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Allgemeiner Anzeiger : 28.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190405280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040528
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040528
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-05
- Tag 1904-05-28
-
Monat
1904-05
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.05.1904
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polirilcke Kunctscbau. Der russisch-japanische Krieg. *Die letzten Nachrichten vom Kriegsschau platz lassen keinen Zweifel darüber, daß die japanische Offensive gegen Liaujang nicht allein plötzlich inS Stocken geraten ist, sondern daß sich die Vortruppen der ersten japanischen Armee auf das Gros nach Fönghwangtscheng zurückgezogen haben oder vielmehr vor der russischen Übermacht haben zurückziehen müssen. Dabei haben ver schiedentlich Gefechte mit den nachdrängenden Russen stattgefunden. * überaus rührig zeigen sich die Japaner jetzt auf der Halbinsel Liautung, um den eisernen Ring um Port Arthur immer enger zu ziehen. In letzter Zeit find nördlich von Port Arthur zu beiden Seiten der Halbinsel neue japanisch- Truppen gelandet worden, fast täglich geraten die Japaner mit vorgeschobenen russischen Posten aneinander, wobei die Russen immer mehr nach Süden und in die Ver schanzungen von Port Arthur Hineingetrieben werden. So fühlbar sich auch der Verlust zweier großer Schiffe gemacht haben mag, hat dies doch die Tätigkeit der japanischen Flotte bei der Einschließung Port Arthurs nicht weiter gehemmt. Japanische Kriegsschiffe haben die neuen Truppenlandungen auf Liautung gesichert und durch das Feuer ihrer Geschütze den Russen arg geschadet. *Die Japaner haben Kaiping ge nommen und die Russen nach Mutschwang zu zurückgetrieben. * Japanische Truppen, die bei Takuichan gelandet find, haben nach einer ,Reuter'-Mel- dung in der Nähe von Wanchatun, sieben Meilen nördlich Takuschan, eine Schwadron russischer Kavallerie umzingelt und aufgerieben. Viele Russen wurden ge tötet oder verwundet; der Führer der Schwadron wurde gefangen genommen. Die Japaner hatten keine Verluste. *Die Russen haben Niutsch Wang, das sie unter Zurücklassung einer kleinen Be satzung geräumt hatten, wieder mit starken Abteilungen Artillerie und berittener Infanterie besetzt. * Der Haupttruppenkörver der Japaner, schätzungsweise 80000 Mann stark, hält sich noch im Süden der russischen Streitmacht, die Liaujang deckt. Die russischen Truppen nehmen von Tag zu Tag an Zahl zu und ihre Positionen werden stärker. Man ver mutet, der kürzlich niedergegangene Regen hindere die japanische Artillerie und verursache einen vorübergehenden Aufenthalt. * ES stellt sich jetzt heraus, daß die Japaner über dem Vorgehen über den Jalu versäumt haben, Nordkorea und damit Flanke undRücken der Armee zu^ decken. Der japanische Konsul in Gensan meldet, daß am 19. d. an 300 Russen Kankon, 40 Meilen nördlich von Gensan, besetzt haben und daß dieser Truppe weitere 3000 Soldaten folgten. Der Telegraph nördlich von Gensan ist zerstört. Die Garnison von Gensan dürfte nicht die Offensive ergreifen, sondern den Angriff der Russen abwarten. Handelsfreiheit in der Man- dschurei hat Rußland jetzt unter dem Zwange des Kriegs vorübergehend zugestanden. Durch kaiserlichen Ukas wird die zollfreie Einfuhr ausländischer Waren durch die an der Amur mündung und südlich davon liegenden Häfen, sowie von der mandschurischen Landgrenze her in das Generalgouvernement des Amurgebietes zugelaffen. Einer Abgabe unterliegen jedoch solche Waren, die im übrigen russischen Reiche einer solchen unterworfen find. Diese Bestim mungen treten sofort in Kraft. * Da durch die ausgestreuten japanischen und russischen Minen die Seefahrtim Gelben Meere aufs äußerste gefährdet ist, wird ein Protest der europäischen Mächte erwartet. Der Herero-Aufstand. *Der Typhus bei der Abteilung Glasenapp, die sich noch in Otjihaencna befindet, ist bis jetzt noch nicht zumStill- stand gekommen. Auf Verwendung des Detachement? im Felde ist nicht mehr zu rechnen, und auch die Verwendung gesunder Mann schaften an der Etappenlinie ist wegen Ver seuchungsgefahr ausgeschlossen. * * * Deutschland. * Der Kaiser wird am 28. d. die zweite Garde-Infanterie-Brigade auf dem Döberitzer Übungsplatz exerzieren. *Die Wiener ,Allg. Korr.' will erfahren haben, nach Mitteilungen aus diplomatischen Kreisen halte man es für wahrscheinlich, daß der König vonJtalien und der König von Spanien zu gleicher Zeit Gäste des Kaisers sein werden, um an den großen Manövern teilznnehmen. Diese Begegnung des König Alsons mit dem König Viktor Emanuel würde insofern von politischer Bedeutung sein, als bei den Beziehungen Spaniens zum Vatikan ein Besuch des jungen Königs in Rom aus geschlossen erscheine. *Der Pariser ,Soleil' meldete jüngst, daß Kaiser Wilhelm in Straßburg in einer militärischen Kritik die Beweglichkeit der japanischen Truppen über die der russischen gestellt, die europäischen Heere im all gemeinen al? s ch w erfä l l i g im Manövrieren bezeichnet und den Führern zur Pflicht gemacht, alle Truppenbewegunaen schleuniger aussühren zu lassen. D>e ,Nordd. Allg. Ztg.' stellt fest, daß an dieser Erzählung kein wahres Wort ist. "Für beide afrikanische Stationen ist eine Verstärkung der Seestreitkräfte angeordnet, da die Vorgänge in Südwestafrika dies erwünscht erscheinen lassen. Aus diesem Grunde rüstete das Flaggschiff der amerikanischen Krenzerdivision, die „Vineta", an den Küsten Nordamerikas zu einer Reise nach den west- afrikanischen Gewässern, während der „Bussard" von Ostafien bereits nach Ostafrika in See ist. Es ist das erste Mal, daß ein großer Kreuzer in den afrikanischen Gewässern ständigen Auf enthalt nimmt. *Jm Avril d. haben 2706 Schiffe (gegen 2689 Schiffe im April 1903) mit einem Nettoraumgehalt von 381364 Registertonnen (1903: 363171 Register tonnen) den KaiserWilhelm-Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Ab rechnung zu bringenden Elblotsgeldes, an Gebühren 178 965 Mk. (1903: 169015 Mk.) entrichtet. * Nach dem Ergebnis -der Reichstags- ersatzwahl im Wahlkreis Straßburg- Land muß zwischen Blumenthal (Demokrat) und Hauß (elsässische Landespartei) Stichwahl stattfinden. Österreich-Ungarn. * Der Heeresausschuß der ungarischen Delegation nahm das Heeresbudget in der Generaldebatte an; in der Spezialdebatte verficherte der Kriegsminister, daß bei den Ge schützlieferungen die ungaris ch eIndustrie nicht benachteiligt werden würde. Italien. * Das Zerwürfnis zwischen Frank reich und dem päpstlichen Stuhl ist jetzt in ein neues Stadium getreten. Der fran zösische Botschafter beim Vatikan hat Rom verlassen, um sich nach Paris zu begeben. Vor seiner Abreise stattete er dem päpstlichen Staatssekretär Merry del Val nochmals einen Besuch ab. Balkanstaaten. * Der Sultan beauftragte den türkischen Botschafter in Wien, gegen das Exvosö des österreichischen Ministers des Auswärtigen, Grafen Goluchowski, bas ihn sehr verletze, Vorstellungen zu erheben. In Kon stantinopel hat die Abreise des österreichischen und russischen Botschafters große Beun ruhigung hervorgerufen. Der Sultan berief einen außerordentlichen Ministerrat ein, der die bereits beschlossene Abrüstung wieder rückgängig machen soll. Asten. * Zu denKämpfen inTibet wird aus Gyangtse gemeldet, daß die Tibetaner im Rücken des englischen Lagers e > nenHin i e c - halt gelegt hatten, um eine Abteilung abzu- fa^ett, die die '-st überbrachte. Als man GeMhlseuec br wurde vom Lager Ver stärkung abgcschickl, unv nach einstündigem Kampfe erreichte die Abteilung mit der Post das Lager. Eine Person wurde getötet, drei erlitten fchwere Verwundungen. Vie grössten Städte der Welt. Eine interessante vergleichende Betrachtung über die Größe der Weltstädte bringt ein Artikel von Arthur T. Dölling im ,Strand Magazine'. Als Grundlage des Vergleichs nimmt Dölling die größte von allen, London, an. London ist allerdings eine unbestimmte Größe. Es kann damit die City von London gemeint sein, die nur 270 Hektar umfaßt, oder die Grafschaft London, die 302 Quadratkilo meter, oder Groß-London, das ein Gebiet von 1795 Quadratkilometer einschließt. Nimmt man die Grafschaft London für sich, so findet man, daß sie eigentlich 29 große und kleine Städte umfaßt, deren Bevölkerungsziffer von 51247 Einwohnern bis zu 334 991 variiert. Man nennt fie die Londoner „doronxbs"; von ihnen ist der größte Wandsworth mit einem Flächen raum von etwa 37 Quadratkilometer und der kleinste Holborn mit etwa 170 Hektar. Der Durchschnittsflächenraum dieser „doronxks" ist mit Ausschluß der City etwa 10 Quadratkilo meter. Innerhalb dieser Grenzen Londons, das aber nicht mit Groß-London verwechselt werden darf, lebten im Jahre 1901 4 536 541 Einwohner in 616 461 Häusern. Außer den Gebäuden umfaßt dieser Flächeuraum aber noch fast 50 Quadratkilometer Rasenfläche mit Ein schluß der öffentlichen Parks und Gärten. Groß-London umfaßt eine viel weitere und doch noch homogene Gemeinde. Paris hat eine Bevölkerung von 2 714 068 Seelen, di; in 75 000 Häusern wohnen, und bedeckt einen Flächenraum von über 7802 Hektar. Der Grund für die relative Kleinheit der Stadt liegt in ihren militärischen Grenzen, die ein Wachstum nach außen unmöglich machen. Berlin ist zwar der Größe der Bevölkerung nach die drittgrößte Stadt Europas, aber seine räumliche Größe ist seit 1881 dieselbe ge blieben. Das Flächengebiet Berlins beträgt 63,49 Quadratkilometer und die Be völkerung zählte im Jahre 1900 1884151 Seelen. Wien hat jetzt, seit dem Jahre 1890, eine Größe von 178,12 Quadratkilometer; die Bevölkerung stieg durch die letzte Erweiterung um 500 000, so daß Wien (1900) 1687 540 Seelen zählte, über V» des Flächenraumes Wiens find Wälder, Weiden, Weingärten und Ackerland, Vi» deS Gesamtgebietes besteht aus Parks, Gärten und Plätzen. Petersburg ist auf Sumpfboden oder niedrig liegenden Alluviat- ablagerungen an der Mündung der Newa ge baut. Die Stadt bedeckt einen Flächenraum von 85 Quadratkilometer. Von dem Stadt gebiet ist V, von Gärten und Parks einge nommen, während ein Drittel des ganzen Flächenraums dicht bevölkert ist; in einigen Bezirken kommt durchschnittlich ein Bewohner auf je 93 Quadratfuß (1 Quadratsuß gleich 929 Quadratzentimeter), und einige Häuser find von 400 bis 2000 Personen bewohnt. Die Bevölkerung beträgt jetzt 1 248 739, und mit den Vorstädten 1487 720 Seelen, so daß Petersburg der Größe nach die fünfte Stadt Europas ist. Peking ist eine befestigte Stadt von länglicher Form und umfaßt einen Flächen raum von etwa 77 Quadratkilometer. Die beiden Hauptteile sind die Tatarenstadt und die äußere oder Chinesenstadt, über die Bevölkerung geben die Angaben sehr auseinander; der Ver fasser spricht von etwa einer Million Seelen. Chicago hat sich so weit ausgebreitet, daß es jetzt fast 494 Quadratkilometer umfaßt und eine Bevölkerung von 1698 575, nach einer andern Zählung sogar von 2 007 695 Köpfen hat. Aber nur etwa 180 Quadratkilometer find angebaut. Die Parks und Plätze umfassen neun Quadratkilometer. Chicago ist also nicht über füllt. New Jork, nach London die größte Stadt, bedeckt einen Flächeuraum von 770 Quadratkilometer und hat eine Einwohnerzahl von 3 437 202 Seelen. . . Von uncl fern. Poftausweiskarten werden die Reichs postverwaltung, Bayern und Württemberg am 1. Juni für den inneren Verkehr ausgeben. Sie dienen zur Empfangnahme von Post sendungen. Ihr Hauptzweck ist der Ausweis der Reisenden. Empfänger, die dem Postboten unbekannt find, brauchen keine Bürgschaft mehr durch den Gastwirt oder andre bekannte Per sonen, wenn sie Wertsendungen entgegennehmen. Die Karlen können auch an den Schaltern außer den andern Ausweisen verwandt werden. Sie werden sür ein Jahr ausgestellt. Die Karten find auf hellgrünem Leinwandpapier hergestellt. Auf der vorderen Seite steht nach dem Wort „Postausweiskarlen" die Nummer und die Gültigkeitsdauer der Karten. Nun kommt die Bezeichnung des Inhabers, der Ort und Tag der Ansstellung nebst Stempel und Unterschrift des Beamten. Auf der linken Hälfte der Innen seite wird die Photographie des Inhabers be festigt. Rechts steht eine Beschreibung der Per fon des Inhabers nach Alter, Geburtsort m. Die Rückseite der Karte trägt eine gedrängte Zusammenstellung der Bestimmungen über ihre Benutzung. Für jede Karte wird eine Gebühr von 50 Pfg. erhoben. Gin neuer Trappen-Übungsplatz wird von der Armeeverwaltung in der Nähe von Mühlhausen i. Th. anzulegen beabsichtigt. Das Kriegsministerium hat bereits einen Bericht er halten, um an der Hand einer ausführlichen Darlegung der Erwerbsverhältnisss für Grund und Boden den Plan eingehend zu prüfen. Der in Aussicht genommene Platz soll sich auch zur Abhaltung größerer Kavallerie- und Schieß übungen eignen. Seine zweite silberne Hochzeit hat dieser Tage der Steinhauer Hans Kloth zu Preetz gefeiert. Seine erste Frau starb nach 27 jähriger Ehe, worauf er dann bald seine jetzige zweite Ehe schloß. Gin neuer Kwilecki-Prozest. Der junge Stammhalter der Kwilecki auf Wroblewo soll nicht zur Ruhe kommen. Frau Bahnwärter Mayer, geb. Parcza, hat beim Landgericht in Posen eine Klage gegen die Gräfin Isabella Kwilecka eingereicht. Danach soll diese gehalten sein, anzuerkennen, daß der kleine Graf Joseph Kwilecki nicht der Sohn des gräflichen Ehe paares, sondern das uneheliche Kind Leo Franz der Frau Mayer aus ihrem Verhältnis mit dem österreichischen Offizier Ziegler ist. Gin schwerer Unfall ereignete sich auf dem Artillerieschießplätze in Thorn infolge eigener Unvorsichtigkeit der dabei Beteiligten. Drei Kanoniere der 1. Kompanie des zurzeit dort übenden Fußartillerieregiments Nr. 5 nähme« trotz des strengen Verbotes, eine Zündladung in ihre Barackenstube mit. Auf bisher noch nicht aufgeklärte Weise kam die Ladung zur Explosion, wobei alle drei mehr oder minder schwere Verletzungen erlitten. Insbesondere ist ein Kanonier am rechten Auge so schwer verletzt, daß es fraglich erscheint, ob ihm das Augen licht erhalten bleiben wird. Genickstarre. Auf dem Truppenübungs platz Hammelburg bei Kisfingen ist die Genick starre auSgebrochen. Launen des Glücks. Wie tückisch mitunter die Glücksgöttin verfährt, zeigt wiederum der folgende Fall: Der Zahlmeisteraspirant, Vizefeldwedel Müller vom Bezirkskommando in Mainz wurde vor einiger Zeit vom Kriegsgericht in Darmstadt wegen Unter schlagung amtlicher Gelder in Höhe von etwa 3099 Mark zu mehrjähriger Gefängnisstrafe, Degradation und Versetzung in die zweite Klaffe des Soldaten standes verurteilt. Müller hatte ein lockeres Leben geführt und viel Geld verpraßt, das « den ihm unterstellten Kassen entnahm, während er seine Unterschleife durch raffinierte Buchfäl- fchungen zu verdecken wußte. Als sich das Netz immer enger und enger um ihn zu schließen begann, kaufte er sich ein Lotterielos, auf das er mit der Zähigkeit des Verzweifelten seine ganze Hoffnung setzte, obgleich es bereits in mehreren Klassen durch gefallen war. Dann ereilte ihn sein Geschick, die Unterschlagungen wurden bei einer Revision entdeckt, und Müller kam in Untersuchungshaft. Zwei Be kannte von ihm übernahmen das Los und spielten es auf eigene Rechnung, das kurz nach Müllers Verur teilung mit ememGcwinnvon 19000 Mk. gezogen wurde. K Vie Mldernleben Erben. 2Lj Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.) Eine Zeit voller Arbeit kam nun sür Mutter und Tochter, aber fie erschien beiden wie ein wahrer Gottessegen. Besonders empfand Fanny die Wohltat einer ansprechenden Beschäftigung, denn in ihr gelangte fie, wenigstens für Stunden, zu einem gewissen Vergessen des Gespenstes, als welches ihr doch, trotz der guten Worte Marie Brauns, immer noch der in Aussicht gestellte Termin mit seinen Folgen vorschwebte. Etwa nach einer Woche holte Fräulein Braun Fanny spät abends zu sich herüber und erzählte ihr, daß ein ihr befreundeter Rechts anwalt ihr nach eingehender Unterhaltung ge sagt habe, er sei der Überzeugung, daß die ganze Sache im Sande verlaufen werde, da seiner Ansicht nach der Kriminalpolizist seine Befugnisse durch die Verhaftung der Dame bereits weit überschritten habe, was ja allerdings einzelnen übereisrigen Beamten öfter passiere. Fanny war über diese Mitteilung sehr sroh, wenngleich fie es nicht verwinden konnte, daß man fie in der Gesellschaft eines gemeinen Verbrechers auf die Polizei gebracht und mit andern Verbrechern zusammen interniert hatte. Der Gedanke daran trieb ihr jedesmal heiße Schamröte ins Gesicht, und fie kam sich selber wie besudelt vor durch die unreinen Be rührungen, denen fie im Polizeigewahrsam aus gesetzt worden war. Die Ansicht des von Fräulein Braun befragten Juristen erwies sich übrigens als richtig. Nach etlichen Wochen er hielt Frau v. Hagel eine Vorladung, die sie aller dings so mit Schrecken und Angst erfüllte, daß das gute Fräulein Marie fie gar nicht allein gehen lassen wollte, sondern sie begleitete. Vor Ada hatten die Damen ihren Ausgang damit erklärt, das Fräulein Brann in Stistsrenten- Angelegenten zum Notar müsse und Frau von Hagels Begleitung wünsche. Der freundliche Beamte, der die Vernehmung Fannys vorgenommen hatte, empfing sie im Gerichtszimmer und teilte ihr mit, daß von einem weiteren Verfolg der Angelegenheit abge sehen worden sei, da einmal Frau Auguste Michalska keinen Strafantrag gestellt habe und da es sich bei den angestellten Recherchen er geben habe, daß Frau v. Hagel eine an ständige, wenn auch bescheidene Existenz zu führen imstande sei durch ihre Aufträge für Kunsthandarbeiten, daß die Obrigkeit daher an nehme, der betreffende Kriminalbeamte sei in der Erregung über den bei Frau Michalska festgestellten Diebstahl etwas zu weit gegangen. Leichteren Herzens eilten die Damen nun nach ihrer Wohnung zurück. Bei ihrer Heimkehr wurden die Damen von den Kindern mit Jubel begrüßt, die sich damit belustigten, einen Schneemann im Garten zu bauen. Eben wollten fie ihm die Nase ansetzen, und waren nur uneinig, welches Modell fie kopieren sollten. „Pfui, ist das 'ne Gurke I — Nimm dir doch, wenn du es durchaus sein willst, der dem Kerl seine Nase gibt, eine zum Muster, wie fie, nun, wie sie Ada zum Beispiel hat l" Ada unterbrach sofort das Spiel — wodurch fie von ihrer Arbeit fort und in den Garten ge rufen worden war — und hielt der Mutter ein Schreiben hin, das der Briefträger soeben ge bracht hatte. „Denke nur, Mama," rief fie, ein Brief aus Rumänien! Hast du denn dort Bekannte oder Freunde?" „Nein, Kind," entgegnete Fanny in hohem Grade erstaunt, nahm aber den Brief und schritt von den andern gefolgt ins Haus. Nachdem sie abgelegt, schnitt sie das umfangreiche, von einer ihr gänzlich unbekannten Hand adressierte Kuvert auf. Zum Erstaunen von Mutter und Tochter fiel nun ein zweiter Brief aus dem Umschlag, in dessen Aufschrift Fanny die Hand schrift Charlotte Mains erkannte. Der kleine Bogen aber, den man um dieses Schreiben gelegt, enthielt folgende Worte: „Fmu Fanny von Hagel P.... in P Inliegender, mit Ihrer Adresse versehener Brief war in ein Päckchen mit Drucksachen ge raten, das mir unter Kreuzband aus K ... . gesendet wurde. Ich erlaube mir nun, Ihnen das für Sie bestimmte Schreiben zuzuschicken, und tue dies unverzüglich nach Empfang der inhaltreichen Sendung. Hochachtend Dr. Joseph Staruziew." „Welch ein sonderbarer Zufall!" rief Fanny und erklärte der Tochter das Mißgeschick, dem der Brief Charlotte Mains zum Opfer gefallen war. Dann erbrach fie diesen, an die acht Tage denkend, die er unterwegs gewesen. Nur einen Blick warf fie auf seine Zeilen, als sie einen Schrei ausstieß. „Schon wieder eine schlechte Nachricht?" fragte Ada. Ihre junge Stiefmutter aber faßte fie bei der Hand: „Laß uns zu Fräulein Braun gehen," rief fie, „dort sollst du alles erfahren - mit der Guten zugleich, die ja so viel Teil nahme sür unser Geschick hegt." Schluchzend sank die junge Frau der allen Dame um den Hals, und erst nach einer langen Weile erfuhr diese und die vor Erregung bebende Ada, daß Herr von Mildern gestorben sei, ohne vorher das so oft besprochene Testament ge macht zu haben. „Ich schreibe Ihnen, anstatt zu telegraphieren," hieß es in dem Briefe Charlotte Mains, „weil ich Sie ja doch nicht bitten kann, schon zu der Beisetzung Ihres Großonkels herüberzukommen. Mein Brotherr hat es mir nämlich sozusagen am die Seele gebunden, ihn ohne jede Feierlichkeit, nur in meiner und seiner beiden Neffen Begleitung zur Gruft bringen zu lassen. Dazu bestimmte der Heimgegangene, daß dies in der Nacht geschähe- Hierin soll auch dem Willen meines Herm Genüge getan werden, und zwar findet die Bei setzung zwischen morgen und übermorgen statt. Der Tote ist also bereits neben seiner teuren unvergeßlichen Gattin zur ewigen Ruhe ge bettet, wenn Sie diese Zeilen erhalten. I" Ihrem eigenen Interesse ersuche ich Sie aber, meine liebe Fanny, jetzt so bald es Ihnen nur irgend möglich ist, Ihren Hausstand in Pi am- zulösen und in Begleitung Ihres StiessiM^ chens nach Groditten zu kommen, wo Sie aue» übrige erfahren werden."
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