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Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190401068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040106
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040106
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-06
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1904
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politische ^mälcl-AU. Deutschland. *Die Neujahrsseier am kaiser lichen Hofe wurde wie alljährlich mit dem üblichen Zeremoniell begangen. Nach dem Gottesdienste in der Berliner Sckloßkapelle, dem u. a. Reichskanzler Graf Bülow, die Generalfeldmarschälle und die Ritter des Schwarzen Adlerordens, sowie die Minister und Staatssekretäre, die Generalität und Admiralität, die Präsidien der Parlamente bei wohnten, nabm das Kais erp aar im Weißen Saal des Berliner Schlosses die Glückwünsche zum Jahreswechsel entgegen. Mi Mgs begab sich der Kaiser zu Fuß ins Zeughaus zur Parole-Ausgabe. Um 6V2 Uhr fand Familien tafel statt, nach der die Fürstlichkeiten die Fest vorstellung im Operuhause besuchten. *Kaiser Wilhelm hat anläßlich der Chicagoer Brand-Katastrophe an den Präsidenten Roosevelt ein in den herzlichsten Worten ge haltenes Beileidstelegramm gesandt. *Das am 1. d. in Kraft getretene neue Kranken versichern u gsgesetz unter wirst alle Handelsangestellten und Lehrlinge dem Versicherungszwange und schafft somit für diese ein einheitliches Recht auf Krankenfürsorge; sie beziebt die Geschlechtskrankheiten in die unterstützungsberechtigten Krankheiten ein, er weitert die Krankennnterstützung auf 26 Wochen, die Wöchnerinnenunterstützung auf 6 Wochen, gibt die Möglichkeit einer sechswöchigen Schwangerschaftsnutei stützuug, einer Beitrags erhöhung bei nichtleistungssähigen Kassen und gibt der Aufsichtsbehörde das Recht, Kassen- vorstäude bei gewissen Vergehen bezw. nach gerichtlichen Bestrafungen abzusetzen. * Der preußis che Landtag ist durch Verordnung vom 30. Dezember auf den 16. Januar einberufcn worden, also den spätesten Termin, der verfassungsmäßig zu lässig ist. * Dem Preuß. Landtage wird neben den be reits angekündigten Vorlagen (Mcliorationsvorlage, Kanalvorlage, Aussührungsgesetz zum Neichsscuchcn- gesetz, Entwurf über die Gebühren der Medizinal beamten) auch ein Entwurf über die Regelung der Hilfe bei Feuersgefahr zugehen. * Zum Nuntius in München ist nach dem,Popolo Romani/ Monsignore Caputo ernannt worden. * Zu den U n r u h e n i n D e u t s ch - Süd west a f r i k a wird jetzt gemeldet, daß zwischen den deutschen Behörden und den aufständischen Hottentotten Unterhandlungen wegen Beeu 0 i - gung der Feindseligkeiten im Gange seien. Österreich-Ungarn. * Ein Handelsvertragsprovi- sorium zwischen Österreich-Ungarn nnd Italien ist zustande gekommen. Da durch werden alle im Dezember abgeschlossenen Verträge über die Ausfuhr italienischer Weine nach Österreich-Ungarn anerkannt und der bis zum 31. Dezember 1903 ausgesübrte Wein in Osterreich-Ungarn zu dem alten Zollsätze ein- gesührt. Von dieser Erleichterung ist bereits allen größeren Aussuhrplätzen Kenntnis gegebe- wordeu. Für alle andern Erzeugnisse sollen die Bestimmungen deS gegenwärtigen Vertrages in Kraft bleiben. * Die Obstrukti 0 n im ungarischen Abgeordnetenhaus«: hat angesichts der Aussichtslosigkeit ihrer Bestrebungen beschlossen, ihre Tätigkeit nunmehr endgültig einzustellen. Die Obstruküon bestand zuletzt nur noch ans 14 Mitgliedern und war somit politisch voll ständig bedeutungslos geworden; sie vermochte nicht einmal mehr Anträge auf Abstimmungen zu stellen, da derartige Anträge mit 20 Unter schriften versehen sein müssen. Die letzte Hoff nung der Obstruktionisten, daß die Unabhängig keitspartei sich ihnen doch noch anschließen werde, ging ebenfalls nicht in Erfüllung, da sich diese Partei allen Ernstes von ihnen los sagte, und so fühlten sich die „letzten 14 Getreuen" im Parlament vollkommen verlassen. *Die Budapester Polizei will erfahren haben, daß in einem kleinen Kaffeehause, wo die Budapester Serben verkehren, einAttentat auf König Peter geplant worden sei. die serbische Grenzpolizei wurde benachrichtigt, und es gelang ihr, zwei Verdächtige in dem Augenblick, als sie die Grenze überschreiten wollten, zu verhaften. Frankreich. * Der neue österreich-ungarische Botschafter in Paris Frh. v. Kh e v e nh ü l l er überreichte dem Präsidenten Loubet sein Be glaubigungsschreiben und hob dabei hervor, daß er alles aufbieten werde, um die guten Be ziehungen zwischen Frankreich und Osterreich- Ungarn zu befestigen. Präsident Loubet sprach in seiner Erwiderung seine Freude über die Ernennung des Frh. v. Khevenhüller zum Ver treter Osterreich-Ungarns in Paris aus und gab ebenfalls der Hoffnung auf den Fortbestand der guten Beziehungen zwischen beiden Ländern Ausdruck. England. *Chamberlain wurde vom australi - schen Ministerium telegraphisch zu einem Besuche Australiens eingeladen. Cham berlain dankte dem bundesstaatlichen Ministe rium für diese Einladung. Er erkenne zwar den Vorteil eines solchen Besuches an, doch sei ihm zurzeit eine längere Abwesenheit von England nicht möglich; er hoffe jedoch, in nicht allzuferner Zukunft die Einladung annehmen zu können. Belgien. * Gegen die Bestimmung, daß die Kom mandosprache in der Armee die vlä- mische sein soll, sind in Antwerpen und Löwen heftige Proteste erhoben worden, die zum Dienstaustritt zahlreicher Offiziere und Unteroffiziere im Antwerpener Artillerie- und Löwener Jäger - Regiment geführt haben. Der Vorschlag eines Senators von Löwen, die französische Sprache als einzige Kommandosprache, auch bei der Bürger wehr, einzuführen, wurde von der Senats kommission ab gelehnt. Balkanstaaten. *Ein Ausruf der „Inneren mazedonischen Organisation" fordert das bulgarische Volk auf, auch während des Winters die mazedonischen Freiheitskämpfer mit allen Mitteln zu unter stützen. Der Kampf dürfe keinen Augenblick ausgesetzt werden, besonders da die Maze donier aus der Krisis in Ostasien Nutzen ziehen müßten. Sobald in Ost asien die Kanonen losgehen würden, werde das ganze russisch-österreichische Neformprogramm be graben, und die Pforte werde keinen Finger mehr rühren, um die Zustände in Mazedonien zu bessern. Die Mazedonier würden daher schon in den nächsten Tagen an mehreren Stellen wieder losschlagen. Afrika. *Der Chef der nach Abessinien entsandten amerikanischen Haudeismission hat die Unter zeichnung eines abessinisch-amerikani schen Handelsvertrages herbeigesührt. Kaiser Menelik hat die überreichte Einladung zum Besuch d e r W e l t a u s st e l l n n g ! n St. Louis angenommen und dem Präsidenten Roosevelt zwei Löwen und ein Paar Elefanteuzähne als Geschenk überreicht. * Der gesetzgebende Nat von Transvaal hat nach ausgedehnter Debatte einen ein- gebrachten Antrag angenommen, in dem die Negierung ausgefordert wird, einen Gesetz entwurf vorzulegen, der die Heranziehung asiatischer Arbeiter in den Rand minen gestattet. Asten. * Die Weiterentwickelung der 0 st - asiatischen Krisis hängt einzig und allein von den Entschlüssen ab, die jetzt in Petersburg gefaßt werden müssen. Die japanische Regierung" hat ihre Forderungen gestellt und ist nicht gewillt, sie noch weiterhin zum Gegen stände langwieriger diplomatischer Verhandlungen zu machen. Attes drängt nunmehr zur end gültigen Entscheidung. Die einzige Hoffnung, eine friedliche Lösung zn erzielen, gründet sich in der Hauvisache auf die bekannte Friedens liebe des Zaren. Inzwischen rüsten Japan sowohl wie Rußland eifrig Weiler. * Aus Söul, der Hauptstadt Koreas, wird berichtet, d«r dortige russische Gesandte bemühe sich, den Mkeanischen Hof dazu zu bewegen, Masampho an Rußland als Flotten- stationzu verpachten. Die Unruhe im südlichen Korea halte an. Ver Theaterbrand in Chicago hat, wie bis jetzt festgestellt werden konnte, an 700 Menschenleben gefordert. Wie immer bei solchen Katastrophen, spieltensich indembrennenden Hause die furchtbarsten Szenen ab. Als das Feuer die Kulissen ergriff, stob der Chor in wilder Flucht davon, und einige Mitglieder des Per sonals sprangen in die Logen und in den Orchesterraum. Als das Publikum sah, daß die Fallvorrichtung des Asbestvorhaugs ver sagte, stürmte es den Türen zu. An den Aus gängen kämpften die Fliehenden wie Wahn sinnige, so daß dichte Massen eingekeilter Per sonen die Türen und Treppen verstopften. Das Theater stand in vollen Flammen, noch ehe 200 Personen herausgekommen waren. Wäh rend des furchtbaren Kampfes explodierten zwei riesige Gasbehälter auf beiden Seiten der Bühne und schleuderten brennende Trümmer durch das Dach auf die Straße, zum Entsetzen der dort harrenden Menge. Die Feuerwehr mußte sich durch dichte Haufen brennender Opfer den Weg in das Innere des Theaters bahnen. Die wenigen, die man zuerst heraus holte, waren tot oder starben auf dem Trans port. Eben gerettete, halb verbrannte Mütter wollten sich wieder in das brennende Gebäude stürzen, um ihre Kinder zu reiten. Eltern und Verwandte jammerten verzweifelnd hinter dem unerbittlichen Wall der Polizei und kämpften geradezu um Zulaß zu der Brandstätte. Viele der Opfer sprangen auf die Straße und blieben tot oder furchtbar verletzt liegen. Die schneidende Kälte erböhte die Leiden der Verletzten. Zahl reiche Choristinnen find umgekommen, doch wurden die hauptsächlichsten Mitglieder der Schauspiel-Gruppe geleitet. Eine größere An zahl ganz junger Mädchen, deren Angehörige im „Blaubart" mitwirkten, hatten von der Direktion Freibilletts für die letzte Galerie er halten. Man fand die Kinder am Fuß der Galerietreppe in einem vier Meter hohen Leichenhügel. Einige noch atmende Kinder wurden M Orchesterraum gefunden, sie waren über die Galeriebalustrade hinabgeworfen wor den. In dem zur Leichenhalle eingerichteten Lheaterrestamant gab es gräßliche Auftritte. Auch mehrere deutsche Familien befinden sich unter den Leidtragenden. — Die Polizei be legte alle Wagen aus der Straße mit Beschlag und transportierte in ihnen die Verletzten in die benachbarten Geschäfte, wo sie von Ärzten be handelt wurden. — Nach der letzten Berechnung liegen in den verschiedenen Leichenschanhäusern 690 bei dem Theaterbrande ums Leben ge kommene Personen ausgebahrt; außerdem wer den noch 300 Personen vermißt. Am ersten Morgen nach dem schrecklichen Brande wurden dis Leichenhäuser von Scharen von Einwohnern umlagert, die gekommen waren, um Verwandte oder Freunde, die sie seit Eintritt der Katastrophe vermißten, unter den Toten zu suchen. Es heißt jetzt, daß die freiwilligen Feuerwehrleute, die auf der Bühne waren, beim Ausbruch des Brandes von einer Panik er griffen wurden, die schlimmer war als jene unter den Zuschauern. Sie waren vor Schreck unfähig, die zur Erstickung der Flammen bereit flehenden Mittel anzuwenden. Inzwischen find sieben Angestellte des Jroquois-Theaters unter der Anschuldigung der fahrlässigen Tötung ver haftet worden. Unter ihnen befinden sich der Bühnenleiter, der Bühnenzimmermann und mehrere Kulissenschieber, der Assistent des Bühnenleiters Plunkett und mehrere Chorsänger. Plunkett ist des Totschlags angeklagt. Zahl reiche andere Angehörige des Theaterpersonals find bereits polizeilich vernommen worden. unä fern. Ein regierender Fürst in der Herberge. Der Großherzog von Hessen hat nach dem ,Vorw.' in Darmstadt am Weihnachts-Heiligabend auf der Herberge zur Heimat an der Weihnachtsfeier der Handwerksburschen teilgenommen. Nachdem er die Feier verlassen hatte, teilte der Herbergs vater mit, daß ein „wohltuender Herr" für die Kunden 100 Mk. gespendet habe. Die 91 „Vaga- bonden" erhielten je eine Mark ausgezahlt. Familie Hauff. Mit der Aufnahme des Landgerichtspräsidenten August v. Hauff in den erblichen Adelsstand Württembergs ist die Auf merksamkeit weiterer Kreise wieder auf den um fangreichen Stammbaum der Familie Hauff ge lenkt worden, dem auch die Dichter Schiller und Kerner angehören. Der Stammvater Daniel Hauff, gestorben 1652 als Land schreibereiverwalter in Stuttgart, hat einst ein Rittergut in Österreich erworben und wurde dann ist Österreich geadelt. Seit dem Übertritt in württembergische Dienste während des dreißig jährigen Krieges blieb der Adel ruhen uud ist nun erneuert worden. Die Zahl der tm Fischereigewerbe be rufsmäßig tätigen Personen ist erheblich größer, als gemeinhin angenommen wird. Im Haupt beruf waren nach der letzten Statistik vom Jahre 1895 beinahe 25 000 Fischereitreibende in Deutschland tätig. Dazu kommen etwa 55 500 Bedienstete und Angehörige, so daß im Deutschen Reiche etwa 80 000 Menschen der Fischerei ihren Lebensunterhalt verdanken. Von diesen gehören 59 Prozent der Binnenfischerei, 41 Prozent der Seefischerei an. Auf das Ost seegebiet entfallen 85 Prozent Küsten- und Kleinfischer, 14'/- Prozent auf das Gebiet der Nordsee. Der Kampf nm den Kopf. Der Wieder- ansnahmeantrag des vierfachen Lnstmörders Teßnow, der vom Schwurgericht in Greifswald zweimal zum Tode verurteilt wurde, ist nunmehr im Beschwerdewege vom Oberlandesgericht in Stettin genehmigt worden. Das Gericht hat demgemäß die Erhebung der angebotenen Be weise augeordnet und beschlossen, daß die Voll streckung des Todesurteils einstweilen ausgesetzt werde. Das Gesuch Teßnows stützt sich auf Geistes krankheit; er ist wiederholt in Irrenanstalten beobachtet worden, und seine für Ende Oktober 1903 festgesetzte Hinrichtung, zu der schon alle Vorbereitungen getroffen waren, mußte mit Rücksicht hierauf verschoben werden. Explosion eines Schrapnellgeschosscs. Zwei Kinder aus Kastel spielten seit längerer Zeit mit einem Schrapnell-Artilleriegeschoß, ohne daß jemand ahnte, daß dasselbe noch geladen War. Der 10 Jahre alte Knabe wollte ein Loch in einen Lederriemen schlagen und be nutzte als Unterlage das Geschoß. Beim Zu schlägen mit dem Hammer explodierte das Schrapnell und richtete große Verwüstung in der Wohnung an. Der Mutter wurde der Unterleib aufgerissen, sodaß die Gedärme her- vortrateu. Dem dreijährigen Mädchen drang der größte Teil des Geschosses in den Körper ein, dem Knaben selbst wurde der rechte Arm zerrissen. Die Schwerverletzten wurden nach dem Spital geschafft, wo das Mädchen inner halb einer Stunde und die Mutter am nächsten Morgen verstarb. Zu Tode geschleift. Ein Arbeiter war vom Händler von Korschenbroich mit einer Kuh nach dem Schlachthofe Rheydt gesandt, als letztere Plötzlich scheute. Der Arm kam zu Fall und wurde von der rasenden Kuh unaufhaltsam über Weg und Steg geschleift. Als man das Tier einfing, war der Arbeiter bereits eine Leiche. Verhafteter Defraudant. Der vor einigen Tagen aus Aachen unter Mitnahme von 45 000 Mark geflüchtete Bankangestellte Rieke wurde in Bruchsal verhaftet. Den größten Teil der entwendeten Summe fand man noch bei ihm vor. Auf seine Festnahme war eine Belohnung von 5000 Mk. ausgesetzt worden. Eisenbahnnnfall. Auf einem Überwege zwischen Altboyen und Leiperode überfuhr ein V-Zug ein Fuhrwerk. Die Schuld trifft den Schrankenwärter, der die Schranken nicht ge schlossen hatte. Zwei Personen wurden leicht verletzt, das Fuhrwerk zertrümmert, die Pferde getötet. O k)erta falk. 7j Roman von Theodor Almar. sForts-»ung.> „Vater," sagt Herta dann bittend und halb befehlend, „du mußt an Werden schreiben; denn er darf nicht hierher kommen. So lange Julius fern ist — und wäre es sür's Leben — so lange habe ich seines Hauses Ehre zu wahren an seiner Statt. Eine tugendhafte Frau wird in Abwesenheit ihres ManneS nie einen Mann bei sich empfangen. Aus kindlicher Ehrfurcht gegen dich, Vater, wollte ich vor Werden deiner Einladung an ihn nicht widersprechen, aber du mußt diese widerrufen oder ich verlasse mit den Kindern daS HauS." „Nun, sagen Sie lieber Assessor, was bleibt mir denn anderes übrig, als nach Zesen hinaus zu wandern, um Werden so schonend als mög lich mit Hertas Laune bekannt zu machen und der Beleidigung die Spitze abzubrechen." „Laune, Beleidigung? Herr Major, so möchte ich die Handlungsweise Ihrer Frau Tochter nicht benannt wissen; sie handelt streng, aber doch wohl korrekt in diesem Falle," ent gegnete Rosen, innerlich befriedigt darüber, daß es noch jemand gab, der gleich ihm instinktiv von diesem Pseudo-Kubaner sich abgestoßen fühlte, und daß dieser Jemand gerade sein Ideal war. „Herr Major," fuhr Rosen fort, „Sie haben mich mit Ihrem Vertrauen beehrt, gestatten Sie mir nun, Ihnen mit gleicher Offenheit zu be gegnen. Wie gesagt, ich finde es ganz korrekt gehandelt, wenn Frau Falk sich sträubt, ihres Gatten Feind bei sich zu empfangen." „Feind? v. Werden Falks Feind?" fragte der Major stehen bleibend und Herrn von Roßen betroffen ins Gesicht sehend. „Ich verstehe Sie nicht, Herr Assessor." Und den Weg wieder ausnehmend, argu mentierte der Major von Klewitz weiter: „Wenn Sie diese Meinung etwa daraus ge wonnen haben, weil Werden sich bisher von meiner Tochter fern hielt, so läßt sich doch wohl annehmen, daß er bei ihrer allbekannten Abgeschlossenheit von der Welt es nicht gewagt hat, sich ihr zu nähern. Anderseits wußte meine Tochter wahrscheinlich gar nicht, daß er der Neffe der verstorbenen Baronin von Bardow sei. Außerdem dürfen Sie nicht außer acht lassen, daß unter bewandten Umständen —" „Aber daß der Neffe der Verstorbenen an gekommen war, das wußte sie; sie wußte auch, daß derselbe alle Personen um sich duldet und unter einem Dache mit ihnen lebt, die den Frieden ihres Hauses, ihr und ihrer Kinder Lebensglück zerstört haben. Sie wußte auch, daß dieser Neffe den Namen Werden trage." „Wirklich, meinen Sie, daß sie das wußte?" „Ja, Herr Major; Justizrat Görner hat es ihr gesagt." „Hm, das kann doch wohl anders lieben," sagte der Major von Klewitz, unwillkürlich schneller ausschreitend. „Von Gilbert werde ich schon den Zusammenhang erfahren. Es ist ja ganz begreiflich, daß er sich uns gegenüber neutral verhält. Er kennt mich und meine Tochter, mein Schwiegersohn aber war ihm nur als Arzt bekannt. Nun kommt er als Fremder hierher, hört die beschworenen — gebe es Gott, falschen Tatsachen, hält demnach meinen Schwiegersohn für schuldig nnd meint pietätvoll zu handeln, wenn er die Leute nicht verstößt, die treu zu ihrer Herrin, seiner Tante, hielten. Wenn ich erst offen mit ihm gesprochen haben werde, wird er vielleicht anders denken und handeln; die ganze Sache wird sich mit seiner Hilse am Ende doch noch aufklären lassen und eine andere Wendung nehmen." „Ah, Herr Major, hier kommen sich unsere Ansichten schon näher, wenn auch auf ver schiedener Basis. Sie wollen den geraden Weg des Vertrauen? gehen; ich rate Ihnen aber, bleiben Sie ganz zugeknöpft; verraten Sie nicht mit einer Silbe, daß wir — nun, daß wir einen Justizirrtum voraussetzen. Lassen Sie das ganz unerörtert Herrn von Werben gegen über, aber wenn er dennoch Interesse zeigt für Sie und Ihre Tochter, so veran lassen Sie ihn, Frau Falk Gelegen heit zu geben, auf irgend eine Weise mit den beiden Bediensteten zusammen zu kommen." „Zu welchem Zweck, bester Herr Assessor; wollen Sie mir das nicht sagen?" „Darüber bin ich mir selbst noch nicht ganz klar im einzelnen; im ganzen ist es gewiß, daß wir nur in den Kreisen Material für unsere Sache sammeln können, in welchen die Tra gödie sich abgespielt hat. Falks Schicksal be gegnet überall der ungeschminktesten Teilnahme, und alles, was ich darüber gehört habe, erweckt mein Interesse an dem kriminalistischen Falle selbst. Mein Gewissen schreibt mir vor, nach Kräften behilflich zu sein, der Wahrheit ans Tageslicht zu verhelfen. Ich bin gewillt, alles daran zu setzen, damit der Prozeß noch einmal ausgenommen werde. Aber um das so weit bringen zu können, muß ich die nötige Unter stützung haben von seiten Ihrer Tochter selbst." „Ich fange au, Sie zu verstehen, mein schätz barer junger Freund, und seien Sie überzeugt, daß ich nichts unversucht lassen werde, Gilbert für uns zu gewinnen. Ich weiß nur nicht, ob meine Tochter zu bewegen sein wird, mit jenen beiden Personen in Berührung zn kommen." „Um der Sache willen wird sie ihren Ab scheu vor Ihnen überwinden: sie handelt für ihren Gemahl, für die Ehre und das Glück ihrer Kinder." „Wie gut Sie doch meiner Tochter Sinn und Charakter schon zu kennen scheinen!" Rosen errötete ein wenig, waS dem Major jedoch entging; dieser fuhr lebhaft fort: „Aber ich sürchte, sie wird sich zu sehr auf regen dabei, gerade wie gestern im Krankenhause, trotz ihres starken Geistes und sesten Willens." „Sobald sie weiß, daß die Ausforschung dieser Personen nötig ist, wird sie sich zu be herrschen wissen; und selbst, wenn unsere Hoff nungen getäuscht werden sollten, wird sie nicht verzagen, sie, die so felsenfest an die Unschuld ihres Mannes glaubt, wie Sie gestern ja selbst sagten. Jetzt hängt sie ihre ganze Hoffnung an das Leben jenes Mädchens im Kranken hause ; so nützlich nun dieses Mädchen auch sein könnte, gibt es doch auch noch andere Wege. Ich fürchte nur, Herr von Werden wird sich ablehnend verhalten, sei es aus Gleichgültigkeit oder aus —" Der Assessor sprach seinen letzten Gedanken
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