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Allgemeiner Anzeiger : 20.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190401208
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040120
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040120
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-20
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.01.1904
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politische KmEcdau. Ter russisch-japanische Konflikt. *Die Nachrichten aus Ostasien folgen sich schnell, aber sie gleichen sich nicht; sie wechseln stets Mischen Sturm und Sonnen schein. Der „fast schon begonnene Krieg" weicht „neuen Unterhandlungen", denen sich die „freund schaftliche Vermittelung Englands und Frank reichs" beigesellen; dann aber erscheint die letzte Antwort Japans als schwerwiegend, wenn sie auch „kein Ultimatum" enthalte. Als neuerliche Forderung Japans tritt die Aufrechterhaltung der chinesischen Souveränität in der Man dschurei auf und außerdem soll ein Drittel von Korea „als neutrale Zone zwischen Rußland und Japan" erklärt werden. * Die russische Presse zeigt in den letzten Tagen eine veränderte, erregte Stimmung wegen des Verhältnisses zu Japan. Indessen entspricht diese Stimmung nicht der Auffassung, die immer noch von den amtlichen Stellen vertreten wird. Maßgebende Marinekreise geben der Überzeugung Ausdruck, daß die Gefahr eines Krieges für die nächste Zukunft beseitigt sei; des gleichen hält das Auswärtige Amt an der Hoffnung test, mit Japan zu einer friedlichen Verständigung zu gelangen. Entsprechend dem Willen des Monarchen, werde Rußland in seiner friedlichen Politik fortfahren. ck * Deutschland. *Der Kaiser hat am Freitag mit den anwesendenkapitelfühigen Rittern desSchwarzen Adler-Ordens im Königlichen Schlosse zu Berlin die feierliche Investitur des Prinzen der Niederlande und des Erbprinzen von Hohenzollern, sowie des Wirkl. Geh. Rats v Köller vorgenommen und ein Kapitel abgehalten. * Die Eröffnung des preußischen Landtages erfolgte am 16. d. durch den Kaiser in Person. * Der BesuchdesGroßhe'rzogs von Baden in Berlin zum Geburtstag des Kaisers ersolgl der,Südd. Reichskorresp/ Zufolge auf Grund einer „sehr herzlich gehaltenen" tele graphischen Einladung des Kaisers. * Allgemein wird angenommen, daß der Reichskanzler die Interpellation über die Ar beitskammern und die Rechtsfähig keit der Beru fsv ereine nur aus dem Grunde auf einige Wochen verschoben hat, weil er erwartet, daß bis dahin über einige wichtige Fragen unserer Sozialpolitik ein Beschluß des Bundesrals erfolgen wird, und zwar nach Lage der Sache ein positiver Beschluß. Vielleicht wird Graf Bülow in der Lage sein, einen Ge setzentwurf über die Rechtsfähigkeit der Berufs vereine anzukündigen. * Handelsminister Möller wird zu Ostern eine erneute Konferenz der Knappschaftsärzte wegen Bekämpfung der Wurmkrank heit einberufen. * Der frühere Reichsgerichts präsident v. Oehlschläger ist am Donnerstag abend in Charlottenburg im Alter von 72 Jahren gestorben. Der Name Oehl schlägers ist mit der Geschichte der deutschen Reichs-Jnstizgesetzgebung eng verflochten. Er wurde 1885 zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt, übernahm 1889 als Staatssekretär das Reichsjustizamt und wurde 1891 als Nachfolger von Simson zum Präsidenten des Reichsgerichts berufen. * Die Sachverstäudigen-Kommission zur Vor beratung über die Reform der Straf- prozeßordnung wird zunächst am 19. d. wieder zusammentrelen. Je weiter die Beratungen der Kommission fortschreiten, um so mehr erweist sich die Beschreitung des Weges, der mit der Berufung von solchen Sachverständigen gewählt wurde, die namentlich über praktische Erfahrungen verfugen, als recht zweckmäßig. Ober die Fragen der Einfühlung der Berufung und Verwendung des Laieuelements wird voraussichtlich erst im April oder Mai von der Kommission diskutiert werden können. *An Reichs münzen wurden ausge prägt im Monat Dezember für 10 128 670 Mark Doppelkronen, 4 493 450 M. Zweimark stücke, 445 967 M. Einmarkstücke, 127 86§ M. Zehnpfennigstücke, 12 615,85 Mk. Fünfpfennig- jrücke, 48 274,89 Mk. Einpfennigstücke. * Der Prarrverein für das Herzogt u .n Kobürg hat sich, wie das ,Koburger Tage blatt' meldet, für die Feuerbestattung ausgesprochen. Es wird in dem Beschluß er klärt, daß der Feuerbestattung Bedenken in keiner Weise entgegenständen, und daß sie für die Zukunft unabweisbar sei. Nur halte man es zurzeit für unzweckmäßig, daß die Geist lichen agitatorisch sich für die Feuerbestattung betätigen. *Mer den Auf st and der Hereros in Deutsch-Südwestafrika wird der „Köln. Ztg.' in einem offiziösen Telegramm aus Berlin gemeldet: Es liegt auf der Hand, daß die ausgedienten Mannschaften jetzt nicht ent lassen werden können und daß der neu hinzu kommende Ersatz eine sehr erwünschte Ver stärkung der Truppenmacht in unserem Gebiete bedeutet. Sollten mehr Verstärkungen von den dortigen Behörden verlangt werden, so wird man sich der Erfüllung dieser Forderung nichP entziehen können und die Verstärkung von vornherein so bemessen müssen, daß man mit ihnen den Ausstand rasch und aufs gründlichste niederwerfen kann. Was den Grund deS Auf standes anlangt, bleibe immer das wahrschein lichste, daß der neue Ausstand mit den Bondelzwarts zusammenhängt, worüber unter den Hereros falsche Nachrichten verbreitet sein dürften. Frankreich. * Ein katholisches Blatt veröffentlicht eine Note, worin versichert wird, General Andrä sei von der Unschuld Dreyfus' überzeugt durch neue Beweise. Er könne die Affäre nicht mehr zurückhalten, da dieselbe dem Kassations- Hose bereits unterbreitet sei. Ruhland. * Der Zar hat den Großfürsten Michael Nikolajewitsch als Präsidenten des Reichsrats für 1904 bestätigt. Dem Ober prokurator des heiligen Synods Pobe- donoszew sind durch kaiserliches Hand schreiben die Brillantinfignien des Andreas ordens verliehen worden; dem Justizminister Murawiew wurde sür seine Verdienste die außerordentliche Erkenntlichkeit des Kaisers aus gesprochen. Galkanstaaten. * Mit Rücksicht auf Bulgariens Kriegs- rüstungen setzt die Türkei die ihrigen eifrig fort. Im Wilajet Adrianopel sind zwei tausend Wagen auf dem Requifitionswege an- gekaust worden. Amerika. *Wie aus Washington gemeldet wird, ist im Parlament ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der bezweckt, den Auslieferungs vertrag zwischen Amerika und England dahin abzuändern, daß künftig auch eine Aus lieferung für politische Bestechungen ersolgen kann. *Die revolutionäre Bewegung in Buenos Aires ist im Wachsen be griffen; die Regierungstruppen mußten den Rückzug antreten. Asien. * Die .Times' melden aus Peking: Seit dem Aufbruch der Tibetexpeditiou erhob China keinerlei Einspruch oder Beschwerde, gab im Gegenteil Beweise, daß es die englische Expedition billige, da sie möglicher weise der russischen Intrige beim Dalai Lama entgegenwirke, welche China auch nichts Gutes verheiße. Uus clem Aeickstage. Der Reichstag nahm am Donnerstag in dritter Lesung das Gesetz betr. die Kontrolle des Staats daus haltsctats an. Darauf begründete Adg. Becker (nat.-lib.) die Interpellation seiner Partei detr. Ein führung der obligatorischen Alters- und Jnvaüdi- tälsvrrsicherung der Handwerker. Der Redner suchte diese Foroeruug als für die Erhaltung des Mittel standes notwendig uachzuweifeu. Staatssekretär! Graf Pofadowsly eihob jedoch starke Bedenken gegen ! die Forderung, indem er auSführte, die Übertreibung des Versicherungs^ ' ipz müsse schließlich zum großen Schaden de. Muion dahin führen, daß jeder Glauben, selbst für sech zu sorgen, schwinde. Das Alters- und Jnvaliditätsbeuicherungsgesetz ebenso wie die andern sozialpolitlchen Versichcrungsgesetze seien nach dem Grundgedanken der Allerhöchsten Botschaft nur sür unselbständige Arbeiter berechnet. Die Durchführung der Forderung der Interpellanten würde zu ganz unabsehbaren finanziellen Lasten führen. Auf Antrag des Abg. Sattler trat dann das Haus in eine Besprechung dieser Antwort ein. Das Zentrum verhielt sich gegen den Vorschlag der Nationalliberalen ablehnend, da die Handwerker selbst itt der Angelegenheit nicht einig seien und sür das Handwerk einstweilen andere Dinge wichtiger wären. Die Sozialdemokraten beschuldigten die Nationalliberalen des Diebstahls an ihrem, der Sozialdemokratie, geistigen Eigentum, und die ganze Debatte löste sich in eine parteipolitische Rederei auf. Am 15. d. steht auf der Tagesordnung die Interpellation Jänecke-Böttger (nat.-lib.) und Genossen betr. Abschaffung des Zeugnis zwanges gegen die bei Herstellung einer perio dischen Druckschrift beteiligten Personen. Staatssekretär Nieberding erklärt sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. Jänecke (nat.-lib.) zur Begründung: Manche Leute denken von der Presse wie der Mann im Heineschen Liede: „Blamier' wich nicht, mein schönes Kind, und grüß' mich nicht Unter den Linden!" In Wirklichkeit wissen sie die Presse sehr gut zu finden und zu gebrauchen, wie zum Beispiel Bismarck, von dem das Wort stammt von „Leuten, die ihren Beruf verfehlt haben". Es gebe auch ein Wort von den „kommandierenden Gene ralen", doch nur sür Amerika! Solche Vorfälle wie in Deutschland seien anderswo unmöglich. Die Presse sei unter ein Ausnahmegesetz gestellt. Der Reichstag habe seinerzeit den Redakteuren die Sicherung des Berufs - Geheimnisses verleihen wollen, die Regierung habe es jedoch verhin dert. Redner geht dann auf die einzelnen Fälle von Zeugniszwang ein und führt namentlich das Vorgehen gegen die.Leipziger Volkszeitung' an, wo man sogar Setzer und Laufburschen zur Ermittelung des Verfassers eines Artikels vor Gericht geladen habe. Kein Redakteur werde das Berufsgeheimnis preisgeben, er würde sonst von keinem Verleger be schäftigt werden. Die heutige Rechtsprechung gehe weiter als die zehn Gebote, denn sie drohten nur mit Strafe bis in das dritte und vierte Glied, die Gerichte gingen aber hinab bis zu den Zeitungs frauen, Gerichte und Polizei sollten der Presse eigentlich dankbar sein für ihre Beihilfe bei der Auf deckung von Verbrechen. Man habe garnichts da gegen, wenn die Strafbestimmungen über Beleidi gung und Verleumdung verschärft würden, denn die persönliche Ehre eines andern müsse heilig sein. Die Regierung sollte endlich klare Wege zeigen und den Spuren Friedrichs des Großen folgen, der ge sagt habe: „Gazetten dürfen nicht genieret werden". Staatssekretär Nieberding legt die Schwie rigkeiten dar, die einer völligen Aushebung des Zeugniszwanges entgegenständen. Er könne zum Beispiel nicht sür diejenigen Mitteilungen fortfallen, die einen strafrechtlichen Inhalt hätten oder staat liche Geheimnisse verletzten. Bezüglich der Auf hebung des sonstigen Zeugniszwanges müsse er auf die beabsichtigte Reform des Strafgerichtes ver weisen, mit der eine besondere Kommission beschäf tigt sei. Ganz aus dem Rahmen der Strafprozeß ordnung könne man das Zeugniszwangsverfahren gegen die Presse nicht reißen. Es müßten sowohl die Interessen der Presse wie des Staates gewahrt werden. Die Regierung werde ihr möglichstes tun, um endlich diesen alten Slreit mit dem Reichstag zu beseitigen, da sie vielfach Grund habe, der deut schen Presse dankbar zu sein. Die Regierung werde diese Frage wohlwollend zu lösen versuchen. Auf Antrag des Abg. Sattler (nat.-lib.) be schließt das Haus die Besprechung der Inter pellation. Sächsischer Bundesratsbevollmüchtigter Dr. Bör ner geht auf den Fall der .Leipziger Volkszeitung' ein und weist unter dem Widerspruch der Sozial demokraten nach, daß hier kein Zeugnis zwang an- gewcndet worden sei. Abg. Rören (Ztr.) betont, seine politischen Freunde seien ebenfalls für eine Einschränkung des Zeugniszwanges. Er freue sich, daß der Staats sekretär diese Frage so wohlwollend behandelt habe. Abg. Heine (soz.): Der Staatssekretär meint zwar, die Frage wäre nicht so wichtig, denn es kämen hier nur sehr wenig Fälle vor. Die Zahl der Zeugniszwangsverfahrensfälle würde viel größer sein, wenn nicht in vielen Fällen die unglücklichen Redakteure usw. sich gebeugt hätten oder wenn in anderen Fällen das Verfahren nicht eingestellt worden wäre, weil die Betreffenden nichts wissen konnten. Am eklatantesten ist der Fall gegen den Mitarbeiter des ,Vorwärts' Rehbein hinsichtlich der Mißstände im Heere, mnacteUl durch cm Schreiben. Sonst hat man immer den Vorwurf gegen uns er hoben, daß wir keine Beweise für unsere Beschwerden Vorbringen. Hier haben wir Gelegenheit gegeben, daß Ermittelungen angestellt werden konnten. Und nun das Verfahren? Das ganze Vorgehen hatte nur den Zweck, dem Schreiber des Briefes an den Kragen zu gehen, nicht Klarheit zu schaffen. Ein Redakteur, der einen, der ihm eine Militärbeschwcrde mitteilt, der Militärbehörde anzeigen würde, wäre ein elender Bube. Das wäre vom menschlichen Standpunkte dasselbe, als wenn man jemand den wilden Tieren vorwerfen würde. Meine Partei ist der Meinung, daß der Kampf gegen den Zeugnis zwang aussichtslos ist, so lange nicht der Kampf siegreich geführt ist gegen seinen inneren Grund, die Volksfeindlichkeit der Bureaukratie als Ganzes. Hier fällt der Mantel nur mit dem Herzog! Abg. Himburg (kons.): Wir teilen nicht den Standpunkt der Interpellanten. Wir sind der Meinung, daß jedes strafbare Vergehen auch seine Sühne finden muß. Wenn ein Redakteur ein Ge heimnis der breiresten Öffentlichkeit preisgibt, so ist es nicht zulässig, daß er die Quelle geheim hält. Abg. Kuletski (Pole) bezeichnet die preußischen Gerichte als politisch verseucht. Vizepräsident Paasche: Ich kann diese Be merkung nicht zulassen und rufe Sie zur Ordnung. Abg. Kulerski: Ich werde den Beweis dafür erbringen. Vizepräsident Paasche: Wenn ich die Be merkung für unzulässig erklärt habe, so haben Sie auch nicht das Recht, den Beweis dafür zu erbringen. Redner führt einen Fall an, der beweisen soll, daß die Richter, die gegen die Polen vorgehen, Karriere machen. Gegen eine Verschärfung de« Be leidigungsparagraphen müsse sich seine Partei ver wahren. Dieser Paragraph werde schon scharf genug gehandhabt. Abg. Ablaß (frs. Vp.): Wie will man es rechtfertigen, daß nicht nur der verantwortliche Re dakteur, sondern auch das übrige Personal verant wortlich gemacht wird? Der Staatssekretär ver langte von den Nationalliberalen die Angabe des Weges, wie hier Abhilfe zu schaffen sei. Dieser Weg ist nicht schwer zu finden. Ich stelle mich auf den Standpunkt des Juristentages, daß, wenn in einer periodischen Dluckschrift ein Delikt begangen ist, der verantwortliche Redakteur haftbar ist und jeder Zeugniszwang fortfällt. Der verantwortliche Redakteur haftet ganz allein für den Inhalt seines Blattes. Die Presse hat dasselbe Vertrauensver hältnis zum Publikum zu beanspruchen, wie es den Ärzten usw. zugebilligt wird; das muß auch gesetz lich zum Ausdruck kommen. Übrigens ist der Zeugniszwang in den meisten Fällen ein Schlag ins Wasser. Der Zweck wird nicht erreicht. Gegen eine Verschärfung der Bestrafung wegen Beleidigung durch die Presse protestieren wir gleichfalls. Hoffen wir, daß in, Jahre 1906 bei der 100jährigen Wiederkehr des Todestages des Buchhändlers Palm, eines Mannes, der aus gleichem Anlaß für seine Ebre gestorben ist, der Zeugniszwang be seitigt ist. Abg. v. Gerlach (Hosp, der frs. Vgg.): Der Grundsatz von Treu und Glauben mutz auch für die Presse als Richtschnur anerkannt werden, anstatt zu versuchen, ihn durch den Zeugniszwang auszu rotten. Würde ein Minister nicht ebenso handeln, wenn er Redakteur wäre? Ich halte es für un denkbar, daß die Regierung ernsthaft glaubt, daß Redakteure das Berufsgeheimnis preisgeben könnten. Wer dafür eintritt, den bestehenden Zustand absolut unverändert zu erhalten, den würde ich der Absicht zeihen müssen, eine unmoralische Staatserhaltung anzustreben. Abg. Arendt (freikons.): Die Aufhebung des Zeugniszwanges muß verbunden sein mit einer ver schärften Achtung des Redakteurs und Verlegers auf den Inhalt der Zeitung. Auf Antrag der Adgg. Sattler und Fritzen wird hierauf die Debatte vertagt. Am 16. d. fand keine Sitzung statt. Von Mk rmä fern. Prinzessin Marie von Reust-Greiz, die mit dem österreichischen Leutnant Baron Guagnoni verlobt ist, verzichtete nach dem ,W. N. Tagbl.' gegen den Willen der fürst lichen Verwandten auf die evangelische Trauung. Prinzessin Hermine und Ida sind darauf auf Befehl des Vormundes, des Fürsten von Schaumburg, nach Bückeburg abgereist. Die bürgerliche Trauung wird in Greiz, die katholische in Österreich staltfinden. Große Stiftung. Der dieser Tage ver storbene Frh. v. Plessen hat testamentarisch zwei Stiftungen von je 100 000 Mk. erreicht, deren Zinsen für würdige und hilfsbedürftige Per sonen aus Stadt uud Land des Kreises Schles wig bestimmt sind. L . U»!U Hi f>erta falk. 11) Roman von Theodor Almar. «Nerl'ktzü-g.'I „Das überrascht mich nicht und darüber müssen Sie sich hinweg setzen, lieber Herr von Werden. Die arme Krau lebt eben nur für ihren unglücklichen Diann und alles das, was sich nicht auf Falk bezieht, ist für sie so gut wie gar nicht auf der Welt! Glauben Sie denn, daß sie jetzt zu uns kommen würde, wenn mein Freund, der Assessor Rosen, nicht hier wäre, der so ganz auf ihre Ideen einzugehen versteht und mit dem sie alles überlegen und durchsprechen kann, was sich auf den Prozeß ihres Mannes bezieht?" „Welche Neuigkeit für mich!. Frau Falk vergräbt sich also nicht mehr in ihrem Hause? Sic kommt zu Ihnen, um — nun, nm den Herm Assessor zu sprechen. Ja, was ist denn aus der sonst so stolzen Herta von Klewitz ge worden, daß sie jetzt so wenig Rücksicht auf ihren Ruf nimmt, den sie früher doch so ängst lich hütete?!" „Herr von Werden, ich wüßte nicht, in wiefern Frau Falk ihren guten Ms gefährden könnte, wenn sie in mein Haus kommt!" sagte Millner etwas scharf, was sonst gar nicht seine Art war. „Nur kein Mißverständnis zwischen uns beiden, Herr Banrat! Ich wollte nur sagen, daß es mich befremdet zu hören, daß diese Frau, die so streng über weibliche Würde denkt und die so sehr beflissen ist, in ihrem Hause den Schein von Sitte uud Tugend zu wahren. Gelegenheit flicht und gibt, Henn von Rosen zu sehen!" „Sie würde auch mit diesem nicht verkehren, wenn es sich nicht um ihren Mann handelte," sagte der schon wieder versöhnte Baurat. „Sie kommt auch nie anders zu uns als in Be gleitung ihres Vaters und ihrer Kinder, sag' ich Ihnen. Haben Sie die Kleinen schon ein mal gesehen?" „Ich? — nein," kam es fast rauh über Werdens Lippens, als er bitteren Tones fort- suhr: „Bin ich doch von meinen Freunden vergessen! Selbst der Major ist nicht wieder bei mir in Zesen gewesen, obgleich zu jeder Zeit für ihn hier in der Stadt in dem Gast hofe, in dem ich gewöhnlich raste, eins meiner besten Reitpferde zu seiner Verfügung steht. — Darf ich fragen, wann die Herrschaften für gewöhnlich hier vorsprechen?" „Der Herr Major kommt zu verschiedenen Malen am Tage herüber, aber abends erst finden wir uns gewöhnlich alle zusammen. Der alte Herr macht mit mir ein Spielchen, und Rosen bleibt bei den Damen." In dieser Weise plauderte der harmlose Baurat weiter, ohne eine Ahnung davon zu haben, welche Dämonen er in der Brust seines Zuhörers nicht etwa erst weckte oder heraus beschwor, denn diese Ungeheuer lebten seit so vielen Jahren in der Seele des Mannes, sondern zur Raserei antrieb. Allein Werden besaß so außergewöhnliche Selbstbeherrschung, daß selbst bei dem ge waltigsten Aufruhr seines Innern noch ein Lächeln seine Lippen umspielte. Das war auch jetzt der Fall und unbefangen fügte der Baurat hinzu: „Das ist nämlich so, Herr v. Werden: Seit mein Freund Rosen durch einen puren Zufall in den Besitz eines Briefes gekommen ist, den die verstorbene Auguste Stengel an ihren Liebsten, den nun verbummelten Kutscher Andreas Menscher geschrieben hat, setzen sie alles in Bewegung, um Licht in die Sache zu bringen. Dieser Kerl wird jetzt gesucht, und das war es, weshalb ich gestern nach Zesen kam; ich wollte auch Sie fragen, ob Sie etwa? Über seinen Verbleib w'ssen, da doch auch t_ie Ihre Mit wirkung in dieser gerechten Sache rugesagt haben." Herr v. Werden stand auf vom Stuhl und trat an die Glastür der Veranda. „Sie sprechen von meiner Mitwirkung, Herr Baurat, während eS mir scheinen will, als wären meine Bemühungen in dieser Sache ganz überflüssig." „Wieso, Herr v. Werden?" „Hören Sie mich an, dann urteilen Sie un befangen ! Der Major kommt zu mir heraus, fordert mich auf, natürlich nur auf Anstiften Jbres Freundes Rosen, daß ich meine alten Diener streng beobachten, sie sozusagen inS Verhör nehmen soll, kurzum ein kleines ge heimes Gericht in Szene setzen möchte, dem sage ich berestwilligst zu, obgleich ich die beiden Alten jetzt, da ich sie beargwöhnen muß, am liebsten auf Pension setzen würde, damit sie mir von der Besitzung und aus meiner Nähe kommen. Ganz verlassen darf ich sie nach den Bestimmungen meiner Tante nicht. Ich bin also völlig sür die Sache, und gleich, als der Major wieder fortgegangen, ließ ich mir die Ulrike kommen, um ihr anzukünden, daß sie nun wohl öfter nach der Stadt fahren und auch Aufträge von mir nach der Falkschen Villa würde bringen müssen. Ich hatte bestimmt erwartet, sie damit in Verlegenheit zu setzen, aber sei es, daß die Alte auf derartiges schon vorbereitet war oder sehr auf ihrer Hut ist, sie antwortete mir ganz unbefangen: Wie der gnädige Herr befehlen. Ebenso behauptete sie gestern noch in aller Seelenruhe, sie wisse nichts von dem jetzigen Aufenthalte des Andreas Menscher. Wenn ich Ihnen dies erzähle, bester Herr Rat, werden Sie mir wohl glauben, daß ich meinem ge gebenen Worte treu sein will, obgleich es scheint, als wäre ich höchst überflüssig —" „Nicht doch, nicht doch! Der Herr Major hängt mit großer Freundschaft an Ihnen und ist ordentlich ärgerlich darüber, daß er aus diesem und jenem Grunde noch nicht wieder zu Ihnen nach Zesen hat kommen können; in den nächsten Tagen will er Sie bestimmt auf suchen; schon wegen des Briefes, wissen Sie." „DeS Briefes von dem Kutscher? Ja, «aS in aller Welt kann ich dazu tun! Und was steht denn eigentlich so wichtiges in demselben?" fragte Herr v. Werden scheinbar gleichmütig, indem er mit großer Aufmerksamkeit auf sein« beringten weißen Hände blickte und langsam sich wieder auf seinen Stuhl niederließ. Da erschallte von draußen her Helle? Lachen, Kinderstimmen mischten sich dazwischen, und der Sturmwind drangen atemlos u
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