namens Daoidson ist, ans Port Arthur kommend, in Tsingtau eingetroffen. Er erklärt, die Japaner hätten vor einiger Zeit die Wasserleitung von Port Arthur abgeschnitten. (So hieß es schon vor zwei Monaten, ohne daß sich damals die Meldung bestätigt hätte.) Seitdem sei die Garnison mr die Wasserversorgung auf Konden satoren angewiesen. Wenn der Kohlenvorrat ausgehe, müsse die Stadt das Wasser der un reinen Eingeborenenbrunnen verwenden. * Hervorragende Artillerie-Offiziere äußern sich dahin, es sei nicht verwunderlich, das; die großkalibrigen Geschütze der Russen in den Forts von Port Arthur durch den langen Gebrauch nunmehr abgearbeitet seien. Ein Ersatz sei aber unmöglich. Den Japanern ist dies offenbar bekannt, und sie handeln danach. Die Japaner seien recht sparsam mit ihren großen Schiffsgeschützen; sie bringen meist nur kleinere Geschütze ins Feuer und sparen die großen für den Kampf mit der baltischen Flotte auf. *Aus Schanghai erfährt das Mutersche Bureau' aus angeblich durchaus zuverlässiger Quelle, die russische Flotte in Port Arthur sei entschlossen, wegen des ununter brochenen Bombardements des Hafens in dieser Woche einen Ausfall zu machen, um nach einem neutralen Hafen zu enKommen, um so den Rest der russischen Port Arlhmflotte für die Zukunft zu retten und ibn nicht in die Hände der Japaner fallen zu lassen. * China wirbt angeblich, um die Unterstützung der fremden Mächte zu erlangen zu einer Nöti gung Japans, die Mandschurei an China bedingungslos zurückzu geben. Sie schlügen deshatv vor, daß zu diesem Zweck eine besondere Mission an die euro päischen Höfe entsendet werde. "In Söul wurden drei koreanische Bahn arbeiter hingerichtet, die sür Rußland spioniert hatten. "Dem russischen Hilfskreuzer „Terek" ist in Las PalmaS (spanisch) die Einnahme von Kohlen und Lebensmitteln unter sagt worden. * * * Deutschland. "Von „gut unterrichteter Seite" in Wien wird behauptet, daß Kaiser Wilhelm durch die Verlobung des Kronprinzen mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg tatsächlich eine Ver söhnung mit dem Hause Cumberland dabe herbeisühren wollen. Ter Herzog von Cumberland soll seinerseits durchaus einem Frieden geneigt sein, doch besteht er nach wie vor auf den von ihm seit langem gestellten Bedingungen. "Im Stadlschloß zu Potsdam wird ein Flügel instand gesetzt, denn schon Milte Januar soll die Hochzeit des Kron prinzen mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin stattfinden. Das junge Paar wird dieselben Räume bewohnen, die der Kaiser mit seiner jungen Gatlin einst als Prinz Wilhelm benutzt hat. "Beim Füsilier-RegimentKönigin Nr. 26 in Flensburg, dessen Chef bekanntlich die Kaiserin ist, wird in Zuumst im Ersatz- A bin fLMtUcn-Sekeimnis. t1s Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. <ForNktzui,g.1 Bruno stutzte. Was beabsichligte der Mann mit dieser Frage, woher konnte er wissen — aber da schoß ihm plötzlich der Ge danke durch den Kopf, daß dieser einfältige Onkel ihn verkannte, ihn sür einen andern nahm, dem er vielleicht eine Botschaft auszu- richien hatte. Daß dieser nur Willi Hartung sein könne, war ihm klar, und er beschloß, diese prächtige Gelegenheit zu benutzen und seinem erbittertsten Feinde einen Streich zu spielen. Ohne Zögern entgegnete er keck: „Jawohl, der bin ich." Wie er erwartet hatte, so geschah es. Onkel Rudolf nahm die Tabakpfeife aus der rechten Hand in die linke, griff tief in die Tasche seines Schlafrocks und förderte ein kleines weißes Brieflein ans Tageslicht. „Hier, mein Herr," sagte er, mit fast väter lichem Wohlwollen den jungen Mann auf die Schulter klopfend, „dieses Billet habe ich Ihnen zu übergeben." Bruno schob dasselbe eilig in die Tasche und antwortete, während ihm das Herz vor Freude lauter schlug: „Ich danke Ihnen viel mals für Ihre Gute und darf mir wohl ge statten, als Beweis sür meine Erkenntlichkeit und als Entschädigung für Ihre Mühe, Ihnen dieses kleine Douceur einzuhändigen." Er ließ einen Taler in die Hand Grabows glenen, der sofort in die unergründliche Tiefe der Schlasrocktasche verschwand. Darauf empfahl gefchäft eine bemerkenswerte Neuerung eintreten. Bisher war es üblich, daß sich unter den Rekruten ein erheblicher Prozentsatz Polen befand. Fortan sollen nun die Rekruten mög lichst sämtlich aus Söhnen der Provinz Schleswig- Holstein bestehen. Diese Neuerung wird auf direkten Wunsch der Kaiserin eingesührt, und zwar zu dem Zweck, das Infanterie-Regiment Nr. 86 zu einem rein schleswig-holsteinschen umzugestalten. * Die Handelsvertragsverhand» luugen mit der Schweiz und dem Deutschen Reich find ins Stocken geraten. Es ist möglich, daß der schweizerische Bundesrat seine Unterhändler nach Bern kommen läßt, um über neue Instruktionen mündliche Beratungen zu halten. Laut den /Baseler Nachr' würde die neue Unterbrechung der Verhandlungen die Kündigung des Vertrages seitens der Schweiz zur Folge haben. * Bei der nächsten Etatsberatung im Reichs tage wird aufs neue der gebotenen Fürsorge für Stärkung des Unteroffizier- standes Rechnung getragen werden. "Deutsche Schnelldampfer, die als Hilsekreuzer der deutschen Moste in Be tracht kommen könnten, find, wie seitens der deutschen Regierung erklärt wird, überhaupt nicht an Rußland verkauft worden. Das Dementi richtet sich gegen eine Lüge der .Times', die nicht müde wird, immer neue Ver dächtigungen Deutschlands in ihre Spalten auf zunehmen. "Der oldenburger Landtag wurde zum 27. September einberufen. Er wird bis znm 19. Oktober dauern. " Aus Deutsch-Südwestasrika mel- det die Londoner .Daily Mail' über Kapstadt vom 21. September, daß die Hereros den deutschen Kordon nach schwerem Kampf durchbrochen und einen großen Teil ihres Viehes mitgenommen haben. Die Deutschen gaben keinen Pardon und töteten Frauen, Kinder und Greise, die un fähig waren, zu entfliehen. (Von den unzuver lässigen Londoner Blättern ist die ,Daily Mail' eins der unzuverlässic sten, besonders, wenn es sich um Nachrichten über Deutschland handelt.) "Andre englische Blätter lassen sich aus Kapstadt melden, die BondelzwartS seien wieder aufständisch. Die Meldung läßt sich nicht nachprüfen. Jrankreitp. "Ein hübsches Stückchen erzählt man sich von dem Marineminister Pelletan: Mehrere Abgeordnete als Mitglieder des Ausschusses, der die Enquete über die in der Marine herrschenden Zustände zu führen hat, fuhren am Montag nach Cherbourg. Sie wollten dort außer dem Arsenal auch das Nordgeschwader besichtigen. Allein als sie ankamen, machten sie die Entdeckung, daß das Geschwader sich zu Manövern auf offener See befand und erst am 26. Sep tember zmückerwartet wird. Man behauptet nun, Herr Pelletan habe es fortgeschickt, um den Kommissaren einen Streich zu spielen. Belgien. * Wie in Brüsseler Hofkreisen verlautet, hat sich seit den Zwischenfällen mit der Prinzessin Luise deren Schwester, Prinzessin Klemen tine, mit ihrem Vater überworfen. Es sei sehr möglich, daß die Verlobung mit Viktor Napoleon, die vom König bisher hintertrieben worden sei, mm doch erfolge. Rustlund. "Abermals hat Rußland ein p o l i t i s ch e s Attentat und zwar diesmal auf denStadt - Hauptmann von Odessa, v. Neidthardt Als derselbe mit dem in Odessa weilenden Flügeladjutanten Obolenski einige ruf dem Boulevard nahe dem Puschkindcnkmal gelegenen Bauten besichtigte, kam ein unbekannter neun zehnjähriger Jüngling in blauer Bluse heran und feuerte ohne zu treffen, ans sechs Schritt auf den Stadthanptmann. Als der Attentäter einen zweiten Schuß abgeben wollte, schlug Fürst Obolenski ihm den Revolver aus der Hand. Der Stadlhauptmann stürzte sich auf den Übeltäter, um ihn festzunehmeu, verwandele sich jedoch in dem Kampfe durch einen bei dem Manne befindlichen Dolch an der Hand. Der Übeltäter weigerte (ich hartnäckig, seinen Namen zu nennen. Spanien. "Großes Aussehen macht in Madrid ein Schreiben des spanischen Prätendenten Don Karlos au seinen Sohn Don Jaime, worin dieser mit sofortiger Enterbung bedroht wird, wenn er nicht seine in einem französischen Blatte veröffentlichten liberalen Äuße rungen widerrufe. Balkanstaaten. * Das serbische .Amtsblatt' veröffentlicht eine Amnestie für die wegen Wahlvergehen und Aufreizung det Bevölkerung Verurteilten sowie sür alle, über die gerichtliche oder polizei liche Alreststrafen im Höchstmaße von 15 Tagen verhängt waren. Asten. * Die Regierung von Afghanistan hat neuerdings regelmäßige heliographische Verbindungen zwischen Kabul, Ghagri und Kandahar eingerichtet. Verbindung zwischen Balkh und Herat- sowie solche mit Dakka, Asmar und den Grenzstädten ist geplant. Dem Heliographen wurde hauptsächlich mit Rücksicht aus die hohen Kosten von Teleqraphenlinien vor diesen der Vorzug gegeben. Die Apparate stammen aus Europa. Mit ihrer Bedienung find 150 Beamte betraut, von denen 25 aus Indien stammen. Vie Kavallerie im ostasiLtilcken Kriege. Während nach dem Burenkriege die Kavallerie und besonders die berittene Infanterie wieder in ihrem Werte gestiegen zu sein schien, find russische Militärkritiker jetzt, wo die so gefürchteten Kosaken vollständig versagt haben, der Ansicht, daß sich diese beiden Waffengattungen sür den Krieg im ;roßen Blüßstabe als vollständig un brauchbar erwiesen haben. Die ,Russkija Wje- domosti' schreiben darüber: „Eine der traurigsten Erscheinungen der Schlacht bei Lianjang war die Wertlosigkeit der Kavallerie und selbst der berittenen Infanterie. Kuropatkin hatte in der südlichen Mandschurei eine Kavallerie, die derjenigen Oyamas um das Doppelte überlegen war. Außerdem hatte er nicht nur reguläre Kavallerie, sondern auch massenhaft Kosaken, zirkasstsche Hochländer und Grenzwachen. Dieses ganze Aufgebot an Kavallerie war nicht imstande, die Schlacht zu unsern Gunsten zu wenden. So weit sich aus den kärglichen Nachrichten schließen läßt, gab unsre Kavallerie kein Zeichen aktiver Tätig keit während der zwölftägigen Schlacht, und sie machte auch nicht einen einzigen Versuch, den Feind, dessen Schlachtlinie 60 oder 70 Werst lang war. zu überflügeln. Sie war ferner nicht im stande, gegen die rückwärtige Verbindung des Feindes zu operieren. Diese passive Rolle der russischen Kavallerie während des ganzen Feld zuges muß dem Beobachter auffallen. Bis jetzt erklärte man sie durch den gebirgigen Zustand des Kriegsschauplatzes. Bei Liauiang kamen aber die Armeen zum Teil in die offene Ebene, und diese müßte vorzügliche Gelegenheit iür die Tätigkeit von Kavalleriemassen bieten. Obwohl ein Drittel unsrer Kavallerie bis zum August an den militärischen Operationen nicht teilge nommen hatte und deshalb frisch war, passierte bei Lianjang dasselbe, was früher bei Taschit- schiao, bei Wasangkau und am Jalu beobachtet wurde. Jedesmal beobachtete die Kavallerie die Flanken, und jedesmal umging die japanische Infanterie dieselben trotzdem. Der einzige Dienst, den die Kavallerie bisher geleistet hat, war der, daß sie den Rückzug nach Mukden d- ckie. Es ist jetzt klar, daß die Rolle der Kavallerie ausgespielt ist und daß Lanze und Schwert in dem augenblicklichen Kriege keine Aussicht haben. Rekognoszierungen, Wach dienst in Stellungen, fliegende Posten, Beunruhigung der feindlichen Verbindungs linie, wenn diese unverteidigt ist — das sind die einzigen Dienste, die die Kavallerie noch leisten kann. Die berittene Infanterie, auf die man seit dem südafrikanischen Kriege so große Hoffnungen setzte, hat uns ebenfalls enttäuscht. Trotz ihrer Tapferkeit konnte diese Freiwilligen- Kavallerie den Japanern keinen Schaden tun und hielt Oyamas Vormarsch nicht einen einzigen Tag auf. Einige erfolgreiche Rekognoszierun gen, Hinterhalte und Nachhutgefechte, das sind die Ergebnisse der Tätigkeit unsrer Freiwilligen- Abteilungen. Natürlich ist das nicht ihr Fehler. Der Krieg spielt sich auf fremdem Gebiete ab, die Armeen sind enorm, und ein Vergleich mit den Buren, die ihr Vaterland verteidigten, ist ausgeschlossen. Der wichtigste Punkt ist in diesem Falle die genaue Kenntnis des Landes, und die kann man von den sibirischen Bauern- burschen nicht erwarten. Weder Kavallerie noch berittene Infanterie kann den Russen helfen, sondern nur gut ausgerüstete Infanterie und Artillerie." Von unä fern. Der alte Fritz auf der Reise. DaS Standbild Friedrichs des Großen, das Kaiser Wilhelm der amerikanischen Nation zum Ge schenk machen will, befindet sich auf dem Wege nach Washington. Wie gemeldet wird, werden dort alle Vorbereitungen zur Ausstellung des Denkmals getroffen. Die Statue soll bekannt lich vor der neuen Kriegsakademie ausgestellt werden, und zwar auf granitenem PieLestal, das in wenigen Tagen fertiggestellt sein wird. Die Enthüllung wird voraussichtlich im De zember d, bald nach dem Zusammentritt des Kongresses, erfolgen. Namens der Bundes regierung wird Präsident Roosevelt das Denk mal übernehmen. Stephanie und Luise. Die freundliche Übereinstimmung der beiden belgischen Königs töchter, die vielfach angezweiselt wurde, wird jetzt durch die Pariser Nachricht bestätigt, daß die ehemalige Kronprinzessin Stephanie, Gräfin Lonyay, die zurzeit in Paris weilt, in einem herzlichen Bries den Besuch der Prinzessin Luise von Koburg erbeten hat. Gräfin Lonyay gilt als die vom Kaiser Franz Joseph bestellte Ver mittlerin zur Ordnung und Beilegung der lei digen Angelegenheit. Radium als Spender ewiger Jugend. Die Radiumstrahlen sind dem tierischen und pflanz lichen Leben scheinbar feindlich, aber sie offenbaren diese Eigenschaft nicht immer derart, daß sie das Lebendige in ihrer Umgebung ganz vernichten. Die Stärke der Strahlen und die Zeitdauer ihrer Wirkung muß dabei selbstverständlich sehr wesentlich sein. Das Sonderbarste tritt ein, wenn das Radium ein lebendes Wesen nicht tötet, aber in seiner Entwicke lung hemmt, so daß es nicht weiter wächst. Wenn man beispielsweise Larven des gewöhnlichen Mehl wurms den Strahlen aussetzt, so bleiben sie Larven. Nach einigen Wochen werden freilich die meisten tot sein; die Experimente haben aber gezeigt, dap einige sich in den entferntesten Winkel ihres GefäßeS zu rückziehen und leben bleiben, aber als Larvm. Andre Larven von Mehlwürmern, denen man gleich zeitig ihre normale Entwickelung gelaffen hatte, hatten unterdes dis verschiedenen Stufen ihres Larven- und deS geflügelten Zustandes durchgemacht und waren an Altersschwäche gestorben — Generationen ihrer Nachkommen waren geboren und gleichfalls gestorben — und noch immer hatten sich die Radium- lorven nicht verändert. Dec Veranstalter des Experi ment?, an dem auch der Entdecker des Radium-, Professor Curie, das größte Interesse genommen hat, besitzt noch eine solche lebende Larve, einen wahren Methusalem in ihrer Art. Sie hat ihre Jugend dreimal länger bewahrt, als sonst das ganze Leben ihrer Genossen dauert. Man denke sich, daß ein Meuschenjüngling 2t0 Jahre lang auf dem Alter von 2t Jahren stehen bliebe, so wäre das ziemlich dasselbe, was an dieser Larve des Mehlwurms oie wunderbaren Radiumstrahlen zustande gebracht haben. Einen schweren Jagdunfall hat der Gastwirt Pflocksch aus Aupitz erlitten, indem ihm gelegentlich einer Nebhuhnjagd. an der sich noch fünf Herren beteiligten, wahrscheinlich in folge eines Fehlschusses ein Auge ausgeschossen wurde. Der Getroffene begab sich sosort nach Halle in die Klinik, in der leider fcstgcsteltt werden mußte, daß nicht nur das eine Auge vollständig verloren, sondern auch das andre in starke Mitleidenschaft gezogen ist. Wer den verhängnisvollen Schuß abgegeben halte, konwe, da mehrere der Jäger zugleich' zum Schüsse kamen, nicht ermittelt werden. sich Bruno schleunigst, denn ihn trieb die Neu gier, den Inhalt des Briefes zu erfahren, und zugleich auch die Besorgnis, Hedwigs Mutter könne der Zufall herführen und diese ihm noch im letzten Augenblick das Spiel verderben. Er suchte in der Nähe ein Restaurant aus, ließ sich ein Glas Bier vor setzen und öffnete mit vor Aufregung zitternder Hand den Bries. „Geliebter," las er, „ich wage es nicht, Dir durch die Post zu schreiben, um bei Deinen Eltern keinen Verdacht Hervorzulufen. Mein Onkel wird diese Zeilen an Dich gelangen lassen. Ich werde heute abend eine Freundin besuchen, welche Rosentalerstraße Nummer. . . wohnt, und würde mich sehr freuen, wenn Du mich um zehn Uhr vor dem Hause erwarten wolltest. Wir könnten doch wenigstens eine Stunde des glücklichen Beisammenseins ge nießen. Ich schreibe in großer Eile. Grüße und Küsse ohne Zahl. Hedwig." Mit schadenfrohem Lächeln faltete Bruno das Schreiben zusammen und barg es wieder in seiner Brusttasche, woraus er überlegte, wie er seinen Plan weiter fördern könne. Er ent schloß sich bald, die Stelle deS eingeladenen Referendars bei dem Rendezvous einznnehmen, von dem er sich ein reizendes Abenteuer ver sprach. Nachdem sich der Student entfernt hatte, stieg Rudolf Grabow die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Dort erwartete ihn Ribbeck, der das Gespräch durch die offene Tür belauscht, und den besonders der Abschluß desselben be friedigt hatte. Die beiden würdigen Freunde waren heute zu Hause geblieben, um auch einmal ihren Ruhetag zu haben, wie Grabow sagte. „Ein nobler Herr/ ließ er sich vernehmen, als er den „Turm" betrat, und warf den Taler klingend auf den Tisch. „Da habe ich in fünf Minuten mehr verdient, Ribbeck, als Sie mit Ihrem Kasten in zwei Tagen." „Na, Sie wollen doch nicht etwa den ganzen Schatz für sich behalten?" fragte mißtrauisch der Alte. „Bewahre, wir werden uns einen vergnügten Tag machen, und ich will nur noch das Not wendige besorgen." Durch diese Aussicht wurde Ribbeck sofort wieder ausgesöhnt. Eine halbe Stunde später saßen die Männer bereits vor den gefüllten Gläsern und sprachen fleißig dem edlen Getränk zu, das Grabows geschickte Hand aus verschiedenen Likören zu- sammengebraut hatte. Nicht lange waren sie dem edlen Ge schäft des Trinkens ergeben, als unten wieder recht laut und vernehmlich die Entrecglocke er- tönte. „Was hat daS zu bedeuten," brummte Grabow, indem er sich schwerfällig erhob, „vielleicht noch ein solcher Bruder Leichtsinn, der meiner schönen Nichte den Hof macht?" „Das Geschäft kann recht einträglich werden," spottete Ribbeck. Grabow war inzwischen an die Treppe ge treten, um den neuen Besucher zu empfangen, und sah vor der Wohnung seiner Schwester einen feingeUeideten jungen Henn mit über den Arm gehängtem Hellen Sommerüberzieher stehen. Die Erscheinung des Fremden war respekteinflößend und veranlaßte den Onkel Hedwigs, eilig in seine Behausung zurückzu kehren, und den Schlafrock gegen seinen Sonn tagsrock zu vertauschen. Daun erst begab er sich hinab, um sich dem unten Wartenden zu präsentieren. Dieser war niemand anders als Willi Hartung. Er hatte Hedwig seit jenem Abend, wo er ihr seine Liebe gestanden, nicht wieder gesehen und auch keine Nachricht von ihr er halten. über diesen Umstand war ev jedoch nicht in Sorge, er hatte vielmehr selbst den Wunsch gehegt bevor eine neue Zusammen kunft erfolgte, die Entscheidung seiner Eltern herbeizuführen, um diese Hedwig mil teilen zu können. Der andauernd leidende Zustand seines Vaters zwang ihn, eine solche noch immer hiuauszuschieben, heute war aber durch seine Mutter die Sache zur Sprache gekommen, und es hatte einen heftigen Auf tritt gegeben. Seine Mutter verlangte, daß er den einscheidenden Besuch bei Wechsler mache, damit die längst besprochene Verlobung mit Hilda zur Tatsache werde, er dagegen hatte dieses Ansinnen rungweg abaelehnt und war mit dem Bekenntnis seiner Liebe zu Hedwig hervorgetreten. Zum ersten Male in seine« Leben begegnete es ihm, daß seinen Wünschen der hartnäckigste Widerstand entgegengesetzt wurde, und das erbitterte ihn. Er vermochte die Gründe, die seine Mutter gegen eine Ver bindung mit Hedwig ins Feld führte, nicht anzuerkennen, und ebensowenig wollte er ein-
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