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Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190404206
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-20
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1904
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politische Kunälcbau. Der russisch-japanische Krieg. * Die Stimmung der Petersburger Be völkerung grenzt infolge der letzten Katastrophe vor Port Arthur an Verzweiflung. Der Gemütszustand des Zaren wird als melancholisch bezeichnet. Auch der Geldmangel in den Staatskassen beginnt empfindlich zu werden. Die täglichen Aus gaben für Kriegszwecke sind so enorme, daß nur noch für vier Monate Mittel vorhanden find. Hervorragende Fachleute erklären, die Aktion der russischen Motte sei vorläufig be endigt. Sie müsse bis zum Eintreffen der baltischen Motte, die vor Juli nicht in Ostafien sein könne, sich darauf beschränken, im Hafen zu bleiben. * Außer dem „Petropawlowsk" ist nach russischen Angaben noch ein Torpedoboot gesunken. Im Kampfe mit den Japanern wurde es so zugerichtet, daß es unierging. Nur fünf Mann der Besatzung wurden gerettet. Außerdem erhielt das Panzerschiff „Pobjeda" eine schwere Beschädigung durch eine Sperr mine; doch konnte es noch den innern Hasen von Port Arthur erreichen; Menschen sind dabei nicht zu schaden gekommen. Die Zahl der Toten des „Petropawlowsk" beträgt 500. * Großfürst Kyrill, der an Bord des untergegangenen Kriegsschiffes „Petropawlowsk" leicht verwundet worden ist, ist ein Vetter des Zaren. Er ist der älteste, 28jährige Sohn des ältesten Bruders des Vaters des Zaren, Groß fürsten Wladimir. Seine Mutter ist eine mecklenburgische Prinzessin. *Mitdem Oberbefehl über sämtliche russische Seestreitkräfte in Ostasien ist nach dem Tode Makarows Admiral Alexejew wieder betraut worden. * * * Der Herero-Aufstand. * Jetzt einlausende Berichte melden von einem neuen Gefecht mit den Hereros, das am 13. d. bei Katjapia stattgesuuden hat, über dessen Ausgang noch nichts gesagt wird. Indessen wird unser Verlust gemeldet. Der Führer der deutschen Abteilung, Hauptmann Bagenski, Oberleutnant Reiß, 1 Sergeant und 5 Mann find gefallen, Leutnant Findeis und 7 Mann schwer, 5 Mann leicht verwundet. * qe Deutschland. * Den Kaiser beabsichtigt die griechische Regierung bei seiner Ankunft in Korfu durch ein Geschwader zu begrüßen. * Kaiser Wilhelm soll dem Zaren telegraphiert haben, russische Trauer sei deutsche Trauer und der Tod Makarows sei ein Verlust für die Marinen der ganzen Welt. * Infolge Fernseins des Kaisers verzögert sich, wie die ,Natl. Korr/ schreibt, die Einholung von Ermächtigungen, die verfassungs mäßig geboten sind, um ein weniges. Daraus erklärt sich, warum Vorlagen, die zur Einbringung im Bundesrate fertig sind, wie die wegen Ent lastung des Reichsgerichts, diesem Faktor der Gesetzgebung noch nicht zugingen. * Dem Reichstage ging von verschiedenen Abgeordneten der Linken nachstehende Resolution zu: „Der Reichstag wolle beschließen: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichs tage alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den Art. 5 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reiches dahin ergänzt wird, daß die zu einem Reichsgesetze erforderliche Uberein st i m m u n g der Mehrheitsbeschlüsse des Reichs tages und des Bundesrates im Laufe einer und derselben Legislaturperiod e herbeigeführt werden muß." *Die sozialdemokratische Fraktion hat die folgende Interpellation lm Reichstage ein gebracht: „Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um die durch Bergwerksgesellschaften, Mitglieder des Kohlen syndikats, im Ruhrrevier veranlaßte Außer betriebsetzung von Kohlengruben und die dadurch hervorgerufene Arveits- losigkeit unter den Bergarbeitern zu be seitigen, sowie die damit verknüpfte Existenz- vernichtung von Bauern, Hand werkern und Geschäftsleuten j. ier Gegend zu verhindern?" * Das Generalkommando des 16. Armee - korps (Elsaß-Lothringen) gibt bekannt, daß, nachdem nach einer Kabinetsordre mit der letzten Rekrutenquote 25 Prozent aller in Lothringen aufzubringenden Rekruten in die Truppenteile des 16. Armeekorps eingestellt worden find, gestattet wird, daß fortan ge borene Lothringer als Freiwillige in unbeschränkter Zahl in die Truppen teile des Armeekorps eingestellt werden dürfen. * Infolge der Lotterievorlage im preuß. Abgcordneteuhause beantragten die Hamburger Haupt- kollckteure beim Senat das Verbot des Spielens in auswärtigen Lotterien. (Man sollte doch das ge samte Lotteriewesen einheitlich gestalten und reichs gesetzlich regeln.) Österreich-Ungarn. *Die Königin Marie von Han nover beging am Donnerstag ihren 87. Ge burtstag. Von der schweren Krankheit, von der sie im Januar betroffen wurde, hat sich die Königin völlig erholt, zur Nachkur gedenkt sie im Juni einen längeren Aufenthalt in Bad Kissiugcn zu nehmen. * Im Befinden Fr a n z K o s s u th s , der seit Wochen an schwerem Gelenkrheumatismus erkrankt ist, trat eine solche Verschlimmerung ein, daß die Arzte den Zustand als hoff nungslos bezeichnen. Italien. *Der Erzbischof von Palermo, Kardinal Celesta, dem Kaiser Wilhelm noch bei seiner dortigen Anwesenheit einen Blumen strauß überbringen ließ, ist am Donnerstag abend g e st o r b e u. Balkanstaate». *Das bulgarische Regierungsorgan bezeichnet das türkisch-bulgarische Abkommen als einen historischenAkt von höchster Bedeutung für die Zukunst Bulgariens und erklärt, Bulgarien und die Türkei müßten einander in intimer Annäherung die Hand reichen und alle bisherigen feindlichen Gefühle unterdrücken. Nur so sei es möglich, die über ihren Köpfen schwebende Gefahr abzu- wenden und für beide Länder eine glorreiche Zukunft zu sichern. * In Konstantinopel zirkuliert das Gerücht, die Pforte habe mit Bulgarien eine geheime Militärkonvention abge schlossen, deren Spitze sich gegen Öster reich-Ungarn richtet. (Mit eiuemmal diese dicke Freundschaft!) * Nachdem man inSerbien nnn aus der Umgebung des Königs die berüchtigten Teil nehmer an dem Mordputsche entfernt hat, kehren allmählig die Gesandten nach Belgrad zurück, so der französische, rumänische und der neu ernannte italienische, der schon am Mittwoch in Audienz empfangen wurde. Amerika. *Die New Aorker republikanische Staats konvention stellte einstimmig Roosevelt wieder als Kandidaten auf. Die Demo kraten erwarten eine Spaltung der Partei, weil die Börse gegen den Präsidenten eingenommen ist. Roosevelts endgültige Aufstellung durch die Nationalkonvention ist nunmehr zweifellos. *Die diesjährige interparlamen tarische Friedenskonferenz findet in der ersten Woche des Septembers in St. Louis statt. Von dem nordamerikanischen Parlament wird zur Deckung der Kongreßkosten ein Kredit von 250 000 Frank verlangt werden Asten. *Von der Tibet-Expedition wird der ,Times' aus Gyangtse vom Montag ge meldet, daß die Tibetaner am Donnerstag voriger Woche an der Schlucht vom Roten Götterbild wiederum den Versuch gemacht haben, dem Vorrücken der englischen Expedition Wider stand entgegenzusetzen. Die Geschütze des Feindes auf den Höhen wurden von Eng ländern zum Schweigen gebracht. Alsdann wurde der Durchmarsch von den Pionieren erzwungen. O Oie Mläernleben Erben. 14) Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.) „Da seid ihr ja!" rief das reizende Geschöpf- chen jubeln. Im Augenblick hatte sie ihre Stief mutter auch schon umschlungen und herzte und küßte die junge Frau mit einer Leidenschaft, die auch Fanny Hinriß. Dann aber führte Ada die Heimgekehrten in das Haus über einen gewaltigen mit Ziegel ge pflasterten Flur in ein geräumiges Wohnzimmer. Dasselbe war nur mit ruinenhaftem Urväter hausrat ausgestattet. Aber Ada hatte zum Emp fange ihres neuen Mamachens Tannengewinde angebracht. Gewaltige Tannengrün-Sträuße standen ans Tischen, Kommode und Schränken. Und da die freilich nur mühsam zusammen gesteckten Gardinen sauber gewaschen waren, machte das Gemach doch einen freunlichen Ein druck, wenn auch die Armut aus allen Winkeln hervorlugte. Aus dem Verfall, dem Schmutz da draußen kommend, sah Fanny nur die Traulichkeit des schlichten Raumes und atmete erleichtert auf. „Wie hübsch du hier alles hergerichtet hast, Kind," sagte sie denn auch und streichelte zärt lich die Wange der Kleinen. „Bist du zufrieden, Mütterchen?" jubelte das Mädchen. Dann flog es endlich auch dem Vater entgegen und ries: „O Papa, wie danke ich dir, daß du mir nun doch wieder eine Mutter gegeben Haft, und diese noch dazu! Diese, die ich so von ganzem Herzen lieb Habel" Nur zerstreut erwiderte Herr von Hagel die Zärtlichkeiten seines Kindes. Dann wandte er sich zu der jungen Frau, der er nun behilflich war, sich des Hutes und ihres Mantels zu ent ledigen. Ada eilte inzwischen aus dem Gemach und kam gleich darauf mit einem Tablett zurück. Das Kaffeegeschirr stand auf demselben — wunderliche, meist angeschlagene Stücke waren es, von denen das eine nicht zu dem anderen paßte. Dann holte die Kleine auch einen riesigen Napfkuchen herbei und stellte ihn, zitternd vor Freude, auf den sauber gedeckten Tisch. „Den hab' ich selbst gebacken, Mamachen," sagte sie dabei stolz. „Frau Oberförster hat mir das Rezept gegeben, denn Marinka — unsere alte Wirtschafterin — ist nicht eben groß in solchen Dingen. Die liebe gute Person hat jetzt auch so viel zu tun." „Warum jetzt?" fragte Fanny ein wenig befremdet. „Ich denke," setzte sie dann hinzu, indem sie liebevoll Adas blondes Haar streichelte, „mit deiner Heimkehr sollte der Alten eine Hilfe werden und kein „Mehr" in der Arbeit" „So ist es ja auch, Mama — aber . . Herr von Hagel unterbrach seine Tochter. Mit einiger Verlegenheit sagte er nun: „. . . aber wir haben das Dienstpersonal verringert, um, so viel es geht, überall zu sparen. So existiert jetzt nur noch eine Leuteköchin — die Küche für uns besorgt Marinka allein, während das Stubenmädchen. . . ." über das feine Gesicht des armen Edelmannes flog eine flammende Die Verluste des Feindes beliefen sich auf rund 200 Tote. Die Engländer halten keinen Toten und nur 10 Leichtverwundete. Deutscher Aeiebstag. Der Reichstag setzte am Donnerstag die Beratung des Etats des Reichskanzlers fort. Abg. Bebel (soz.) kritisierte die auswärtige Politik Deutschlands und kam nochmals auf die Ausweisung der russischen Studenten zurück. Reichskanzler Graf v. Bülow ging auf alle Fragen ein, die bei seinem Etat in den letzten Tagen behandelt worden waren. Die Ausweisungen hätten sich die russischen Studenten selber zuzuschreiben. Redner tadelte die „Russen hetze" der sozialdemokratischen Presse als unklug und unpatriotisch und erklärte, daß der Verkauf von Schiffen an russische Firmen der deutschen Neutra lität nicht zuwiderliefe. Deutschland sei nicht iso liert, es stehe im Bündnis mit zwei großen Mächten, mit fünf anderen in freundschaftlichem Verhältnis und zu Frankreich in ruhigen und gleichmäßigen diplomatischen Beziehungen. Bezüglich der Handels verträge rechnet Graf Bülow immer noch damit, daß auch mit den Minimalzöllen sich Verträge ab- schlicßen lassen werden. Wahrung der landwirt schaftlichen Interessen hätten unsere Unterhändler als erste Instruktion mitbekommen. Sodann wehrte Graf v. Bülow die die auswärtige Politik be treffenden "Angriffe des Abg. Grafen Neventlow (Antis.) ab und legte zum Schluß nochmals die Gründe dar, die ihn zur Befürwortung der Auf hebung des § 2 des Jesuitengesetzes bestimmt hätten. Ec appellierte an ein Zusammenstehen aller Kon fessionen in einer Zeit, wo ernste Symptome in der inneren und auswärtigen Politik am Horizont ständen. Die weitere Debatte drehte sich fast aus schließlich um die Aufhebung des § 2 des Jesuiten gesetzes. Es sprachen noch die Abgg. Hieber (ntl.), Stockmann (frcikons.), Staatssekretär im Rcichsjustiz- amt Ntcberding, der staatsrechtlich das Verfahren des Bundesrats in der Jesuitenfrage zn rechtfertigen suchte, und Abg. Bachem (Zentr.), der lebhaft gegen die Nationalliberalen polemisierte. Am, 15. d. wird die zweite Beratung des E t a t s des R e i ch s k a n z l e r s und der Reichs kanzlei fortgesetzt. Abg. Graf Mielzhnski (Pole) richtet heftig-' Angriffe gegen die preußische Polenpolitik und be zeichnet das neue Ansiedelungsgesetz als einen brutalen Eingriff in das private Eigentum. Staatssekretär Graf v. Posadowsky weist die Angriffe des Vorredners gegen die Ostmarken politik Preußens als unberechtigt zurück. Im übrigen möge er seine Beschwerden in einem der beiden preußischen Häuser vorbringen. Die Regie rung habe die Pflicht, die deutsche Bevölkerung in ihrem Konkurrenzkampf gegen die polnische zn unter stützen; in diesem Sinne sei das Ansiedclungsgesetz entstanden. Abg. Graf Bernstorff (Welfe) erhebt Ein spruch oagegen, daß die Nationalliberalen behaupten, die Welfen wollten durch ihren Anschluß an das Zentren» Hannover katholisch machen. Die Haltung des Kriegerverbandes in Hannover, der die Mitglieder ausschließe, die für einen Welfen gestimmt haben, sei nicht zu rechtfertigen. Redner polemisiert dann gegen die Ausführungen des Ministers Frh. von Hammerstein über die welfische Partei, sowie über die Bemerkung des Staatssekretärs Grafen Posadowsty von der Notwendigkeit der Annexion Von Hannover. Staatssekretär Graf Posadowsky: Es ist vollkommen verständlich und zu achten, wenn ein Volksstamm Wie der hannoversche seine geschichtlichen Erinnerungen pflegt, aber diese dürfen nicht eine Einwirkung ausübcn auf die aktuelle Politik. An geschichtliche Vorgänge, die aus der Staatsnotwendig- keit des stärkeren Staates hervorgegaugcn sind, kann man nicht einen gewissen sentimentalen Maßstab, eine Art private Rechtsauffafsung anlegcn. Wenn man das täte, wenn man alles, was auf diesem Gebiete geschehen ist, als ewiges Unrecht brand marken Mollie, dann hätten sich die modernen Staaten nicht bilden können. Auch der Staat Hannover hat Teile in Besitz genommen, die ehe mals Preußen gehörten. Abg. Payer (südd. Vp.) begründet die Reso lution Müller-Meiningen-Payer: Dem Reichstage alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den Art. 5 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reiches dahin ergänzt wird, daß die zu einem Reichsgesetze erforderliche Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse des Reichstages und des Bundesrates im Laufe einer und derselben Legislaturperiode herbeigeführt werden muß. Bezüglich der Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes berufe man sich im Bundesrat dar auf, daß wenn man im jetzigen Reichstage die Probe machte, der Beschluß ebenso anssallcn würde, wie 1899. Auf diese Loyalität brauche der Bund.srat nicht besonders stolz zu sein. Das ist das Mindest ¬ maß von Loyalität, was man beanspruchen könne. Es wäre ja noch schöner, wenn der BundeSrat einen früheren Beschluß des Reichstages sanktionierte, wenn er wisse, daß ein späterer Reichstag anderer Meinung wäre. Ein Antrag Stockmann (freikons.) will die in der Resolution Müller-Meiningen gegebene Frist bis spätestens zu dem Tage vor dem Zusammen treten eines neugewählten Reichstages. Abg. Graf Kanitz (kons.): Wenn Graf Posa dowsky auch die letzten zwölf Jahre in der Provinz Posen verlebt hätte, würde er sich haben überführen können, daß unter der Geltung der Handelsverträge der Großgruudbesitzerstand in Posen schwer gelitten habe und ebenso die kleinen Besitzer und der gesamte Mittelstand. In der Frage der Kündigung der Han delsverträge sei die Landwirtschaft getäuscht worden. Langfristige Handelsverträge seien überhaupt nicht notwendig, auch nicht für die Industrie, denn in Amerika und England wisse sich die Industrie zu helfen ohne Handelsverträge, gegen die sie sich sogar wehre. Abg. v. Gerlach (frs. Vgg.) fordert größere Sicherung des Wahlgeheimnisses. Abg. Graf Oriola (ntl ) erklärt, zu denjenigen Nationalliberalen zu gehören, die der Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes zugestimmt haben. - Abg. A r e n d t (freikons.) verteidigt die Stellung nahme der Organe der evangelischen Kirche gegen die Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes. Redner fordert dann würdige Erhaltung des nun zum Nationaleigentum gewordenen Grabes Heinrich v. Kleists. Staatssekretär Nieberding rechtfertigt noch mals die Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesctzes. Nur in dem Falle, daß der gegenwärtige Reichstag in bezug auf die Aufhebung dieses Paragraphen anderer Meinung als sein Vorgänger wäre, wäre die Haltung der Regierung zu tadeln gewesen. Auch der Vorwurf der Überraschung des Reichs tages durch den Beschluß des Bundesrats sei völlig unbegründet. Abg. Blumenthal (Els. Vp.) wendet sich gegen die neulichen Ausführungen des Abg. Dr. Nicklin über den Redner. Dr. Ricktin habe von ihm behauptet, er sei der Geist, der das Böse will und stets das Gute schafft. Was den ersten Teil dieses Satzes betreffe, so sei dies nicht die erste falsche Diag nose des praktischen Arztes Dr. Ricklin. Redner wendet sich gegen die Ausnutzung der Religion zu parteipolitischen Zwecken, wie es hauptsächlich in Lothringen geschehe, und bringt die Verhängung des Interdikts über den Friedhof in Fameck zur Sprache, weil auf ihm ein Protestant beerdigt worden sei. Redner verlangt Gleichstellung der Reichslande mit den übrigen Bundesstaaten. Staatssekretär v. Köller legt dar, daß in Elsaß-Lothringen die Friedhöfe Eigentum der politi schen Gemeinden seien. Es sei in Fameck seitens der katholischen Geistlichen kein Antrag auf Trennung bezüglich des Friedhofs gestellt worben, infolgedessen sei der Protestant dort zu Recht beerdigt worden, und für das Interdikt des Bischofs hätte kein Grund vorgelegen. Er hoffe, daß der Bischof, wenn er die Rechtslage klar erkannt, den begangenen Fehler wieder gut machen würde. Darauf vertagt sich das Haus. Ne««kifch»r Landtag. Das Herrenhaus erledigte am Donnerstag eine Reihe von Petitionen und verwies den Gesetzentwurf betr. die Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung im Emscher- gebiet an die Kommission zurück mit der Motivie rung, daß in der Fassung der Vorlage die Inter essen des Großgrundbesitzes nicht genügend berück sichtigt seien. Am Freitag begann das Herrenhaus die Be ratung des Gesetzentwurfs betr. die Gründung neuer Ansiedelungen in Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen. Die Vorlage wurde von allen Rednern warm befürwortet, natürlich mit Ausnahme der Polen. Die Sitzung endete mit Annahme des Gesetzes. Jni Abgeordnetenhaus« kam es am Donnerstag in der beim Kapitel „Kunst und Wissenschaft" fort gesetzten Beratung des Knltusetats zu einer ausge dehnten Kunstdebatte. Kultusminister Studt bestritt dem Abg. Träger gegenüber, daß unter dem Druck seines amtlichen Einflusses irgend eine Kunstrichtung beiseite geschoben sei. Ebenso stellte der Minister entschieden in Abrede, daß er anläßlich seiner Reist nach Weimar die Gründung des Künstlerbundes z» hinicrtreiben versucht habe. Die in der Freitag-Sitzung des Abgeordneten hauses zum Abschluß gebrachte Verhandlung über den Kunstetat halte offenbar das Interesse an deck Kullusetat erschöpft. Die beiden letzten Kapitel, Technisches Uulcrrichtswesen und Medizinalver- waltung, wurden schnell erledigt und damit ist die zweite Lesung des ganzen Etats zum Abschluß gebracht. Glut; das Auge gesenkt, setzte er dann aber doch seinen Worten hinzu: . durch Ada er setzt wird. Ist meiner Kleinen aber einmal die Arbeit zu viel, so müssen die Einliegerweiber aushelfen." Fanny kam nicht aus dem Befremden her aus. Unwillkürlich mußte sie denn auch daran denken, was Tante Erna gesagt haben würde, wenn sie in dieser Stunde neben ihr gestanden und gesehen hätte, wie es sich in Wahrheit auf dem Rittergut, dem Schloß Henn von Hagels verhielt. Johannes mochte wohl in der Seele seines jungen Weibes lesen. Denn wieder sah er Fanny mit einem Blick an, aus dem nur zu deutlich die Bitte um Verzeihung sprach. Fanuy war ja auch eine derartig zur Ver gebung neigende Natur, fühlte sich überdies — mit ihrer Liebe zu Leo — so sehr in seiner Schuld, daß sie mit aller Kraft ihrer jungen Seele gegen den jäh in ihr aufsteigenden Ge danken kämpfte: „Er hat dich betrogen und du bist in ein noch viel größeres Elend gekommen, als dasjenige war, in dem du bei der Tante lebtest." So gab sie dem heiklen Gespräch denn eine andre Richtung und meinte mit ihrem kindlichen süßen Lächeln, daß sie Appetit verspüre und Kaffee und Kuchen kosten wolle, die Ada auf- gelischt hatte. „O, das ist prächtig!" rief die Kleine und führte ihr liebes Mamachen zum Sofa, dessen fadenscheinigen Bezug sie mit einer in aller Eile gehäkelten Decke dem Blicke entzogen hatte. Als man sich niedergelassen, machte Fanny zum erstenmal in ihrem neuen Heim die Wirtin und goß den Kaffee in die Tassen. Auch den Kuchen zerschnitt sie. Lächelnd präsentierte sie dem Gemahl dann das gelungene Fabrikat seines Töchterchens. Wenn es auch nicht eben beneidenswert in der Seele der jungen Frau aussah, so gelang es ihr doch, eine gewisse Gemütlichkeit um fiä zu verbreiten. Aber es war ihr, als stünde fit auf unterminiertem Boden, und ganz gegen alles Wollen kam der Neuvermählten denn auch die Reue, daß sie denselben betreten; da aber traf sie ein Augenaufschlag ihres Stief töchterchens. Der zärtliche, vertrauensvolle Ausdruck in demselben tröstete wunderbar. Dennoch hatte sie das bestimmte Gefühl: cs waren schwere Kämpfe, welche ihrer warteten, sie ging ohne jede Frage einem Leben voller Sorgen und unendlicher Mühen entgegen. Nachdem die Herrschaften sich restauriert hatten, machte Herr v. Hagel seiner junge» Frau den Vorschlag, sie im Schloß herum' zuführen und ihr auch das Innere der Stallunge» zu zeigen. , Fanny war natürlich bereit, dem GeuE zu folgen. Aber sie tat es jetzt ohne alle Erwartungen. Und das war gut. Denn war sie zu sehen bekam, zeugte von den gänzucy zerrütteten Verhältnissen Herrn v. Hagels. , Außer dem Wohnzimmer befanden M freilich noch eine größere Anzahl anderer Ge mächer im Hause. Aber sie alle waren uw notdürftig, und zwar mit Geräten ausgestattel- die jedenfalls schon den Großeltern gedwu hatten und längst in die Rumpelkammer gehörten.
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