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Allgemeiner Anzeiger : 09.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190407093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040709
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040709
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-09
-
Monat
1904-07
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.07.1904
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politische Kunstbau. Der russisch-japanische Krieg. *Bei Port Arthur sollen am letzten Sonntag, wie nach Tschifu gemeldet wurde, die feindlichen Streitkräfte nur noch eine Meile voneinander getrennt gewesen sein; beim Vorgehen befestigen die Japaner einen Hügel nach dem andern mit schweren Geschützen; es heißt, sie hätten schon 150 von diesen Kanonen bei Dalny ausgeschifft. * Mit der nunmehr eingetretenen Regen- Periode greift eine Macht in den Kampf ein, die hoch über allem Kriegerwillen steht. Die Bewegungen der Truppen auf beiden Seiten werden durch diese Regengüsse ungeheuer erschwert und alle Marschbewegungen können durch sie durchkreuzt werden. Kommt es jetzt nicht rasch zu einer Entscheidungsschlacht, so ist nach russischer Ansicht der Augenblick für einen erfolgreichen Sommerfeldzug vorüber. Es würde sich dann ein Guerillakrieg entwickeln, der namentlich vorteilhaft für die Tschungtschusen ist, die den Russen noch immer außerordentliche Schwierigkeiten machen. Dieses Räubervolk ist daran gewöhnt, in kleinen Einzeltrupps zu manövrieren, kennt die örtlichen Verhältnisse natürlich aufs genaueste und nutzt sie mit großer Schlauheit aus. Die rasch und weit über Manneshöhe sprossenden Pflanzen, das alle Täler urwaldähnlich überwuchernde Gaoliang- gras, die üppige Vegetation überhaupt hindert den Vormarsch großer Truppenkörper, nament lich der Kavallerie. * Uber eine angebliche Änderung des russischen Kriegsplanes weiß der amerikanische.Kriegskorrespondent Oberst Emer son zu berichten: Das stetige Vordringen der Japaner und ihre völlige Gleichgültigkeit gegen die schweren Regen haben Kuropatkins Ver teidigungspläne völlig umgeworfen, und er ist jetzt bereit, zu Liaujang eine Schlacht zu liefern. Nach Schätzung eines deutschen Offiziers hat er 115 000 Mann Infanterie, 15 000 Mann Kavallerie und 350 Geschütze zur Verfügung. — Andre Kriegskorrespondenten find dagegen der Meinung, Kuropatkin denke gar nicht daran, vor Beendigung der Regenzeit und vor dem Eintreffen größerer Verstärkungen eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen. * Das Wladiwostok-Geschwader fährt fort, sehr geschickt und glücklich zu operieren, wodurch es sich den Japanern recht unbequem macht und ihnen manchen Schaden zufügt. Jeder Versuch des japanischen Admirals, das russische Geschwader zu einem Kampf zu locken oder zu zwingen, ist bisher gescheitert. Deutschland. *Zum Einzug des neuvermählten groß herzoglichen Paares in Schwerin hat der Kaiser folgendes Telegramm geschickt: „Von mecklenburgischem Boden senden die Kaiserin und ich Dir und der Großherzogin zum Tage de? Einzuges in Eure schöne Hauptstadt unsre allerherzlichsten und wärmsten Glückwünsche. Gemeinsam mit Deinen getreuen Mecklenburgern nehmen wir regen Anteil an diesem Freudenfest und hoffen zu Gott, daß es Euch wie für das mecklenburgische Land der Markstein werden möge für eine Zeit ungetrübten Glückes und segensreicher, friedlicher Entwickelung. Unser Sohn wird der Dolmetsch unsrer Gefühle sein." Der deutsche Kronprinz ist denn auch am Dienstag in Schwerin eingetroffen. * Eine Wiener Korrespondenz verbreiiet die Nachricht, Kaiser Wilhelm werde den in Südböbmen zwischen Protiwin und Strakonitz stattfindenden österreichischen Kaiser- manövern beiwohnen und am 1. September auf dem Schloß Stekna des Fürsten Alfred Windischgrätz eintreffen. * Der Kommandant des deutschen Kanonen bootes „Panther" hat Order, sich bei seinem Eintreffen in Port au Prince mit oem Komman danten des französischen Kanonen bootes wegen gemeinsamen Vorgehens gegen die haitianische Regierung ins Ein vernehmen zu setzen. * Die in den jüngsten Debatten über die Novelle zum Münzgesetz vielfach bezeugte Un beliebtheit der neuen Fünfmarkstücke hat im Bundesrat zu einer bemerkenswerten Ent schließung geführt. Der vom Reichstage ge forderten Neuprägung von Dreimarkstücken hat der Bundesrat zwar nicht entsprochen, er hat vielmehr wegen dieser Differenz die ganze Novelle scheitern lassen. Aber in andrer Beziehung hat er den in der Öffentlichkeit ge äußerten Wünschen doch Rechnung getragen. Im Februar war ihm ein Antrag des Reichs schatzsekretärs zugegangcn, wonach 60 Millionen Reichsfilbermünzen neu geprägt werden sollten, und zwar 30 Mill, in Fünf-, 20 Mill, in Zwei- und 10 Mill, in Einmarkstücken. Inzwischen scheint sich Freiherr v. Stengel davon überzeugt zu haben, daß die Fünfmarkstücke ihrer Unhand lichkeit wegen höchst unpopulär sind, denn er brachte schleunigst noch vor der Vertagung des Bundesrats einen Abänderungsantrag ein, wo nach in diesem Jahre anstatt 30 nur 10 Millionen in Fünimarkstücken und dafür 35 Millionen in Zwei- und 15 Millionen in Einmarkstücken aus geprägt werden sollten. Diesen Antrag hat der Bundesrat auch angenommen. * Eine Biersteuerreform kündigt die ,Nationa!lib. Korresp/ für die nächste „Arbeits periode der gesetzgebenden Faktoren" an. Es solle versucht werden, durch Annäherung der Art der Bierbesteuerung (durch Staffelung) im Be reiche der norddeutschen Brausteuergemeinschast an den in Süddeutschland bestehenden Zustand der Dinge das zur Anerkennung zu bringen, was im Artikel 35 der Reichsverfassung als Ziel hingestellt wird. * In den Regierungsinstanzen sind, wie die ,Schles. Ztg/ berichtet, gegenwärtig neue Polizei-Verordnungen über da? Meldewesen in Bearbeitung, die schon am 1. Oktober d. in Geltung treten sollen. Wesent lich und neu in diesen Verordnungen wird die Bildung einer An- und Abmeldeverpflichtung auch sür die sogenannten landwirtschaft lichen Saisonarbeiter sein, um eine Kontrolle auch über diese hin- und herflutende, in den verschiedensten landwirtschaftlichen Be trieben beschäftigte Bevölkerung zu ermöglichen. *Weibliche G e w erb e aufsi ch ts - beamte gibt es auch im Königreich Sachsen vom 1. Juli d. ab. Nach einer Verfügung des königlichen Ministeriums des Innern soll von diesem Zeitpunkte ab für den Bezirk jeder Kreis hauptmannschaft ein weiblicher Gewerbeauffichts- beamter bestellt werden, insbesondere zur Über wachung der Ausführung des Gesetzes über die Kinderarbeit und für die Beaufsichtigung solcher Betriebe, in denen weibliche Arbeiter be schäftigt werden. *Die bayrischen Polizeibehörden find angewiesen worden, allen Ersuchen englischer Behörden um Festnahme oder Ermittelung in England verfolgter Verbrecher, künftighin grundsätzlich nicht stattzugeben, weil die Gegen seitigkeit in dieser Hinsicht von englischer Seite nicht sichergestellt ist. Die Polizeibehörden haben sich ihrerseits derartiger Anträge bei den englischen Behörden zu enthalten. (Die Ver brecher und solche, die es werden wollen, werden sich über diesen Polizeitonflikt nicht wenig freuen.) Frankreich. * Der Bei von Tunis soll am 12. Juli als Gast der französischen Regierung in Paris eintreffen, wo er an der Seite des Präsidenten der Republik der Revue vom 14. beiwohnen und durch verschiedene Festlich keiten geehrt werden wird. * Der Schluß der französischen Kammer session ist seitens der Regierung ür den 8. oder 9. d. in Aussicht genommen. An die Möglichkeit, daß es vor dem Auseinander gehen des Parlaments zu einer Kabinetts krise kommen könnte, werde kaum von jemand noch geglaubt. *Es ist jetzt sicher, daß die Dreyfus- Sache vor ein neues Kriegsgericht iommen wird, da der Kassationshof fest ent- chlossen ist, die Unschuld des Hauptmanns Dreyfus öffentlich zu bestätigen. Balkanstaaten. * Ubereinftiwm nide Konsiliarberichte aus Monastir melden, daß infolge der Kirchen streitigkeiten und der Verhetzungen die Stimmung zwischen Bulgaren, Griechen und Kutzow al,lachen derartig erregt ist, daß sie geeignet ist, die Reformaktion zu stören. Ein energisches, aber unparteiisches Eingreifen seitens der türkischen Behörden sei dringend ge boten. *Die serbische Krönung findet am 21. September im Kloster Zica statt. Aus Anlaß der Krönung werden in Belgrad be sondere Festlichkeiten in der Zeit vom 24. bis 26. September veranstaltet. Afrika. *Der tolle Mullah steht gegenwärtig bei Nogal mit 5000 Mann. Mehrere Stämme jener Gegend legen eine große Unruhe au den Tag: man fürchtet, daß sie sich dem Mullah anschließen werden. In der letzten Sitzung des Herrenhauses am Montag wurde das vom Abgeordnetenhause be schlossene Fleischuntersuchungsverbot erledigt. Nach der Vorlage sollen die Bestimmungen des Schlacht hausgesetzes von 1868/91 über den Untersuchunqs- zwang für das nicht in den Schlachthäusern selbst ausgefchlachtete Fleisch keine Anwendung finden auf das von auswärts eingeführte bereits tierärztlich untersuchte frische Fleisch. Hierauf verlas Minister Frh. v. Hammerstein die königl. Kabinettsorder, wonach der Landtag bis zum 18. Oktober ver tagt wird. Im Nbgeordnetenhause stand am Montag ledig lich die Entgegennahme der Allerhöchsten Botschaft wegen Vertagung des Landtags auf der Tages ordnung. Der Präsident beraumte die nächste Sitzung auf den 25. Oktober an. Ontergang eines äänilcken IuswLnäerei'l'cbiffes. Eine schwere Dampfer-Katastrophe hat sich am Sonntag ereignet. Der dänische Amerikadampfer „No'ge" mit etwa 770 Per sonen an Bord, strandete nördlich von Schott land. Die privaten und amtlichen Angaben über den Verlust an Menschenleben schwanken. Jedoch ist als Mittel der Angaben anzunehmen, daß etwa 630 Personen den Tod in den Wellen ge sunden haben. über den Untergang des dänischen Dampfers „Norge" werden folgende nähere Einzelheiten berichtet: Dampfer „Norge", auf der Fahrt von Kopenhagen nach New Jork, wurde am 28. Juni anscheinend aus seinem Kurs gerissen und stieß auf die Klippen des Rockhallriffs, 200 Meilen westlich von den Hebrideninseln. Kapitän Grundel ließ die Maschine sofort rück- wärts steuern, der Dampfer hatte aber in der Seite ein so großes Leck, daß das Wasser mit großer Gewalt eindrang und alles überflutete, so daß jede Hoffnung auf Rettung entschwand. Acht Boote des Schiffes wurden darauf zu Wasser gelassen, von denen drei an der Bord wand des Schiffes zerschellten. Von den übrigen fünf Booten, die mit Passagieren über füllt waren, gelang es nur zweien, von dem Schiffe abzukommen. Einer von den geretteten Passagieren berichtet, er habe zwei Boote kentern sehen, und zahlreiche Personen, die mit Reltungsgürteln versehen waren und in? N sprangen, seien vor seinen Angen ertmM Es habe keine Panik geherrstüt. Ü'-V Matrosen hätten ihr Leben geopfert, um Frauen und Kinder zu retten. Von unci fern. Der vritte grosse Mann. In der Sitzung der Möbel-Börse in St. Louis das Modell des Stockes vorgelegt, der ».«.I Holz von den auf dem WeltausstellungM?! gefällten Bäumen als Gelchenk für den deiEi Kaiser angefertigt werden toll. Der Stock M'i die geschnitzten Bildnisse des heiligen nach dem St. Louis genannt ist, sowie der größten Männer" der letzten Jahrhuudem nämlich Friedrichs des Kroßen, Keorg MiM tons und des Ansstellungspräsidenten D«^ R. Francis, tragen. Die Finanzlage der Düsseldorfer A«^ stellnng ist bei dem von Tag zu Tag A nehmenden Interesse sehr günstig; io M von der städtischen Sparkasse zu Düsseldorf Beginn der Ausstellung entliehene Kapital 100 000 Mk. bereits zurückgezahlt wirf können. Die Sparkasse hatte gegen Pc-rpMtti der Garantiescheine damals 350 000 Mk. E Verfügung gestellt. Die Einnahmen der A«" stellnng an Abonnements, Eintrittsgeldern A Zollabgaben betrugen im Monat Juni 2Ä Mark. Im Monat Juni wurden neue Matt' ments gelöst für 12 000 Mk. Die summe der bis jetzt gelösten Abonnements trägt 366 860 Mk. Das Kochbuch weiland Fürst Münster^ Es ist bei dem Tode des früheren dentis Botschafters in Paris, Fürst Münster, erD worden, er habe seinerzeit ein Kochbuch hem«" gegeben. Dieses ist jetzt vom .Ganlois' en« deckt morden. Das Buch ist in Wirklichkeit der Frau des damaligen Grasen Münster f faßt, die jedoch vor der Herausgabe starb. Gatte fügte deshalb, es war im Jahre 1M» ein Vorwort hinzu, in dem er auch hervorlM wie viele Hausfrauen nicht richtig zu koche« verstehen. Unterschlagung in der Marine. Ttt Bootsmannsmaat Düffert von der Törpts abteilnng in Kiel hat 2000 Mk. von der Menage kaffe unterschlagen nnd ist geflüchtet. Blutiges Ghedrama. In Göttingen spiel« sich ein blutiges Ebedrama ab. Der Lizcfcld' Webel Kleinschmidt vom dortigen Regiment «el- letzte seine Frau und sein Kind mit einem Rasiermesser schwer. Sich selbst schnitt er N" dem Messer den Hals ab. vor vor- vom vollständige Heilung des Ingenieurs zu zielen, der sich das eine Bein vollständig ver brüht hatte, wurden einem Schwager d«- Patienten auch aus Arm und Bein HauMw entnommen und ausgebracht. Das Befinde« des Patienten soll zufriedenstellend sein. Ein Totengräber als Leichensrhändet- Man ist in Meiderich einer entsetzlichen Fried' Hofsschändung aus die Spur gekommen. N« Totengräber und seine Söhne werden beschuldigt Sargbeschläge von bereits vergrabenen Särge« entwendet und wieder verwertet zu haben, irr besteht sogar der Verdacht, daß die Genannte«, die ein Sargmagazin haben, ganze Särge miede« ausgegraben, die Leichen einfach verscharrt un° die Särge verkauft haben. Sportausstellung geschmückt. Alles das Schwindel. Opferwillige Verwandte. Die einigen Tagen im Baireuther Kraukenhause genommene Übertragung von Hautteilen - . Sohn auf den Vater hatte die Aufheilung bm- nahe aller Hautteile zur Folge. Um nun eine Der falsche Hoflieferant. Der wegf« vielfacher Wechselfälfchung verhaftete Prokurist Heymann der Münchener Hemdenfaby' Stein u. Komp, hatte auf Geschäftskalten, für die Provinz bestimmt waren, das preußisch« Hofwappsn geführt, um damit den Leuten ««' zndeulen, er sei Hoflieferant. Znc Rechten de» Wappens führte er das Bildnis des PeiP' Regenten. Seine Briefbogen hatte er außerdem noch mit Medaillen der Allgemeinen deutsche« - — - Mar O Auf Aukmesköken. 8s Erzählung von F. Stöckert. „Müde! Von den paar Tänzen?" Hanna lachte, und dies Lachen klang so herzerfrischend, wie Hoff noch nie meinte eine Dame lachen gehört zu haben. „Ich gehöre nicht zu den zarten verweichlichten Naturen," fuhr Hanna heiter fort. „Nerven wie von Stahl, und eine Elastizität in den jungen Gliedern, wie die Rehe! pflegte unser alter Hausarzt stets von uns Geschwistern zu sagen." „Und das Examen hat Sie, wie eS scheint, auch nicht angegriffen." „Nein, durchaus nicht, es war nicht allzu schwierig. Ich bin noch an demselben Abend, als das Examen vorüber war, zum Staunen meiner Kolleginnen, die alle halbtot vor Aufregung waren, nach dem Opernhause ge gangen, da eS mich lange nach einem Kunst genuß verlangte, nachdem mein Geist sich ein ganzes Jahr lang mit trockener Wissenschaft herumgeplagt hatte." „Sie find natürlich auch sehr musikalisch?" forschte Hoff. „Nein, das bin ich durchaus nicht, ich ver stehe nur so viel von Musik, um meinen künftigen Zöglingen einigen Unterricht im Ge- sang und Klavierspiel zu geben; zu den Gesell- schastsplagegcistem, die mit fraglicher Kunst fertigkeit in der Musik die Ohren ihrer Mit menschen quälen, zähle ich glücklicherweise nicht." „Wahren Sie Ihre Zunge, gnädiges Fräu ¬ lein," sagte Hoff scherzend; „von derartigen Plagen ist auch unsere Gesellschaft hier in dieser guten Stadt sehr heimgesucht." Hanna Delio sah lächelnd zu ihm auf. „Allerdings mögen diese Plagen in kleineren Städten fast noch schlimmer grassieren, wie in größeren, wo man doch immer Gelegenheit hat, wirkliche Künstler zu hören, denen gegenüber man dann zum Bewußtsein seiner eigenen Stümperei kommt und dann seine musikalischen Neigungen etwas mäßigt." „Dazu gehört aber doch wyhl immer etwas bescheidene Denkungsart, die auch nicht jeder besitzt," sagte Hoff und dachte dabei an seine Brant, die sich, wie es schien, durch den größten Künstler der Welt nicht würde davon abbringen lassen, daß sie nicht ebensogut Künstlerin sei und vor allen Dingen eine große Künstlerin werden müsse. Dabei erinnerte Hoff sich aber auch, daß er nun lange genug mit dem hübschen Mädchen neben sich geplaudert hatte. Die ver lockenden Polkaklänge waren ohnedies ver stummt, und es konnte seiner Braut mißfallen, ihn so lange an der Seite von Fräulein Delio zu sehen. So erhob er sich denn, verbeugte sich, und ging hinüber nach der andern Seite des Salons, wo Elvira in eifriger Unterhaltung mit einem jungen Assessor stand. Hoff kam gerade noch hinzu, um einige hochtönende, ihm schon ziemlich bekannte Phrasen über den Dichterkomponisten Richard Wagner nnd seine Götterdämmemng aus dem Munde seiner Braut zu vernehmen. Wie so ganz anders klang das gegen die Worte über Musik, die er soeben aus dem Munde Hanna Delios vernommen hatte, und wie kontrastierte das nervös erregte Gesicht Elviras gegen die ruhigen, klaren, edlen Züge Hannas. „Auch einer von solchen Herren, wie sie früher um mich geworben haben, äls mein Vater sein Vermögen noch nicht verloren hatte," murmelte Hanna jetzt ziemlich geringschätzig, als sie Hoff neben seiner reichen Braut und dem jungen Assessor stehen sah, und ihre Gedanken schweiften zurück, in eine Zeit, wo sie gefeiert, umschwärmt und umworben war wie selten ein Mädchen. Keiner aber von all den Verehrern, die ihr damals gehuldigt, hatte je einen Funken tieferen Interesses bei ihr erweckt. Doch was sollte nun, wo sie ohne Vermögen und ohne ernsthaften Freier war, aus Hanna werden, wenn es sie nun doch einmal packen sollte, jenes all mächtige Gefühl, das da die Menschenherzen verwandelt und sie himmelhoch jauchzen oder zum Tode betrübt werden läßt? „Es bleibt also bei unsrer Verabredung, Fräulein," tönte da plötzlich die Stimme ihres Tischnachbars, des Kommerzienrats Berg, an HannaS Ohr und riß sie aus ihren trüben Ge danken. Der Kommerzienrat wollte sich verab- schieden und reichte ihr herzlich die Hand. „Gewiß, Herr Kommerzienrat," erwiderte Hanna mit einem stolzen Neigen des schönen Köpfchens. Auch das Brautpaar trat jetzt zu ihr heran. Elvira hatte eine etwas herablassende, gnädige Miene angenommen. „Auf Wiedersehen, Hanna," sagte sie, ihr die Hand reichend. Haff machte seine Verbeugung, seine und Hannas Blicke begegneten sich und beide wußten es vielleicht selbst kaum, mit welchem Ausdruck von Interesse dies geschah. „Ich habe Fräulein Delio gestern abend gebeten, die Stelle von Fräulein Culon am ersten Oktober zu übernehmen!" Dies teilte der Kommerzienrat Berg am andern Morgen seiner Tochter Elvira mit, als sie beide zu ziemlich später Stunde ihr Frühstück einnahmen. Elvira sah erstaunt zu dem Vater auf. -Du sprachst doch immer davon, Nanny und Lilly nach einer Pension zu bringen, wenn Fräulem Culon, die bisherige Erzieherin meiner jüngeren Geschwister, uns verlassen würde?" sagte Elvira- „Ja, das war auch eigentlich meine Absicht- Ich hatte schließlich einen wahren Schrecken be kommen vor allen Gouvernanten. Sie findw altjüngferlich, so allwissend, und behändem unsereinen wie einen wahren Ignorantem Fräulein Delio ist aber ganz anders, so einfa« und natürlich, dabei so gebildet und nett, daö man selber bei ihr in die Schule gehen möchte, erklärte der Kommerzienrat. , ., „Ich hätte für die beiden Mädchen, jetzt» wo ich an meine Verheiratung denke, eme Pension paffender gefunden, als die Annaym einer neuen Gouvernante," meinte Elvira un etwas gereizter Stimme. „Da du es Hann» aber nun einmal zugesagt hast, läßt sM^a allerdings nichts ändern. Für sie ist eS Meb l-ch ein großes Glück, so »schnell eine angenehme Stellung zu bekommen; wie «tz
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