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^ 228, 30. September 1S12. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 11547 hinzu, daß der Dichter demnächst auch den Daniloorden be komme. Was er dafür bezahlen mutz, wird leider verschwiegen. Aber dieser Erfolg ist für eine Nummer des Morgenrot zu wenig. Wir finden auf der zweiten Seite mit Lapidarbuch staben die Überschrift: »Die Premiere ,Der Dichterkrieg' im Metropoltheater zu Köln. Ein glänzender, durchschlagender Erfolg!« Und nun geht's los! Der Dichterkrieg ist näm lich ein Lustspiel der »feinsinnig begabten Dichterin und Mit arbeiterin Frau S. Wichterich«, und der Premiere am 14. August mußte ich auch anwohnen. Nach dem Bericht der Redaktion (die es in Wien wissen muß) wuchs der Beifall am Ende des dritten und vierten Aktes »ins Riesenhafte«! »Viele Telegramme unserer zahlreichen Freunde in der rhei nischen Hauptstadt kamen uns zu, die alle von der glänzenden Aufnahme der Premiere Zeugnis ablegten.« Und nun folgt ein Referat der Kölnischen Zeitung, das das Werk tatsächlich »ein recht ergötzliches und geschmackvolles Lustspiel« nennt. Das Referat stammte aber nicht von dem regelmäßigen Theater kritiker dieses Blattes, sondern von einer Aushilfe. Das Kölner Tageblatt dagegen sagte, das Werk sei »nach uraltem Rezept angelegt und gearbeitet, eine Harmlosigkeit in vier Akten; leider in vier«, und die Rheinische Zeitung traf m. E. das Richtige, indem sie schrieb: »Es war, gelinde gesagt, un vorsichtig von Herrn Direktor Samst, die Kritik zu dieser Ver anstaltung einzuladen. Das Stück ist blutige Dileltanten- arbeit«. Ich selbst glaubte der Verfasserin den größten Dienst zu erweisen, wenn ich in sieben Sprachen darüber schwieg. Und nun wird so ein Schmarren zu einer dichterischen Tat aufge blasen! Das »Morgenrot« bringt das Bild »unserer glück lichen Autorin«, die schon ein neues Lustspiel in petto hat. Der Redaktion bürgt aber der »erste lückenlose, große Erfolg ... für eine weitere günstige Entwickelung (nämlich des Morgen rots!) auf der beschrittcnen Bahn, und wird noch so mancher unserer treuen Mitarbeiter zu Ehre und Ansehen kommen«. (Das Deutsch ist eine Eigentümlichkeit der Redaktion.) Mit Bildern ist das Blatt überhaupt verdächtig freigebig. Jeder Jüngling und jede Jungfrau, die ihre fürchterlichen Verse vom Morgenrot beleuchten lassen, sind getreulich abkonterfeit. Es wird mir sehr schwer, aus dieser Sammlung keine Proben zu geben, aber ich habe noch verschiedenes andere zu sagen und fürchte so schon die Ungnade unseres Redakteurs ob der langen Epistel. Gleichwohl möchte ich, da das Zeitschristenthema ein mal angeschnitten ist, noch auf einen Artikel aufmerksam machen, den die Nr. 37 der Allgemeinen Hotelrundschau (Neu salz a. Oder) vom 14. September über das Lesezimmer eines modernen Hotels bringt. Darin wird gesagt, verschiedene Spezialbuchverlegcr hätten sich neuerdings besonders den Ver trieb der Reiselektüre angelegen sein lassen. »Die Herren Hotelbesitzer werden regelmäßig mit den Nachrichten über Neuerscheinungen bombardiert)!), und da ist es not wendig, daß wir beim Kauf der Bücher sehr vorsichtig zu Werke gehen«. In ein modernes Hotel gehöre allerdings auch ein Lesezimmer, aber die Auswahl und Zusammenstellung der Lektüre lasse häufig viel zu wünschen übrig. Der Verfasser ist der Ansicht, daß die Hotelbesitzer für illustrierte Zeitschriften und Witzblätter viel Geld unnütz verausgaben. »Wozu«, fragt er in naiver Unschuld, »neben »Vom Fels zum Meer« noch die »Gartenlaube« und »Ueber Land und Meer» halten? Eines von diesen drei Journalen genügt voll- stäudig. Ebenso ist es überflüssig, die »Fliegenden Blätter«, die »Mcggcnborser« und den »Dorsbarbier« zu halten, denn auch diese Blätter sind ihrem ganzen Genre nach einander äußerst ähnlich. Eins oder zwei von diesen unpolitischen Witzblättern, seiner vielleicht noch »Simplicissimus« oder »Jugend« und even tuell noch ein Berliner politisches Blatt dürste die richtige Zu sammenstellung repräsentieren. Bei den Wiener »getrüffelten« Witzblättern, Karikaturen, Pschütt-Kartkaturcn, Bombe usw., die auch ihre Anhänger in Herrenlreisen haben, empfiehlt es sich, eine weise Vorsicht walten zu lassen. Dann schien noch eine ober zwei rein belletristische Wochen- oder Monatsschriften und, je nach Bedarf, einige fremdsprachliche Zeitungen. Es kommt immerhin ein stattliches Budget aus diesen »kleinen Zugaben« heraus!« Dann aber redet der Verfasser der Ansicht das Wort, dem Hotelgast auch die illustrierte Kunstliteratur moderner Ge schmacksrichtung zu bieten. Er empfiehlt dringend, im Lese zimmer unter all der politischen, belletristischen und Witzlitcra- tur auch der Kunst und dem Kunstgewerbe einen bescheidenen Platz einzuräumen. Ob die B ü ch e r a n s ch a f f u n g für jedes Lokal zu empfehlen sei, bezweifelt er. Jeder Wirt solle sich genau überlegen, ob er seinen Gästen einen Wunsch er füllt, wenn er einige moderne Bücher zur Verfügung seiner Gäste bereit legen läßt. Ich glaube, daß in dieser Beziehung in manchen Gasthäusern noch vieles zu bessern ist. Vor allem sollen den Gästen Nachschlagebücher zur Verfügung stehen: ein Konversationslexikon, Rangliste und sonstige Nachschlage werke, Gesetze, und in Häusern mit Sommergästen auch belle tristische Literatur. Es wäre sicher angebracht, wenn in sol chen Fachblättern wie der Hotel-Rundschau der Buchhandel durch Artikel seine Interessen zu fördern suchte. Das wäre auch eine Aufgabe für das schon mehrfach erörterte buchhänd lerische Pretzbureau. Eine in den weitesten Kreisen unbekannte Tatsache ist die, daß Köln ein wahres Paradies für Zeitschriftenverleger zu sein scheint. Allerdings scheint es nur so, wenn man näm lich die Stimmen zählt und nicht wägt. Gerade diese Un kenntnis beweist ja andererseits, daß die Bedeutung der mei sten Unternehmen dieser Art nicht groß ist, aber die Zahlen imponieren, über IVO in Köln erscheinende Zeitungen und Zeitschriften führt allein das städtische Adreßbuch auf, aber die Liste ist noch nicht erschöpfend. Immer noch werden mit unerhörtem Scharfsinn »Lücken« in der Zeitschriftenliteratur entdeckt und durch neue Untemehmungen verstopft. So hilft seit einigen Monaten (Juni) eine Kölner Sport-Ztg. (Allgemeine Sportrundschau) einem »in Westdeutschen Sport kreisen seit längerer Zeit fühlbaren Mangel eines rheinisch westfälischen Sportblaltes« ab, indem das Blatt gleich dreimal wöchentlich wohlgenährte Athleten, Schwimmer, Boxer oder schmächtig-sehnige Ruderer, Läufer, Radfahrer, die sich dank ihrer Muskeln und Beine um das Wohl der Menschheit ver dient gemacht haben, der erstaunten Mitwelt vor Augen führt. Seit diesem Jahre haben wir auch ein Lmerioan Lar llourna! für Bars, Restaurants, Cafss, Likörstuben! Es ist das offizielle Organ der internationalen Larlleopsrs Union und nimmt vermutlich die Interessen für die fernere Ver blödung der jeunesse äoröe wahr. Neu ist auch eine monat lich zweimal hier erscheinende Kabarett-Revue, die die künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen der Mitwir- kcnden am Brettl vertritt. Eine andere »Wochenschrift sür Kölner Kunst, Industrie und Geistesleben«, die den Titel Der Tauzieher erhalten soll, steckt noch in den Geburtswehen. Nach Ansicht der Herausgeber vr. C. Köhler und Herm. Ritter fehlt es Köln noch an »einer vornehm gehaltenen, unabhängi gen Wochenschrift, die, keiner politischen Richtung dienend, ob jektiv und freimütig die Ereignisse der Woche bespricht und sich dabei ganz besonders rheinischen und Kölner Interessen widmet. Bekannte Revuen und Wochenschriften, die meistens aus der Reichshauptstadt stammen, finden hier ein großes Leserpublikum; Humoristika werden von Berlin oder von München bezogen. Eine Schrift, die in rheinischer Denkart und Meinung Stellung nimmt zu den Fragen der Zeit, die rheinischem Geist und der aus uralter Kultur geborenen rheinischen Lebensauffassung die gebührende weitere Geltung 1S»4»