Volltext Seite (XML)
Crimmitschau in Konkurs :>0 Buckskin- und Tuchfabriken, 26 Spinnereien, 3 sonstige Texti betriebe, 5 Färbereien Und 2 Wattesabriken, zr samnieu also 66 Betriebe der Textiliudustrie. Das; unter diesen Verhältnissen von dem Uebermut der Schlotbarone keine Rede sein konnte, ergibt sich von selbst. Wenn man nun den ganzen Erfolg des Crimmitschauer Streiks summieren will: was ist denn dabei herausge kommen? Der Herr Kollege Lehmann hat be reits in trefflichen Worten darauf hingewiesen. Roch vierzehn Tage vor Beendigung des Streiks verkündete der „Vorwärts": „Bis zum lütteru Ende" werde der Kampf in Crimmitschau dauern, bis zum bitter» Eude für die Fabri kanten. Auch die Millionen des Zentralver- bandes könnten sie nicht retten: denn eine ruinierte Industrie- bedeute für sie doch etwas anderes als für die Arbeiter: der besitzlose Proletarier finde das Los, -das ihm in Crim mitschau blüht, überall anderwärts auch, der Kapitalist jedoch rücke aus seiner bisherigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung herab usw. Das schrieb der „Vorwärts" noch vierzehn Tage vor der Beendigung des Streiks, und was ist dabei herausgekominen? Nichts Gutes für die Arbeiter! Sie haben mit Ihren Hammcrschlägen die deutschen Arbeitgeber zu sanuneugeschweisst, Sie haben es fertig gebracht, dass eine Phalanx hergestcllt ist, gegen die viel leicht auch berechtigte Streiks niemals wieder aufkommen können: Sie haben dadurch, daß Sie den Bogen überspannt haben, den Bogen zum Springen gebracht und dadurch der deut scheu Arbeiterschaft den schwersten Schlag versetzt. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Den Iehnstundentag halte ich für berechtigt! (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten.) Rein, das ist gerade das Frivole seitens der Sozialdemokratie (Lachen bei den Sozialdemokraten), das; sie gewußt hat, es kommt der Zehnstunden tag in Bälde, er werde eine Mehrheit finden im Bundesrat wie im Reichstag, und trotzdem haben Sie angesichts dieses kommenden Erfolges der Sozialreform die ideellen rind wirtschaft lichen Interessen der Crimmitschauer Industrie und Arbeiterschaft geopfert. (Zurufe von den Sozialdemokraten und Unruhe.) Ich kann nicht vorübergeheu an einer Be merkung , die der Herr Abgeordnete Fischer am Montag hier gemacht hat. Er hat sich nicht gescheut, speziell sächsische Verhältnisse hier zur Sprache zu bringen und eine Gesetzesmaßiiahme, die der sächsische Landtag beschlossen hat, zu kritisieren: er hat kritisiert die Erhöhung der Zivilliste unseres Königs. Der Herr Bundes- ratsvertreter Geheimrar Ist. Fischer hat bereits mit vollem Rechte Protest gegen diese Ein Mischung des Reichstags in sächsische Angelegen heiten erhoben. Ich schließe mich diesem Pro test an. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) - Kümmern Sie sich doch um Ihr rotes Haus in Berlin, das; dort O rdnung herrscht und dort die menschlichen Interessen in richtiger Weise gewahrt werden! Ich aber spreche ent gegen diesem Vorgehen unserm König gegenüber die feste und heilige Ueber- zeugung aus: wenn die Führer der Sozialdemokratie und des Textilarbeiter verbandes nur einen eutferuteu Schein von dem Ernst, der Treue, der Gewissen haftigkeit vor Gott und den Menschen, die unsern König beseelt (oh! bei den Sozialdemokraten), gehabt hätten, dann wäre das Unglück von Crimmitschau nicht geschehen, der Streik nicht ausgebroche». (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Wenn wir das Resümee aus diesem ganzen Drama ziehen, muß uns vor allen Dingen die Pflicht immer wärmer und enger ans Herz wachsen, das; wir unserer "Arbeiterschaft das ge währen, und zwar möglichst schnell gewähren auf dein Wege der Sozialreform, was ihnen von Gottes und Rechts wegen yud dnrch die Verhältnisse, wie sie sich gestaltet haben, zukommt. Es müßte aber auch unseren Bundesregierungen eine Mahnung sein, das ernstlich zu erwägen, ob es nicht Zeit sei, ebenso ernste Maß nahmen, wie wir sie immer wieder vor bringen werden, im Interesse der Ar beiter, im Interesse unseres notleiden den Mittelstandes zu ergreifen. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben es dieser Tage von dem Herrn Staatssekretär Grafen v. Posadowsky gehört, daß es keinen Befähigungsnachweis gibt; wir haben es gehört, daß die Hnndwerkerengnetc noch hinausgeschoben werden muß, weil die Weltausstellung in St. Louis 3>/„ Millionen erfordert, und andere Millionen werden »ach folgen. Aber für die deutschen Handwerker, für unsere notleidenden Kleingewerbetreibenden, für unsere Bauern hat man kein Herz; das wird hinausgeschoben, da misst es; sie warten besser noch ein Jahr, - wie wir vom Herrn Staats sekretär Grafen Posadowsky gehört haben. Ich habe gestern einen wunderschönen Stammbuch- vers gelesen, gewidmet dem Bundesrat, in der „Sächsischen Volkszeitung". Diese Strophe be zieht sich auf das Verhalte» des Bundesrats gegenüber den Initiativanträgen des Reichstags und im besonderen auch gegenüber den Initiativ anträgen bezüglich der Rettung, des Schutzes der Handwerker. Diese Strophe und mit Recht wird sie dem Bundesrat ins Stammbuch ge schrieben; denn sie trifft vollständig die Tatsachen, weil der Bundesrar kein Herz für de» Mittel- stand hat — lautet:: Wir erwagten immer, wir erwägen noch heut, Wir werden erwägen in Ewigkeit. (Große Heiterkeit.) Man kann aber auch den Originaltext dieser Strophe nehmen aus dem Liede: „Es zogen drei Burschen wobl über den Rhein" - und man kann diesen Originaltext ans den Bundes rat anwenden in bezug auf sein Verhältnis zu den Warenhäusern, zu den Offiziers- und Beamten konsumvereinen und zu den Konsumvereinen über Haupt und ihn singen lassen: Ich liebte euch immer, ich lieb' euch »och heut, Ich werde euch liebe» i» Ewigkeit. (Große Heiterkeit. Bravo! rechts.) Ich möchte aber mich »och ei» Wart zum Schutze des Pfarrers Schink in Crimmitschau sagen. Ich meine: wen» mau dessen Brief ruhig liest und ich habe ihn mehrere Male gelesen -, muß mau die lleberzeuguug gewinnen, daß er aus ernste» Erwägungen heraus und mit vollem Verantwortlichkeitsgefühl geschrieben worden ist, und ich frage: mit welchem Rechte kommen die Sozialdemokraten mit maßlosen Angriffe» gegen Herrn Pfarrer Schink? Mit welchem Rechte vergaß sich der Herr Abgeordnete Fischer so weit, auSzurufen: es hat keine Infamie der Weltgeschichte gegeben, wozu nicht ein Geistlicher oder ei» Pfaffe seinen Segen gegeben hätte. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich empfinde diesen Ausnif als eine schwere Beleidigung des gesamten Christentums (Lachen bei den Sozialdemokraten), der gesamten christlichen Kirche. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Jawohl, wenn einer von uns oder eine Zeitung von uns jemals gegen das Judentum, gegen das Rabbinertum einen solchen Vorwurf mache» würde, ich möchte das Geheul höre», das in Ihrer Presse entstände und in aller jener Presse, die vom Judentum abhängig ist. (Sehr richtig! rechts. Lache» bei de» Sozialdemokraten.) Ich möchte Sie aber auch fragen: mit welchem Rechte kommen Sie dazu, nun be- täudig unseren Arbeitgeber», de» sogenannten Kapitalisten, den Vorwnrf übermäßiger Arbeits zeit zu machen, einer Arbeitszeit, die in Crimmitschau 10 V, bis l«M, Stunden betrug, während Sie selbst in Ihren sozialdemokratischen Betrieben die schlimmste Ausbeutung Ihrer Angestellte» und Arbeiter treiben? Aus der Generalversammlung, welche die Lagerhalter der sozialdemokratischen Konsumvereine in Halle n. S. sielten, wurde (Zurufe bei de» Sozialdemokraten) -- sie heißen nicht so, sie sind es aber, das wisse» Sie viel besser als ich geklagt, daß in diesen Vereinen die gewöhnliche Geschäfts und Arbeitszeit 01 bis 06 Stunden, also täglich bis zu 16 Stunden betragt. Aehnliches gibt es in Sachse». I» einer Versammlung der Lagerhalter zu Chemnitz von Konsumvereine» im Königreich Sachsen wurde bekannt, das; dort wöchentlich bis zu 08 Stunden, d. h. täglich Iber 16 Stunde», gearbeitet morde» ist. Ebenso >abe» in der Provinz Brandenburg Angestellte der Konsumvereine sich im „Vorwärts" beschwert über die äußerst lange Arbeitszeit, und jüngst gingen durch die Presse Mitteilungen über Ver siiltnisse, die vorliegen im Rabattsparverein „Südost" in Berlin, der ebenfalls unter sozial demokratischer Leitung steht: da hat man eine Arbeitsstätte für die Fleischergesellen gehabt, die polizeilich geschlossen worden ist; die Benützung des Arbeitsraums ist verboten worden. In dieser Kellerhöhle Hal der Geselle durchschnittlich 16 Stunden täglich arbeiten müssen nach einer Veröffentlichung, die von dein Vorstand des Deutschen Zentralverbandes der Fleischer im „Vorwärts" erfolgt ist. Und, meine Herren, gestern las ich in der „Staatsbürger-Zeitung", daß vor einem Jahre in Düsseldorf bei dem dortigen sozialdemokratischen Parteiblatt die Zeitungsausträgerinnen streikten, weil die Ge 1 schäftsleitung sich weigerte, für das Austrage» der Zeitungen einige Pfennige mehr Lohn zu zahlen. Jetzt kommt die Nachricht, daß bei dem Nenbau des Verwaltungsgebäudes des sozial demokratischen Bergarbeiterverbandes in Bochum, an denn vertragsmäßig nur Angehörige der freien Gewerkschaften beschäftigt werden dürfen, die Arbeiter in den Ausstand getreten sind. Hier dürfen also nur Mitglieder des Verbandes beschäftigt werden; weshalb habe» Sie dann dem Stadtrar von Dresden, wie es gestern geschehen ist, den Vorwurf gemacht, daß er seinen Arbeitern verbietet, Konsunmereine» bei zutreten? Das ist Theorie und Praxis bei den Sozialdemokraten! Ich möchte noch mit einem Wort zurück kommen auf den alles Nias; übersteigenden Angriff des Abgeordnete» Fischer (Berlin) auf die christliche Kirche; den» die war gemeint, nicht der Herr Pfarrer Schink, weil Sie wissen, daß, solange das Kreuz siegreich in deutschen Landen leuchtet, niemals Ihre Zeiten komme» werde». Wenn Herr Fischer sagt: „Es gib: keine Infamie der Weltgeschichte, die nicht ein Geistlicher oder ein Pfaffe gesegnet hat", so sage ich den Herren Sozialdemokraten: „Es gibt kein politisches Verbreche» in der Welt geschichte, es gibt keinen politischen Mord, der nicht von Ihnen verherrlicht und sanktioniert worden wäre". (Widerspruch von den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter, Sie dürfen Abgeordneten im Deutschen Reichstage dies nicht vorwerfen. Gräfe, Abgeordneter: Meine Herre», es ist gestern darüber diskutiert worden, ob ein anderes Regiment in einem größeren Staats wesen jemals möglich wäre als ein aristo kratisches. Selbstverständlich haben dies die Herren Sozialdemokraten auch wieder auf bas allerschärfste bestritten. Ich möchte meinen Ein druck der Sozialdemokratie gegenüber dahin präzisieren und zusammenfassen, daß ich sage: meiner Ansicht nach haben Sie bereits heute Ihr aristokratisches Regiment in der Partei. Die Diktatur ist in Dresden proklamiert worden, und der Staatsstreich kommt vielleicht am nächsten 2. Dezember! Ich möchte aber, ehe ich schließe, mich »och mals au die Herre» vom Bundesrat wenden und sie dringend bitte» und aufforder», »och mals ihre Ueberzeugrmgen, ihre Erfahrungen und alles zu revidieren, was mit der Frage des deutschen Mittelstandes zusammenhängt, weil ich der lleberzeuguug bin, daß es keine andere er folgreiche Bekämpfung der Sozialdemokratie gibt als die Erhaltung des deutschen Mittel standes und die Schaffung der Möglichkeit, neue Existenzen zu gründen. Heute hat aber unser Handwerker-, unser Kaufmanns-, unser Ge werbe- imd unser Bauernstand die lleberzeugmig, daß sie keinen Freund mehr haben in der Re gieruug, das; man sie opfert, daß man ihnen weiter nichts nuferlegt als neue Lasten, daß man aber nie an eine wirklich rettende Tat in ihrem Interesse denkt. Lassen Sie die Stunde nicht vorübergeheu, wo es vielleicht zu spät ist, lassen Sie die 12. Stunde nicht vorübergeheu! Für die weiten Schichten, die durch unsere tech nische, maschinelle und industrielle Entwickelung in das Proletariat gedrängt worden sind, müssen wir sorgen, soweit es in unseren Kräften steht: wir müssen aber auch sorgen für die, die unsere deutsche Geschichte durch Jahrhunderte, a durch Jahrtausende getragen haben. Sonst wird sich das räche» an unserem ganzen deutschen Volke, an unserem Reiche; und wen» diese Erkenntnis nicht bald dämmert, so muß man zu der lleberzeuguug gelangen, daß das alte deutsche Sprichwort auf die Negierenden anwendbar ist: „Wen der Herrgott verderben will, den schlägt er mit Blindheit". (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wir alle, die wir auf christlichem und »anarchischem Bode» stehe», sind der feste» lleberzeuguug, daß es nicht so weiter gehe» wird, wie »la» manchmal selbst in pessimistischen Anwandlungen denken möchte. Wir sind der Hoffnung, daß auch die deutschen *Ärbeiter in absehbarer Zeit einsehen werden, daß die Forderungen der Sozialdemokratie unerfüllbar ind, weil sie maßlos sind; uns aber liegt die Pflicht ob, und wir werden sie auch erfülle», im Sinne des Christentums wirken, mit der Macht der christlichen Liebe die Gesetzgebung er- Men, und wir sind der lleberzeugung, daß wir in diesem Streben siege» werde», weil wir heute noch die Verheißung haben, lind weil wir heute noch an diese Verheißung glauben mit voller lleberzeugung und aus ganzem Herzen: in lmo M»» j» diesem Zeichen wirft du siegen! (Bravo! rechts.) Druck von KrieLrut Mn» in VUchos-wrrdn.