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Allgemeiner Anzeiger : 06.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190404067
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040406
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-06
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.04.1904
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politische Kunälckau. Der rusfisch-j>,panische Krieg. * Gegen 10 000 Japaner haben den Tschintschouganfluß in Nordkorea überschritten. Gerüchten zufolge find gegen 5000 Mann aus Tschöngdschu nach Norden ausgerückt. Kasan ist von japanischer Infanterie besetzt. Die japanische Kavallerie weicht wie bisher einem Zusammenstoß mit den Kosaken aus. — Das würoe bedeuten, daß die Japaner auf dem Seewege in einer Stärke auftreten, daß man hier ruhig von einem „Vor marsch" sprechen kann; und es ist kaum anzu nehmen, daß sie bis zum Jalu noch ernstlich aufgehalten werden können. * Admiral Makarow, der Kommandant des russischen Geschwaders in Port Arthur, hat bekanntgegeben, daß alle Kriegs- oder Handelsschiffe, die in die Operations zone bei Nacht ohne Licht oder am Tage ohne Flagge einlaufen, als feindlich angesehen werden würden, wenn sie nicht auf einen blinden Schuß Halt machen. *Der.Daily Mai? wird gemeldet, daß die Japaner mit Sicherheit darauf rechnen, Niutsch wang innerhalb weniger Tagevon der Landseite aus ei n zu n eh m e n. "Die Russen haben ohne viele Umstände das chinesische Arsenal in Kirin (zwischen der Hauptstadt Mulden und Charbin) für sich mit Beschlag belegt und benutzen es zur Anfertigung von Munition. Außerdem wollen sie 50000 Mann Mongolen ein ziehen, um die russischen Truppen von der Be wachung dec sibirischen Bahn zu entlasten. Das ist die russische Neutralität! *Der japanische Landtag Hal die Finanzgesetze zur Ausbringung der Kriegs kosten unter Ablehnung des Salz- Monopols und Annahme des Tabak monopols bewilligt und sich zur Bewilligung weiterer Mittel bereit erklärt. Die neuen Zölle treten in sechs Monaten in Kraft. Hierauf wurde das Parlament vertagt. * * Der Herero-Aufstand. "Zum nächsten Truppentransport nach Südwest-Afrika am 7. April stellt die bayrische Armee noch den Leutnant v. Weech vom Jnfanterie-Leibregiment sowie 6 Unteroffiziere und 50 Diann. Seit Beginn des Hererofeldzuges sind ans der bayrischen Armee 4 Offiziere, 11 Unteroffiziere und 134 Mann nach Südwest-Afrika gegangen. * * Mr Deutschland. "Der Gesundheitszustand der Kaiserin hat sich in den letzten Tagen der artig gebessert, daß für die nächste Zeit bereits Reisedispositionen getroffen werden konnten. Von einer Reise nach dem Mittelmeer ist endgültig Abstand genommen, dagegen wird die Kaiserin am 8. April die jüngeren Prinzen nach Plön zurückbegleiten und im Anschluß daran ihrem Schwager, dem Herzog von Schleswig-Holstein, einen auf etwa vierzehn Lage berechneten Besuch im Schloß Grünholz abstatten, um später längeren Aufenthalt in Homburg vor der Höhe zu nehmen. * DaS Befinden des GroßherzogS von Baden hat sich nach einem Bericht der be handelnden Arzte soweit gebessert, daß in der letzten Woche die üblichen Vorträge ent- gegengenommeu und Spaziergänge und Aus fahrten ziemlich regelmäßig unternommen werden konnten. Die Störungen der Verdauungs organe find nahezu verschwunden und der Kräftezustand ist dementsprechend besser. Zeit weilig wurden Störungen durch einen Katarrh hervorgerufen, welcher das rechte Mittelohr in Mitleidenschaft zog. * Uber dieBekämpfung der Neblaus ist dem Reichstag ein Gesetzentwurf vor gelegt worden. Dieser Gesetzentwurf war schon in der Thronrede bei Eröffnung des Reichstags wie folgt angekündigl worden: „Bedauerlicherweise sind neuerdings in einem Teile der deutsche,. Rcbgelände Schädlinge in einem Umfange aufgetreten, der für die Zukunft unseres Weinbaues zu schweren Besorgnissen Anlaß gibt. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen haben sich zur erfolgreichen Bekämpfung der drohenden Gefahr in manchen Punkten als unzulänglich erwiesen. Es wird daher eine Borlage ausgearbeitet, die den Be hörden schärfere Waffen m die Hand geben soll, um auf diese Weise jenen kostbaren Zweig der deutschen Landwirtschaft vor großem Unheil zu bewahren." Frankreich. * Der großeSturm gegen den Marine- minister Pelletan ist noch vor dem Feste abgeschlagen worden; Pelletan konnte ruhiger Ostern feiern, als sich zuvor erwarten ließ. Die Abstimmung brachte der Regierung eine Mehrheit von 80 Stimmen; also eine weit größere wie beim Kongregationiftengesetz. England. "In Londoner diplomatischen Kreisen ver lautet, daß nach Beendigung des ostasiatischen Krieges England mit Rußland ein gleiches Abkommen wie mit Frankreich ab schließen dürfte. (Hat schon das englisch-fran zösische Abkommen so manchen Haken, um wie- vielmehr müßte solch ein Abkommen zwischen den beiden großen Nebenbuhlern um die Vor herrschaft in Asien haben.) * Nach kurzer Debatte wurde im Unterhause der Gesetzentwurf über die Einwanderung von Ausländern in erster Lesung ange nommen. Über seinen Inhalt wird gemeldet: Der Entwurf bestimmt, daß mittellosen Ausländern und solchen, die eines Ver brechens in ihrem Lande überführt find, wegen dessen Auslieferung zu erfolgen hätte, ferner Ausländern, die an ansteckenden Krankheiten leiden, die Erlaubnis ver weigert werden kann, britischen Boden zu betreten. Die Einwanderer können auch ange halten werden, sich über ihren Leumund und ihr Vorleben auszuweisen. Gegen Ausländer, die eines Verbrechens in England überführt find, kann als ein Teil ihrer Strafe die Aus weisung verfügt werden. Italien. "Ein wahrer Loubetkultus wird in Rom augenblicklich in Erwartung des Besuches des französischen Präsidenten ge trieben. Unter anderm ist der Gedanke auf getaucht, unter den Beamten aller Beruss- klassen eine „1 Lira-Sammlung" zu veranstalten, um dem Präsidenten der französischen Republik ein Ehrengeschenk zu überreichen. Dann soll auch noch eine „10 Centesimi-Sammlung" in Szene gesetzt werden,, an der sich die gesamte Bevölkerung Roms beteiligen kann und die ebenfalls ein Ehrengeschenk zum Zweck haben soll. * Die ,Agenzia Jtaliana' behauptet, anläß lich der Gerüchte von einem anarchistischen Komplott gegen den Pap st, der Re gierung sei tatsächlich aus Buenos Aires die Abreise zweier Anarchisten von dort zu diesem Zwecke gemeldet. Die Regierung habe die er forderlichen Maßregeln ergriffen. "Die Affäre Nasi zieht immer weitere Kreise. Ein Advokat Lombardi, der früher Kabinettschef Nasis war und wohl lein reines Gewissen hatte, ist verschwunden. Hinter ihm ist ein Steckbrief erlassen worden. Dänemark. "Bei Ersatzwahlen zur Kopen hagener Stadtvertretung am Diens tag siegte die antisozi alistisch e Liste mit 17 370 Stimmen. Es handelt sich um die Wahl von 8 Stadtverordneten. Für die aus 4 Sozialisten und 4 Radikalen zusammen gesetzte gegnerische Liste wurden 16650 Stimmen abgegeben. *Die Einführung der Prügelstrafe ist am Freitag voriger Woche vom Folkething bei der zweiten Lesung deL von dem liberalen Abg. Svejstrup und dem Minister Alberti herrührenden Gesetzentwurfes mit 54 gegen 50 Stimmen be schlossen worden. Formell handelte es sich bei der Abstimmung, die durch Namensausruf vor genommen wurde, um einen von drei Liberalen gestellten Änderungsvorschlag zum H 2 des Entwurfs: an Stelle der Prügel Freiheitsstrafen zu setzen. Für diesen Vorschlag, ayo gegen die Prügelstrafe, stimmten nach dem ,Vorwärts- 25 Liberale, die 16 Sozial demokraten, 6 Konservative und 3 Moderate; gegen den Vorschlag, also für Prügel, stimmten 40 Liberale, 9 Moderate und 5 Konservative; 3 Abgeordnete enthielten sich der eiiamen. Unter denen, die für die Prügeestrafe stima.un, waren vier Minister. Der Ministerpräsident Deuntzer verliest eine halbe Stunde vor der Abstimmung den Saal; er fühlte sich offenbar außer stände, seiner Gegnerschaft gegen die Prügelstrafe öffentlich Ausdruck zu geben. Balkanstaatcn. "Immer mehr dient der Druck, den die Komitatschis iuMazedonien auf die griechische Bevölkerung ausüben, um sie zum Anschluß an die revolutionäre Bewegung zu zwingen, zur Verschärfung der Gegensätze auf der Balkanhalöinsel. Wie nämlich aus Kon stantinopel gemeldet wird, ist durch ein Schrift stück, das kürzlich bei einem im Kampfe mit Gendarmen getöteten Bandenchef gesunden wurde, bewiesen worden, daß die Komiteebanden angewiesen find, die griechischen Gemeinden durch Mordtaten und Drohungen zum Übertritt zur exarchistischen (etwa von der griechisch- orthodoxen zur russisch-orthodoxen) Kirche zu zwingen. Amerika. * Bisher sind 302 Delegaten der republi kanischen Nationalkonvention er wählt, wovon 257 beauftragt find, Roose velt zu nominieren. Roosevelt hat somit Aussicht, die Kandidatur durch Akklamation zu erlangen. Ein Gegenkandidat fehlt bisher. Änderungen im Poftverkekr. Mit dem 1. April d. trat eine Änderung der Postordnung in Kraft, die folgende Be stimmungen enthält: Poftaufträge mit dem Vermerk „Sofort zurück" und „Sofort an N. in N." werden künftig bei der Vorzeigung ebenso behandelt wie Postaufträge mit dem Vermerk „Sofort zum Protest", d. h. sie werden nach der ersten ver geblichen Vorzeigung oder nach dem ersten ver geblich gebliebenen Versuche der Vorzeigung bis zum Schluffe der Schalterdienststunden an dem betreffenden Tage bei der Postanstalt zur Ein lösung oder Erteilung der Annahme-Erklärung bereit gehalten. Durch diese Änderung wird ein wiederholt von der Handelswelt ausge sprochener Wunsch erfüllt und eine Verein fachung und Erleichterung für die mit der Be arbeitung und Vorzeigung der Postaufträge be trauten Dienststellen rc. erzielt. Um eine zweck lose Zurückhaltung der Aufträge bei den Post anstalten bis zum Schalterschluß zu vermeiden, ist die Bestimmung getroffen, daß die Aufträge im Falle der Verweigerung der Einlösung oder Annahme bei der Vorzeigung sofort zurück- oder weiterzusenden sind. In Übereinstimmung mit diesen Änderungen ist das Verfahren bei der zweiten, nach Ablauf der Lagerfrist er folgenden Vorzeigung von Postaufträgen ohne den Vermerk „Sofort zum Protest" rc. geregelt. Ein Erschwernis der Sountagsbrieibestellung und zugleich eine Belästigung des Publikums sind durch die Bestimmung beseitigt worden, daß an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen offene Karten mit Nachnahme (Postkarten und Druck sachenkarten) nicht zur Einlösung vorgezeigt werden, und daß ferner zweite Vorzeigungen von Nachnahmesendungen (nach Ablauf der etwa verlangten Einlösungsfrist) an den bezeichneten Tagen überhaupt nicht stattfinden. Damit dem Empfänger eine Einlösungsfrist von sieben Tagen gewahrt bleibt, werden Sonntage rc., an denen die Vorzeigung bestimmungsmäßig unterblieben ist, bei Berechnung der Frist nicht mitgezählt. Berechtigte Interessen des Publikums werden durch die Änderungen nicht berührt, da er fahrungsmäßig eine Einlösung von Nachnahme sendungen an Sonntagen rc. nur selten stalt- findet und da es ferner dem Absender sreigestellt ist, auch künftig die Vorzeigung an Sonntagen zu verlangen. Die gleiche Befugnis wird dem Empfänger eingeräumt. — Dazu bemerkt die deutsche,Verkehrsztg/, daß vom 1. April ab hinsichtlich der Nachnahmesendungen das Ver fahren bei der zweiten Vorzeigung — nach Ab lauf der Einlösungsfrist — in gleicher Weise wie bei den Postaufträgen geregelt ist. Ähnliche, wie die vorstehend angegebenen Gründe haben zur Ausschließung der Nacht- Eilbestellungen geführt. Lie Abtragung von Eilsendungen während der Nachtstunden stieß in den meisten Orten auf erhebliche Schwierig keiten ; auch entsprach sie im allgemeinen nicht den Wünschen des Publikums. Die Bestim mungen der Postordnung bezüglich der durch Eilboten zu bestellenden Sendungen sind des halb dahin abgeändert worden, daß von 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh keine Eilbestellung statt- findet, es sei denn, daß der Absender auf der Adresse der Sendungen den Vermerk „auch nachts" niedergeschrieben hat. Wünscht der Empfänger die Ausführung der Eilbestellung während der Nachtstunden, so hat er einen ent sprechenden schriftlichen Antrag bei der Poft- anstalt zu stellen. Von unci fern. Der erste deutsche Heimatschutz-Kongreh ist am Mittwoch in Dresden unter außerordent lich zahlreicher Beteiligung von Gelehrten aller deutschen Länder zusammengelreten. Die Tagung bezweckt in erster Linie die Eihaltung der Natur denkmäler und des deutschen Waldes gegenüber den Übergriffen des modernen Lebens mit seiner rücksichtslos einseitigen Verfolgung praktischer Zwecke. Die Verhandlungsgcgenstände sind zunächst Denkmalspflege und die Pflege der überlieferten ländlichen und bürgerlichen Bau weise. Beraten werden wird auch über den Schutz der landschaftlichen Natur einschließlich der Ruinen, über die Rettung der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, und über die Volks kunst auf dem Gebiete der beweglichen Gegen stände. Sitz des Verbandes wird Charlotten burg sein. Spanischer Schatzschwindel und kein Ende. Es wurde schon mehrere Male auf das schändliche Treiben der spanischen Schatz gräberschwindeleien hingewiesen, denen leider noch immer solche von der Sorte, die nicht alle werden, anheimfallen. Dieser Tage erhielt nun ein Berliner Weinhändler aus Madrid ein Schreiben in deutscher Sprache, in welchem er aufgefordert wurde, einen zurzeit im Gefängnis sitzenden Kaufmann zur Wiedererlangung eines 800 000 Frank in Banknoten enthaltenden Koffers behilflich zu sein, der sich auf einem fran zösischen Bahnhof befindet. Zu diesem Zweck soll nun auch der Weinhändler persönlich nach Madrid kommen und die Unkosten des Pro zesses des Inhaftierten bezahlen, damit die Beschlagnahme des Koffers aufgehoben wird. Der Weinhändler soll dasür ein Drittel der ge nannten Geldsumme erhalten. Ein groster Sonnenfleck ist seit einigen Tagen über den Ostrand der Sonne nach vorn gekommen und wird noch für mehrere Tage sichtbar sein, ehe er insolge der Sonnendrehung am Westrand verschwindet. Sein Durchmesser beträgt, nach der ,Frks. Ztg/ etwa den 70. Teil des Durchmessers der Sonnenscheibe, er ist also anderthaldmal so groß wie die ganze Erde. Während dieser Fleck schon dem geschützten Auge mit einem Opernglas sichtbar ist, zeigt ein kleines Fernrohr eine andere Gruppe von 5 Flecken bereits westwärts von der Milte der Sonnen- scheibe sowie einen größeren Fleck unterhalb des erstgenannten. Ein Hundertjähriger. Gesund und geistessrisch vollendete in Ingolstadt der Privatier Gabriel Neumeyer sein hundertstes, nach An gabe der Verwandten sogar 102. Lebensjahr. Da die Matrikel seiner Heimatgemeinde Toln- stein s. Z. verbrannte, läßt sich ein genauer Nachweis nicht erbringen. Aus Liebe zum Verbrecher und Selbst mörder. Der Schlächtergeselle Hartmann aus Köln tötete sich in dem Restaurant zum „steinernen Tisch" in Magdeburg mittels zweier Revolver schüsse in die Stirn. Hartmann lernte in Köln ein junges Mädchen einer Tiroler Kapelle kennen und verliebte sich dermaßen in sie, daß er ihr nach Magdeburg folgte, wo er sich mit ihr verlobte. Um seiner Gelrebten folgen ZN können, unterschlug er seinem Meister dir Summe von 5000 Mark, welche er in Gesell schaft der ganzen Tiroler Truppe verjubelte. Die Tat war natürlich bemerkt worden, UN" Hartmann zog es vor, sich durch Sslbftinoid der irdischen Gerechtigkeit zu entziehen. K Vie Mläern leben 6rben. 10j Roman von M. Brandrup. Wenn die Tante sich nun tatsächlich in den Verhältnissen ihres künftigen Neffen geirrt hätte — würde sie, Fanny, eS mit Ruhe zu tragen vermögen? Die junge Braut schaute einen Augenblick sinnend vor sich nieder. Dann faßte sie sich jedoch und trocknete eifrig an den gewaschenen Porzellantassen, wonach sie und Ada Haarbesen und Schaufel ergriffen, um auch in den Zimmern mit dem Reinigungswerk zu beginnen. In kürzester Zeit zeigte sich die Wohnung schmuck und geordnet. War doch auch inzwischen Frau Hoftat aufgestanden und hatte der Nichte ihr Schlafgemach überlassen. Nur für kurze Zeit freilich, denn heute galt es, schnellstens ihre äußerst komplizierte Toilette zu machen. Schon bald nach elf Uhr erschien Herr von Hagel und steckte Fanny ohne jede weitere Zeremonie den Verlobungsring an den Finger. „Wenn es dir recht ist, Schätzchen," sagte er dann „und die Tante nichts dagegen einzu wenden Hat, verleben wir den Tag im Freien. Ich habe einen Wagen bestellt und möchte mir den Vorschlag erlauben, nach dem Eichwald zu fahren." „Dort soll es ja reizend sein," sagte Frau Erna, und auch Fanny zeigte Freude über die Partie. Schnell hatten sich die Damen gerüstet, und kaum eine halbe Stunde später fuhr die kleine Gesellschaft dem beliebten Vergnügungsort zu. Unterwegs leitete Frau Erna die Unter haltung. Jedes Wort, das sie sprach, aber zielte zum Schrecken ihrer Nichte darauf hin, aus Hagel eine Detaillierung seiner Verhält nisse herauszubringen. Aber der Herr Ritter gutsbesitzer verstand seine künftige Schwieger tante entweder gar nicht, oder er wollte sie nicht verstehen. Ohne sich irgendwie unhöflich zu zeigen, ließ er alle ihre Anspielungen unbe- aniwortet. Schließlich bat er Frau Erna jedoch, sie möge sich ganz und gar keine Sorgen wegen der Aussteuer seiner Braut machen. Fanny fände auf Bradoczin alles, was sie ge brauche. „Ich will eben nur Ihre Nichte," setzte er hinzu und küßte galant Fannys Hand. Das junge Mädchen zuckte unwillkürlich bei dieser Zärtlichkeilsäußerung im offenen Gefährt zusammen und schaute sich um. Drei Reiter galoppierten soeben die Chaussee herauf. Offi ziere waren es und in ihrer Mitte Leo. Jetzt hatte auch Herr v. Grün die Insassen des Wagens, oder richtiger, die Damen Hell wald erkannt und faßte mit tiefer Verneigung an die Mütze. Ein langer schmerzlicher Blick aber begleitete diesen Gruß, so daß Fanny alles Blut zum Herzen drang und ihr eben noch lebhaft erglühtes Gesicht todbleich wurde. Hagel bemerkte dies wohl, und über die vornehmen Züge des Mannes flog ein Schatten. „Wer ist der junge Herr?" fragte er in seiner ruhigen Art. „Ein Koufin meiner Nichte," kam Frau Erna Fanny zuvor, „und niemand anders als Baron Leo von Grün. Vielleicht ist Ihnen der Name bekannt, lieber Hagel?" „von Grön? Leo von Grön?!" wieder holte der Rittergutsbesitzer, indem er seine Hand an die Stirn legte. „Ganz wohl, ich kenne ihn — wenn es auch lange her ist, daß ich ihn wiederholt gehört habe." „Auf Groditten, nicht wahr?" fragte Erna, in gewohnter Weise ihre Stirnlöckchen drehend. Mit sichtlichem Widerstreben, denn sie hatte jetzt eine förmliche Angst, irgend etwas zu sagen, was mit Mildern zusammenhing, setzte sie hinzu: „Die ältere Bruderstochter des Groditter Herrn — Hannas Halbschwester, welche den Jahren nach deren Mutter hätte sein können, war mit einem Baron v. Grön verheiratet. Der Tod löste diese Ehe, als Leo, der jüngste Sproß derselben, kaum wenige Wochen alt war." Gern hätte Herr v. Hagel noch einige Fragen in betreff Leos gestellt, von dem er natürlich annahm, daß er gleichfalls eine An- warftchaft auf die Mildernsche Erbschaft habe, uver der Gedanke, man könnte glauben, er spekuliere auf diese Erbschaft, und sie allein wäre das Motiv für seine Handlungsweise Fanny gegenüber gewesen, war ihm so peinlich, daß er lieber schwieg. Nach halbstündiger Fahrt hielt der Wagen vor dem Waldrestaurant. Hagel bot seiner Verlobten den Arm, und bald saß die kleine Gesellschaft unter einer mächtigen Eiche und wartete des schnell von Hagel bestellten, bei läufig gesagt, außerordentlich feinen Mahles. „Aber Herr Neffe — Sie erlauben mir wohl, daß ich Sie schon so nenne — weshalb soviel des Guten?" rief Frau Erna. Indessen sah man es ihr an, daß sie durchaus nicht un zufrieden über die Aussicht war, endlich Wiedel einmal in derartigen Tafelgenüssen zu schwelgen- „Es ist ja ein wichtiges Fest, das wir begehen," erwiderte Herr v. Hagel. Und sich zu Fanny herabbeugend, die eben wieder mit seinem Töchterchen sprach, flüsterte er: „An einem solchen Tage kann mir natürlich nur das Beste gut genug sein." Fanny antwortete mit ein paar verlegenen Worten. Wußte sie doch wirklich nicht, was sie erwidern sollte; überdies hatte das Wieder sehen Leos sie in seltsamer Weise aufgeregt- Nur mit Aufgebot ihrer ganzen Willenskraft vermochte sie es, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Natürlich dankte sie es Hagel, daß er tat, als bemerkte er ihre Erregung nicht und damit begann, ein harmloses Gespräch R Gang zu bringen. Da er sich in diesem Be streben vorerst an Frau Hoftat wandte, erreichte er auch seinen Zweck. Als dann der Kellner kam und das Mahl servierte, hatte sich auch Fanny gefaßt und vermochte es, Hagel nm freundlicher Miene zu antworten, wenn er sein- Worte an sie richtete. , Übrigens hatte der Herr Rittergutsbesitzer dem Tage zu Ehren auch Champagner bringen lassen. Der seit langer Zeit nicht genossen- Wein aber betäubte Fannys Seelenleid vollends uud sie zeigte sich fast heiter. Ein paar Stunden vergingen so. T>aw meinte Herr von Hagel nach einigen einleitenden Worten: „Das war ein köstlicher Tag, mein Damen. Schade nur, daß ich Ihnen rm Ber lauf desselben eine Mitteilung machen muß^oi» mir selbst allerdings am meisten nahe geht.
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