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Allgemeiner Anzeiger : 17.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190402179
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040217
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040217
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-17
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.02.1904
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politische kunälebau. Der russisch-japanische Kries,. *Die Ausbesserung der bei Port Arthur beschädigten drei Kriegsschiffe ist nach amtlichem Bericht des Gouverneurs eine s ch w i e ri g e A rb e it, die seiner Ansicht nach gegen zwei Wochen in Anspruch nehmen wird. * Inzwischen haben die Japaner vor Port Arthur eine Stellung eingenommen, von der aus sie die Stadt und den Hafen wirksam be schießen können. Alexejew hat bisher vergeb lich versucht, die „Feinde" zur Aufgabe dieser den Russen äußerst unbequemen Stellung zu zwingen. *Die Nachrichtenausbeute vom Freitag ist verhältnismäßig gering. Sonderbar ist, daß die den Japanern ungünstigen Nach richten nie aus russischer Quelle stammen, sondern aus französischer. Das scheint die wohlwollend neutrale Beihilfe des fran zösischen Verbündeten zu sein. Zu dieser Sorte Meldungen gehört die, daß „am letzten Dienstag" zwei japanische Regimenter, die „an der schmäl sten Stelle der Halbinsel Liautung" gelandet waren, „wie es scheint", vollständig vernichtet wurden. * Die Russen haben teilweise den Jalu- fluß überschritten und rücken nach dem Süden Koreas vor. Ihnen gegenüber haben die Japaner zwei hintereinanderliegende Verteidigungsstellungen eingenommen. * Die Russen und Iapaner in Pe - king haben sich verstSndigt. Die beiden Kommandanten der russischen und der japanischen Gesandtschaftswache sagten einander zu, daß sie sich gegenseitig als nicht im Kriegs zustand befindlich betrachten wollten. *Ein Teil der von den Japanern ge- kapertenrussischenHandelsschiffe ist wieder freigegeben worden. Eine japanische Verordnung besagt, daß alle russischen Schiffe, die keine Kriegskonterbande führen und bis zum 16. d. die japanischen Häfen verlassen, unbehelligt bleiben sollen. *Aus Petersburg kommen fortgesetzt Mel dungen über Truppen-, Geschütz- und Munitions-Transporte nach dem Osten. Sie mögen gewiß wahr sein, lassen sich aber nicht kontrollieren, da derartige Vor gänge während des Krieges geheim gehalten zu werden Pflegen. "Im Rücken der russischen Truppen rühren sich die chungusischen Räuber, die von den Japanern aufgemuntert und mit Waffen versehen worden sind. Ferner wird dem,Daily Telegraph' aus Schanghai gemeldet, daß die Japaner eine Brücke der mandschurischen Eisen bahn zerstört hätten, wobei 30 Russen getötet wurden. (Wenn das wahr ist, dann sind die Chungusen die Täter, denn Japaner in ge schloffenen Trupps gibt es in der Mandschurei noch nicht.) * Die osfizielleKriegserklärung ist am Donnerstag von Japan an Rußland erlassen worden. Die Erklärung besagt, daß Japan zu den Waffen seine Zuflucht nehmen müsse auf Grund der andauernden Okkupation der Mandschurei durch Rußland, der russischen Absichten auf Korea, der absichtlichen Verzögerung Rußlands bei den letzten Verhandlungen, ferner auf Grund seiner Weigerung, den japanischen Vorschlägen in versöhnlichem Geiste entgegenzu kommen, und seiner zur Schau getragenen Befürwortung des Friedens, während es ausgedehnte Vor bereitungen im Heeres- und Ma- rinewesen getroffen habe. *Dem in Port Said eingetroffenen russischen Kriegsschiffe „Smolensk" und zwei Torpedobootzerstörern wurde von der ägyptischen Regierung die Kohlenliefe rung verweigert. (Hinter Ägypten steht natürlich England.) Wenn die drei Schiffe bis Dschibuti im Roten Meere kommen können, hat es für sie keine Not. Die dortigen Franzosen werden schon aushelfen. *Ter Vorschlag der Vereinigten Staaten, die Neutralisierung Chinas anzu erkennen. findet bei den Mächten großenMn- klang. Japan allerdings erklärt, daß essich völlige Aktionsfreiheit in der zu China gehörigen Mandschurei ausbedingen müsse. * Der russische Gesandte in Tokio Baron v. Rosen hat Jokohama am Freitag vor mittag verlassen. Japanische Kriegsschiffe gaben ihm mit allen militärischen Ehren das Geleite bis drei Meilen von der Küste. Die russischen Staatsangehörigen in Japan befinden sich unter dem Schütze der französischen Gesandtschaft. * Der große Kreuzer „Hans a", mit dem zweiten Admiral des Krenzergeschwaders, Konter- Admiral v. Holtzendorff, an Bord, ist am General Grodekow, Befehlshaber der russischen Landmacht in Ostasien. Admiral Togo, den Führer der siegreichen japanischen Flotte, bringen wir heute im Bilde. Dieser Admiral befehligte eme Flotte, bestehend aus den Panzerkreuzern „Tschilose", „Kasaai Takasago" und „Joschino", die das Feuer auf die Russen bei Port Arthur eröffneten. Die japanische Hauptflotte, die später zu oben ge nannten Panzerkreuzern fließ, bestand aus zwei Divisionen. Von den russischen Kriegsschiffen sind das Panzerschiff „Poltawa", der Kreuzer „Nowik", sowie die Kreuzer „Diana" und „Askold" beschädigt worden. Donnerstag in Tschisu eingetroffen und am Freitag von dort nach Port Arthur abgegangen, um die d euts ch en Frauen und Kinder abzuholen. * * * Der Herero-Aufstand. * Man kann mit einem gewissen Recht sagen, daß derH er e ro - Au f st a nd nun beendet sei. Die Rebellen haben sich in ihre Berge zurückgezogen. Indessen bleibt der Schutztruppe doch noch ein gutes Stück Arbeit übrig, denn es gilt jetzt die B e str a s u n g u n d Ent waffnung der Aufständischen. In diesen Tagen werden fast die gesamten deutschen Streitkräfte in Windhoek versammelt sein und dann wird sofort die Verfolgung der Hereros beginnen, — eine mühsam und durchaus nicht gefahrlose Aufgabe. Einem Gerüchte zufolge soll sich ein Teil der Hereros bei Waterberg, ein anderer bei Gobabis verschanzt haben und das Abtreiben des Viehs nach dem benach barten, unter englischer Hoheit stehenden Bet- schuanaland decken. Gegen diese Abteilungen wird die Schutztruppe zunächst vorgehen. *Eine starke Gärung macht sich, wie der Magdeb. Ztg.' berichtet wird, nach in Berlin eingetroffenen Nachrichten unter den Ein geborenen inDeutsch-Ostasrikaund Kamerun bemerkbar. * * * Deutschland. * Der Kaiser hat den Generaldirektoren des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg- Amerika-Linie Dr. Wiegand und Ballin seinen Dank für die Hilfsexpeditionen nach Aale- sund übermittelt. * In Kamerun ist der Leiter der Station Ossidinge Graf Pückler im Kampfe mit Eingeborenen bei Basso gefallen. Eine Strafexpedition befindet sich unterwegs. Weitere Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Wahr scheinlich ist Gras Pückler gelegentlich einer Er kundigungsreise in die noch wenig bekannten Teile seines Bezirks in Streitigkeiten mit dem der deutschen Herrschaft noch nicht unterworfenen Stamme der Anjangs geraten, in deren Gebiet Basso gelegen ist. Österreich-Ungarn. *Das Befinden des Kaisers Franz Joseph, der am Hexenschuß leicht erkrankt war, ist vollständig beruhigend. Die Schmerzen haben nachgelassen. Der Kaiser erledigte wie sonst die Staatsgeschäfte. Frankreich. * Es wird bestimmt versichert, daß mit Rück sicht auf die Ereignisse im Osten die Reise des Präsidenten Loubet nach Rom aufgeschoben worden ist. Italien. *Der päpstliche Oberkämmerer Bisleti widerspricht entschieden der Äußerung eines Berliner Blattes über die drohende Er blindung des Papstes. Dieser habe nie einen Augenarzt zu Rate gezogen. Seine Gesundheit sei vorzüglich, eine Brille trage er nur beim Lesen, wie sonst jeder in seinen Jahren. Balkanstaaten. * An dem Hosball, der im Belgrader Königspala st stattfand, nahm dasdiplo - matische Korps nicht teil. (Das muß auch noch Bälle feiern!) Zus ciem Aeickstage. Der Reichstag erledigte am Donnerstag in zwei Lesungen die Vorlage betr. Änderung der Reichs schuldenordnung. In der fortgesetzten Etatsberatung wurde zum Reichsamt des Innern, Kapitel „Reichs gesundheitsamt", eine Resolution Mugdan ange nommen betr. Erleichterungen für ältere Kandidaten der Medizin bezüglich Ableistung des praktischen Zahl es. Das Kapitel „Patentamt" wurde nach träglich behufs Prüfung von Gehaltsfragen der Budgetkommission überwiesen. Beim Kapitel „ReichS- versicherungSamt" erneuerte sich die sozialpolitische Debatte. Am 12. d. wird die zweite Beratung desEtatS beim Kapitel „Reichsgesundheitsamt" fortgesetzt. Abg. Mugdan (frs. Vp.) lobt die Geschäfts führung des Reichsverficherungsamtcs. Es mache keinem recht, halte die richtige Mitte. Die Besetzung mit sieben Richtern verlangsame die Entscheidungen. Die Verficherungsgcsetze seien früher recht unbeliebt gewesen, das habe sich aber geändert. Zweifellos marschiere Deutschland jetzt auf diesem Gebiete an der Spitze. Die Heilstättenbewegung, die ja in erster Linie den Arbeitern zugute käme, wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht das Vermögen der Versicherungsgesellschaften dahinter stände. Die Durchführung der Unfallverhütung? - Vorschriften jasse noch manches zu wünschen übrig. Es wäre sehr gut, Arbeiter als Ausfichtsbeamte besonders im Baugewerbe heranzuziehen. Es sei unrecht von der Sozialdemokratie, ihre verhetzende Parteiagitation in diese Dinge hineiuzutragen. Ec fordere auch für die Vertrauensärzte die freie Wahl. Die Sozialdemokratie wolle keine Organisation der Ärzte. Redner erhebt dann den Vorwurf, daß die Gerüchte zu wenig die ärztlichen Gutachten selbst von hervorragenden Autoritäten berücksichtigten.' Des weiteren wünscht der Redner, daß den von gewerblichen Vergiftungen betroffenen Arbeitern eine soziale Fürsorge zu teil würde. Das Unfallgcsetz sei doch im Interesse der Arbeiter geschaffen, cs dürfe also nicht gegen sie ausaelegt und angewendct werden. Auch die Gesetze müßten Kinderkrankheiten durchwachen. Das Unfallgcsetz aber habe sich bereits vervollkommnet. Abg. Gamp (freikons.) stimmt dem Vorredner in der Beurteilung des Reichsverficherungsamtcs zu und bringt einen Fall zur Sprache, wo einem Manne von der Stadt Berlin seine Rente vorent- halten worden sei. Abg. Becker (nat.-lib.) protestiert gegen die Beschuldigung, daß die Arzte sich mit Geld erkaufen ließen, um Gutachten zuungunsten der Arbeiter aus zustellen. Staatssekretär Graf Posadowsky erklärt, daß er die Anregung des Abg. Mugdan, Vertreter des Arztestandes beim Rcichsversicherungsamt hinzu- zuziehen, ernsthaft ins Auge fassen werde. Redner ist auch der Ansicht, daß es richtig wäre, das ganze Verfabren bezüglich der Festsetzung von Renten zu vereinfachen. Abg. Frh. v. Richthofen-Damsdorf (kons.) bestreitet, daß die Zahl der schweren Unfälle in den landwirtschaftlichen Betrieben zugenommen habe. Abg. Bömelburg (soz.) wünscht eine genaue Unfallstatistik und führt aus, daß die Zahl der Unfälle in allen Betrieben dauernd zugcnommen habe. Wichtiger als die Rentenfestsetzung sei die Frage der Uusallverbütung. Abg. Erzberger (Ztr.): Notwendig sei eine Herabsetzung der Verwaltungskostcn. Bezüglich der Frage der Unfallverhütung stimmt Redner den Aus führungen des Vorredners zu. Gerade in den Kreisen der Landwirtschaft müßte weit mehr Sorgfalt auf die Unfallverhütung gerichtet werden. Abg. Sachse (soz.) erneuert in längerer Rede die Vorwürfe gegen die Vertrauensärzte der Be- rufsgenosscnschaften. Staatssekretär Graf Posadowsky: In be zug auf die Unfallverhütung muß von den Berufs genoffenschaften mehr getan werden. Dies gilt ins besondere von den Landberufsgenosscnschaften, wo die Zahl der Kontrollbcamten im allgemeinen eine ungenügende ist. Das Herrenhaus hielt am Donnerstag eine kurze Sitzung ab, in der mehrere dem Hause erst zu gegangene kleinere Vorlagen ihre Erledigung fanden, darunter der Gesetzentwurf, der die Wechselprotest stunden für die ganze Monarchie auf die Zeit von 9 Uhr vormittags bis 6 Uhr nachmittags festsetzt. Am Freitag wurden vom Herrenhause die Er gebnisse der im Jahre 1903 stattgehabten Verhand lungen des Landcseisenbahnrates gemäß dem An träge der Kommission durch Kenntnisnahme für er ledigt erklärt. Dasselbe geschah mit dem Bericht über die Resultate des Betriebes der vereinigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen im Jahre 1902, sowie mit der Denkschrift betr. die in der Zeit vom 1. April 1903 erfolgten Bauausfüh rungen an jenen Wasserstraßen, Wer deren Regu lierung dem Landtage besondere Vorlagen gemacht worden sind. Es wurden noch mehrere kleinere Gesetzentwürfe durch Annahme oder Verweisung an Kommissionen erledigt. Am Donnerstag erledigte das Abgeordnetenhaus zunächst den Rest des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung. In der darauf begonnenen Beratung des Etats der Gestütsverwaltung brachte Mg. Kopsch (fr. Vp.) die Trakehner Schulverhältniffe zur Sprache und bedauerte, daß dem Antrag Zedlitz auf Um wandelung der Trakehner Gestütsschulen in Volks schulen bisher noch keine Folge gegeben sei. Minister v. Podbielski erklärte seine Bereitwilligkeit, die Ge stütsschulen in Volksschulen umzuwandeln. Dieser seiner Absicht hätten sich aber bisher große Schwierig keiten entgegengestcllt. Im Abgeordnetenhause wurde am Freitag bei der Beratung des Gestüts-Etats die Diskussion über die Trakehner Schulverhältniffe fortgesetzt. DaS Haus unterhielt sich sodann über die Gehaltsver hältnisse der Gestütswärtcr und beendete in un wesentlicher Debatte diesen Etat, um darauf zum Etat der Berg-, Hütten- und Salinen-Verwaltung überzugehen. Von unä fern. Steckbrief. Das .Amtsblatt' der könig lichen Regierung in Königsberg veröffentlicht einen Steckbrief gegen den Ortskrankenkasfen- Rendanten Braun. Hk falk. 19j Roman von Theodor Almar. (Fortsetzung.) „Gemlg, von diesem dritten, Herta! — Weißt du auch, daß du mir soeben ein voll- ständiges Liebesbekenntnis abgelegt hast und ich beinahe weidlich darüber lachen könnte, daß ich auf einen armen Tropf, wie dieser Falk ist, so lange habe eifersüchtig sein können? — Nun aber, vielliebe Herta, nun erzähle mir, wie du, so stolz und unnahbar, dich doch end lich der süßen Macht in deinem Herzen hast beugen müssen. Aus unsern Begegnungen bei Millners hätte wohl niemand einen solchen mich beseligenden Schluß ziehen können. Als dein Vater aber an jenem Morgen zu mir hinaus kam, um mir mitzuteilen, wie sehr du bereust, mich so lange verbannt zu haben — ach, Herta! ich war wonneberauscht und hatte die größte Blühe, mein Entzücken vor deinem Vater zu verbergen. Dann endlich standen wir uns gegenüber — du konntest kaum Worte finden, aber dein Auge blickte so lange und so tief in das meinige, daß ich alles verstand, was dein Mund auszusprechen nicht imstande war. Seit dem liege ich fester denn je in deinen Banden und wehe mir, wenn du jetzt noch Bedenken tragen könntest, die Meine zu werden!" Indem Werden frohbeglückt diese Worte be endete und Frau Falk unsicheren Blickes vor ihm stand, nicht wissend, was sie ihm ant worten solle, kam ihre Haushälterin den Fuß pfad daher und überreichte ihr einen Brief; es war derjenige von Assessor von Rosen. Gleichgültigen Blickes betrachtete fie einen Moment die Adresse, dann öffnete sie langsam den Umschlag. Doch kaum hatte sie die wenigen Zellen überflogen, da mußte sie an einem nahe stehenden Baumstamm sich sesthalten, um nicht umzusinken. Das Blatt Papier fiel zur Erde. Einen Augenblick schwankte Werden, ob er Herta beispringen oder sich des Briefes be mächtigen sollte; er entschloß sich zu letzterem, indem er rasch sich bückte nnd die Hand nach dem Papier ausstreckte; doch ehe er noch das selbe berührte, rief ihm Herta zu: „Gilbert l rühren Sie den Brief nicht an — ich will es nicht, hören Sie?" „Wie, soll ich den Brief nicht lesen, der Sie so bestürzt gemacht und aller Fassung beraubt hat? — Soll ich nicht mindestens das Recht haben zu wissen, von wem er ist?" „Von wem er kommt, sollen Sie wissen, der Absender ist der Assessor von Rosen." Wie von einer Natter gestochen fuhr Werdenauf. „Herta, du willst mich rasend machen! Du nennst mir den Namen eines Menschen, den ich noch mehr hasse als ich deinen Mann je ge haßt habe. Soll ich diesen Brief wirklich nicht lesen?" und wieder bückte er sich danach, doch schon hatte Frau Falk den Fuß auf das Papier gesetzt. „Gilbert, beherrschen Sie sich; denn sobald Sie mir dies Papier hier gewaltsam abzwingen, scheiden wir für immer!" Betroffen zog er die Hand zurück und sah der bleichen Frau forschend in die Augen. „Was soll ich glauben, Herta?" Den Bries am Boden liegen lassend, trat sie jetzt dicht an ihn heran." Es lag viel an dem rechten Erfassen dieses Augenblickes. „Gilbert, der Brief enthält das, was Sie vorhin andeuteten, er spricht von der Bosheit der Menschen! Man fitzt bereits wirklich schon zu Gericht über uns beide und schleudert mir es ins Gesicht. Das kann mir unmöglich gleichgültig sein — allein ich kann nicht mehr zurück; überdies will ich auch meinen Glücks- anteil am Leben! Darum setze ich mich über alles hinweg und vertraue dem Manne ganz mich an, der es so sehr um mich verdient hat. Gilbert, Sie haben längst ein entscheidendes, bindendes Wort von mir begehrt; bis jetzt widerstand ich noch, dieser Brief hier bringt mich aber zum Entschluß. In wenigen Tagen soll alles bei mir ge ordnet sein. Die Kinder schicke ich mit der Dienerin nach Berlin zu meinen Eltern; ein ausführlicher Brief soll meinen Vater von allem hinlänglich unterrichten — alsdann reise ich ab, Sie folgen mir, wir treffen an einem Ort zu sammen und Sie sollen entscheiden, wo ich so iange Wohnsitz nehme, bis alle Hindernisse be seitigt find und unserer Vereinigung nichts mehr im Wege steht." „Ja, bis ich dich im Triumphe in deine neue Heimat führe, wo wir nur ganz unserer Liebe leben werden." „Bis dahin gilt es aber mst größerer Vor sicht als bisher zu handeln, um den Klatsch basen die Gelegenheit zu entziehen, ihr Gift über mich ausspritzen zu können, so lange ich noch gezwungen bin, hier zu bleiben. Von nun an können wir uns nur noch in später Stunde sehen, und — wenn ich Sie bitte, mich jetzt zu verlassen, so glauben Sie nur, daß es mit Verleugnung meines eigensten Wunsches geschieht; aber was hilft es, man muß der Welt Konzessionen machen." „Deine endliche, so lange ersehnte Ent scheidung, mein Herz, beglückt mich so sehr, daß ich mich selbst ohne Murren in deinen grau samen Wunsch füge, er ist mein Befehl! Doch wann darf ich wiederkommen?" „O bald, sehr bald, vielleicht schon morgen; aber ich schreibe Ihnen vorher." „Ja, schicke mir einen Herzensgruß. den ersten greifbaren Boten deiner Liebe, du schöne, grausame, über alles geliebte Herta!" Nach langem Zögern und Schwanken ging er endlich. Sie aber rührte sich nicht von del Stelle, bis sie das Gartentor hinter ihm ins Schloß fallen hörte. Alsdann erst hob fie den Brief von der Erde auf, glättete ihn, und unter tief aus dem Herzen quellenden Tränen las sie wieder und immer wieder die Stelle: „Schon zu lange habe ich es Ihnen zu verbergen ge- sucht, daß ". Er krank, hinfichend, ahnungslos, was hier vorgeht, und — und — Was knüpfte fie bebend an dieses Und? Hatte fie fich einer Versäumnis anzuklagen, daß der Freund fie zu schnellerem Handeln mahnt? War fie mutlos, war fie feige, lebte in ihren« Herzen etwa noch die Liebe zu dem Manne, den sie für den Todfeind ihres Gemahls hielt? Sie hatte eine Selbstbeherrschung geübt, wie vielleicht nie zuvor ein Weib getan. Sie hatte auch keine Zeit verloren, denn all die Tage hatte sie gebraucht, um Werden sicher zu machen.
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