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211, 11 September 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Ttschn. Buchhandel. 10381 Herbeiführung oder Unterstützung solcher positiven Maß nahmen diese gemeinsamen Interessen zu fördern. Und er soll endlich versuchen, die verschiedenen im Bunde vereinigten Richtungen und Erwerbsgruppen einander anzunähern. Es kann keine Rede davon sein, daß es dem Hansa- Bund, wenn er diese klare Politik verfolgt, jemals an Ge legenheit zur Betätigung fehlen würde; dafür wird das positive Programm sorgen, das von dem Direktorium des Bundes aufzustellen ist, und das, soweit ich es bisher zu übersehen vermag, eher zu viel als zu wenig Punkte umfassen dürfte, ganz abgesehen davon, daß jeder neue Tag neue, bis jetzt noch gar nicht geahnte Aufgaben bringen wird. Dafür werden aber auch schon die Gegner sorgen, die immer wieder von neuem versuchen werden, Maßregeln und Gesetze zu provozieren, die Gewerbe, Handel und Industrie im schwersten Maße schädigen. Solche Gesetze zu verhindern und da für zu sorgen, daß bereits erlassene derartige Gesetze wieder auf gehoben oder doch so umgestaltet werden, daß sic wenigstens in ihrer Ausführung den gewerblichen Interessen Rechnung tragen, ist ein gemeinsames Interesse von Gewerbe, Handel und Industrie. Ihr größtes gemeinsames Interesse aber ist gerade das, was den Hansa-Bund vor allem zusammengefllhrt hat; der Kampf gegen eine einseitige demagogisch-agrarische Richtung, die bewußt die Lasten und Rechte im Staate ungleich ver teilen will, und der Kampf um die Durchführung des weiteren Zieles, dem erwerbstätigen deutschen Bürgertum eine feiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechende Stellung in der Gesetzgebung, Verwaltung und Leitung des Staates zu verschaffen. Der Kampf um diese Ziele muß meines Er achtens an der Spitze des positiven Programms des Hansa- Bundes stehen. Um ein solches umfassendes Programm, sei es bei den Wahlen, sei es außerhalb derselben, durchzuführen, müssen alle Mittel ergriffen werden, welche geeignet find, die Macht jener Richtung zu brechen, die davon ausgeht, daß auf Grund eines dem Gesetze gleichstehenden Gewohnheitsrechts allein die auf ihr wirtschaftliches Programm eingeschworenen Ele mente die Herrschaft im Staate beanspruchen könnten, während die übrigen lediglich dessen Lasten und Kosten zu tragen hätten. Es müssen zu diesem Zwecke in langsamer und zäher Arbeit alle Schichten der Bevölkerung über die Stel lung, die Aufgaben und die Leistungen des erwerbstätigen deutschen Bürgertums in der Gesamtwirlschaft und über den dem heutigen Stande zugrunde liegenden Kampf zweier völlig entgegengesetzter Weltanschauungen aufgeklärt werden. Es müssen nicht minder die geschichtlichen Wurzeln und die Frage der Berechtigung der Vorrechte klargelegt werden, die der Bund der Landwirte, unter Verletzung der Interessen aller übrigen Kreise, auch des Mittelstands und des Hand werks, für die Landwirtschaft allein in Anspruch nimmt und durchzusetzen verstanden hat. Jene stille, aber dringend nötige Arbeit, welche der Hansa-Bund in Verbindung mit seinen Zweigvereinen und gestützt auf ein Netz von Vertrauensmännern in ganz Deutschland zu leisten hat, muß sich sowohl nach innen wie nach außen richten. Nach innen gilt es, das erwerbstätige Bürgertum und damit das Bürgertum überhaupt aus seiner bisherigen Gleichgültigkeit und seiner »behaglichen Verzweiflung» herauszureißen, es mit dem Bewußtsein seines Wertes und der Bedeutung seiner staatserhaltenden Arbeit, mit einem stolzen Standes- und Selbstbewußtsein zu durchdringen. Es gilt, dieses erwerbstätige Bürgertum und damit das gesamte Bürgertum in nie ruhender Arbeit zu erziehen zu der Einsicht, daß es nicht mehr gestatten darf, daß über seine Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. berechtigten Forderungen leichten Herzens hinweggefchritten, und daß über seine Schicksale und Interessen durch solche Personen und Parteien entschieden werde, die diesen Forderungen entweder feindlich oder völlig verständnislos gegenüberstehen Nach außen aber gilt es, dem Satze allgemeine Anerkennung zu verschaffen, daß kein Stand, weder die Landwirtschaft, noch Gewerbe, Handel und Industrie, Vorrechte oder gar eine Vorherrschaft im Staat zu beanspruchen hat, daß aber diese drei Berufsstände, die heute zusammen einen viel größeren Prozentsatz der erwerbstätigen Bevölkerung Deutschlands als die Landwirtschaft darstellen, einen be gründeten Anspruch auf die Mitherrschaft im Staate, und zwar in dessen Verwaltung, Gesetzgebung und Leitung er heben dürfen. Es gilt, mit anderen Worten, den theore tischen Grundsatz, den ich in der Berliner Abwehrversammlung vom >2. Juni 1909 aussprach, zur allgemein anerkannten Wirklichkeit werden zu lassen, daß »der Staat nur gedeihen kann, wenn das suum euigu« auch die eiserne Grundlage seiner Wirtschaftspolitik bildet». Bei diesem Kampfe muß aber gerade der Hansa-Bund, sowohl in seinen Worten wie in seinen Taten, ohne jedes Schwanken und Bedenken, den Grundsatz Hochhalten, daß er auf nationaler Grundlage steht, und er muß, wogegen der Bund der Landwirte zu seinem Schaden wiederholt ge sündigt hat, die großen nationalen Fragen, insbesondere die Rücksicht auf die Kraft, die Macht und das Ansehen des Vaterlandes, allen einseitigen beruflichen und gewerblichen Sonderinteressen voranstellen. Soweit der Hansabund die obigen Ziele und alle weiteren in sein positives Programm aufzunehmendcn Forde rungen vertritt, die gemeinsame Interessen von Gewerbe, Handel und Industrie darstellen, unterzieht er sich einer Aufgabe, die keine der bestehenden wirtschaftlichen Ver einigungen, da sie nur einzelnen Erwerbsgruppen dienen, zu übernehmen auch nur versuchen kann. Die Aufgaben des Hansa-Bundes ergänzen also diejenigen der bestehenden wirt schaftlichen Vereinigungen, sie gehen neben deren Zielen und Aufgaben her, und schon deshalb kann und muß ein jeder ohne Unterschied ihm beitreten. Denn ein jeder hat daran das größte Interesse und muß deshalb durch seinen Beitritt dazu Mitwirken, daß diese gemeinsamen Interessen und jene großen Ziele des Hansa-Bundes so bald als irgend möglich zur Anerkennung gelangen, daS Mittel- und Kleingewerbe nicht weniger wie die Großindustrie und der Großhandel, die Handlungsgehilfen, also die Prinzipale der Zukunft, ebenso wie die Prinzipale der Gegenwart. Wenn ich oben gesagt habe, daß die Vertretung der Sondersorderungcn nach wie vor Sache der Sondervereini gungen bleiben müsse, der Hansa-Bund also nur die gemein samen Forderungen und Interessen von Gewerbe, Handel und Industrie vertreten könne, so darf dieser Satz doch nicht zu eng ausgelegt werden. Es kann nämlich sehr wohl sein, - und gerade dies wird in der Praxis ungemein häufig Vor kommen —, daß eine einzelne im Hansa-Bunde vertretene Erwerbsgruppe, z. B. der Mittelstand oder das Handwerk, an den Bund mit der Behauptung herantritt, daß eine auf ihrem Boden erwachsene Forderung oder ein aus ihr hervorge gangenes Interesse in Wahrheit nicht ein Einzelinteressc und nicht eine Sonderforderung darstelle, sondern daß hier in Wirklichkeit ein wett über die Einzelinteressen und Sonderforderungen einer bestimmten Erwerbsgruppe hinaus- gehendes gemeinsames Interesse von Gewerbe, Handel und Industrie vorliege. In diesem Falle wird das Direktorium des Hansa-Bundes, eventuell dessen Gesamtausschuß die Vorfrage zu prüfen haben, ob es sich hier in der Tat um 13SO