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Allgemeiner Anzeiger : 18.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190405183
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040518
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-05
- Tag 1904-05-18
-
Monat
1904-05
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.05.1904
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politische Aunäfchau. Der russisch-japanische Krieg. *Die Nachrichten vom Kriegsschau plätze in Ostasien fließen momentan spär licher, wie dies nach bedeutenden Ereignissen, wie der Jalu-Ubergang und die Einnahme der zweiten russischen Verteidigungsstellung durch die Japaner, meist der Fall zu sein pflegt. Bei all' ihrer Umsicht und Tapferkeit sind die Japaner an der wuchtigen Ausnutzung ihrer Erfolge durch den Mange! an einer tüchtigen Reiter truppe verhindert; das japanische Pferdematerial taugt nichts. Die Russen dagegen haben in den Kosaken die besten Kavalleristen der Welt. Um so mehr muß es wunder nehmen, daß sie nicht mehr Kosaken verwenden. Jeder Tag bringt aus dem fernen Osten Nachrichten über das weitere Vordringen der Japa ner, die auch fortgesetzt ihre hier und da landenden Verstärkungen an ihr Gros heran ziehen und sehr geschickt zu manövrieren scheinen. * über die Vorgänge in PortArthur selbst erfährt man jetzt natürlich gar nichts mehr. Die zahlreichen Explosionen, die man nach dem Berichte des Admirals Togo seit mehreren Tagen von Port Arthur her ver nommen hat, rühren wahrscheinlich von Spreng arbeiten in der Hafeneinfahrt her. Wenn auch bei der Beschaffenheit der japanischen Sperrschiffe, die sehr groß gewesen find und mit Steinen und Eisen beladen waren, ein Erfolg kaum zu erwarten ist, so liegt die An nahme doch sehr nahe, daß man auf russischer Seite nichts unversucht lassen will, um die Hafeneinfahrt wieder frei zu machen. Die japanische Annahme, daß die Russen ihre Schiffe in die Luft gesprengt hätten, ist wohl zum mindesten sehr verfrüht. * General Kuroki erließ einen Armee befehl, worin er die Truppen daran er innert, daß sie nicht gegen die Chinesen, sondern gegen die Russen kämpften. Die Chinesen, die schon schwer genug von den Russen zu leiden gehabt hätten, hätten nun auch den Durchzug der Japaner zu erdulden. Ihre Lage sei be dauerlich und erheische die größte Rück sicht seitens der Japaner, die be denken sollten, daß sie einen Feind im Lande ihrer Freunde bekämpften. * Die Meldung, daß die Ei s en b ah n v e r- bindung mit Port Arthur noch offen sei, ist mit einer gewissen Einschränkung wahr. Die Russen haben einen Eisenbahnzug, der über Kintschou Kriegsvorräte nach Port Arthur bringen sollte, wirklich an Ort und Stelle be fördert, nachdem sie die von den Japanern an dem Bahnkörper verursachten Beschädigungen ausgebeffert hatten. *ES bestätigt sich, daß die Russen Niutschwang räumen und die Forts von Jingkau schleifen. Die Truppen ziehen sich auf Liaujang zurück, wo Kuropatkin mit etwa 50 000 Mann steht, um die Japaner zu erwarten. *Gn tüchtiges Kosaken st ückchen ist der Zug jener kühnen Reiter nach Korea, wo sie sich 300 Kilometer hinter der japanischen Front unangenehm bemerkbar machen. Der Kosaken sind nicht viele, zwei Trupps von 300 und 200 Mann; aber bei ihrer Flinkheit und da die Japaner ihnen keine gleich gute Kavallerie entgegenstellen können, ist ihre An wesenheit in der japanischen Rückzugslinie den Japanern sehr unangenehm. *Der japanische Minister rat be schloß, eine neue Volksanleihe im Betrage von hundert Millionen Jen auszu geben. * * * Der Herero-Aufstand. *Vom 10. d. liegt wieder ein Bericht über Herero-Kämpse vor, der allerdings nichts besonders Wichtiges enthält. Die Nordabteilung unserer Truppen rückte am 9. d. von Karibik auf Omaruru; unterwegs fand ein Patrouillen gefecht statt, bei dem auf unserer Seite ein Mann getötet, ein Mann verwundet wurde, während zwei Reiter vermißt werden. Der Hauptführer der Hereros soll vier Tagereisen von Omaruru stehen. Die Hereros Haden bei Okumbahe wieder eine Farm überfallen, zwei Viehposten weggeführt und mehrere eingeborene Wächter getötet. * * * Deutschland. *Da man in eingeweihten Kreisen für die nächste Zeit neuerliche Unruhen in der Republik Haiti erwartet, so gehen, wie amtlich mitgeteilt wird, die vier Schiffe der deutschen Kreuzerdivision in Ost amerika statt direkt nach Newport News zu fahren, zunächst nach den haitischen Gewässern, um dort die deutsche Flagge zu zeigen. Als Rendezvous dient Port au Prince. Dann erst soll die Weiterreise nach Newport News an- getreten werden. Die „Gazelle" bleibt indes, wenn nötig, dort. *Zu den Handelsvertragsver handlungen wird der ,Südd. Reichs-Korr.' gemeldet, soweit sich zurzeit übersehen lasse, dürften die Verhandlungen mit Belgien in kürzester Zeit ihren Abschluß finden. Es würden dann ohne Verzögerung die mündlichen Ver handlungen mit Osterreich-Ungarn folgen, deren Einleitung voraussichtlich in Berlin erfolgen wird. *Bei der Reichstagswahl in Frank furt-Lebus ist eine Stichwahl zwischen Bassermann (nat.-lib.) und Braun (soz.) not wendig. über 2000 Stimmen, die bei der Stich wahl wahrscheinlich Herrn Bassermann zugute kommen werden, hat v. Jagnitz (Bund der Landwirte) erhalten. *Eine umfangreiche Vermehrung der Dienststellen für die höheren Postbe amten ist nach der ,Tägl. Rundsch.' geplant. Es soll die Neueinrichtung von 200 Stellen für Postinspektoren, 40 für Ober-Postinspektoren, 141 für Postdirektoren und 30 für Posträte in Ausficht genommen sein. Eine Vermehrung der Hilfsreferentenstellen bei den Ober-Postdirektionen wird nicht beabsichtigt, vielmehr sollen anstatt dessen, wo sich ein Bedürfnis dafür Herausstellen sollte, Postratsstellen eingerichtet werden. Österreich-Ungarn. *Der am Dienstag vertagte Reichsrat dürste vor November nicht wieder zusammen treten. In parlamentarischen Kreisen herrscht aber vielfach die Auffassung, daß das Ab geordnetenhaus in der jetzigen Zusammensetzung überhaupt nichtwiederzusammen- treten werde, sondern daß Neuwahlen stattfinden sollen. Frankreich. * Das Pariser .Amtsblatt' veröffentlicht das am 15. April in Rom unterzeichnete franzö sisch-italienische überinkommen, nach dem den Arbeitern beider Staaten der auf Gegenseitigkeit beruhende Genuß der Wohlfahrtseinricht ungen gewährt wird. *Die Ausstandsbewegung unter den Handelsmarine-Offizieren nimmt einen immer größeren Umfang an. Die Offiziere der Handelsmarine in Bor deaux beschlossen, sich mit ihren Kameraden in Marseille solidarisch zu erklären, und wenn binnen 14 Tagen den geäußerten Wünschen der Offiziere der Handelsmarine nicht Folge gegeben sein sollte, den Dienst zu verlassen. Schweden-Norwegen. *Die Versassungskommiffion hat ihren Be richt über den Regierungsentwurf betreffend die Erweiterung des Stimmrechts bei den Wahlen zur zweiten Kammer des Reichstages -erstattet. Die Kommission schlägt die Einführung des allgemeinen Stimmrechts bei Proportionalwahlen vor. Bedingung für die Ausübung des Wahlrechts ist ein Alter von 25 Jahren und die Bezahlung von Staats- und Gemeindesteuern. Die Anzahl der Abgeordneten der Zweiten Kammer wird auf 170 vom Lande und 60 von Städten fest gesetzt. Spanien. * Die Reise des Königs hat wieder einmal einen peinlichenZwischenfall veranlaßt. Als in Sevilla monarchisch gesinnte Studenten König Alphons mit Zurufen be- grüßren, entstand ein Zusammenstoß zwischen hnen und republikanischen Studenten, der eine Panik verursachte. Die Läden wurden ge schlossen. Eine Person wurde verhaftet. * Spanien erhielt von Frankreich das ver langte Zugeständnis bezüglich der künftig in Marokko zu befolgenden Handelspolitik. Dagegen verzichte Spanien auf direkte Teil nahme an den zwischen Frankreich und Marokko bevorstehenden militärischen Ab machungen. Nus ciem Aeiekstage. Der Reichstag erledigte am Mittwoch in dritter Lesung den Militäretat und den Marinectat ohne bedeutende Debatten. Bei dem ersteren wurde von sozialdemokratischer Seite die Entlassung einiger beim Prozeß Bilse als Richter tätig gewesener Offizier mit diesem Prozesse in Verbindung gebracht und die Schaffung unabhängiger Richter auch in der Militär gerichtsbarkeit als erforderlich bezeichnet, wogegen der Vertreter des Kriegsministers das unabhängige Urteil der Militärrichter in Schutz nahm. Am 13. d. steht zunächst auf der Tagesordnung die dritte Lesung des Gesetzentwurfs betr. die Ent schädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft. In der Generaldebatte erklärt Abg. Thiele (soz.), daß seine Partei gegen die Vorlage stimme, weil diese ein reines Nichts sei. Nur Mangel an gutem Willen seitens der Regierung habe die Ablehnung der berechtigten Forderungen des Volkes und des Reichstags verschuldet. Abg. Müller-Sagan (frs. Vp.) spricht sich trotz schwerwiegender prinzipieller Bedenken für die Vorlage au«, weil sie immerhin einen Fortschrittbcdeute. Der Gesetzentwurf wird darauf mit unwesent lichen redaktionellen Änderungen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten endgültig angenommen. Es folgt die dritte Beratung des Justiz- etatS. Dazu liegt ein Antrag der Sozialdemo kraten vor, der erstens Maßnahmen zur rechtzeitigen Feststellung von körperlichen und geistigen Erkran kungen der Strafgefangenen fordert, zweitens Nechts- garantien für die Verhängung schwererer Disziplinar verfahren verlangt, sowie drittens eine jährliche Übersicht über Zahl, Art und Anlaß der verhängten Disziplinarstrafen wünscht Abg. Gradnauer (soz.) begründet die Reso lution unter Bezugnahme auf das Buch von Hans Leuß: „Im Zuchthause" und die jüngsten Ver öffentlichungen in der Presse. Unter großer Auf merksamkeit des Hauses, von häufigen Hört, hört I- Rufen begleitet, bringt Redner eine große Anzahl schwerer Mißhandlungen Gefangener, zum Teil mit tödlichem Ausgange, zur Sprache. Staatssekretär Nieberding: Einige der vom Vorredner angeführten Fälle sind sehr alt und haben sich unter einem allen Regime ereignet, andere Fälle sind entweder übertrieben oder direkt unrichtig. In Preußen besteht seit 1897 eine neue Ordnung für die Zuchthausstrafen. Die Vorschriften derselben sind außerordentlich eingehend und enthalten An ordnungen über die Behandlungen von Kranken und Irren. Sehr streng ist auch das Beschwcrdewescn geordnet. Sie enthalten aber auch sehr detaillierte Forderungen in bezug auf die Arzte. Wenn diese Vorschriften strenge und gewissenhaft erfüllt werden, können irgendwelche Verstöße garnicht vorkommen. Kommen sie vor und kommen sic zur-Kenntnis der Verwaltung, so treten strenge Strafen ein. Eine regelmäßige periodische Revision der Strafanstalten findet ebenfalls schon statt. Die von Leuß ge schilderten Fälle haben sich durch die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Untersuchung zum größten Teile als unbegründet herausgestellt. Die Strafe des Dunkelarrests darf heute überhaupt nicht mehr verhängt werden. Der Staatssekretär teilt dann mit, daß gegen die ,Zeit am Montag', den .Vorwärts' und gegen eine große Zahl sozialdemo kratischer Proviuzblätter Strafantrag gestellt worden sei, um den Redakteuren dieser Blätter Gelegenheit zu geben, die objektive Wahrheit scstzustellen. Er- wessen sich Behauptungen als wahr, so wird ohne weiteres Remedur eintreten. Der Staatssekretär bittet dann, die Resolution abzulehnen. Abg. Spahn (Zentr.): Wenn der Abg. Auer nicht krank wäre, so wäre wohl die Resolution jetzt bei der dritten Etatsberatung nicht zur Verhandlung gekommen. Das Buch von Leuß verdiene nicht die ihm von Abg. Gradnauer gewidmete Beachtung. Der Reichstag sei für diese Frage erst zuständig, wenn ein Reichs-Strafvollzugsgesitz existiere. Abg. Mugdan (frs. Vp.): Die Resolution der Sozialdemokraten sei höchst überflüssig, da sie Ver ordnungen fordere, die schon längst bestehen. Das zeuge eben von der bodenlosen Unwissenheit der angeblich so auf das wissenschaftliche Studium be dachten Sozialdemokratie und davon, daß diese Partei auf alles hcretufalle, was nur gegen bürger liche Kreise gerichtet sei. K Vie Mläern leben Erben. 22) Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.) „Kommnur, mein Liebling," setzte Fanny hinzu, „drinnen brennt es schon im Ofen und das Frühstück steht auch bereit!" „Aber Mama, warum tatest du das? Dir ist der Schlaf doch viel nötiger als mir!" rief das junge Mädchen, sich schnell erhebend, „und überdies haben wir doch abgemacht, daß ich die Wirtschaft besorge." „Das sollst du auch, Liebling! Einmal läßt du oder wohl die Ausnahme gelten." „Ich muß wohl, Mama, aber auch nur einmal!" Kurze Minuten darauf saßen sich Mutter und Tochter am Wohnzimmertisch gegenüber. Sell langem zum erstenmal plauderte Fanny dabei in einem Ton, aus dem selbst dem uner fahrenen Kind eine so große Hoffnungsfreudig keit sprach, daß es verwundert fragte: „Was ist dir nur heute, Mama? Kam dir während der Nacht ein glücklicher Gedanke?" „O, schon gestern abend, Kleine! Aber frage mich nicht. Es wäre mir peinlich, dir schon jetzt Enthüllungen zu machen. Nach voll endeter Tatsache erfährst du alles." „Na, und wann ist deine Tatsache voll endet?" fragte Ada naiv. „Ich denke, schon im Laufe dieses Tages!" Nicht wie sonst gleich am frühen Morgen, sondern erst gegen Mittag machte sich Fanny heute auf den Weg. Sie hatte sich mit größerer Sorgfalt als gewöhnlich gekleidet, auch ihre Stiefel, so gut ihr dies gelingen wollte, repariert. Anfangs schritt die junge Frau mit er hobenem Kopf durch die Straßen der Stadt, dann aber senkte sich ihre Stirn allmählich. Sie sühlte sich wieder ängstlich werdend, dazu begann sie auch wieder zu überlegen, was sie der Dame sagen wollte, an deren großes Herz sie appellieren wollte. Es war doch furchtbar schwer, Almosen zu erbitten, tausendmal schwerer, als sie es sich gestern gedacht. Fast schwand ihr wieder der Mut zu dem entwürdigenden Schritt und sie fragte sich: „Soll ich nicht doch lieber umkehren?" „Aber was dann?" Kalter Schweiß trat der Ärmsten auf die Stim. Sie dachte an die leere Wirtschaftskasse, an die wenigen Nah rungsmittel, welche noch ihr Speiseschränkchen barg. Waren auch sie verzehrt, so die zitternde Hand der Unglücklichen faßte an die Stim. Dann stürzte sie vorwärts. Und nun war auch der W.-Platz erreicht und dicht vor ihr sah sie seine Nummer 5. Dieselbe leuchtete am Portal eines großen, stattlichen Hauses, in dessen Parterre und erster Etage sich ein Waren haus befand. Uber der Tür desselben prangte m goldenen Buchstaben die Firma: „Joseph Michalskis Witwe." Joseph Michalskis Witwe!! Mit weit offenen Augen las Frau von Hagel es immer wieder. Schließlich aber trat sie entschlossen auf das breite Portal zu, das sich neben dem Eingang für das Publikum zeigte. Es war unverschlossen und Fannys leichte Schritte glitten gleich darauf über den Mosaikfußboden eines eleganten, mit allerlei üppigen Gewächsen ge schmückten Hausflurs. Eine breite, teppichbelegte Treppe, deren Geländer mit rotem Plüsch und gleichfarbigen Fransen dekoriert war, führte zu dem zweiten Stockwerk. Langsam stieg Fanny die breiten Stufen hinauf und kam dabei an dem hohen Treppenfenster mit seiner kostbaren Glasmalerei vorüber. Droben angelangt, fiel ihr zuerst ein großes Metallschild auf, das sich neben der sonderbarerweise weitoffenstehenden Korridortür zeigte. Unwillkürlich trat die junge Frau dem selben näher. Noch aber hatte sie nicht vollends feine Inschrift gelesen, die übrigens auch nur die Worte enthielt: Joseph Michalskis Witwe," als sich aus dem Innern der Wohnung schnelle Schritte näherten. Ehe Fanny auch nur zur Besinnung kommen konnte, sah sie sich nun einer reich aber geschmacklos gekleideten Frau in mittleren Jahren gegenüber. Dieselbe war klein, korpu lent und hatte ein breites, rotes Gesicht, das in diesem Augenblick den Ausdruck des höchsten Ärgers zeigte. Als die unsäglich ordinär aussehende Person jedoch die trauernde Dame auf dem Flur ge wahrte, die ohne Frage den Eindruck wirklicher Vornehmheit auf sie machte, veränderte sich dicfer Ausdrucksosoriund sie verzog die verschwommenen Züge zu einem ehrerbietigen Lächeln. Wäh rend sie darauf ihre ungeschickte Gestalt zu einem kindischen Knix duckte, sagte sie mit förmlicher Demut: „Gewiß Frau Baronin Wollberg, die neue Präsidentin unseres Wohltätigkeitsvereins. O, Abg. Frölich (wirtsch. Vgg.) g-ht auf Grmid ihm von Gehlsen, dem „Reichsglöckner", zugesandten Materials auf dessen Strafsache ein und wünscht eine Untersuchung dieses Falles. Nach weiteren Bemerkungen wird die Resolution Auer gegen die Stimmen v. Gerlachs und der Sozial demokraten abgelehnt und der Etat des Reichs justizamts endgültig bewilligt. Der Etat der Expedition nachOstasien wird definitiv bewilligt. Der Rest des Etats wird definitiv bewilligt. Beim Etatsgesetz beantragt Abg. Spahn (Zentr.) die Einschaltung eines Paragraphen: „In soweit die von den Bundesstaaten aufzubringenden Matrikularbeiträge für das Rechnungsjahr 1904 den Betrag von 219 650 000 Mk. übersteigen, wird der Reichskanzler ermächtigt, deren Erhebung vorerst für dieses Rechnungsjahr auszusetzen, bis der M Deckung des Bedarfs für dasselbe nach den wirk lichen Ergebnissen des NeichshaushaltS erforderliche Betrag festgestellt ist." Der Antrag setzt also zunächst die Erhebung der den Einzelstaaten in der zweiten Lesung des Etats aufgebürdeten 17 Mil lionen Mark aus und erlegt für zwei Jahre dem Reiche das Risiko auf. Der Antrag wird nach unerheblicher Debatte an genommen. Der Rest des Etatsgesetzes wird definitiv be willigt. Damit ist der Reichshaushaltsetat in dritter Lesung endgültig erledigt. Nr»«ßrsch»r Landtag. Das Herrenhaus begann am Mittwoch die Etats beratung. Ein großer Teil der Sitzung wurde aus gefüllt mit der Erörterung der Frage der Auf hebung des 8 2 des Jesuitengesetzes und der Zu lassung der Marianischcn Kongregationen. Auch Fürstbischof Kopp griff in die Debatte ein und er klärte, die Katholiken hätten sich zurzeit mit der Aufhebung des § 2 begnügt, aber man könne des halb nicht verlangen, daß sie für alle Zeiten auf jeden weitergehenden Wunsch auf diesem Gebiet ver zichten würden. Frh. v. Manteuffel hofft, daß der Ministerpräsident in nicht zu langer Zeit Gewiß heit über die Frage der Kündigung der Handelsverträge verschaffen werde. Zur Be kämpfung der Sozialdemokratie empfahl der Redner den Weg der Nusnahmcgesetzgebung und forderte die Regierung auf, endlich die zahme Defensive aufzugeben und zur schneidigen Offensive überzugehen. Ministerpräsident Graf Bülow er widerte, die Regierung trage allein die Verant wortung für die Handelsverträge, daher müsse s« auch allein den Zeitpunkt bestimmen. Das Miß trauen gegen die Regierung, wie es Frh. v. Man teuffel bekundet habe, sei schon nicht mehr konservativ- Bezüglich der gegen die Sozialdemokratie geforderte» Maßregeln erklärte Graf Bülow, er sei der Ansicht, daß die tiefgehenden Gegensätze, die durch unser Volk gehen, durch Besonnenheit, Gerechtigkeit und Geduld auf friedlichem Wege zu lösen seien, ins besondere durch weiteren Ausbau der sozialen Reformen. Der Ministerpräsident schloß mit einem Appell zum Zusammenschluß an die staatserhaltenden Parteien. Im Herrenhause wurde am Freitag in der fort gesetzten Etatsberatung die Generaldiskussion be endet, wobei es noch zu lebhaften Debatten zwischen den Vertretern der Rechten und Linken des Hauses über Kündigung der Handelsverträge uud Maß regeln gegen die Sozialdemokraten kam. Nebenher ging eine ziemlich scharfe Auseinandersetzung zwischen dem Landwirtschaftsminister v. Podbielskt und Ober bürgermeister Kirschner-Äerlin anläßlich der Be sprechung eines Antrags über die Nachuntersuchung des Fleisches. — Nach Erledigung einer Reihe Spezialetats wurde die Weiterberatung vertagt. Das Abgeordnetenhaus überwies am Mittwoiß nach längerer Debatte das neue AnsiedelungSgestl' einer Kommission von 21 Mitgliedern. Zum Worte kamen noch die Abgg. v. Heyking (kons.), Gröger (frs. Vp.), v. Dzicmbowski (Pole) und v. Bockest berg (kons.). Von den Ministern beteiligten D Dr. Schönstedt und Frh. v. Hammerstein an der Debatte. Die Gesetzentwürfe betr. die Dienstbezüge der Kreistierärzte und die Gebühren der Medizinal- beamten wurden nach kurzen Debatten ebenfalls «w Kommissionen verwiesen. Am Freitag beschäftigte sich das Abgeordneten' hau« mit Initiativanträgen. Unter anderen wurde ein freisinniger Anirag auf Einführung der fakul tativen Feuerbestattung nach längerer Diskussion a°' gelehnt. Ein von den Nationalliberalen, K»nstff valiven und Freikonservativen gestellter Antrag Uhl baldige Vorlegung eines Gesetzentwurfs betr. du Schulunterhaltungspflicht wurde nach längerer Aff batte im wesentlichen angenommen. Nur der desselben, der sich auf die Beseitigung unbilliger »n- gleichheilen in der Belastung der Schulverbände U>> im Dienstcinkommen der Volksschullehrer beziehst wurde an dir llnterrichtSkommission verwiesen. allem nähr,.. nur, uuu . Heim in großer Unordnung finden. Ich waA eben auf einen Diebstahl aufmerksam gemE und befand mich gerade im Begriff, den llff Heber desselben feststellen zu lassen - - lieber Himmel, meine Gnädige," unterbrach die Frau hier, „bei all dem vergesse ich ja A ganz, mich der Frau Baronin vorzustellen. bin wirklich die. welche Gnädigste suchen, d^ heißt, niemand anders als Frau August Michalska, oder, wie man mich meistens nenN- Joseph Michalskis Witwe." Ohne die ertötende Fremde auch nur , einziges Mal zu Worte kommen zu lasst j hatte Frau Michalska alles dies hervorgesp^ delt. Nun aber ergriff sie Fannys Rechte u. zog die junge Frau über den Verschwendensch möblierten Korridor nach einem saalartigen, n schwerem Samt drapierten Raum. Hier / . leitete sie die vermeintliche Baronin zu ein Arrangement in der einen Ecke, das o schönen Palmen umgeben war und durch w , von dem übrigen Raum des Gemachs aou ehr viel Ehre, meine Gnädige! — Aber bitte, etzte die Redende mit einer einladenden Hand' bewegung ein, „treten Frau Baronin doch Her. Verzeihen Sie nur, daß Sie trennt wurde. „Nun aber setzen sich, bitte, Frau Baron auch," sagte Auguste Michalska. „Ich für Person..." Die Frau kam nicht weiter. Eme bitte Gebärde ihrer Besucherin unterbrach sie. „ „Sie irren sich in meiner Person, ^ Michalska," sagte Fanny mit merklich zittern" Stimme. „Ich kam in einer durchaus and'
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