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Allgemeiner Anzeiger : 20.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190402204
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040220
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040220
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-20
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.02.1904
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politische Kunälchau. Der russisch-japanische 5krieg. *Vom Freitag bis Dienstag find keine be deutenden Meldungen vom Kriegsschauplatz eingegangen. Der Zusammenstoß der Heere war noch nicht erfolgt. Zwar versichern russische Blätter, die Japaner hätten eine Landung auf der Halbinsel versucht, auf der Port Arthur liegt, wären aber mit schweren Berluften zur ü ckgeschlage n worden: von japanischer Seite wird aber ge leugnet, daß auch nur ein Landungsversuch unternommen worden wäre. * Ebenso unwahr ist auch die Nachricht, daß das r u s s i s ch e W l a d iw o st o k - Ge schwader eine offene japanische Hafen- stadt auf Jesso (der nördlichsten Insel Japans) in Brand geschossen habe. Dagegen sind von der genannten Flottille zwei japa nische Handelsdampfer attackiert wor den, von denen der eine sank, der andere ent kam. Die Meldung davon hat in Japan ge waltig erreg!, da den in japanischen Häfen ankernden russischen Handelsschiffen bis zum 16. d. Zeit zur Abreise gelassen war. Infolge dessen sind in Japan mehrere russische Handels dampfer beschlagnahmt worden. * Der japanische Kriegsplan be steht, wie der ,Berl. Lok.-Anz/ aus Tokio er fahren haben will, fürs erste darin, die russische Hauptflotte durch eine Linie von Beobachtungs schiffen von Tschifu bis Tschemulpo auf den Golf von Petschili zu beschränken und inzwischen zwei Armeen nach Korea überzuführen. Eine dritte Armee steht bereit, gegebenenfalls östlich von Port Arthur zu landen, um den Vormarsch der beiden andern über den Jalufluß hinaus von der Flanke her zu unterstützen. * Am Jalufluß, der die Grenze zwischen der Mandschurei und Korea bildet, haben die Russen eine große Truppenmacht. ,Daily Mail' wird aus Tokio gemeldet, daß die Russen 37 000 Mann Truppen in Föngh- wangtschöng zusammenzogen: der Platz solle zur Hauptfestung auf der mandschurischen Seite des Jalu gemacht werden. *Ein britische? Schiff im Hafen von Port Arthur, das mehrere hundert Japaner von dort wegführen sollte, wurde von einem russischen Kriegsschiffe mit drei Bomben bedacht, die mehreren der feindlichen Passagiere schreckliche Verwundungen beibrachten. Außerdem wurden 50 Japaner an der Ab reise verhindert. Der amerikanische Konsul hat sich ihrer angenommen. * Ein Befehl Alexejews ordnet an, daß alle Zivilpersonen und alle Ausländer Port Arthur sofort zu verlassen haben. Keinem Handelsschiff ist es gestattet, in Port Arthur anzulaufen. * * * Der Herero-Aufstand. * Bei einem Vorpostengefecht zum Entsatz von Gobabis, das etwa 200 Kilometer östlich von Windhoek liegt, find von deutscher Seite von der Kompanie Fischel am Sonntag drei Seesoldaten getötet und zwei verwundet worden. *Die Verluste der Schutztruppe bei den Kämpfen gegen die Hereros be rechnet das ,Kolonialbl/ auf 13 Tote, 7 Ver wundete. Außerdem find 9 Beamte und An gestellte des Gouvernements im Kampfe ge fallen, 6 ermordet worden. * * * Deutschland. * Von gut unterrichteter Seite wird bestätigt, daß derKaiser an der Vereidung der Februar- Rekn.ten in Wilhelmshaven teilzunehmen gedenkt. Der genaue Termin für die Vereidung ist noch nicht bekannt gemacht. *Das Zentrum hat im Reichstage eine Resolution eingebracht, die den Reichskanzler ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß in der Statistik der deutschen Rerchspost- und Telegraphenverwaltung bezüglich der mittleren und niederen Beamten der Poft- und Telegraphenverwaltung eine eingehende Nach weisung veröffentlicht wird über die tägliche Dienstzeit, dieSontagsrühe, insbesondere die Ruhe am Sonntag-Vormittag, die Ruhetage und den Erholungsurlaub." * Bei der Ncichstagsersatzwahl in Eschwege-Schmalkalden wurden bis Mon tag abend für den Kandidaten der freisinnigen Vollspartei Merten 4255, für den Konservativen v. Christen 3369 Stimmen abgegeben, der Antisemit Naab brachte es auf 4373, der Sozialist Hugo auf 5612 Stimmen. Also Stichwahl zwischen dem Sozialisten und dem Antisemiten. * Der Bund der Landwirte hat am Montag in Berlin (Zirkus Busch) seine dies jährige Generalversammlung abgehalten. Der Bund hat westlich der Elbe 14163 Orts gruppen mit 139 000 Mitgliedern, östlich der Elbe 17836 Ortsgruppen mit 111000Mitgliedern. General Lenewitsch, Oberbefehlshaber der Mandschurei-Armee. tö^rreich-Unnarn. * Eine Anzahl slawischerArtillerie- Offizieredes österreichisch-ungarischenHeeres ist von derrussischen Kriegsverwaltung zum Eintritt in das russische Heer eingeladen worden. Daraufhin hätten sich 80 Offiziere, meist Tschechen, darunter zwei Oberste gemeldet. Die Offiziere suchen jetzt die Entlassung aus dem Heeresver- bande nach. Frankreich. *Das französisch-siamesische Abkommen ist endlich unterzeichnet worden. Es sichert Frankreich alle Vorteile des Ab kommens von 1902, enthält aber ferner eine Reihe Bestimmungen, die darüber hinaus Frankreich wirtschaftlichen und politischen Ein fluß im siamesischen Laos und den Provinzen um den Großen See verschaffen. England. *Zur Durchfahrt rnssischerKriegs- schiffe durch die Dardanellen seine Zu stimmung zu erteilen, ist England von Rußland, wie der Staatssekretär des Innern, Douglas, am Montag im britischen Unterhause auf eine Anfrage Gibson Bowles erklärte, nicht ersucht worden. Es sei auch keinerlei Grund zu der Annahme vorhanden, daß Rußland einen solchen Schritt beabsichtige, der eine zweifellose Ver letzung der ihm gegenüber den europäischen Mächten vertragsmäßig obliegenden Verpflich tungen in sich schließen würde. Italien. * DerPapst hat in einem Briefe an seinen Bruder Angelo in Mentone die Gerüchte für ganz unbegründet erklärt, daß sein Gesundheits zustand ungünstig sei; er habe sich vielmehr niemals wohler befunden als jetzt. Holland. * Zwischen den Niederlanden und Dänemark ist ein Vertrag unterzeichnet worden, wonach Streitigkeiten zwischen diesen beiden Staaten dem Haager Schieds geri ch t s h o f unterbreitet werden. Rußland. e> »Die russischen Großfürsten Kyrill und Boris begeben sich in den nächsten Tagen nach dem Kriegsschauplatz. Die Groß fürsten Kyrill und Boris find die beiden ältesten 28 und 27 Jahre alten Söhne des Grostfürsten Wladimir, eines Onkels des Zaren. (Hoffent lich gehen sie „nicht so dichte 'ran.") — Zum Chef der Kosaken in Ostasien ist General Rennenkampf ernannt worden. *Der finnländische Senat richtete an den Zaren ein Ergebenheitstele gramm, worauf telegraphisch der Dank er folgte. Balkanstaaten. * Infolge einer Audienz des russischen Bot schafters Sinojew beim Sultan am Freitag, wurde ein Jrade veröffentlicht, das den Mu- felmanen verbietet, ihre Genug tuung über die russische Niederlage auszu drücken. Amerika. *Der vor kurzem am Typhus erkrankte Senator Mark Hanna, einer der einfluß reichsten republikanischen Politiker, bekannt als der „Präsidentenmacher", ist am Montag ge storben. ZUS (Lem Keickstage. Der Reichstag brachte am Montag endlich die sozialpolitische Debatte bei dem Kapitel „Reichs versicherungsamt" zum Abschluß, wobei Graf Posa da wskp mit bezug auf die in der Debatte wieder einmal erwähnte Bebelsche Villa bemerkte, er wünsche, Bebel und seine Freunde wären nicht bloß Villen-, sondern sogar Rittergutsbesitzer, weil sie dann die Landwirtschaft gerechter beurteilen würden. Dann wurden noch einige Kapitel, sowie der Rest der dauernden Ausgaben des Reichsamts des Innern erledigt. Bei den außerordentlichen Ausgaben ver teidigte Graf Posadowsky den Ausbau der Hoh- königSburg, während bei der Forderung für die Ausstellung in St. Louis der Abg. Spahn (Zentr.) das Vorgehen der Regierung bezüglich der Kunst und die Behandlung der Sezession tadelte. Am 16. d. wird die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt beim Titel „Kosten der Beteiligung des Reiches an der Weltausstellung in Si. Louis 2 000 000 Mk." (2. Rate). Abg. Singer (soz.): Wir werden die Forde rungen bewilligen. Ich freue mich, daß Herr Dr. Spahn in so warmen Worten die Auffassung ver treten hat, baß es nicht Aufgabe der Regierung sei, sich in den Streit der Künstler einzumifchen. Hat aber Herr Spahn damit auch die Meinung des ganzen Zentrums vertreten? Es ist ganz richtig, daß die Regierung sich nicht in den Streit der Künstler mischen soll. Das wird aber nicht ganz leicht sein nach dem Urteil des Kaisers, wonach die Sezession eine „Rinnsteinkunst" sein soll. Hält man die Sezession von St. Lonis fern, so gibt man von der Kunst in Deutschland ein einseitiges Bild. Ge wiß hat jeder einzelne das Recht, seine Meinung auszusprechen, aber diese Frage geht über die In teressen des einzelnen hinaus, wenn das Volk und der Reichstag die Mittel bewilligen sollen für eine Richtung, die seinen Anschauungen widerspricht. Abg. Henning (kons.): Wir haben unsere Stellung zu der Frage schon in der Kommission dargelegt. Soweit die Äußerungen de? Vorredners mit denen des Herrn Spahn parallel gehen, stimme ich mit ihnen überein. In der Glorifizierung oder wenigstens der großen Befürwortung der Sezession kann ich freilich Herrn Spahn doch nicht folgen. Die Sezession sei lediglich eine Reaktion gewesen. Die Sezession sei eigentlich nicht künstlerischen, son dern mehr protestlerischen Ursprungs. Sie hat mehr fach sehr gutes Material gebracht. Staatssekretär Graf Posadowsky: Die Reichsregierung hat sich in den Streit der Rich tungen nicht gemischt, sondern auf den Wunsch der Küustlerschaft die Sache der Kunstgenossenschast als einer altbewährten Organisation übertragen. Nicht um die Befürchtung, der Majorisierung habe es sich für die Sezession gehandelt, sondern um den An spruch auf eigene Räume und eigene Jury. Wenn man das zugestände, könnte es jede andere Gruppe ebenso gut verlangen, und die notwendige Einheitlichkeit der Repräsentation der deutschen Kunst dem Aus lands gegenüber stehe dem entgegen. Ay ein Bci- seiteschieben der Bundesregierungen in dieser Frage denke niemand, man habe sich ihrer Zustimmung für versichert halten dürfen und zu nochmaliger Ver ständigung habe die Zeit gemangelt. Für künftige Fälle aber werde nian noch einmal über die Be handlung dieser Angelegenheiten unter den Regie rungen Fühlung nehmen. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.): Die Rede des Staatssekretärs hat mich nicht befriedigt. Bei der Beteiligung der deutschen Kunst in St. Louis sind Dinge vorgekommen, die durchaus zu mißbilligen sind. Das Parlament kann in Kunstfragen nicht entscheiden. Überhaupt kann niemand, nnd stände er noch so hoch, der Kunst gebieten, bestimmte Wege zu wählen. Freilich, eine Ausnahme muß ich machen. Wo die Kunst nur ekler Sinnenlust dient, muß ihr auch die Regierung entgegentreten. Geheimrat Richter verteidigt die deutsche Kunst ausstellung in Paris im Jahre 1900. Abg. Müller (frs. Vp.): Es liegt hier eine imposante Kundgebung des deutschen Reichstages für die Freiheit der Kunst vor. Ich bin überzeugt, daß St. Louis nur ein Ring der Kettte ist, die die Kunst seit Jahren einschnürt. Redner geht mit der Äußerung „Rinnsteinkunst" heftig ins Gericht. Die deutschen Reichsgelder dürften nicht in einseitiger Weise verwendet werden. Es ist eine Hofästhetik im Entstehen. Was leistet sie denn? überall hohle Deklamation. Oder ist etwa der ornamentale und monumentale Marmorsteinbruch in der Siegesallee ein künstlerischer Zustand? Was Kunst ist, entdeckt nicht ein einzelner, und wenn er noch so hoch stände, sondern nur die Gesamtheit der Volksgenossen und der Künstler. Staatssekretär Graf Posadowsky: Eine Kunstpolitik habe ich überhaupt hier nicht zu ver treten. Kunstangelegenheiten gehören nicht zur Zu ständigkeit der verbündeten Regierungen. Ich be streite nochmals, daß die Sezession durch die Regie rung verhindert worden wäre, sich in St. Louis zu beteiligen. Aber eigene Räume und eigene Jury konnten wir ihr nicht zugestehen. Dem Monarchen wird man seine eigene Meinung auch in künstle rischen Dingen nicht verwehren dürfen. Eine staats rechtlich bedenkliche Art einer solchen Meinungs äußerung ist in keiner Weise erfolgt. Abg. v. Kardorff (fteikons): Meine Partei stimmt mit den übrigen Parteien darin überein, daß das Vorgehen der Regierung zu bedauern ist. Was hat die offizielle Kunst bisher in Berlin geleistet? Bei dem Anblick der meisten ihrer Denkmäler über fällt einem ein gewisses Angstgefühl. Wenn Berlin einmal verschüttet werden sollte, würde man die Sieges allee kaum für der Ausgrabung wert halten. Der Künstler soll schaffen, wie es ihn sein Gewissen zu tun zwingt, nicht ans Rücksicht auf die Gunst des Volkes oder hoher Kreise. Die Titel werden hierauf bewilligt. Das Haus vertagt sich. vreu-isch,r Landtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Beratungen beim Etat der Berg-, Hütten- und Salinen-Vcrwaltung fort. Vor fast leeren Bänken unterhielt man sich über die Bergwerksarbeiter- Fürsorge, die Wurmkrankheit, Erhöhung der Gehälter der oberen Bergbeamten, Arbeitszeit in den Gruben, Abänderung des allgemeinen Berggesetzes und andere verwandte Materien. Im weiteren Verlaufe der Debatte verbreitete sich der Abg. Graf Vraschma (Ztr.) eingehend über die Knappschaftsvereine. Abg. Voltz (nat.-lib.) lehnte die Arbeiterkontrolleure ab, da dieselben nur die Sozialdemokratie sördern würden. Abg. v. Bockelberg (kons.) wandte sich gegen den Antrag Hirsch auf Änderung des allgemeinen Berg gesetzes. Am Dienstag wurde im Abgeordnetenhause die allgemeine Debatte zu dem Etat derBergverwaltung zu Ende geführt. Der Antrag des Abg. Hirsch, betr. Knappschaftsgesetzgebung wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Diese Ablehnung richtete sich insbesondere gegen die in dem Anträge befindliche Forderung ge heimer Wahlen der Knappschaftsältesten. Der Rest des Ordinariums wie das Exlraordinarium wurden ohne wesentliche Debatte angenommen. Von unä fern. Die Erkrankung des jungen Prinzen Heinrich ist auf einen bedauerlichen Unfall znrückzufübren. Wie aus Kiel gemeldet wird, kam der Prinz, ein aufgeweckter und lebhafter Knabe, der noch nie ernstlich krank gewesen ist, in einem Zimmer des dortigen Königlichen Schlosses, vermutlich infolge Ausgleitens, zu Fall, wobei er mit dem Kopfe auf die Kante eines in der Nähe stehenden Stuhles heftig anfschlug. Der sofort zu Rate gezogene Leibarzt stellte eine durch den Sturz herbeigeführte Ge hirnerschütterung fest. Wenngleich die Krankheit des kleinen Prinzen zuerst zu ernsten Be fürchtungen Anlaß gab, so hat sich sein Zustand doch schon wesentlich gebessert. Irgend welche Lebensgefahr gilt als ausgeschlossen. ' K kXrta falk 20j Roman von Theodor Almar. iss erl'etznng.) „Lassen Sie mich darüber hinweggehen, was ich gelitten," fuhr Frau Falk fort, „ehe ich zu dem vollen Entschluß gekommen, den der Gerechtigkeit zu überliefern, der mir den Gatten in die Sträflingstracht gezwängt. Es hat mich große Überwindung meines eigenen Selbst ge kostet, ehe ich Ruf und Ehre aufs Spiel setzte, um Herrn von Werden glauben zu machen, daß ihm mein Besitz endlich gesichert sei. Das alles hat der Tränen und des Kampfes viel gekostet, denn bisher hatte ich auf dem Felde der Lüge und Heuchelei meine Kräste noch nie erprobt. Im Bewußtsein, daß ich im Dienste der Gerechtigkeit handle, gelang mir es über alles Erwarten, in der angelegten Maske zu tänschen; denn Herr von Werden lebt jetzt in der sicheren Hoffnung, daß ich Pflicht und Ehre, ja selbst meine Kinder aus Liebe zu ihm opsern werde. — Nun, meine Herren, find Sie berechtigt zu fragen, was ich mit diesen Mitteilungen außer gerichtlich bezwecke. Als Antwort darauf richte ich die herzliche Bitte an Sie, morgen abend hier im Nebenzimmer, hinter dieser Portiere, meine Gäste sein zu wollen, während ich hier in diesem Gemach Herrn von Werden em pfange. Verlangen Sie noch mehr zu wissen?" „Nein, gnädige Frau, wir verstehen Sie vollkommen und werden Ihren Wunsch er füllen," sagte der Staatsanwalt, dem es schwer geworden war, gegen Falk die Anklage zu er heben und aufrecht erhalten zu müssen. Er verbeugte sich jetzt tief vor der Frau, welche seine höchste Bewunderung genoß; die andern Herren taten desgleichen. Frau Falk, aus den Mienen der Herren warme Teilnahme sür sich lesend- reichte einem jeden von ihnen die Hand und sagte gerührt: „Ich wußte ja, daß ich mit vollstem Vertrauen auf Sie rechnen durfte, und ich danke Ihnen für die Freundschaft im Unglück. Auf morgen also, Herr von Rosen wird Ihnen noch näheres über die Stunde mitteilen." Nach einigen Worten des Einverstanden seins mit allen ihren Anordnungen nnd noch maligen ehrfurchtsvollen Verbeugungen ent fernten sich die Herren ernst und schweigend. Herta Falk blieb allein, und bis spät in die Nacht hinein sah man Lichtschein in ihrem Zimmer. Sie schrieb. In raschen, entschlosse nen Zügen glitt ihre Feder über Blatt um Blatt. 9. „Warum bist du so still, Ulrike, während ich laut aufjubeln könnte, um aller Welt mein Glück kundzutun? Komm her, laß uns einen Rundtanz machen l" Und der zitternden Alten übermütig unter die Arme greifend, drehte er sie mit sich im Kreise herum, als wäre er besessen. Dann, als er die ächzende Ulrike auf einen Sessel gleiten ließ, auf dem sie stöhnend sitzen blieb, lachte er ausgelassen wie ein Kobold. „Ist dir der Atem wirklich vergangen? Mir scheint, du kannst das Tanzen nicht mehr ver tragen, wahrhaftig I Ei, ei, da wird es schlimm werden, wenn wir zu Schiff gehen, wo die Wellen noch andere Tänze aufspielen — und mit mußt du." „Wer weiß, ob ich den Augenblick erlebest werde, gnädiger Herr," sagte die Alte ganz kleinlaut, indem fie aufstand und sich anschickte, sehr sauber zusammengelegte Sachen in einen großen Reisekoffer einzupacken, eine Beschäfti gung, bei der Werden sie vorhin unterbrochen hatte. Beide befanden sich in demselben großen unbehaglichen Zimmer, wo Ulrike vor kaum drei Wochen ihrem angebeteten jungen Herrn das düstere Märchen ihres Lebens erzählt hatte. „Warum solltest du das nicht erleben? Bist ja kerngesund und kannst hundert Jahre alt werden. Sollst noch meinen Sohn als deinen Herrn lieben lernen. Nun, ja, warum siehst du mich denn so verwundert an? Ich will einen Erben haben, einen rechtmäßigen Träger meines Namens, einen echten Werden, voll Lebens freude und brausendem Blut! Oder meinst du, mein fürstliches Vermögen solle meinen Stief kindern zufallen? Denke garnicht daran! Aber so sag doch, Alte, was hast du denn da beiseite gelegt? Ah, meinen Revolver; ja du hast recht, der soll auch nicht da hinein; an den bin ich so gewöhnt, daß ich ihn immer bei mir trage." „Auch jetzt noch, gnädiger Herr, hier bei uns?" „Immer, wo es auch sei. Das ist mir schon zur zweiten Natur geworden — 's ist mein bester Freund. Nämlich, du mußt wissen: In Amerika und in all' den Ländern dort drüben, wo die Menschen noch Blut in den Adern haben, geht Keiner ohne solch' ein Ding aus seinem Hause hinaus. Aber in was ver senkst du dich denn da so andachtsvoll und legst den Kopf auf die Seite, wie ein sterbendes Huhn; laß doch sehen. Ah, das Medaillon mit den Bildern meiner Eltern." „Ich weiß nicht wie mir heute ist, und schon all die Tage war/ sagte sie, nun endlich das Medaillon perpackend. „Nicht etwa wegen meines Bruders, der mich jetzt wirklich beunruhigen könnte und mich quält, weil ich nicht will, daß er dem Pfarrer beichte — nein, das ist's nicht. Aber mir träumte in letzter Zeit viel von diesen da, von Ihren Eltern; und nun müssen mir auch heute noch ihre Bilder vor Augen kommen." „Um wunderlich zu werden! Geh, du bist langweilig mit deinen Grillen. Wie geht es denn dem Karl?" „Je nun, jetzt schläft er fast immer; denn er bekommt Pulver." „Ulrike, nur nicht allzuviel, denk' an Auguste," sagte Werden lächelnd und bezeichnend mit dem Finger drohend. „Aber, gnädiger Herr, welche Vermutung — nie rühre ich jene Pulver mehr an, und dann mein eigener Bruder I Morphium - Pulver be kommt er vom Doktor verschrieben. Übrigens, waS die Auguste betrifft, da ist es ja wieder ganz still geworden; von wegen der Ausgrabung, mein' ich? Bei diesen Worten der Alten strich sich Werden wohlgefällig mit der beringten Hand durch den Bart.
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