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anders befreien konnte, als durch den Lerkauf jener Hypothek. Ich habe es nicht gern getan, das dürfen Tie mir glauben. Schon deshalb nicht, weil ich bare fiinfzehntausend Mark dabei verlor." „Sie erlitten einen Verlust? Wie soll ich das verstehen?" Franz Wagenhoff lächelte ein wenig; aber es war kein ange nehmes Lächeln. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Baron, aber, unter uns gesagt, an: Ende mußte ich doch noch froh sein, daß es damit abging. Verschiedene Geldleute — und ich hatte mich von vorn herein nur an die Waghalsigsten gewendet — schlugen es rundweg ab, sich auf das Geschäft einzulassen." „Sie wollen damit sagen, daß man Zweifel in die Sicherheit der Hypothek setzte?" „Mein Gott, diese Leute sind nun einmal mißtrauisch. Und was sollte ich ihnen antworten, wenn sie mir auf Grund ihrer an geblichen Erkundigungen erklärten, die Besitzung sei total über schuldet und meine Hypothek im Falle einer Subhastation nicht einen Pfennig wert." „Man hat es gewagt, das auszusprechen? Ah, das ist stark!" „In Geschäftssachen gibt es sür diese Menschengattung keine zarte Rücksichtnahme, Herr Baron. Sie glauben nicht, von einer wie brutalen Aufrichtigkeit das Gesindel sein kann. Und wenn ich Ihnen alles wiederholen wollte, was mir bei der Gelegenheit —" Baron Eberhard machte eine ablehnende Handbewegung. „Ich verzichte darauf. Sie selbst aber würden nach diesen über raschenden Enthüllungen über die angebliche Verschuldung von Lindenhof vermutlich nicht geneigt sein, mir gelegentlich eine Summe von vierzig- bis sünfzigtausend Mark gegen hypothekarische Sicherheit zur Verfügung zu stellen?" „Ah! Ist das Ihr Ernst, Herr Baron?" „Ich sehe nicht ein, wie ich dazu kommen sollte, im Scherz eine solche Frage zu tun." „Nun, rund heraus gesagt: ich fürchte, daß es Ihnen nicht gelingen wird, eine solche Hypothek aufzunehmen, selbst wenn Sie Wucherzinsen zahlen wollten. Kein Geschäftsmann wird sich daraus einlassen. Nur ein wirklicher Freund, der weniger auf die Sicher heit seiner Kapitalsanlage, als darauf bedacht wäre, Ihnen gefällig zu sein, könnte sich unter den obwaltenden Verhältnissen zur Her gabe des Geldes verstehen." „Gut also! Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Herr Wagen hoff. Lassen Sie uns nicht weiter davon reden. Sie hatten, wenn ich nicht irre, die Absicht, mir Ihrerseits eine Mitteilung zu machen." „Hm — ja — allerdings! Aber es wird mir nicht ganz leicht, gerade nach dieser Einleitung. Kurz und ehrlich, Herr Baron: ich würde glücklich sein, wenn die Erfüllung gewisser Herzenswünsche mich in den Stand setzte, Ihnen dieser hilfsbereite und uneigen nützige Freund zu sein." Befremdet blickte der Hausherr auf. „Ich verstehe nicht, Herr Wagenhoff." „Lassen Sie mich ohne Umschweife reden; ich verstehe mich schlecht auf diplomatische Winkelzüge. Ich liebe Ihre Tochter Mar got, Herr Baron, und ich würde mich für den beneidenswertesten Sterblichen halten —" Nur durch eine ganz kleine, keineswegs heftige, doch immer hin recht deutliche Handbewegung schnitt Eberhard von Alten den Faden seiner kaum begonnenen Rede entzwei. „Verzeihen Sie, mein Herr — hier liegt vielleicht eine Personen- verwechselung vor. So viel ich weiß, hat meine Tochter gar nicht den Vorzug, Sie zu kennen." In Franz Wagenhoffs matt blickenden Augen war für einen Moment ein eigentümliches, tückisches Glitzern. Die Art, wie seine Werbung da unterbrochen worden war, konnte ihm fast schon als eine Antwort auf den Antrag gelten, den er noch gar nicht voll ständig vorgebracht hatte. Wer er ließ sich doch nicht entmutigen, und von dem Verdruß, der ihn notwendig erfüllen mußte, war im Ton seiner Worte wenig zu bemerken, da er sagte: „Doch, Herr Baron! Schon im letzten Frühling wurde mir auf einem Rennen die Ehre zu teil, dem gnädigen Fräulein vorgestellt zu werden, und verschiedene Begegnungen im Theater wie in der Gesellschaft gaben mir während des Winters Gelegenheit zu immer neuer und immer lebhafterer Bewunderung der — äh --- wirklich liebenswürdigen jungen Dame." „Ich habe von diesen Begegnungen nie etwas gehört, und ich gestehe, daß ich sie aus verschiedenen Gründen kaum für möglich gehalten hätte. Jedenfalls werden Sie mir gestatten, zu bemerken, daß auf Grund einer so flüchtigen Bekanntschaft —" Nun war es Franz Wagenhoff, der ihn unterbrach. „Ich bitte gehorsamst, Herr Baron, hören Sie mich erst au! Es ist selbstver ständlich auch in dieser Angelegenheit mein Bestreben gewesen, durchaus korrekt vorzugeheu. Es wäre mir als geradezu unver- einbar mit den Ehrbegriffen eines Kavaliers erschienen, wenn ich hinter Ihrem Rücken versucht hätte, Fräulein Margots Herz zu gewinnen.» Ich kenne die Traditionen vornehmer Familien zur Genüge, um zu wissen, daß die Hand Ihrer Tochter nur dem Maune zuteil werden wird, den Sie selbst ihr zuführcn. Darum war ich seit dem Augenblick, wo ich mir über meine Neigung klar wurde, fest entschlossen, mich mit männlicher Offenheit zunächst au Sie zu wenden." „Das ist sehr ehrenwert. Aber ich weiß nicht recht, was Sie nun eigentlich von mir erwarten." „Ah, das ist wohl kaum Ihr Ernst. Sie haben mich trotz unserer — ich darf Wohl sagen freundschaftlichen — Beziehungen —" „Sie meinen unsere geschäftlichen Beziehungen, Herr Wagen hoff!" „Nun ja, nennen wir es meinetwegen auch so, obwohl wenig stens auf meiner Seite von einem Geschäft dabei kaum die Rede sein kann — also Sie haben mich trotz dieser Beziehungen niemals der Auszeichnung gewürdigt, mir die Pforten Ihres Hauses zu ösfnen. Daß Sie es jetzt tun werden, ist zunächst das einzige, was ich als Antwort auf mein vorhin abgelegtes Bekenntnis erhoffe. Sie würden mir damit ja zugleich die Erlaubnis erteilen, ritterlich um Fräulein Margots Gegenliebe zu werben." „Gewiß — und gerade deshalb, mein werter Herr Wagenhoff, möchte ich Sie bitten, von dem Wunsche eines Verkehrs in meinen: Hause freundlichst abzustehen." Das seltsame Glitzern auf dem Grunde der sonst so matten Augen wurde noch lebhafter. „Ist das eine Abweisung, Herr Baron? Ich hoffe — nein; denn ich wüßte in der Tat kaum, wie ich sie mir erklären sollte. Zwar führe ich bis heute noch einen schlicht bürgerlichen Namen, aber in unserer ausgeklärten Zeit, die mehr und mehr mit allen überlebten Standesvorurteilen auf räumt, kann das wohl nicht im Ernst als ein entscheidendes Hinder nis gelten — un: so weniger, als eine spätere Beseitigung dieses Mangels keineswegs ausgeschlossen erscheint. Ich bin von bescheide ner Herkunft, das stelle ich gar nicht in Abrede, denn ich habe keinen Grund, mich dessen zu schäme::. Meiu Vater war ein ein facher Ackerbürger in Schöneberg, aber er hat mir ein Vermögen von mehr als zwei Millionen hinterlassen, und was meine Stellung in der Gesellschaft anbetrifft —" „So maße ich mir durchaus keiu Urteil über dieselbe au," fiel Baron Eberhard höflich ein. „Ich zweifle nicht, daß man Sie in Ihren Kreisen gebührend schätzt; aber ich bedaure, bemerken zu müssen, daß es nicht diese Kreise sind, für welche ich meine Tochter erzogen habe. So freundlich Ihr Antrag gemeint ist —" „Noch ein Wort, Herr von Alten! Ich liebe es nicht, artige Redensarten zu drechseln und mit schönen Phrasen um den Kern der Sache herumzugehen wie die Katze um den heißen Brei. Biedere Aufrichtigkeit ist ost besser als hundert Komplimente, wenn sie auch in: ersten Augenblick vielleicht nicht ganz so angenehm klingt. Sie sind verschuldet, Herr Barou, das ist eiu öffentliches Geheimnis — Sie befinden sich vielleicht gerade jetzt in schweren Geldverlegen heiten — und wenn nun jemand kommt, der auf die Aussicht hin, Ihr Schwiegersohn zu werden —" Weiter kam er nicht, denn schon während seiner letzten Worte hatte der Hausherr auf den Knopf des Telegraphen gedrückt, der sich neben den: Schreibtisch befand, und ohne die Beendigung von Wagenhoffs Rede abzuwarten, ging er nun zu der in das Neben zimmer führenden Tür. „Bringen Sie den: Herrn seinen Hut!" befahl er mit ruhiger Stimme den: auf das Glockenzeichen cin- tretenden Diener, und eine Sekunde später hatte er das Zimmer verlassen. Weder ein Gruß noch ein Blick war den: auf so bündige Art verabschiedeten Besucher zu teil geworden. Verdutzt sah ihn: Franz Wagenhoff nach, dann aber verzogen sich seine Mundwinkel zu eiuem Lächeln, das sein starkes Kinn noch unschöner hervortreten ließ und sein Gesicht wahrlich nicht sym pathischer machte. „Bemühen Sie sich nicht, guter Freund!" wandte er sich gegen den Diener. „Ich finde meinen Hut uud die Ausgangstür auch wohl ohne Ihren gütigen Beistand. Guten Morgen!" Mit falschen Tönen eine Operettenmelodie vor sich hinsunnnend, stieg er die Treppe hinab, und als er drunten seinen Weg fortsetzte, blickten seine dnnklen Augen wieder matt und verschleiert wie zuvor. 3. Die kleine Gesellschaft, die sich eine halbe Stande später ün Speisezimmer zum Diner zusammenfand, hatte sich inzwischen noch un: eine Person vermehrt. Ein sehr schlanker nnd sehr eleganter junger Mann — vielleicht um ein geringes älter als der Ingenieur — war kurz vor der festgesetzten Tischzeit erschienen. Er hatte jeder der drei Danien mit artigen Worten ein hübsches Veilcheufträußchen überreicht und hatte dann Wolfgang Normann wie einen alten Bekannten begrüßt — ohne besondere Herzlichkeit zwar, doch auch ohne jene etwas hochmütige Herablassung, die in Margots Beneh men war. Es war der Regieruugsassessor Viktor von Alten, der einzige Sohn des Hauses, der sich zwar gelegeutlich zur Mittagstafel bei seinen Eltern einfand, zu seiner größeren Bequemlichkeit aber ein eigenes Junggesellenquartier in einen: anderen Stadtviertel