Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 30.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190407301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040730
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040730
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-30
-
Monat
1904-07
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.07.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
politische Kunclscbau. Die Schiffs-Beschlagnahmen. *Ter deutsch-russische Konflikt ist, wie in der .Köln. Ztg/ offiziös hervorge hoben wird, vollständig beseitigt: „Alle deutschen Ansprüche, die aus den Zwischenfällen im Roten Meer entstanden, find nunmehr entsprechend unsern Beschwerden in vollem Umfange erledigt worden. Die russische Regierung hat das beschlagnahmte Schiff und die Pakete heransgegeben und dadurch das Geschehene rückgängig gemacht. Sie hat znge- fichert, daß ähnliche Fälle sich nicht wieder er eignen werden, und sie hat es als ihre Ver pflichtung anerkannt, für alle Schädigungen, die durch das ungerechtfertigte Vorgehen ihrer Schiffskommandanten entstanden find, den Reedereien und sonstigen betroffenen Privat personen eine angemessene Geldentschädigung zu gewähren. Damit haben wir alles erreicht, was wir wollten und was in unsrer Protestnote ge fordert war." * * * Der rusfisch-japanische Krieg. *Die Meldungen vom Kriegsschau platz scheinen nach Schema k' angefertigt zu werden. Typisch ist eine Meldung des Generals Kuropatkin an den Zaren über ein Gefecht der Abteilung des Obersten Zibulski am Sibeilin- passe am 17. Juli. Sie besagt, daß die Japaner zweimal mit großen Verlusten zurück geworfen wurden, gibt aber am Schluß zu, daß die Russen schließlich zurückgehen mußten Die Russen verloren 1 Offizier und 46 Schützen an Toten und 4 Offiziere und 182 Mann an Verwundeten. 6 Mann werden vermißt. * Niutschwang ist am 26. Juli von den Japanern besetzt worden. Die Vorhut der Japaner ist Dienstag früh dort ein getroffen. Auf den russischen Gebäuden weht die französische Flagge. In der Stadt ist alles ruhig. — Eine Landung bei Inkan, dem Hafenplatz von Niutschwang, beabsichtigen die Japaner nach eiuer Meldung der russischen Telearaphen-Agentur aus Mulden. In Sicht von Jukau kreuzt ein japanisches Geschwader, das zwanzig Truppentransportichiffe begleitet. *Das Wladiwostok-Geschwader hat am Sonntag im Japanischen Meer ein britisches Schiff in den Grund ge bohrt. über das Vorkommnis meldet .Reuters Büreaw am Montag aus Tokio: Das Wladi wostok-Geschwader hat gestern bei Jedzu den von New Dork über Manila und Schanghai nach Jokohama bestimmten britischen Dampfer „Knight Commander" in den Grund gebohrt. Der Dampfer hatte Ladung verschiedener Art an Bord. Die Mannschaft ist aus dem Dampfer „Tfinan" heute in Jokohama angekommen. Die europäischen Passagiere wurden von den Russen zurückbehalten. — Wie verlautet, hat das Wladiwostok-Geschwader auch zwei japanische Schoner versenkt. Deutschland. * Kaiser Wilhelm ist nach guter Fahrt bei schönem Wetter vor Na es eingetroffen. An Bord alles wohl. *Der Reichskanzler hat kürzlich ein Rund schreiben an sämtliche Justizministerien erlassen, in dem er mitteilt, daß das Reichskanzleramt in Erfahrung gebracht habe, die Bestimmun gen des Weingesetzes würden von den Staatsanwaltschaften zu nachsichtig ge handhabt. Nach dem Rundschreiben sollen bei den Entscheidungen über gerichtliche Verfolgung künftighin nicht die chemischen Grenzzahlen des Gesetzes allein ausschlaggebend, sondern vor allem das Ergebnis der Mundproben von be stimmendem Einfluß auf die Erhebung der Klage sein. Damit soll verhindert werden, daß Weinsälschungen, die chemisch den Anforderungen des Gesetzes entsprechen, straflos bleiben, da vielfach erst durch die Mundprobe die Fälschung festgestellt werden kann. — In Reutlingen wurde dieser Tage ein Weinlager von 100 000 Litern unter Siegel gelegt. * Die Richsregicrung hat die Frage der Einführung von Dreimarkstücken als Reichssilbermünzen zum Gegenstand von Erhebungen gemacht. In einem Rundschreiben des Reichskanzlers an die Regie rungen der Bundesstaaten werden die Gründe angeführt, die für und wider den Taler sprechen. Insbesondere wird auch die Frage aufgeworfen, ob nicht das Fünfmarkstück populärer werden würde, wenn es handlicher gemacht würde. Von dem Gutachten der Einzelstaaten, die sich namentlich an die wirtschaftlichen Körperschaften wenden wollen, wird das Schicksal des Talers abhängen. * In dem Königsberger Prozeß wurden am Montag drei Angeklagte fretgesprochen und sechs nur wegen Geheimbündelei zu kürzeren Gefängnis strafen verurteilt. Die Angeklagten wurden wegen Hochverrats sämtlich freigesprochen. Angerechnet wurden als durch die Untersuchungshaft verbüßt: Nowagrotzky ein Monat zwei Wochen, Klein sechs Wochen, Treptan ein Monat zwei Wochen. Kugel hat die drei Monat, zu denen er verurteilt wurde, durch die Untersuchungshaft verbüßt und ist unverzüglich auS der Haft entlassen worden. * Das ausführliche Programm der51. General versammlung der Katholiken Deutsch lands in Regensburg vom 21. bis 25. August wird in den Zentrumsblättern veröffentlicht. * Der bayrische KriegsministerFrei- herr v. Asch hat, wie zu erwarten war, sein Entlassungsgesuch eingereicht. Nach offiziöser Mitteilung hat zwar der Prinz-Regent die Annahme dieses Abschiedsgesuchs ab- gelehnt und dem Minister unter Versicherung seines fortgesetzten Vertrauens den Wunsch aus- ae'prochen, das Portefeuille beizubehalten. Wenn sich hierauf Frh. v. Asch auch bereit er klärt hat, im Amte zu verbleiben, so kann es sich doch nach den Vorgängen der letzten Tage in der bayrischen Kammer nur um eine An statt d s s r i st handeln. * In D eut s ch - S ü d w e st a f r i k a ist es, wie mehrfach berichtet wird, dem General v. Trotha nicht gelungen, die Hereros am Waterberg vollständig einzukreisen. Es gilt als wahrscheinlich, daß ein großer Teil der Hereros vom Waterberg nach Norden in größeren Trupps mit Vieh entwichen ist. Es wird ein Angriff auf die Hereros für die nächste Zeit erwartet, um dem vollständigen Entweichen des Feindes zu begegnen. Frankreich. *Die Entscheidung in dem Konflikt zwischen Frankreich und dem Vatikan steht unmittelbar bevor. Nach einem Telegramm aus Rom ist nach der offiziellen Mitteilung des französischen Mümaiums die Kardinalskongre- gation zu einer neuen Versammlung unter Vor sitz des Papstes zur definitiven Entscheidung eiuberufen worden, die zweifellos den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und die Kün digung des Konkordats herbeiführen wird. England. * Die englische Presse hat sich in den letzten Wochen und Monaten wiederholt über die „lahmen Enten" der Russen in Port Arthur lustig gemacht, jetzt hat sie aber beinahe täglich über neue Unfälle in der britischen Flotte zu melden, die sich doch nicht im Kriegszustand befindet, und trotzdem in der kurzen Zeit von einer Woche, seitdem die Mobilmachung für die Herbstmanöver im Gange find, über nicht weniger als neun be schädigte Schiffe zu klagen hat, die alle zu längeren Reparaturen in Trockendocks ge bracht werden mußten. Am Freitag ist auch noch das Schlachtschiff „Jmortalitö" aus die Liste der vorläufig Unbrauchbaren gesetzt worden und befindet sich gegenwärtig in den Docks des Kriegshafens von Chatam. Das genannte Kriegsschiff war aus der Tyus damit beschäftigt, ein andres Kriegsschiff, die „Temeraire", aus den Reparaturdocks zu schleppen, als es von diesem Schiff angefahren wurde. Einige der Schutzplatten unter der Wasserlinie wurden dadurch so sehr beschädigt, daß das Schiff un gefähr 300 Tonnen Wasser nahm, die aber durch Pumpen beseitigt wurden, so daß das Sch'.a'tschiff wenigstens seine Fahrt fortsetzen konnte. Man brachte es nach Chatam, wo sich I aber herausstellte, daß der Schaden sehr viel bedeutender war, als man zuerst angenommen laste, und so wird das Schiff für mehrere Wochen zunächst dienstunfähig bleiben Äutzland. *Die Maßnahmen zur Vereinheit lichung des Münzsy st ems des russischen Reichs und Finnlands haben am 9. Juni die Bestätigung des Kaisers erhalten. Die russische Goldmünze in Rubeln bildet neben der finnländischen Goldmünze in Mark das gesetz mäßige Zahlungsmistel in Finnland und ist bei Zahlungen in unbeschränkter Höhe entgegenzu- uehmen, während Zahlungen in russischem Silber nur vis zu drei Rubeln 75 Kopeken angenommen zu werden brauchen. Bei Zahlungen an die Eisenbahnen, Zollämter usw. find auch russische Kreditbilletts und Kupfermünzen zulässig. Ein russischer Rubel wird zwei fim ländischen Mark 662/, Penni gleichgestellt. Vie Geifteskrankkeiten im Kriege. Seit die Aufmerksamkeit der gesamten Kultur welt wieder durch einen Krieg in Anspruch ge nommen wird, sind nur wenige mehr zeitgemäße wissenschaftliche Arbeiten veröffmsticht wo den wie der Aufsatz, den jüngst der Chefarzt des Provinzialkrankenhauses in der südrusstschen Stadt Orel, Dr. Jacoby, jetzt hat erscheinen lassen. Er befürwortet darin unter Aufgebot schlechthin zwingender Gründe die Notwendigkeit einer besonderen psychiatrischen Fürsorge für eine im Felde stehende Armee. Man muß einmal darüber nachdenken, wie sehr gerade die Ver hältnisse im Kriege zur Entstehung von Geistes krankheiten Veranlassung geben. Die Ent behrungen und Ermüdungen durch die Obliegen heiten des Dienstes, die unablässige Anspannung der Nerven infolge des Bewußtseins einer dauernden Gefahr, die häufigen großen Er regungen, der Alkoholismus und dazu noch die eigentlichen Verletzungen des Nervensystems durch Geschosse — all das sührt zu einer Steigerung der Neigung zu Geisteskrankheiten, von deren Umfang man sich schwer einen Begriff machen kann. Tr. Jacoby iah sich schon im deutsch-französischen Kriege überrascht durch die große Häufigkeit geistiger Störungen, die zu seiner Beobachtung gelangten. Nachfragen bei russischen Militärärzten, die den Krieg mit der Türkei 1877/78 mitgemacht hatten, ergaben, daß damals gleichfalls eine große Zahl ekuter Geisteskrankheiten unter den Truppen vorkam. Auch in dem Feldzug gegen China 1900 waren derartige Eikmnkungen unter den russischen Soldaten sehr gewöhnlich, und Dr. Jacoby er wähnt es als eine Tatsache, daß russische Sol daten, die den Verstand verloren hatten, er schossen wurden, damit sie nicht in die Händ? der grausamen Feinde fielen. Auch im jetzigen ostafiatischen Kriege find bereits viele Fälle von Delirium beobachtet worden, namentlich in der Garnison von Port Arthur. An Bord der „Mandschuria" wurden bei ihrer Eroberung durch die Japaner geisteskranke Soldaten voi> gefunden, die nach Rußland zurückgesaudt wurden. Man versuche nun, sich eine Vor stellung von dem Zustand dieser unglücklichen Menschen zn machen, die sechs Wochen auf einer Seereise in irgend einem Loch des Schiffes zu gebracht hatten. In europäischen Kriegen hat sich das Bedürfnis nach einer besonderen Für sorge für geisteskranke Soldaten nicht so be merkbar gemacht, weil immer in verhältnismäßig geringen Entfernungen geeignete Anstalten er reichbar waren. Auf dem fernen Kriegsschau platz in Ostafien aber, der selbst auf dem Schienenweg nur langsam und mühsam zu er reichen ist, wo leicht Nahrungsmangel eintritt und wo außerdem noch ein bösartiges Klima die Schwierigkeiten erhöht, muß das Los der Soldaten, die aus diesem oder jenem Grunde geisteskrank werden, ein wahrhaft furchtbares sein. In der Mandschurei gibt es selbstver ständlich keine Irrenhäuser oder Anstalten irgendwie ähnlicher Art, und die betreffenden Abteilungen in den ProviuzialkrankenhAusern Sibiriens sind erstens bis auf den letzten Platz besetzt und zweitens in einer entsetzlichen Ver fassung. Wenn man die an nervösen Störungen oder Geisteskrankheiten leidenden Soldaten zu Kriegszeiten 10 000 Kilometer weit auf der mit militärischen Transporten überlasteten Eisenbahn nach Rußland befördern wollte, so würde man sie dadurch allein jeder Hoffnung auf Heilung berauben. Die Mittel, mit denen die moderne Kriegführung arbeitet, hat die Überspannung des Nervensystems der Soldaten noch wesent lich gesteigert. Dr. Jacoby vergleicht die Sprengung der Panzerschiffs durch Tor pedos und Minen mit Erderschütterungen und vulkanischen Ausbrüchen, die auch, wie durch viele Erfahrungen festgestellt worden ist, immer eine große Zahl von Geisteskrankheiten im Gefolge haben. Er hält es für wahrscheinlich, daß die neuen Formen des Krieges auch neue Arten von Geistesstörungen mit sich bringen werden. Die gewöhnlichen Arzte haben auf dem Kriegsschauplatz schon mehr als genug zu tun, um nach den Verwundeten und andern Kranken zu sehen, und sie würden eine schwere Verantwortung auf sich laden, wenn sie Geistes kranke in die gewöhnlichen Lazarette aufrehmen wollten, weil diese Leiden im hohen Maße ansteckend wirken oder doch immer höchst nach teilige Folgen für den Zustand der andern Patienten mit sich bringen würden. Als einziges Mittel empfiehlt sich die Entsendung von Spezialärzten, die eine sofortige Behandlung geisteskranker Soldaten unter besonderer Pflege und in getrennten Zellen zu veranlassen hätten, denn nur so würden gute Aussichten für deren Wiederherstellung geschaffen und viele Existenzen gerettet werden. Auch die Verbrechen, die von den Soldaten im Kriege häufig verübt werden, dürsten zum großen Teil aus Geistesstörungen zurückzusühren sein, und es erscheint als ein Akt äußerster Grausamkeit, daß solche Taten dann lediglich vom Kriegsgericht abgeurteilt und meist mit dem Tode durch Erschießen bestraft werden, anstatt daß die Geisteskranken un er Len Soldaten beizeiten ausgeschaltet und unter geeignete ärztliche Behandlung genommen werden. Von unct fern. Die tropische Hitze. Infolge der un gewöhnlich heißen Temperatur dieser Hundslage macht sich in vielen Teilen Deutschlands der Wassermangel aufs bedenklichste fühlbar. Wie aus Breslau gemeldet wird, nimmt die Wasser not immer mehr zu. Viele Brunnen versagen ganz oder liefern nur noch gerade das erforder liche Trinkwasse. Immer mehr kleinere Be triebe müssen wegen Wassermangels die Arbeit ganz einstellen. Nachdem in Bad Salzbrunn in voriger Woche der Oberbrunnen von 12 bis 2 Uhr nachmittags geschlossen blieb, macht jetzt die Brunnendirektion bekannt, daß der Ober- brunnen von 12 bis 4 Uhr nachmittags gänzlich gesperrt wird, auch der Versand des Brunnens geschieht in beschränkterem Maße. Der Neichspostdampfer „Prinz Hein rich" ist in den Gewässern von Ceylon ausge laufen und erlitt eine Bodenbeschädigung. Post und Passagiere werden mit dem Dampfer „Poly nesien" weiter befördert. Die Errichtung einer großen Zigennrr- kolvnie in dec Altmark kommt in der Tat zustande. Die Besitzung des Amtmanns Frick zu Windberge ist in voriger Woche an den Zigeunerbauptmann Petermann aus Adlershof bei Berlin gerichtlich auf gelassen worden. Zehn Wagen mit einer Anzahl Stammesgenossen des neuen Rittergutsbesitzers sind bereits eingetroffen; weitere 50 Zigeunerwogen mit vielen Pferden folgen in der nächsten Zeit nach. Das Gat ist mit der gesamten Ernte und sämtlichem lebenden und toten Inventar verkauft worden; der neue Besitzer will ausschließlich die Pferdezucht treiben. Auf die dortige Landbevölkerung macht er übrigens einen imponierenden Eindruck. Groß von Gestalt, trägt er seinen Reichtum in Protzenhafter Weise zur «chau. Er geht nobel gekleidet; seine Neitersporen an den hohen Stiefeln sind über 1600 Mark wert; mehrere tausend Mark kosten seine Brillantringe, und an der goldenen Uhrkette, welche die Dicke einer Spannkette hat, hängt ein massiv goldenes Petschaft in Pferdegestalt. In Windberge sollen ständig etwa 70 erwachsene Z'gcuu'r mit einer reichen Kinder schar Hausen; das Gat soll aber auch andern Zigeunern als Zufluchtsstätte dienen. K Auf Kukmesköken. Sj Erzählung von F. Stöckert. «Fortsetzung.) „Du kommst aber doch heute abend wieder? Berkos kommen!" Bittend faßte Elvira seine Hand, und Hoff sagte zu, mit dem Gedanken an Hanna. Vielleicht gelang es ihm doch, ein Wort des Verständ nisses mit ihr auszutauschen, und wenn nicht, dann war es ihm mindestens noch einmal ver gönnt, das schöne geliebte Antlitz zu sehen, war es ooch jedenfalls der letzte Abend, den er hier verlebte. Wie es weiter mit ihm werden sollte, wenn er das Bergsche Haus nicht mehr betrat, wie und wo er dann Hanna sehen und sprechen konnte, das war ihm noch völlig unklar. O, wamm war er nicht im Besitz des Reich tums, den die kleine unbedeutende Person, von der er sich soeben verabschiedete, in so reichem Maße besaß; dann wäre ja in sein und Hannas Schicksal eine rasche Wendung zum beiderseitigen Glücke wahrscheinlich gewesen. Was konnte er aber unter seinen jetzigen Ver hältnissen Hanna bieten! Ein Heim, aus- gestattet mit den alten wurmstichigen Möbeln seiner verstorbenen Eltern, eine Zukunft, über die sich gar bald die dunkeln Wolken der Sorgen um das Dasein breiten würden. — Und doch, die übergroße, schöne, heilige Liebe, war sie es nicht wert, darüber alle kleineren Erdensorgen zu vergessen? — Wenn er wieder zur Feder griff und ganz und gar Schriftsteller Würde. Manche Schriftsteller sollen ja große Reichtümer erwerben! Warum sollte der Genius, der in ihm schlummerte, nicht ebenso stark, ebenso bedeutend sein, wie der andrer, die da jeden nur Halbwegs klugen Gedanken in alle Welt hinaus verkünden, und sich jedes ihrer geschriebenen Worte mit Gold aufwiegen lassen! Reichtümer erwerben mit Ruhmestaten und für Hanna, nur um ihr Lcber damit zu schmücken! O kühner, berauschender Gedanke! , Der Abend kam. Der Salon bei Bergs war behaglich durchwärmt, die Teemaschine summte und die Gaßkronen brannten. Elvira im blauen Kleide, blaue Schleifen in dem blonden Haar, war noch allein und stand sinnend vor dem Spiegel. War sie denn so gar nicht liebenswert? War es wirklich ihr Reichtum nur allein ge wesen, der den geliebten Mann ihr zugeführt? Und nun sollte sie ihn freigeben, Hannas wegen? Nein, nie und nimmer! dachte Elvira. Was in ihrer Macht stand, das Gefürchtete zn verhindern, das wollte sie tun, und sollte sie mit den niedern Waffen von Lug und Trug um ihr Lebensglück kämpfen! „Ganz allein, Elvira?" tönte da plötzlich Frau Lucie Berkos Stimme störend hinein in die Gedanken des jungen Mädchens. Sie wandte sich hastig um, die Freundin zu be grüßen. „Hoff ist noch nicht hier?" fragte Berko, der mit dem Amtsrat seiner Gattin folgte. „Nein, er ist noch nicht hier, er hatte einen Termin, der mag etwas lange gedauert haben," erwiderte Elvira so unbefangen als möglich und setzte sich dann mit Lucie in eine Plauderecke, um über allerlei Neuigkeiten zu plaudern. Auch über Hanna tauschten die Freundinnen ihre Ge danken aus, und kamen darin überin, daß die junge Dame eine ganz abgefeimte Kokette sei. „Papa ist nun gänzlich in ihren Schlingen," teilte Elvira der Freundin mit, „und das will ich ja auch ruhig ertragen, aber auch mit Hans sängt sie jetzt zu kokettieren an, und wenn ich auch an seiner Liebe nicht zweifle, aber der Eitelkeit der Männer schmeichelt ja dergleichen immer." „Ja, die Männer!" seufzte Frau Lucie. „Wenn nur eine Dame hübsch und kokett ist, dann ziehen sie alle denselben Strang; auch Berko, so gut er sonst ist, leidet es nicht, daß man ein böses Wort über Hanna sagt. Di« ist wirklich nur zu unserm Unheil hierher ge kommen. Hätte ich sie doch nie eingeladen, uns zu besuchen." Die so liebenswürdig beurteilte Hanna war unterdes auch eingctreten und stand jetzt an der Teemaschine, den Tee zu bereiten. Sie hatte ein Helles, mit Spitzen besetztes Schürzchen über das dunkle Hauskleid gebunden, und der Kommerzienrat fand Hanna so allerliebst und ganz wie eine sorgende Hausfrau ausschauend, daß er mit bewundernden Bicken jeder ihrer Bewegungen folgte und dabei eine ziemlich zer streute Unterhaltung mit Berko führte. Noch zerstreuter aber war Hanna. Sie hatte soeben statt Tee eine Hand voll Zucker in die Teekanne getan, und starrte nun ganz erschrocken darauf, als sie das Teewasser auf- gießen wollte. Wo war ihre Ruhe, ihre Ge dankenklarheit geblieben, die schöne Harmonie ihres ganzen Seins! Lange Stunden hatte sie oben im dunklen Zimmer gesessen, bis sie sich endlich erinnert, daß man sie längst unten erwartete, und daß die Stellung, die sie hier im Hause einnahm, ihr nicht gestattete, sich solchem Träumen und Sinnen hinzugeben. Und nicht ihre Stellung allein, ach, das Leben, wie es in seiner ganzen Herbheit an sie herangetreten, gestattete solche Gedanken nicht. Mit welchem kecken Mut und jugendfroher Zuversicht hatte sie dieses Leben der Pflichten angetreten, stolz und glücklich in dem Gedanken, ihren teuren Angehörigen eine Stütze zu werden! Das Elend zu Haus qber war viel zu groß, qls daß Hanna es hätte lindern können. Rai- los stand sie demselben gegenüber, was sie tun konnte, um es zn lindern, war so gering. Allerdings, es hätte in ihrer Macht ge standen, mehr zu tun, wohl sah sie den Weg, den des Schicksals eherner kalter Griffel ihr in dieser Hinsicht vorschrieb. Solche Blüten zu pflücken, wie sie da vor ihren fieberheißen Augen, auf jenen lockenden Pfaden leuchteten, war ihr nun und nimmer gestattet; — fie wußte wohl, und doch — doch! — „Endlich kommst du, Hansl" tönte jetzt Elviras Helle Stimme an HannaS Ohr, und diese wenigen Worte gaben ihr plötzlich die ganze Klarheit ihrer Gedanken wieder. DaS Bündnis zwischen Hoff und Elvira war also nicht gelöst, wie fie halb gehofft und halb ge fürchtet hatte. Elvira und Hoff hckten fich also wieder versöhnt, und jedenfalls gelacht und gespottet über ste, die Gouvernante, mit welch«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)