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Allgemeiner Anzeiger : 02.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190407025
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040702
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-02
-
Monat
1904-07
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.07.1904
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politische Kunätchau. Der rnsfisch-japanische Krieg. *Von russischer Seite wird der allgemeine Vormarsch der japanischen Armee aus Liaujang gemeldet. (Vor acht Tagen schon wurde berichtet, Kuropatkin habe Liaujang geräumt und die Japaner hätten dasselbe be setzt. Diese Meldung war also verfrüht.) * * Deutschland. * In Kiel findet das vorher schon bekannt gegebene Festprogramm seine Erfüllung. Wenn zwei Monarchen volle acht Tage lang so herzig miteinander verkehren, wie das jetzt in Kiel der Fall ist, wird man in der Sache doch etwas mehr als bloße Höflichkeit erblicken müssen, selbst wenn es nicht zu politischen Ab machungen kommt. Beim Festbankett im kaiser lichen Jagdklub feierte Kaiser Wilhelm seinen Gast Wiedemm durch einen Trinkspruch und man weiß, wie verbindlich der Kaiser zu sprechen versteht. König Eduard hat dann auch offenbar warmherzig geantwortet. — Prinz Heinrich toastete bei einem Gartenfest zu Ehren der britischen Seeleute auf die englische Marine. * Von einer überwundenenKanzler- krisis erzählt die,Preuß Korr/: Zurzeit der Entsendung Trothas nach Südwestafrika habe eine reguläre Kanzlerkrifis bestanden. Trotha sollte nicht dem Auswärtigen Amt, sondern dem Chef des Generalstabes unterstellt werden. Graf Bülow erklärte daraufhin, daß ein solches Miß trauensvotum ihm die fernere Führung der Geschäfte unmöglich machen würde. Drei Tage lang war alles in der Schwebe. Schließlich sand sich ein Ausgleich auf dem Wege des gegenseitigen Nachgebens. *Die von den Landesversiche rungs-Anstalten zu bewilligenden I n - validen-Renten haben in den letzten Jahren eine derartige Zunahme erfahren, daß, wenn die Steigerung auch nur annähernd dieselbe bleibt, wie bisher, das von den Landes- Versicherungs-Anstalten des Reiches bisher an gesammelte Vermögen nicht ausreichen wird, um in Zukunft die Lasten zu decken. Es wird, wie die ,Schles. Ztg/ meldet, ein« erhebliche Erhöhung der Beitäge notwendig werden, die im ganzen Reiche sich auf jährlich 81 Mill. Mk. belaufen müßte. Gegenwärtig bereist eine aus Vertretern des Reichsamts des Innern und des Reichsverflcherungsamts bestehende Kom mission die Bezirke derjenigen Landesverfiche- rungsanstalten, bei denen die Steigerung der Invalidenrenten einen besonders hohen Grad erreicht hat. * Der Beirat sür Arb e it e rst a ti sti k trat am 20. Juni wieder zusammen. Auf der Tagesordnung stand die mündliche Vernehmung von Auskunftspersonen des Fleischerge werbes über die in diesem Gewerbe üblichen Arbeitszeiten. Es wurden 47 Auskunftsper sonen und zwar 24 Fleischermeister und 25 Fleischergesellen gehört, die in verschiedenen Gebietsteilen des Reiches tätig sind. Die ver nommenen Arbeitgeber waren sämtlich von Fleischerinnungen, die Mehrzahl der Arbeit nehmer von Vereinigungen der Fleischergesellen als Auskunftspersonen in Vorschlag gebracht worden. *Jm Preuß. Abgeordnetenhause hat Abg. Träger mit Unterstützung der freisinnigen Volks partei folgende Interpellation einge bracht: „Nach Mitteilungen in den öffentlichen Blättern hat der Oberhofmeister Frh. von Mirbach die Oberpräsidenten mittels Rund schreibens veranlaßt, durch ihnen Nachgeordnete Behörden Sammlungen zu veranstalten, deren Erträge dem Kaiserpaar demnächst am Tage seiner silbernen Hochzeit für evangelisch-kirchliche Zwecke, insbesondere für die Mosaikverzieruug der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu über geben sind. Hat die König!. Staatsregierung den Oberhofmeister Frh. v. Mirbach zu solcher Inanspruchnahme von Staatsbehörden vorher autorisiert und erachtet eS die König!. Staats regierung sür zulässig, die Autorität der Be hörden den Eingesessenen ihrer Bezirke gegen ¬ über zu benutzen für Sammlungen, bei denen nach ihrem Anlaß alles ganz besonders ver mieden werden muß, wm die F eiwilligkeit der Geber sraglich erscheinen lassen kann?" Österreich-Ungarn. *Am Sonntag fand in Prag die konsti tuierende Versammlung des deutschen Volksrats statt, an der Vertreter der deutschen Volkspartei, der Agrarier, der Christlich- Sozialen, des deutschen Schulvereins usw. teil nahmen. Nach der Berichterstattung über die Tätigkeit des vorbereitenden Ausschusses wurden die Statuten genehmigt, der Vorstand gewählt. Zum ersten Vorsitzenden wurde Hofrat Groh mann gewählt. Frankreich. *Wie hämisch man in Frankreich auf die Kieler Begegnung blickt, zeigte folgende Äuße rung des .Eclairs der in diesem Falle wohl das Empfinden der meisten Franzosen wieder gibt : „Es scheint, daß König Eduard etwas ironisch war: sein Neffe, Kaiser Wilhelm, hatte sich nach seiner Gewohnheit zwar äußerst friedlich, jedoch in großartigen Redewendungen ausgedrückt, wie sollte Onkel Eduard, der die Rhetorik wenig liebt, antworten? Er sagte einfach: Ich bin gekommen, um das Wett- segeln mit anzusehen. Das war eine aus gezeichnete Art, die Dinge ricktig zu stellen. Niemand glaubte im Grunde, daß die Politik bei der Begegnung eine Rolle spielte." * In der Untersuchungskommission in der Karthäuser - Angelegenheit wurde am Montag der Brief des Priors der Karthäuser vorgelesen, worin er sich weigert, den Namen der Persönlichkeit bekannt zu geben, die Geld von ihm haben wollte, um die Genehmi gung für die Niederlassung der Karthäuser zu erlangen. England. *Lord Newton lenkte im Oberhause die Aufmerksamkeit auf den Bericht der Kommission, die über die Angelegenheiten der Miliz und der Freiwilligen beraten hat und die re gel rechte AushebungderFreiwi lügen vorschlägt. Darauf erklärt der Unterstaats sekretär deS Kriegsamtes, England bleibe, sobald es in einem Kriege die Seeherr - schäft verliere, nichts übrig, als Frieden zu schließen. Der Vorschlag auf Einführung der regelrechten Aushebungen sei unnötig, denn letztere werde durch die Be dürfnisse der Lage nicht gefordert. Italien. *Jn Bergamo, das bisher als Hoch burg der Klerikalen gelten durste, ist bei der Nachwahl am Sonntag der Sozialist Marroni gewählt worden. Rustland. * Der Minister des Innern, v. Plehwe, äußerte zu einem Mitarbeiter des ,Matin/ in Finnland stehe alles vortrefflich (!). Die Ermordung des Generals Bobrikow sei ein vereinzelter Fall: der Mörder hätte Komplicen gehabt und das Komplott sei in Schweden geschmiedet worden. Alle Schuldigen würden bestraft werden. — Diese Äußerungen scheinen Vorboten eines noch schärferen Regiments in Finnland zu sein. * Infolge der Aufhebung einer nihilisti schen Geheimdruckerei durch die Polizei in Kiew fanden Massenverhaftungen von Sozialisten statt. Balkanftaatcn. * Zwei flüchtige p er si s ch e P r i n z en, darunter der Bruder des Schah, sind in Konstantinopel eingetroffen. Sie suchten um eine Audienz beim Sultan nach, die indessen nicht bewilligt wurde. Amerika. *GegenHaiti richtet sich eine gemein same Aktion Deutschlands und Frankreichs. Der französische Gesandte in Port au Prince war bekanntlich durch einen von einem Palastwächter geschleuderten Stein ge troffen worden. Durch ein Entschuldigungs schreiben sollte nach einer früheren Meldung der Zwischenfall Erledigung gesunde» haben. Frank reich hat indessen ein Kriegsschiff nach Port au Pnnce gesandt. Die Entsendung eines Kriegs- sa^ffes ist nun -^ich seitens der deutschen R^ierung beschlossen worden, da man über einstimmend mit Frankreich einen einfachen Entschuldigungsbrief der haitianischen Regierung für die von einem Angehörigen des haitianischen Heeres verübte Unbill nicht für aus reichend erachtet. Frankreich und Deutsch land werden, wie versichert wird, einander auf dem Laufenden über alle zu unternehmenden Schritte erhalten. vi rir-isch-r Landtag. Am Montag wurden im Herrenbause die Gesetz entwürfe betr. die Vertretung des Staatsfiskus auf den Kreistagen und bei den Wahlen für den Provinziallandtag in der Provinz Posen und betr. Erweiterung des Hafers im Ruhrort, sowie das Lotteriegesetz nach den Beschlüssen des Abgeordneten hauses erledigt. Der im Abgeordnetenhause ent sprechend dem Initiativantrag des Abg. Arends an genommene Gesetzentwurf betr. Gewährung von Bei hilfen an Veteranen aus dem Kriege gegen Däne mark wurde abgelehnt und eine von der Kommission dazu beschlossene Resolution angenomm-n. Im Herrenhause wurden am Dienstag zunächst die beiden wasserwirtschaftlichen Meliorationsvor lagen nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses erledigt. Die Novelle zu dem Gesetz betr. die ärzt lichen Ehrengerichte und das Umlagerecht der Ärzte kammern wurde in nochmaliger Abstimmung unver ändert in der Fassung des Abgeordnetenhauses er ledigt. Herr v. Buch zog seinen am Montag ange nommenen handschriftlichen Antrag, daß die Ein kommensteuer als Maßstab für die Beitragspflicht der Arzte zu den Ärztekammern nicht gelten solle, zurück mit der Motivierung, daß er durch die Er klärung des Kultusministers befriedigt sei. Das Abgeordnetenhaus nahm am Montag in dritter Lesung die Vorlage betr. Erhöhung des Grundkapitals der Seehandlung an und begann hierauf die zweite Lesung des ÄnsiedelungSgesetzes. Wie in der Kommission, so wurde auch im Plenum die Beratung des 8 13d vorweggenommen, der die Bestimmung enthält, daß im Geltungsbereich des ÄnsiedelungSgesetzes von 1886 die AnficdelungSge- nehmigung zu versagen ist, solange nicht eine Be scheinigung deS Regierungspräsidenten vorliegt, daß die Ansiedelung mit den Zielen jenes Gesetzes nicht in Widerspruch steht. Im Laufe der Debatte wurde der 8 13b von den Abgq. Norm (Zentr.s, Träger (frs. Vp), v. Dziembowski (Poles und Heisig (Zentr.s lebhaft bekämpft unter Hervorhebung des Umstandes, daß hier die preußische Verfassung und Bestimmungen der Reichsgesetzgebuna verletzt würden. Die Ab stimmung über den Paragraphen und die weitere Beratung über das Gesetz wurden vertagt. Am Dienstag erledigte das Abgeordnetenhaus in zweiter Lesung das Ansiedelungsgesetz. Der am meisten umstrittene 8 13b wurde in namentlicher Abstimmung mit 207 gegen 105 Stimmen ange nommen. Die Polen hatten zu den übrigen Para graphen deS Gesetzes noch eine ganze Reihe von Abänderungsanträgen eingebracht, die aber sämtlich abgelchnt wurden. Ferner wurde in zwei Lesungen der vom Zentrum und den Konservativen einge brachte Antrag auf Abänderung deS Gesetzes be treffend Ausführung des Schlachtvieh- und Fleisch beschaugesetzes angenommen. In diesem Anträge wird die Freizügigkeit des bereits einmal tierärzt lich untersuchten frischen Fleisches gesetzlich fest- gelegt. In zweiter und dritter Lesung wurde noch die Vorlage über die Kreistierärzte erledigt. Der Kückrug äes Generals Stackelberg, so schreibt Oberst Kolbe in der ,Tgl. Ruudsch/, muß in höchst anerkennenswerter Weise bewerk stelligt worden sein, denn es ist ihm gelungen, trotz der höchst gefährlichen Lage, in der er sich befand, Kaitschou ohne ernstlichen Kampf zu er reichen und die Divisionen zu retten. Er hat sich durch einen energisch durchgeführten Marsch in der Nacht nach der Schlacht ans der japa nischen Umklammerung befreit und dadurch den sür den geordneten Rückzug durchaus erforder lichen Abstand vom Gegner erlangt. Die Japaner haben dagegen die Verfolgung nicht energisch genug ins Werk gesetzt, so daß sie die reiche Ernte des Sieges, die nur in der gut durchgesührten Verfolgung des Besiegten liegt, nicht einheimsen konnten. Es ist wohl anzu nehmen, daß auch sie in der Schlacht bei Wafangon sehr gelitten und bedeutende Ver luste gehabt haben, und daß sie daher nicht mehr imstande waren, mit ihrer schwachen Kavallerie Nennenswertes zu leisten. Sie find langsam gefolgt und sind jetzt dicht südlich des Kaitschouho anzelangt, links an das Meer, rechts an das Gebirge sich lehnend Der Paß Hsifaling, der auS dem Tale des Piliho führt, ist in ihren Händen. Jenseits, also östlich des Gebirges, im Tale des Tojanho, aus dem der Paß Tschipaling in das Tal des Liauho führt, sind die Japaner mit einem Teil ihrer Kräfte — Welchs Divisionen und unter wessen Befehl sie stehen, ist mit Bestimmtheit nicht zu er gründen — über Hsiujan langsam vorgegangen und sollen die Fühlung mit den vorher er wähnten Truppen bei Laösemiao am Kaitschouho hergesüllt und den Paß Tschipaling genommen haben. Die bei und vorwärts Fönghwangtschöng stehenden Truppen des Generals Kuroki sollen, unter Sicherung gegen diePässedes Fönschuilings, die vom Tale des Aiho und Schaitzeho zum Liauho führen und die noch von den Russen ge halten werden, sich teilweise nach Südweslen zur Anlehnung an die bei Ssiujan stehenden Kräfte herangezogen haben. Die japanischen Kräste dehnen sich also ans von der Hauptstraße Fönghwangtschöng—Lianjong, südöstlich des Föntschuiling entlang, durch das Tal des Kaitschouho, bis zum Meere, auf eine Ent fernung also von etwa 160 Kilometer. Es dürfte daher vor allem bei dem eingetrctenen Regenwetter noch längere Zeit vergehen, ehe die Hauptkräste zu gemeinsamem Handeln sich vereinigen können. Die Russen scheinen mit ihren Hauptkräften noch in dem Raume Mnkden- Liaujang zu stehen, mit stärkeren Kräften, die die Truppen des Generals Stackelberg aus genommen haben, bei Haitschöng-Taschikao. De nördlich gelegenen Pässe bis zum Ta'ing-Paß, der vom Tajauho zum Tale des Haiischöngho führt, scheinen die Russen noch in ihrem Besitz zu haben, während die südlich davon gelegenen von den Japanern, wie schon erwähnt, besetzt sind. Da der Entsatz von Port Arthur nicht mehr beabsichtigt sein kann, liegt auch kein Grund für die Russen vor, diese Streitkräfte so weit südlich zu belassen, und es dürfte nach den er- halteiren Lehren anznnehmen sein, daß Kuropatkin nunmehr seine Kräfte zu gemeinsamem Handeln in der Hand behält und auf kleine Unter nehmungen, in denen die Japaner bisher stets mit Überlegenheit aufzutreten verstanden, zu verzichten. Von unä fern. Der bittere Nachgeschmack. Der Fehl betrag des Gordon Bennett-Rennens soll für den Deutschen Automobil-Klub, wie aus Hom burg v. d. H. gemeldet wird, sehr beträchtlich sein. Wie es heißt, werden die Garantiefonds zeichner zur Deckung dieses Defizits mit der vollgezeichneten Summe einspringen müssen. Aber trotzdem scheint es noch sehr fraglich, ob die Unterbilanz damit gedeckt sein wird. Die Einnahmen, die die Veranstaltung des Gordon Bennett-Rennens gebracht hat, übersteigen kaum die Summe von 130 000 Mk., während die Ausgaben auf mehr als das Doppelte zu be rechnen find. Die Herrichtung der großen Tribüne auf der Saalburg hat allein 95 000 Mark gekostet. Andre Einnahmequellen, auf die man mit Sicherheit gerechnet hatte, sind aus geblieben. So mußten die Einnahmen aus der Aufstellung der Rennwagen ausfallen, da nur ein einziger Wagen auf dem grünen Rasen des Kurparks in Homburg aufgefahren war. Dem Automobil - Blumenkorso, für den eine Anzahl Preise gestiftet war, ist es nicht besser ergangen. Ein Automobilunglück, bei dem der Prinz Moritz von Schaumburg-Lippe in Lebens gefahr schwebte, während sein Kammerherr getötet wurde, ereignete sich Sonntag nach mittag in der Nähe von Langenschwalbach. Als der Prinz von Schaumburg-Lippe mit dem Kammerherrn v. Specht eine Automobilfahrt unternahm, fuhr der Chauffeur, der einem Hunde ausweichen wollte, eine Telegraphen stange an. Diese schlug um und traf den Kammerherrn v. Specht, der sofort tot war; der Prinz und der Chauffeur wurden aus dem Wagen geschleudert, erlitten aber nur leichte Verletzungen. O Auf kukmesböken. 1j Erzählung von F. Stöcker t.*) „Die Frage an das Schicksal ist gelöst! Seit gestern abend bin ich verlobt!" Mit diesen Worten trat der Rechtsanwalt Hoff in das Studierzimmer seines intimen Freundes, des Amtsrichters Berko. Dieser blickte ziemlich ernst, und keineswegs sehr an genehm überrascht, in das erregte Gesicht des jungen Mannes. „Also wirklich? Auch du hast die idealen Lebensanschauungen zu den Scherben geworfen und die reiche Braut gefreit! Natürlich nennt sie sich Elvira Berg." „Auch ich! Warum sollte ich andere Pfade wandeln als ihr alle? Das erträumte Ideal fand ich überdies nicht, heiraten wollte ich aber, denn ein Hagestolz mag ich nicht werden. Die natürliche Folge dieser Grundsätze war, daß ich meine Augen auf die reichen Töchter des Landes richtete. Fräulein Elvira ist zwar nicht hübsch, auch nicht sehr geistreich, kaum liebens würdig; aber ich denke bei meiner reichen Ver lobung wie Hanna Kennedy, Maria Stuarts weise Amme: In ein großes Unglück lernt ein edles Herz sich endlich finden, aber wehe tut's des Lebens kleine Zierden zu entbehren. „Gut zitiert," sagte Berko lächelnd. „Sie mögen ganz gut sein, und ihre Berechtigung haben, diese kleinen Zierden des Lebens. Wo aber alles geistige Leben und Streben in einem Hause versinkt, da bieten sie keinen Ersatz; und *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. wenn wir uns auch mit allem erdenklichen Luxus umgeben, eine Leere bleibt doch." „Du sprichst aus Erfahrung!" rief Hoff, und sah dabei den Freund forschend an. „Ja," kam es gepreßt über dessen Lippen. „Eine Frau ist doch aber bildungsfähig in jeder Hinsicht, meine ich?" erklärte Hoff. „Als Mädchen und unter den Augen einer klugen Mutter, ja, da mag jedes weibliche Wesen bildungsfähig sein, aber in der Ehe ist cs verlorene Liebesmüh, mein Freund! Wenigstens ist es mir bei Lucie bis jetzt nicht gelungen, sie aus ihrer trägen GeisteSruhe aufzuwecken. Toiletten, Visiten, Gesellschaften, etwas trivialer Klatsch, das ist der Kreislauf deS Denkens, der meisten, solcher, im Reichtum und Luxus aus gewachsener jungen Damen. Ich habe mir in der ersten Zeit unserer Ehe die erdenklichste Mühe gegeben, ihr ein wenig Interesse für andere Dinge abzugewinnen, jetzt habe ich es aber aufgegeben und kann dir nur raten, der artige Versuche gar nicht zu machen." „Und das ist dein Glückwunsch zu meiner Verlobung?" fragte Hoff lächelnd. „Ich kann dich leider nicht beglückwünschen, Hans, dich, der einst so ernstlich nach den Höhen des Lebens gestrebt, nun doch in die trübe Atmosphäre der Alltäglichkeit versinken zu sehen. Das fällt mir schwer. Dir vor allen hätte ich so etwas wie eine große, edle Leidenschaft zu einem herrlichen Mädchen, welches für dich nicht so leicht zu erobern war, gewünscht! Mag dergleichen enden wie es will, einen verklären den Schimmer wirst es immer auf spätere Lebenslage. Der poefievolle Glanz, der in solcher Zeit durch das Leben dringt, verweht nicht so leicht." „Durch mein Leben ist er eben nie ge drungen, und wird er nie dringen," erwiderte Hoff finster. „Wo ich es glaubte, da war es eine herbe Täuschung! Doch lassen wir die Vergangenheit ruhen. Ist deine Frau Gemahlin schon zu sprechen? Ich habe Grüße für sie von meiner Braut. Unsere Verlobung hat ihr Elvira natürlich schon brieflich mitgeteilt, wie ich vermute und wie es sich zwischen so intimen Freundinnen geziemt." Die beiden Freunde gingen hinüber nach dem Salon, um dort die Frau Amtsrichter Berko zu begrüßen. Lucie Berko war eine hübsche Blondine mit allerdings ziemlich ausdruckslosen Zügen, die nicht gerade auf große geistige Begabung schließen ließen. Dagegen war ihre Toilette von aus gesuchtester Eleganz, und die Verbeugung, mit der sie dem Herrn Rechtsanwalt entgegentrat, fiel so regelrecht und tadellos aus, als hätte sie vor kurzem erst Tanzstunde gehabt. Hoff bestellte die Grüße seiner Braut und die Frau Amtsrichter beglückwünschte ihn zu dem frohen Ereignis, das ihr die Busenfreundin schon mitgeteilt hatte. Dann nahmen die Herr schaften Platz, und Frau Lucie führte iu ihrer Weise die Unterhaltung. Sie forschte, wann das junge Paar Besuche machen würde; Elvira ließe sich gewiß dazu eine Toilette aus der Residenz kommen, sie könne es ja haben. Die Verlobungsanzeigen würden ja wohl morgen herumgeschickt. Am Sonntag hoffe sie dann das Brautpaar in einer Gesellschaft bei sich zu sehen, wo die Präsidententöchter gewiß lange Gesichter machen würden, daß sür sie wieder ein Tänzer und Heiratskandidat weniger vorhanden sei. „Aber großer Gott, wo sollte sich für diese Damen wohl ei l Mann finden, bei diesen An sprüchen, mit welchen sie erzogen find und dabei kein Vermögen besitzen! Denen," rief Frau Lucie mit Nachdruck aus, „wird es wohl einmal eben so ergehen, wie meiner Penfionsfreundin, der Hanna Delio, die auch in dem erdenklichsten Luxus ausgewachsen ist, und nun hat ihr Vater plötzlich bankrott gemacht. Sie ist jetzt in Berlin, ihr Lehrerinnenexamen zu machen, und wird zum Besuch kommen, um sich von den Anstrengungen des Examens zu erholen." „Em hübsches und sehr begabtes Mädchen ist übrigens diese Hann Delio," nahm jetzt der Herr Amtsrichter das Wort, „ich erinnere mich ihrer noch von unserer Hochzeit her, sie war entschieden die hübscheste von von deinen Brautjungfern, Lucie." „Beleidige den Herm Rechtsanwalt nicht, Otto! Elvira war auch unter den Brautjungfern!" „O, bitte, ein so verliebter Narr bin ich nicht, daß ich dergleichen nicht hören könnte!" scherzte der junge Rechtsanwalt. „Hier sieh und urteile selbst! Das ist daS Bild von Hanna Delio!" rief Berko, indem er ein Kabinettporträt im dunkelgrünen Samt rahmen von Luciens Schreibtisch nahm, über rascht blickte Hoff auf das jugendliche Mädchen- gesicht, dann stellte er das Bild, ohne ein Wort zu sagen, wieder auf seinen Platz. „Run, bist du stumm vor Bewunderung? fragte Berk? lächelnd.
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