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barum nicht an einen. Tölpel, dee sie entweder zu hoch oder zn j gering abschätzen könnte, nnd lassen Sie sich von Ihren Verwandten darüber belehren, wie unwürdig ich des Umgangs mit Ihnen war." Edith hatte schon bei den ersten Worten erschrocken nnd er rötend seine Hand losgelassen, nnd in ihren brannen Augen schim merten große Tränen, als sie, an das Geländer der Treppe gelehnt, dem Davoneilenden nachblickte. Wolfgang aber sah nicht mehr zurück. Er eilte mit raschen Schritten wie ein Verfolgter davon, und in seinem Innern war es kalt nnd leer, wie wenn von unge füger Hand da drinnen alles zerstört nnd zerbrochen worden wäre. — -i- -I- Das bedrohliche Herzleiden der Baronin schien wie durch ein Wunder beseitigt, seitdem man aus Fräulein von Plothows Pen sionat in eine gut möblierte Wohnung mn Kronprinzcnnfer iibergesiedelt war. — Hier endlich fing sie on. das Dasein wieder einigermaßen erträg- Uch zu finden und sich auch für andere Ge sprächsstoffe zn inter essieren als für das Thema von ihrem unvermeidlich nahe bevorstehenden Tode. Brauchte sie doch auch seht mir bis in das erste Stockwerk hinauf Zu steigen, wenn sie Mit Margot von ihren T neuerdings sehr häufigen — Spazier- Mhrten in einer Droschke erster Klasse Mrückkehrte, verfügte ue doch seht über einen Talon, der in Wahr h«t diesen stolzen Zainen verdiente. „Warum in aller Dell haben wir nns so chuge mit diesen ent- Mtzlichen Dachkammern beholfen?" fragte sie immer wieder, wenn im auf ihrem Lieb- iiugsplätzchen im Erker mß und mit einem ge- missen Behagen den Blick über die vor nehme Einrichtung deS Gemaches schweifen ueß. „Auch dies ist ja Mn Ende nur eine -Aietswohnung, die ge. büß ihre großen Män gel Hut; aber man verbraucht doch nicht mehr den ganzen Rest N'iner Lebenskraft beim Treppensteigen, und nian muß sich nicht mehr schämen, einen Besuch zu empfangen." Solche Ergüsse blieben zumeist olme eine Erwiderung von seiten Margots. Sie erachtete es angeuscheinlich als über- wissig, ihrer Mutter mitzuteileu, daß man den Unterschied in der ^"ge und Ausstattung der beiden Wohnungen wahrlich tener genug bezahlte, und daß man allein für den Mietzins hier einen Betrag aufwandte, welcher die Zinsen des kleinen, mühsam geretteten Kapitals vollständig verschlang. Vielleicht war die Baronin wäh- eeud ihrer Witwenschaft bereits welterfahren genug geworden, »m etwas Aehuliches insgeheim zu vermuten, und vielleicht ver- mied sie es eben deshalb so geflissentlich, geradezu nach diesen ^wgen zu fragen. Die Veränderung war so überaus angenehm, °aß sic vor den: bloßen Gedanken an die Möglichkeit, in die alten Verhältnisse zurückkehren zn müssen, wie vor etwas Entsetzlichem erbebte. Und dann war es doch auch fedensalls viel bequemer, 'venu Margot allein die Verantwortung für die ganze Lebens- mhrung übernahm. > Edith hatte sich zuerst auf das bestimmteste geweigert, die Wohnung am Kronprinzenufer ebenfalls zu beziehen, und Margots Benehmen hatte deutlich genug gezeigt, daß auch ihr der Gedabke an eine Trennung keineswegs unsympathisch war. Die Baronin aber war fast außer sich geraten, als sie von dein Entschluß ihrer Nichte hörte, und mit einer Entschiedenheit, die bei ihrer sonstigen Schwäche geradezu erstaunlich war, hatte sie erklärt, daß sie lieber in Fräulein von Plothows Pensionat bleiben würde, ehe sie in eine solche Scheidung willigte. Freilich hatte ihre Liebe zu Edith an diesem festen und beharr lichen Widerstande vielleicht geringeren Anteil gehabt als die Sorge um ihr eigenes Behagen. Denn Frau von Alten wußte sehr Wohl, daß sie zugleich mit Edith auch die unermüdlichste Dienerin und hingehendste Pflegerin verlieren würde; sie kannte ihre schöne Tochter zur Genüge, um zu wissen, daß sie von ihr eine ähnliche Aufopferung nicht er warten dürfe, und sie hätte wahrscheinlich auch gar nicht - den Mut gehabt, sie von ihr zu verlangen. So hatte sich Edith denn endlich bewegen lassen, zu bleiben; aber das alte, herzliche Einver nehmen zwischen ihr nnd den Verwandten hatte sich nicht wieder eingestellt. — Auch äußerlich bekundete sich dies kühlere Ver hältnis darin, daß Edith ein kleines, nach dem Hofe hinaus gelegenes Zimmer, das bescheidenste und unansehnlichste der ganzen Wohnung, be zogen hatte, statt wie bisher ihr Schlafge mach mit Margot zu teilen. Sie hatte es so verlangt und hatte nachdrücklich darauf bestanden, monatlich einen genau festgesetz ten Zins zu entrichten, wie wenn sie bei frem den Leuten gewesen wäre. „Lassen wir ihr doch den Willen!" hatte Margot achsel zuckend zu ihrer Mut ter gesagt, als diese eine solche Zumutung ganz unerhört und unerfüllbar finden wollte. „Gegen einen Eigensinn wie den ihrigen ist nun ein mal nichts anszurich ten. Wahrscheinlich ist sie gekränkt, daß wir ihre Wohltaten nicht annehmcn konnten und null nnn Gleiches mit Gleichem vergel ten. Ich denke, es ist am besten, gar nicht weiter darüber zn reden." Da die Baronesse die Leitung des kleinen Haushalts übernom men hatte, war es von vornherein selbstverständlich, daß man sich eine ausreichende Bedieunng halten müsse. Außer dem Mädchen, das zugleich die Verrichtungen einer Kammerjungfer bei Margot zu besorgen hatte, wurde noch eine Aufwärterin für die groben Arbeiten angenommen, nnd da sich Margot in ihrer vornehmen Unkenntnis des Lebens von beiden ans die unverschämteste Weise betrügen ließ, wuchsen die Wirt schaftsausgaben bald zn einer beängstigenden Höhe an. Und dies alles bestritt die junge Baronesse unbedenklich von den: Rest jener dreitausend Mark, die ihr Viktor nach seinem Besuche bei Franz Wagenhoff eingehändigt hatte. (Fortsetzung folgt.) Heringsksnger. Nach dem Gemälde von ks. lv. lll e s d a g. fMit Genehmigung der sshotogiaphischen Gesellschaft zu Berlins