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Allgemeiner Anzeiger : 23.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190407239
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040723
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040723
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-23
-
Monat
1904-07
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 23.07.1904
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politische AunclscbZu. Ruhland und Deutschland. * Mit den Russen müßte einmal ein recht deutliches Wort gesprochen werden, damit die Würde Deutschlands besser als bisher gewahrt erscheint. Und das könnte auch ganz bequem von Norderney aus geschehen. Ruß land ist noch aus den schlimmen Zeiten der „heiligen Allianz" her gewohnt, Preußen- Deutschland als Bagatelle zu behandeln. Im gegenwärtigen Königsberger Hochver rats-Prozesse, bei dem wahrhaftig keine Lorbeeren zu holen sind und der nur im freund nachbarlichen Interesse für Rußland geführt wird, geht die Rücksichtslosigkeit der russischen Behörden so weit, daß die selben sogar auf wiederholte dringende briefliche und telegraphische Anfragen deutscherseits ein fach nicht antworten. Und nun diese Beschlag nahme an Bord des deutschen Post- dampfers „Prinz Heinrich"! Es wird die höchste Zeit, daß die sonderbaren Eigenschaften der russischen Freiwilligen-Flotte international festgestellt werden. Die Russen selbst sprechen ihnen die Eigenart der Kriegs schiffe ab und daraufhin dürfen diese Schiffe auch, nach Übereinkommen mit der Türkei, die Dardanellen passieren. Sobald sie aber draußen find, stecken sic ihre wahre Miene auf und spielen Kriegsschiff, halten friedliche Handels und Postdampfer an und nehmen Beschlag nahmen vor; unter der friedlichen Handels flagge durchfahren sie die ihnen sonst ge sperrten Dardanellen, im Roten Meere stecken sie Plötzlich die Kriegsflagge aus! Es . wäre keine große politische Tat, wenn sich die Dreibundstaatcn nd England zu der Erklärung zusammenfänden, daß von ihnen die Dampfer der russischen Freiwilligenflotte eintach als Korsarenschiffe betrachtet und dem gemäß, d. h. als vogelfrei und außerhalb der Gesetze des Völkerrechts stehend, behandelt werden. Leider wird sich Deutschland wieder mit einer nichtssagenden russischen Entschuldi gung abspeisen lassen. Kann und will sich Rußland den Gebräuchen zivilisierter Staaten nicht fügen, so lasse man ihm seinen Willen und behandle es als Barbareskenftaat, etwa wie Marokko und Abesstnien. Das würde im übrigen auch der wirklichen politischen und militärischen Macht unsrer östlichen Nachbarn entsprechen, deren Selbstüberschätzung wir nicht durch eine Behandlung auf gleichem Fuße nähren sollten. * » * "Die dem deutschen Po st Kämpfer „Pnnz Heinrich" abgenommenen Post - säcke (bis aus zwei für Japan bestimmte) hat der russische Hilfskreuzer „Smolensk" wieder ausgeliefert, aber nicht an ein deutsches, sondern an ein englisches Schiff. Wie aus Aden vom Dienstag berichtet wird, hat der „Smolensk" die dem „Prinz Heinrich" abge- nomwene Post dem nach Bombay bestimmten Dan pfer „Persta" der Peninsular- and Oricntal- Line übergeben. — Die Beschwerde, die die deutsche Negierung in Petersburg sofort hat er heben lassen, ist also nicht ohne Wirkung ge blieben. * * * "England, das gleichfalls unter dem völkerrechtswidrigen Treiben der russischen Frei- Willigenflotte zu leiden hat (die Piraten haben den englischen Dampfer „Malacca" gekapert und einstweilen nach dem Hafen von Suez gebracht), wird mehrere Kriegsschiffe zum Schutzeseiner Schiffahrt nach dem NotenMeere ent senden. Der japauisch-rusfische Krieg. "Die in dem Feldzug eingetretene Pause dauert fort. Es sind keine weiteren Bewegungen der Japaner gemeldet worden. Ein Versuch, den der russische General Keller machte, um der Umgehung des linken Flügels der russischen Armee durch dis Japaner vor- zubcugen, ist nach einem scheinbar heftigen und verlustreichen Kampfe fehlgeschlagen. Alle Pässe befinden sich in den Händen der Japaner. Vor Port Arthur nichts Neues. "Die russische Kriegsberichterstattuug bleibt dabei, daß die Japaner kürzlich bei Port Arthur 30000 Mann verloren haben. * Der japanische Torpedobootszerstörer „Hayatory" hat eine Dschunke beschlag nahmt, die die P o st von Port Arthur nrch Tschifu bringen sollte. Briefe, die sich auf Angelegenheiten des Heeres oder der Marine in Port Arthur bezogen und die wertvolle Nach richten enthielten, wurden einbehalten; Briefe, die sich nicht mit militärischen Angelegenheiten beschäftigten, werden nach Petersburg aufge geben mit dem Ersuchen, sie den Adressaten zu übermitteln. * Die japanische Regierung hat der chinesischen einen Vorschlag für dis V e r w al tu n g der Mandschurei gemacht. Der Vorschlag fleht eine japanische Leitung, unterstützt durch chinesische Truppen, vor. (Wenn da zwischen Russen und Japanern „neutrale" chinesische Der geschlagene General Graf Keller. Truppen herumwimmeln, kann eine ganz nette Konfusion entstehen!) * * * Deutschland. "Der Kaiser ist am Dienstag in Drout- heim eingetroffen. Das Wetter hat sich abends gebessert. "über den Richtempfang der süd- westasrikanischen Ansiedlerabordnung wollen die Münch. N. Nachr/ von amtlicher Quelle folgendes erfahren haben: Der Reichs kanzler hat den Herren, als sie im Juni bei ihm vortprachen, zugesagt, daß er ihnen eine Audienz beim Kaiser vermitteln wolle. Dies ist geschehen. Der Kaiser hat sich sofort dazu bereit erklärt und die Zeit dafür nach seiner Rückkehr von der Reise nach Berlin bestimmt. Seit dem 18. Juni ist der Kaiser von der Reichshauptstadt entfernt. Zurzeit steht noch nicht fest, wann er nach Berlin zurückkehr!. Aber die südwestafrikanischen Ansiedler wollen ohnedies bis in den Herbst hierbleiben. Daß die Audienz stattfinden wird, ist ganz sicher, und die Ausstreuung, der Kaiser habe gesagt, er wolle nichts von Südwestafrika wissen, bis dort ein Sieg erfochten sei, ist völlig grundlos. "Das Rcichsgesundheitsamt tritt nach der ,Germ/ zu einer außerordentlichen Be ratung zusammen, um unter anderm auch die Typhusfrage zu erörtern. An den Ver handlungen nehmen auch die Generaloberärzte des Laudheeres und der Marine, sowie zahlreiche Generalärzte teil. "Im Königsberger Hochverrats- und Geheimbund-Prozeß verlas der Vorsitzende in der Montags - Verhandlung ein Schreiben des als Zeugen geladenen Plechanow, in dem dieser erk'ärt, nicht erscheinen zu können, da er befürchte, nach seiner Zeugenaussage an die russische Grenze gebracht zu werden. Nach Vernehmung des Sachverständigen und Zeugen Professor v. Neußner beschloß der Gerichtshof, durch Vermittelung des JnstizministerS das Auswärtige Amt um amt ¬ liche Auskunft zu ersuchen, ob bezüglich des 8 260 des russischen Strafgesetzbuches ein Staats vertrag oder ein veröffentlichtes Gesetz be stehe, kraft dessen dem Deutschen Reiche die Gegen seitigkeit gewährleistet ist. Im weiteren Verlaus der Verhandlung wurden mehrere Angestellte der Expe dition des.Vorwärts' über den Verkehr von Russen in den Räumen des .Vorwärts' vernommen. Bruhns gab zu, daß an ihn einmal ein Paket aus England gekommen sei, und daß als Name des Absenders eines Pakets der Mädchenname seiner Frau an gegeben war.—In der Dienstags-Verhandlung verlas der Dolmetscher Dr. Rost die bei den Angeklagten vorgesunden Schriften. Der Vorsitzende teilte mit, daß ein Telegramm des Justizministers ein gegangen sei, das besagt, daß ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Rußland nicht existiert. Der Gerichtshof beschloß, die russische Regierung um Auskunft zu ersuchen, ob in Rußland ein publiziertes Gesetz im Sinne des 8 260 des russischen Strafgesetzbuches besteht, durch das seitens Rußlands dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verteidigung beantragte, den Bürgermeister Peikoff-Sofia, den früheren russischen Dolmetscher Jacobsohn - Rustschuck und einen Redakteur der ,Wetscherna Posta' in Sofia als Zeugen zu laden. Diele würden den Nachweis e bringen, daß die russische Regierung seit 1881 in den Balkanländern Agenten unterhalte, die die Aufgabe hätten, das Volk zum Aufstande gegen ihre Regierungen aufzu reizen und die auch verschiedene Attentate, z. B. auf Stambulow und das frühere serbische Königspaar, ver anlaßt hätten. Es sei dies für die Strafzumessung von höchster Bedeutung, da hierbei in Betracht komme, ob Hochverrat gegen ein-n Rechtsstaat unter nommen sei oder gegen einen Staat, der durch An stiftung zu Verbrechen den Anspruch auf den Namen eines Rechtsstaates vollständig verwirkt habe. Der Gerichtshof behielt sich die Beschlußfassung vor. Frankreich. * Znm französisch-vatikanischen Konflikt hat der Ministerrat beschlossen, vom Vatikan zu verlangen, daß die an die Bischöfe von Dijon und Laval gerichteten Briefe zurück gezogen würden. Falls der Vatikan das ver weigere, sollen alle diplomatischenBe- ziehungen endgültig abgebrochen werden und der Nuntius seine Pässe erhalten. Delcassö sei beauftragt worden, den Beschluß des Ministerrats dem Nuntius baldigst bekannt zu geben. "Michel Lagrave, der französische General - Kommissar der Weltausstellung in St. Louis, der Edgar Combes vor der Karthäuser-Kommisfion einen Lügner genannt hatte, ist abgesetzt worden. An seine Stelle ist der Kommissar der letzten Pariser Weltaus stellung, Picard, getreten. Holland. Das deutsche Geschwader ist in den letzten Tagen in Ho11and, im Haag, in Vlissingen und in Scheveningen ebenso wie in der Woche vorher Gegenstand freundlicher Sympathiekundgebungen gewesen. Ein ange kündigter Besuch der Schiffe durch die Königin hat aber nicht stattgefunden. " Die Regierung hat die Auflösung der Ersten Kammer der Generalstaaten wegen der Ablehnung der Unterrichisvorlage beschlossen. Die Neuwahlen finden Mitte August statt; die neugewählte Erste Kammer soll am 20. September zusammentreten. Var Reichsverstcherungsamt konnte dieser Tage das Jubiläum seines 20 jährigen Bestehens feiern. Aus diesem Anlaß veröffentlichen die von ihm herausge gebenen ,Amtl. Nachr.' einen Rückblick, in dem es u. a. heißt: Der Zeitraum von 20 Jahren ist ausgesüllt mit einer reichen Fülle von Arbeiten, die das Ziel verfolgten, die Arbeiterverficherungsgesetze als neues und bedeutsames Glied in den Organismus des staatlichen und öffentlichen Lebens einzuführen, sie mit andern, dem Wohle der arbeitenden Klassen dienenden Einrichtungen in wechselseitige Verbindung zu bringen, Hand in Hand mit den Lardesbehörden die Zwecke des Gesetzes zu fördern und das Vertrauen der Versicherten auf den Bestand und die Er giebigkeit des ihm gewahrten Rechtsschutzes zu stärken. Dabei trat nur insofern eine Ver schiebung ein, als in der ersten Zeit die organisatorische und normcnbildende Tätigkeit des Reichsverflcherungsamts mehr !m Vorder gründe stand, während im Laufe der Jahre — neben der lautenden Verwaltung und einer intensiven Aufsichtsführung — die Aufgaben, die dem Amte in seiner Stellung als oberster Gerichtshof zugewiesen sind, mehr und mehr an Umfang und Bedeutung gewannen. Der Kreis der Tätigkeit des Reichsversicheruugsamts ist durch die weiters Attsgestaltung und Aus dehnung der Unfallverflcheruupsgesetzc sowie durch das Jnkraftreten der Invalidenversicherung vielfach erweitert worden, was naturgemäß wiederholt eine starke Vermehrung der Mit gliederzahl bedingte. Im wesentlichen un berührt ist dagegen die eigenartige Zusammen setzung des Reichsversicherungsamts geblieben, jür die nach der Absicht des Gesetzes lediglich die Rücksicht maßgebend war, die Behörde un abhängig und vertrauenswürdig zu gestalten. Die Besetzung mit nichtständigen Mitgliedern und die Zuziehung von richterlichen Beamten zu bestimmten Entscheidungen hat auf die Arbeiten zweifellos eine günstige Einwirkung gehabt; sie sind dadurch nicht allein anregender gestaltet, sondern auch wesentlich gefördert worden. In den nichtständigen Mitgliedern sand das Reichsverstcherungsamt die Kräfte, die in verständnisvoller Weise die Vermittelung der hier vertretenen Anschauungen gegenüber den Versicherungsträgern und den Kreisen der Ver sicherten übernahmen. Denn auf dem neuen Arbeitsgebiete, bei dem die Ergebnisse unsicher schienen, und die Erfolge mehr oder weniger in weiter Ferne lagen, mußte bei allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung von vornherein besonderer Wert auf möglichste llbereinstimmung aller beteiligten Kreise gelegt werden. Daß sie regelmäßig erzielt werden konnte, und daß auch sonst die Bestrebungen des Amtes vielfach günstige Aufnahme und tatkräftige Unter stützung erfahren haben, war in erster Linie der eifrigen Mitarbeit, dem Entgegenkommen und schließlich auch der sozialen Denkungsweise der dem Reichsversicherungsamt angehörenden nicht ständigen Mitglieder zu verdanken. Der gleiche Dank gebührt auch den richterlichen Beamten, die mit dem Anwachsen der Spruchsachen in immer steigendem Maße zu den Arbeiten des Reichsversicherungsamts herangezogen werden mußten und an ihnen mit sachkundigem Geschick teilgenommen haben. Das einmütige Zusammenwirken der im Reichsversicherungsamt vereinigten, den ver schiedenen Berufs- und Jnteressenkreisen ange hörenden Kräfte, so heißt es zum Schluß, bil dete die Grundlage für die bisherigen Arbeiten des Amtes; das feste Vertrauen hierauf be gründet auch für die Zukunft die zuversichtliche Hoffnung, daß die ihm anvertrauten sozial politischen Aufgaben stets eine verständnisvolle und gedeihliche Förderung zum Frommen des deutschen Volkes erfahren werden. Von uncl fern. Kaiserliches Beileidstelegramm. Der Gemahlin des Professors v. Esmarch, bekannt lich einer geborenen Prinzessin von Schleswig- Holstein, ist seitens des Kaisers aus Anlaß deS Unfalles, von dem kürzlich ihr Gemahl betroffen wurde, von Molde aus das folgende Beileids telegramm zugegangen: „Mit aufrichtiger Teilnahme höre ich soeben von dem Unglücks salle Deines verehrten Gatten und wünsche herz lichst, daß dessen seltene Konstitution den Bruch des Schlüsselbeins bald überwindet. Sehr dankbar wäre ich Dir für eine telegraphische Nachricht über das Befinden Deines lieben Patienten. Herzlichen Gruß Wilhelm." Der englische Torpedobootszerstörer „Haughty" ist von dem auf der Reise von London am Montag in Hamburg eingetroffenen englischen Dampfer „Hirondelle" überrannt worden. Aus der Beschaffenheit des Buges der „Hirondelle" kann man schließen, daß die „Haughty" direkt ausgeschnitten sein muß. An der linken Seite des Buges hat die „Hiron delle" oberhalb der Wasserlinie ein Loch, das mit Säcken notdürftig zugcstopft winde. Der erste Offizier erklärte, daß bei dem Zusammen stoß niemand ertrunken sei. K Auf Kukmesköken. 7j Erzählung von F. Stöckert. -aorUktzmiga „Hans, Hans!" hörte Hoff jetzt plötzlich dicht neben sich seinen Namen rufen. Er fuhr zusammen. Das war Elviras Stimme. Scheu wendete er den Kopf um. Ja, da saß Elvira wirklich dicht neben ihm, toten blaß und mit einem Ausdruck in den blauen Augen, der ihm ziemlich unheildrohend erschien. „Du bist Hannas wegen hier," sagte Elvira mit leiser, bebender Stimme. „O, ich wußte es ja, blindlings geht ihr Männer in die Netze solcher Koketten. Nicht genug, daß sie mir Papas Liebe geraubt hat — nein, auch dich sucht sie zu betören!" „Aber Elvira, ich bitte dich um Himmels willen, mache hier keine Szene, du regst dich einmal wieder ganz unnötig einer Bagatelle wegen auf," erwiderte Hoff mit erheuchelter Ruhe. „Einer Bagatelle! Hätte mir Friedrich, unser Kutscher, nicht gesagt, daß er dich in das Theater gehen sah, dann säße ich jetzt noch zu Hause und lauerte auf dich." „Nun, ich wäre ja auch noch gekommen! Als ich hier vorüberging, lockte es mich einmal unwiderstehlich hinein in den Musentempel." Elvira sah ihn mißtrauisch an. „Ich habe dich ja beobachtet! Keinen Blick hast du auf die Bühne geworfen, nur Hanna hast du an gestarrt." „Nun ja, du sollst recht haben, darum bin ich hier," erwiderte Hoff trotzig; „bitte, störe mich nun auch nicht weiter." Elvira erhob sich, ihr Gesicht war totenblaß und sie sagte leise, flehend: „Willst du die Güte haben, mich jetzt nach Haus zu begleiten? Hanna und mein Papa brauchen es vorläufig nicht zu erfahren, wie es mit uns steht, es ist bester, sie finden uns zu Haus, als hier. Bitte, komm!" Hoff geleitete Elvira hinaus, stumm hing er den Mantel um, dann wanderten sie durch die stillen winterlichen Straßen. Elvira begann ein Gespräch über gleichgültige Dinge, und ihr Begleiter vermochte nicht zu ergründen, was in dem Innern der jungen Dame vorgehen mochte. Zu Haus angekommen, ließ Elvira Tee- waffer bringen, nnd bereitete den Tee selbst, dann bat sie Hoff, die am vergangenen Abend unterbrochene Erzählung ihr weiter vorzulesen. Sie nahm eine Handarbeit und setzte sich neben ihn. Und wie sie so znsammensaßen in dem traulichen Gemach, bei mildem Lampenlicht, während das Teewasser leise brodelte, bot das Ganze ein so friedlich harmonisches Bild, und nichts verriet die innere Erregung, in der die beiden Menschen sich befanden, als vielleicht die etwas nervös zitternden Finger Elviras, und Hoffs Stimme, die so eigen rauh und seltsam heute beim Vorlesen klang. Eine Stunde mochte vergangen sein, da kehrten der Kommerzienrat, Hanna und Lilly auch aus dem Theater heim. Elvira eilte ihnen entgegen und war voller Aufmerksamkeiten, besonders für Hanna. „Nein, wie du erfroren bist!" rief ste, indem sie ihr dienstfertig den Mantel abnahm. .Warum hast du nur den Wagen nicht wieder bestellt, Papa?" „Friedrich muß morgen früh sehr zeitig nach der Bahn fahren, Kind, da muß er ausschlafen. Übrigens ging es sich ganz gut, nicht wahr, Fräulein Hanna?" wandte er sich mit vertrau lichem Tone an diese. „Du scheinst nicht so entzückt von dem Heimweg, wie Papa," neckte Elvira, „hier, er wärme dich nur erst mit einer Tafle Tee. Willst du auch eine, Papa, oder bedarfst du der inneren Erwärmung nicht?" „O warum nicht, gib nur her, du Schelm, übrigens morgen müßt ihr auch ins Theater, Kinder, die Bartels spielt in der lustigen Operette entzückend. Wir haben gelacht, bis zu Tränen. Für Lilly war es freilich nichts. Geh du nur zu Bette, Lilly, das Mädchen kann ja kaum noch aus den Augen sehen vor Müdigkeit. Wo ist denn die Nanny?" „O, die hat sich gleich als ihr fort wäret, schluchzend in ihre Gemächer verfügt," erwiderte Elvira. „Wir haben uns auch nicht weiter ge grämt, ihre interessante Gesellschaft entbehren zu müssen, nicht wahr, HanS?" Hoff stand an seinen Stuhl gelehnt und starrte wie ein Träumender auf die drei Menschen, die so heiter und harmlos mit einander verkehrten, als rauschten nicht die ver heerenden Leidenschaften in ihrer nächsten Nähe. Er fragte sich, was wohl Elvira im Schilde führen mochte mit ihrem Gebaren, aber er fand keine Antwort darauf. Und nun Hanna, wie sie dort in dem weichen Polster des Fauteuils lehnte, wie Elvira ihr den Tee kredenzte und der Kommerzienrat ihr galant eine Fußbank brachte! Hatte das nicht den Anschein, als wäre sie schon Herrin hier i» diesem Hause und nicht die Gouvernante?! — Als Elvira sich jetzt zu ihm wandte, faßte er sich gewaltsam. Warum sollte er nicht seine Rolle in diesem tollen Maskenspiel des Lebens auch mit aller Bravour spielen wie Elvira und Hanna? Der Kommerzienrat war wohl der einzige, der sich offen und rückhaltlos gab und ohne Um- und Schleichwege unverrückt auf fern Ziel lossteuerte. , „Nein, wir grämten uns durchaus nicht, bestätigte Hoff jetzt Elviras Ausspruch in betreff Nannys. „Es war ja ein reizend gemütlicher Abend! Morgen wollen wir dann die Bartels bewundern, nicht wahr, Schatz?" „Ja, und übermorgen ist der Maskenball im Kasino, ich habe mir heute schon KeMme an gesehen. Du gehst doch auch mit, Hanna r sagte Elvira jetzt heiter. „Natürlich begleitet uns Fräulein Hanna! rief der Kommerzienrat, „die Billets find schon bestellt für uns alle." „Die Eisbahn auf dem schwarzen See M ja auch eröffnet!" warf Hoff jetzt boshaft da- zwischen. . DaS war wenigstens ein Feld, dem ver Kommerzienrat fern bleiben mußte. treiben doch auch den Schlittschuhsport, gnädige» Fräulein?" wandte Hoff sich dann an Hanna- „Ich laufe mit Leidenschaft Schlittschuh, erwiderte diese, und ein Strahl Heller Jugeno- lust brach aus ihren Augen. Der KommeAen rat blickte ste verblüfft au; ste sah plötzlich !»
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