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dcn Helling. Das soll 'mal einer von den Jüngeren leisten! — Aber nun müssen wir Sie auch 'mal schonen. Für den „Lohen- grin" in kommender Woche werde ich Strömer als Telramund anseben." „Aber weshalb, Verehrter? Das ist ja wohl die Galavorstellung zu Ehren des Besuches der fremden Majestät? Ich kann es sehr gut schaffen." „Nein, nein — Sie sollen sich nicht überanstrengen. Sie sind für solche Feste zu schade." „Aber erlauben Sie, es sind doch nur erste Kräfte an diesem Abend beschäftigt, und als Ortrud habt Ihr Euch sogar die Humann-Scheink verschrieben? Da gehöre ich doch Wohl auch auf die Szene?" „Ja natürlich, selbstverständlich — aber wissen Sie was? Ich würde doch an Ihrer Stelle nicht singen. Ist ja eigentlich eine gräßliche Partie, kein bei eauto, keine große, schöne Linie, und das ist doch gerade Ihr Fach, Liebster." Der Sänger drehte sich langsam um. „Sagen Sie 'mal offen: Ihr wollt mich wohl nicht mehr?" „Aber Gott bewahre — wie kommen Sie auf den Gedanken? Mr Sie nicht wollen!! Den erstell'Baryton der Welt!" „Also werde ich im „Lohengrin" singen." „Ja gewiß! Das heißt, ich weiß nicht " ' „Wieso wissen Sie nicht? Was soll das heißen — —" Das H^s war mäßig gefüllt, aber der Beifallsdonner, der zur Bühne hinaufbranste, ließ kaum eine Lücke in den Reihen ahnen: so herrlich hatte er lange nicht gesungen. Und große Tränen standen den Leuten in den Augen, als Helling noch ein mal, zum letzten Mal die ganze weite Welt in seine Blicke faßte, in der er selig gewesen, als er von dieser Erde schied, um unten im Geisterreich an der Mutter Herz zu vergessen, was oben so lieb, so hold ihm gelacht. „Alle Achtung, er kann doch noch," sagte am Schluß der Oper der Intendant, „wir wollen ihn am Dienstag doch als Telramund nehmen. Arrangieren Sie die Sache, lieber Oberregissenr." „Sehr Wohl, Exzellenz!" Als der Oberregisseur in die Garderobe des Sängers trat, hatte dieser bereits das Kostüm mit dem bürgerlichen Kleid ver tauscht. „Herrlich, herrlich, lieber Freund! War das ein „Helling"! Exzellenz ist hingerissen, Er hat erklärt, dass er sich um die Wünsche aller Majestäten der Welt nicht schert. Sie, Sie müssen den Telramund singen, der liegt Ihnen ja so prächtig, als ob der Wagner Ihnen jede Note auf den Leib geschrieben hätte." — Der Sänger nahm Hut und Stock und sah sich in dem Raum nach ollen Seiten um. Er nickte hier und dahin und strich auch über die Fläche des Spiegels, die so oft sem Bild wiedergestrahlt hatte. Dann gab er dem Oberregisseur die Hand. „Adieu, Herr Ober regisseur. Empfehlen Angenekme izeimtakrl. dem Gemälde von Milh. von biez. her Lohengrin —!" „Zum „Lohengrin" bin ich übrigens da, aber mit einem kleinen Unterschied gegen früher." „Und der wäre?" „Daß ich ihn mir vom Parkett aus ansehe. — — Guten Abend!" „Ach, lieber Gott, gar nichts — der Herr Intendant deutete nur an, daß es die fremde Majestät vielleicht interessieren würde, Strömer zu hören — —" Der Sänger entgegnete nichts mehr, ec sah nur lange in den Spiegel: draußen klang die Glocke des Dienst- tncnden, beide Männer begaben sich auf die Szene. — Sie mich Seiner Exzellenz und sagen Sie ihr, Herr Strömer müsse schon in der Galaoper singen." — „Das geht nicht." — ..Es geht doch, verehr ter Herr. Ich habe mich sechsundzwanzig Jahre redlich bemüht, der Kunst zu dienen und die Kunst zu ver stehen. „Kunst" — das kommt von „Können" her. Und dazu gehört auch, daß man recht zeitig gehen kann." — „Wie — verstehe ich Sie recht? Sie — der Sie noch so jugendlich sind — Sie wollten uns verlassen?" — „Jugendlich? — Heute morgen hab' ich's auch noch geglaubt, aber dieser Tag hat mich eines Besseren belehrt. Das geht manchmal sehr schnell! — Und nun Adieu! Ich mache von meinem Rücktritts paragraphen Ge brauch!" — „Aber Bester — Einzigster — Wo sie mit liebesfroher Seele So oft geharrt zur Abendstmid, Da steht sie wohl auch heule wieder — Doch zuckt in bittrem Schmerz ihr Ulund! Was hält ihn heute fern so lange? Schon weht der Dämmrung kühler Hauch! Sonst war er stets vor ihr am Platze, Und lächelnd, glücklich tarn sie auch! Hat sie nicht nach der Arbeit Ende Sich atemlos gehastet heut, Um schnell den putz noch anzulegen, In dem sie stets sein Aug erfreu!? Und war sie nicht doch hier zur Stunde? Und ist sie heut nicht schön wie je? Und hat er ihr nicht Treu geschworen, Die niemals auf der Welt vergeh? Ged wird die Straße, er kommt nimmer! Jur Dorf preist man soeben laut Ihn als Verlobten einer andern — Denn er — braucht eine reiche Braut!