Volltext Seite (XML)
^ 228, 30. September 1S12. Nichtamtlicher Teil. ööriendtaü f. d. Dtschn. Buchhandel. 11549 »Kleischnot« spukte noch nicht in den Zeitungen, auch die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurden noch nicht so stark betont wie heute. So lebte der Jungbuchhandel sorgenloser und freudenvoller als heute. Und im Verein »Alte Hallenser« war man erst recht vcrgniigt. Dort hatten sich mit der Zeit zu den jüngeren Mit gliedern auch ältere ctngesundc», und diese Bereinigung von älteren Kollegen, die schon im Berufe etwas leisteten, und jüngeren, die noch zeigen sollten, was an ihnen sei, gab dem Verein ein beson deres Gepräge. Was war das ost für ein frohes Treiben! Das dreißigste Stiftungsfest, das man in diesen Tagen feiert, wird die aiten Erinnerungen wieder auflebcn lassen, Erinnerungen auch an ernsthafte Stunden, wo die Bereinsmitglieder zu werktätiger Arbeit im Dienste der Menschenliebe ausgerüttelt wurden. Der »Allgemeine Deutsche Buchhandlungs-Gchilsen-Verbanb« hat einen wackeren Helfer an den »Alten Hallensern« gehabt. Das von ihm herausgegebene Buchhändler-Liederbuch »Cantate«, dessen Reiner trag dem Verband zusiel, hat über 700 Gewinn in die Verbands kasse gebracht und zugleich das Verdienst gehabt, baß ei» gut Teil poetischer Erzeugnisse sangessreudiger Buchknechte an einem guten Plätzchen nntergebracht war, anstatt in der Zeiten Flucht verweht zu werden. In de» neunziger Jahren veranstalteten die »Alten Hallenser« mit Hilfe guter Freunde ein Wohltätigkeitskonzert in großem Stile zugunsten der Verbandskassen. Mitglieder des Gewand haus-Orchesters wirkten mit, die Vereinsmitglieder waren zum Karten verkauf tüchtig angespannt worden, die Kollegen außerhalb des Ver eins taten auch wacker mit, und so kam ein prächtiges Resultat zustande, »nd zugunsten der Verbandskasten wurde auch eine der ersten Dichter vorlesungen veranstaltet, die Leipzig gesehen hat. Ein eifriges Mit glied ses lebt jetzt als Verleger im Schwabenlande) hatte sich an P. K. Rosegger gewendet, der sagte zu, und es war eine große Freude für die »Alten Hallenser«, als sich an jenem Tage das Publikum in Hellen Hausen zu der Rosegger-Vorlesung drängte. Ja, man drängte sich in der Tat, damals war es noch besser als heute, wo die Dichter scharenweise ans Reise gehen und eine Menge Freikarten erforderlich sind, um dem Vortragenden das betrübliche Bild eines leeren Saales zu ersparen. Die Poesie blühte überhaupt neben Gesang und Saitenspiel bei den »Alte» Hallensern«, auch das Drama fand seine Pflege in einem selbstverscrtigte» Schauspiel, das s. Zt. im Kleinen Saal des Buchhändlerhauses unter rauschen dem Beifall bei einem Stiftungsfeste in Szene ging. An den Kneip- zeitungcn endlich dars der Chronist nicht achtlos voriibergehen, der »Saalasse« lebt immer noch in der Erinnerung derjenigen, die seinen zwerchfellerschütternden Inhalt mit anhören durften. Ebenso lebhaft wird bei allen Beteiligten das Andenken an jene Abende sein, wo »etwas Besonderes los war«, eine Geburtstags- oder Hoch- zcitsnachscier, eine Verbands-Nachsitzung. Da faßte Frankes nicht sehr großes Zimmer im Wintergarten kaum die Menge der Erschie nenen; es war bannig heiß in engem Raum, aber die Gedanken gingen über diesen Raum und auch iiber — die Zeit hinaus. Tic Jahre kamen und gingen, ebenso die Freunde. Mancher etablierte sich fern von Leipzig, das Schicksal nahm manchen hinweg. Aber die Erinnerung an die frohen A.-H.-Stnnden ging mit ihnen, und so entstand in Berlin eine Vereinigung »Alte Hallenser«, auch in Stuttgart versammelt sich regelmäßig ein Häuslein. In Leipzig nun zum dreißigsten Stiftungsfeste werden sich die alten Freunde einmal wieder in größerer Anzahl zusammcnsindcn, nm die »alten Pfade der Erinnerung zu wandeln« und der Zeiten zu gedenken, da sie noch jung waren. Das aber möge unser Jung- buchhanbcl nie außer acht lassen: neben den ernsten Dingen die Freundschaft im Vcrcinslebcn zu fördern und die Berufsidcaic nicht z» vergesse!» Sic leben auch heute noch, wenn sie sich vielleicht auch schwerer finden lassen. Schm. Kleine Mitteilungen. I» den neue» Lehrplänen siir die Militäraniväricrschnlcn ist bestimmt, daß aus beiden Stufen je 20 Stunden Unterricht in der Kurzschrift erteilt werden soll. Den Generalkommandos ist anheim gegeben worden, siir die einzelnen Standorte oder für den ganzen Korpsbcrcich das zu lernende System mit Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu bestimmen. Für den Bereich des Garde- korpS ist angeordnet, daß der Unterricht nach Stolze-Schrey erteilt werden soll. Badisch-Psälzischcr Buchhändler-Verband E. V. — Wie aus der Anzeige im amtlichen Teil dieser Nummer hervorgeht, findet die Herbstversammlung des Badisch-Pfälzischen Buchhändler- Verbandes am Sonntag, den 13. Oktober, mittags 12^ Uhr, in Freibnrg i/Br. statt. Tie Tagesordnung wird den Mitgliedern direkt bekanntgegeben. Der Verband sür internationale Verständigung hält seinen ersten Verbandstag vom s.—7. Oktober in Heidelberg ab. Ab gesehen von den geschäftlichen Verhandlungen sind die sämtlichen Veranstaltungen öfsentlich, jo daß auch Nichtmitgliedcr an dem Ver bandstage tcilnchmen können. Die Verhandlungen finden in der alten Aula statt. Für Sonnabend, den L. Oktober, abends 8 Uhr, ist im »Schwarzen Schiss« ein Begriißungsabcnd vorgesehen. Am Sonntag beginnt die Versammlung der Mitglieder um 10>/> Uhr. Verhandelt wird u. a. iiber bas Verhältnis zur »OonciUatiov inter national«« und die Bestimmung des Ortes sür den nächsten Ver bandstag. Um 11 Uhr beginnt eine ösfentiiche Versammlung. Uber »Die auswärtige Politik und die öffentliche Meinung« spricht Prof. Nippold aus Obcrursel, über »Das Werk der Haager Friedens konferenzen« Geh. Jüstizrat Prof. Zorn-Bonn. Eine zweite öffent liche Versammlung findet in der neuen Aula abends 8 Uhr statt. Uber »Ter Kriedensgcdanke in der Geschichte des deutschen Volkes« spricht Prof. Martin Spahn-Straßburg, iiber »Formen internatio naler Verständigung« Pros. Piloty-Wllrzburg. Am Montag, den 7. Oktober, vormittags 10 Uhr, in der alten Aula, sprechen iiber »Auswärtige Kulturpolitik und Geschichtswissenschaft« Pros. Karl Lamprccht-Lcipzig, über »Die wichtigste Aufgabe des Völkerrechts« Prof. Di. Walther Schiicking-Marburg, iiber »Internationale Ver ständigung vom Standpunkte der Religion und Ethik« Pros. Rade- Rarburg. Post. — Die canadische Postverwaltung befördert von Anfang Oktober bis Ende Mai jedes Jahres nach denjenigen Orten im Aukon-Territorium, die über den Endpunkt der Eisenbahn nach White Horse hinaus gelegen sind, wie Dawson, Eldorado, Eureka, Klondike u. a., nur Briese, Po st karten, einzelne Num mern von Zeitungen und periodischen Zeitschrif ten sowie Drucksache» aller Art mit Ausnahme von Büchern, Katalogen und Zirkularen. Tie hiernach nicht zugelassenen Postsendungen nach dem vorerwähnten Gebiete dürfen nur während der Sommermonate Juni bis September ab geschickt werden. Aus dem Knnsthandel. — Die Kunsthandlung P. H. Beyer L Sohn, Leipzig, kündigt für den 1. November die Ver steigerung einer Sammlung moderner Gemälde, Aquarelle und Handzeichnungcn an, die glänzende Namen ausweist. So sind u. a. Spitzweg, Lcnbach, Strick, Leo Pntz, die beiden Erier, Corinth, Triibner, Max Liebcrmann, Lcistitow, Thoma, Max Kiinger, Haber mann, Münzer, Oßwald, Hengeler, Zügel mit z. Tl. hervorragenden Werken vertreten. Besonderes Interesse bietet die Veranstaltung dadurch, daß der künstlerische Nachlaß des sriihverstorbenen Münch ners Philipp Klein mit unter den Hammer kommt. Den Beschluß der Versteigerung macht eine kleine Sammlung Original-Holzskulp turen des bekannten Tiroler Holzbildhauers Max Stolz. Der reich illustrierte Katalog ist in Vorbereitung und wird Interessenten gern zugesandt. »Die Jagd »ach deutschen Büchern in Ungarn«. — Unter dieser Spitzmarkc meldet die »Schlesische Zeitung« aus Budapest: Hier hat in letzter Zeit eine förmliche Jagd nach deutschen Bü chern begonnen. Besonders die »Götzendämmcrung« Müller-Gntten- brunns und die »Deutsche Geschichte« von Einhart erfreuen sich der besonderen Aufmerksamkeit der Behörden. Es ist an der Tages ordnung, daß Sendungen deutscher Bücher nur in verletztem Zu stande in die Hände der Adressaten gelangen. In einem Dorfe in der Nähe Fünskirchcns ist cs sogar vorgckommcn, daß eine ans Wien eingelangtc Bücherkiste vom Gerichte untersucht wurde. Zn Neusatz ist schon eine Verurteilung wegen Lesens der »Götzcndäm- mcrnng« ersolgt. Auch aus der Batschka wird nun berichtet, daß bei deutschen Bauern nach deutschen Büchern gesucht wird und mit Gendarmerie nnd Polizei Haussuchungen abgehalten werden. Der gleiche Fall wird aus der deutschen Gemeinde Paripäs gemeldet. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. IS. Jahrgang. IMS