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Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190412218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19041221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041221
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-21
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1904
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poliMcke Kunälckau. Der russisch.japanische Krieg. * über die Lage in Port Arthur be richtet .Bureau Reutet: Vom 203 Meter-Hügel ist die gesamte Stadt Port Arthur und der Haien zu überblicken. Die Straßen find ver lassen. Die japanischen Bomben fallen in alle Teile der Stadt und des Hafens. Der große Verlust an Menschenleben, den die Einnahme des Hügels gekostet hat, ist ausgewogen durch die vollständige Zerstörung der russischen Motte. Die japanische Flotte wird jetzt nach Japan zu rückkehren, um ins Dock zu gehen. Die Japaner gehen allmählich am Ufer der Tauben bucht entlang auf verhältnismäßig ebenem Terrain gegen die Forts Taijangkau-Jtzschan und Antseschan vor. * Von der letzten kurzen Waffenruhe vor Port Arthur wird noch berichtet, daß sich dabei japanische und russische Offiziere die Hände reichten, ihre Visitenkarten austauschten, einander zutranken und sich sogar zusammen photographieren ließen. (?) Die Russen waren in zuversichtlicher Stimmung und äußerten, die Festung werde nie übergeben werden. * Die südliche Mandschurei ist von Oyama vorläufig an Japan ange- gliedert worden. *,Daily Mail' meldet aus Tientsin: Das japanische Hauptquartier ermittelte, daß das russische Ostseegeschwader beab sichtige, sich ouf den Pescadores - Inseln (in der Straße von Formosa) einen Stützpunkt zu schaffen. Die Japaner gingen sofort daran, diesen Plan zu durchkreuzen und schicken bereits schwere Geschütze und große Kohlenvor räte nach den Pescadores-Jnseln. — Ferner verlautet, die Japaner hätten eine Anzahl Ge heimagenten und Marineoffiziere in die süd chinesischen Gewässer gesandt, wo sie Vor bereitungen für den Empfang des russischen Ostseegeschwaders treffen sollen. Sechs Dampfer laden augenblicklich in Schanghai Kohlen und Vorräte, um sie den russischen Schiffen zu zuführen. * * Deutschland. * Der Kaiser wohnte am Freitag in Brom- berg der Feier des 200 jährigen Jubiläums des dortigen Grenadier-Regiments zu Pferde „Derfflmger" bei. * über den Termin der Veröffentlichung der neuen Handelsverträge glauben die ,Berl. Pol. Nachr.' feststellen zu können, daß der Reichskanzler im Reichstag nicht davon gesprochen hat, der Volksvertretung die Tarif verträge „alsbald nach Weihnachten", sondern „gleich nach den Weihnachtsferien" znkommen zu lasfen. ES würden nach der Äußerung des Reichskanzlers nicht etwa 14 Tage, sondern noch ungefähr vier Wochen vergehen, ehe die neuen Tarifverträge der Offentlichleit be kannt gegeben werden. *Jm Auslande ist wieder eine lebhafte Bewegung im Gange zur Reform des Gesetzes von 1870 über den Erwerb und Verlust der Neichsangehörigkeit, namentlich dahin, daß jedem im Auslande lebenden Deutschen die Sicherheit gewährt wird, daß er niemals gegen seinen Willen seine Rechte als Reuhsangehöriger verlieren kann, und daß die Wiedererwerbung der früher verlorenen Reichs- angehörigkeit in jeder Hinsicht erleichtert wird. In Frankreich zirkuliert bereits bei allen Deutschen eine dahingehende Eingabe an den Reichskanzler, als deren geistiger, wenn auch nicht offizieller Vater, der deutsche Botschafter Fürst Radolin betrachtet werden muß. * Mit der Neichsfinanzreform soll, so wird offiziös erklärt, nicht so lange gewartel werden, bis sich ganz genau aus der Entwicke lung der Tatsachen die Höhe der Mehrein nahmen ergibt, die von der Revision des Zoll tarifs erwartet werden. Die Richtung, in der die Reform zu erfolgen hat, soll von den zu ständigen Regierungsstellen vielmehr ^chon dann festgelegt werden, sobald die neuen Tarifver träge zustande gebracht find und sich an der Hand der neuen Sätze des Zolltarifs und der! Verträge ungefähr das finanzielle Fazit der neuen Phase in der Wirtschafts- und Handels politik schätzen läßt *Die Rechtsfähigkeit der Be rufsvereine soll nun doch zur Tatsache werden. Wie die .Soziale Praxis' hört, legt die Reichsregierung Wert darauf, den Gesetz entwurf noch im Laufe dieser Session dem Reichstage vorzulegen. *Wie die ,Lotterie-Post', das Organ für die Interessen der Lotterie-Kollekteure und Losehändler Deutschlands, als „unumstößlich feststehend" mitteilt, soll Mecklenburg- Schwerin von Preußen 200000 Mk. für jede Lotterie erhalten. Lübeck bekommt über 100 000 Mk. und M e ck l e n b u r g - S t r e l i tz 67 500 Mk. jährlich. * Hendrik Witboi ist bei Witkranz ge schlagen worden und befindet sich auf der Flucht. * ES steht nunmehr fest, daß die Herero - Häuptlinge sich vorderhand der Macht der deutschen Waffen insofern entzogen haben, als sie an den äußersten östlichen Grenzen des Schutz gebiets an einem Punkte sitzen, der vor Anbruch der nächsten Regenzeit für unsere Truppen, d. h. von Westen her, nicht mehr erreichbar ist. Daß die Häuptlinge mit der sich zweifellos in ihrer Be gleitung befindlichen stärkeren Anzahl von Kriegern diesen Marsch durch die wasserlose Omaheke nur unter großen Verlusten durch Hunger und Durst bewerkstelligt haben, ist sicher. Ebenso sicher ist, daß dis jetzt in großer Zahl von Osten nach Westen zurückflutenden kleinen Rcbcllenabteilungen nur noch die erbärmlichen Reste der einst so mächtigen Hereros sind, an denen das „Sandfeld" gewissermaßen das letzte Nichtcramt für ihre Schandtaten ausgeübt hat. Immerhin aber kann der Krieg — das wollen wir heute nochmals betonen — erst dann als vollständig beendet angesehen werden, wenn die Häuptlinge in unserer Hand sind. Österreich-Ungar«. *Jm ungarischen Abgeordneten hause hat die Opposition durch großen Lärm auch am Donnerstag die Verhandlungen zum großen Teil unmöglich gemacht. Tisza hat die Parlamentsauflösung ange kündigt. Frankreich. * Es bestätigt sich vollkommen, daß der Fall Syveton eine ganz gemeine Sittentragi komödie ist, was die Nationalisten jetzt selbst eingestehen. Die ursprünglich für ein Denk mal Syvetons eingegangenen Beträge werden von den Nationalisten-Chess dem Fond für die Wahl des Exobersten Marchand zugewendet. Der bekannte Abg. Coppöe, der ohne Kenntnis von Syvetons Privatleben vor acht Tagen schwur, den „Märtyrer" blutig zu rächen, will jetzt der Politik entsagen. Rußland. * Der Widerspruch, welcher jüngst den Ge rüchten über die angeblich von Rußland geplante Aufwerfung der Dardanellenfrage ent gegengesetzt wurde, erfährt eine nachdrückliche Erhärtung durch eine Mitteilung aus Peters burg, daß nach Versicherung von zuständiger Seile in der Tätigkeit der russischen Diplomatie keinerlei Moment vorgekommen ist, das der nun seit Monaten wiederkehrenden Erörterung über diesen Gegenstand einen Anschlag bieten konnte. Das Petersburger Kabinett habe in keiner Form, auch nicht etwa in derjenigen vertraulicher Fühlungen, an der einen oder anderen Stelle das Meer-Engen-Thema zur Sprache bringen lassen, und es liege ihr überhaupt die Absicht ferne, Schlitte zu unternehmen, deren Ziel die Herbeiführung von Abänderungen der bestehenden internationalen Verträge im bezeichneten Punkte wäre. * Die Hoffnung, die das bisherige Verhalten des neuen Ministers des Innern Fürsten Swiatopolk - Mirsky für eine Besserung der inneren Zustände Rußlands erweckt hat, war verfrüht. Nach einer eigenen Äußerung von ihm gegenüber der Advokaten-Abordnung sei an eine Änderung des bestehenden Staats- systems nicht zu denken. Trotzdem wird in den verschiedensten Kreisen des Landes daran „sehr lebhaft gedacht". * In Rußland hören die Reservisten krawalle nicht auf. In Rostow am Don kam es zu argen Exzessen. Lie Soldaten über fielen einen im Zentrum der Stadt gelegenen Schnapsverkaufsladen, zertrümmerten ihn und stahlen dabei „Wutki" für 570 Rubel. Der gestohlene Schnaps wurde dann sofort auf der Straße verteilt und getrunken. Die Ver käuferin wurde während der Schlägerei, die zwischen den Reservisten und der Polizei statt fand, von einem Rekruten ermordet. Deutscher Keickstag. Am 15. d. wird die Beratung der Militär pensionsgesetze fortgesetzt. Staatssekretär des Reichsschatzamts Frhr. von Stengel: Die Kritik hat vornehmlich bei der Frage der Rückwirkung und bei der Frage der Deckungsmittel eingesetzt. Aber so arm ist das Reich nicht, daß eS nicht die 6 Millionen Mark auf bringen könnte, zumal wenn die Schlagfertigkeit des Heeres und der Marine auf dem Spiele steht. Die Initiative zu neuen Steuervorschlägen nehmen wir auf unS, hoffen aber, daß Sie daun unsern Plänen zustimmen werden. Wollte man die Rückwirkung des Gesetzentwurfs nicht nur auf die Kriegsteil nehmer sondern auch auf die Altpensionäre ausdehnen, so würde das eine Mehrausgabe von 20 Millionen zur Folge haben. Ich stehe mit dem preußischen Finanzminister in Verhandlungen wegen Erhöhung des Wohnungsgeldzuschuffes, die sofort eine Besse rung der Pensionäre im Gefolge hätte. Ich warne ausdrücklich davor, die Rückwirkung ohne Ausnahmen zu beschließen. Abg. Wiemer (frs. Vp.) ist mit den Gruud- zügen der Vorlage einverstanden, hat aber gegen einzelne Bestimmungen doch einige Bedenken. Abg. v. Tiedemann (sreikons.): Die Offiziere sind der Dienstunfähigkeit viel schneller ausgesetzt als die Beamten; dennoch stehen sich die Beamten hinsichtlich der Penfionsverhältniffe viel besser. Unter solchen Umständen ist eS nicht verwunderlich, daß der Offiziersersatz aus den Kreisen, die ihn bisher vornehmlich gestellt haben, mehr und mehr ausbleibt. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Wirtsch. Vgg.): Ich bedanre, daß nicht auch ein Entwurf für die Veterancnsürsorge vorgclegt worden ist. Die Deckungsfrage ist mit Recht in den Vordergrund der Beratung gestellt worden; aber sie darf auf keinen Fall zu einer Verzöge rung der Verabschiedung des Entwurfs führen. Regierung und Kommission müssen eine Lösung finden, selbst wenn sie die Ferien zu ihren Be ratungen benutzen müssen. Über die Frage der rück wirkenden Kraft wird hoffentlich die Kommissions beratung Klarheit bringen: so wie diese Frage jetzt geregelt ist, sind entschieden starke Ungerechtigkeiten vorhanden. Abg. Mommsen (fr. Bag.) hält die Deckungs frage für außerordentlich wichtig. Die Regierung muß unbedingt vor Verabschiedung des Gesetzes mit ihren Deckungsplänen hervortreten. Mit der Vor lage über die Mannschaften sind wir im großen und ganzen einverstanden, an der Vorlage über die Pensionsverhältnisse ist allerdings manches auszu setzen. Der Überweisung au die Budgetkommiision stimmen wir zu. Abg. Werner (Antis.): Die Frage der Deckung muß unS gleichzeitig mit der Vorlage be schäftigen. Ich versiehe nicht, weshalb die Re gierung mit ihren Steuerplänen nicht hervortritt. Bei der Dringlichkeit dieses Gesetzes sind wir nicht für Verweisung an die Budgetkommisfion, die schon durch den Etat schwer belastet ist. Wir bitten, den Entwurf einer besonderen Kommission zu unter breiten. Abg. Speck (Zentr.): Wir können diese Pen- sionsgesctze nur zusammen beraten mit der Deckungs frage. Die Beratung in der Budgetkommission wird keine Verzögerung bringen, da diese dem Entwurf erst nach Erledigung des Etats nahezutreten braucht. Abg. Südekum (soz.) legt nochmals die Stellung seiner Partei zu diesem Gesetzentwurf dar. Die Acußerung des Abg. Tiedemann über den General v. Kretschmann entspricht nicht dem Be nehmen eines Gentleman. Präsident Gras Ballestrem ruft den Redner wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung. Abg. Südekum (fortfahrend): Der Ueber- weisung an die Budgetkommisfion stimmen wir zu. Preuß. Kriegsminister v. Einem: Es scheint hier im Hause die Meinung zu herrschen, als ob das Militärkabinett wie eine Art Guillotine arbeite. Demgegenüber möchte ich betonen, daß unsre Armee noch nie so alt gewesen ist, wie jetzt. Die Zivil- beamten können Sie mit Kautelen umgeben, so viel Sie wollen, aber in der Armee kommen wir ohne eine ziemlich große diskretionäre Gewalt des obersten Kriegsherrn nicht aus. Für absolut unwahr erkläre ich, daß je ein Kriegsinvalide aus politischen Gründen die Kriegszulage nicht erhalten hat. In der Frage der Vorbildung sind wir auf dem besten Wege, die Zahl der Abiturienten zu vermehren. Der KriegS- minister geht sodann noch auf den Fall Kretschmann ein. Wenn ein General Vorschriften des allerhöchsten Kriegsherm laut kritisiert und tadelt, kann er sich doch nicht wundem, wenn der Kaiser sagt, den General kann ich nicht brauchen I Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Schickerl (kons.), Gras Melzynski (Pole), Arendt (freik.), Graf Oriola (nat.-lib.) und Speck (Zentr.) wird die Vor lage gegen die Stimmen der Rechten und National liberalen der Budgetkommission überwiesen. Damit ist die Tagesordnung erlchöpft. Präsident Graf Ballestrem schlicht die Sitzung, indem er dem Hause ein frohes Weihnachtsfest und ein recht glückliches neues Jahr wünscht. — Nächste Sitzung Dienstag, den 10. Januar 1905. Von und fern. Bon einer ««gewöhnlichen Verkehrs störung erzählt die ,Tägl. Rundschau' aus Berlin: Ein junges Mädchen war beim Über schreiten des Fahrdamms an der Ecke der Jn- validenstraße und der Brunnenstraße mit dem hohen spitzen Absätze des Schuhes am rechten Fuße in die Ritze der Weichenzunge geraten, und der Schuh klemmte sich so fest, daß das Mädchen sich nicht von der Stelle zu rühren vermochte. Es mußte sich infolgedessen der Fußbekleidung entledigen. Die Versuche des Straßenbahn-Personals, den Schuh herauszu ziehen, waren vergeblich; er mußte buchstäblich aus der Schiene herausgestemmt werden. Für die Dauer dieser Zeit, etwa eine Viertelstunde, war der gesamte Verkehr für die Straßenbahn linien nach dem Gesundbrunnen und nach der Jnvalidenstraße gesperrt. Das Ausbleiben der Sprotten- schwärme an der deutschen Küste bedeutet für die Fischer von Finkeuwerder eine große Kalami tät, weil auf den Sprottenfang, der sonst im November beginnt, die meisten Fischer den Winter hindurch angewiesen sind. Zum Auf suchen der Fischzüge in weiterer Ferne sind die dortigen Fahrzeuge- nicht geeignet. Die Stimmung unter der Bevölkerung ist deshalb äußerst gedrückt, um so mehr, als bie dies jährigen Herbststürme zahlreiche Menschenopfer heischten. Die Zahl der schwarzgekleideten Kinder, welche ihre Väter betrauern, ist eine sehr große geworden. Der Fall erinnert an einen ähnlichen an der französischen Küste, wo die Sardinenschwärme ausblieben. Das seltene Fest der eisernen Hochzeit begingen in Eigenrode (Thüringen) der Schmiede meister Mosebach mit seiner Ehefrau. Auch eine Polizeihund-Leistung. Unter diesem Stichwort schreibt der .Bote an der Jnde': Vor einigen Tagen kam in einem Be triebe in Eschweiler einer Arbeiterin der Wochen lohn abhanden, ohne daß es gelang, den Ver bleib des Geldes zu ermitteln. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß ein Diebstahl vorliege. Da verfiel der Inhaber des Betriebes auf ein absonderliches Mittel: Er ließ die Mitteilung verbreiten, ein Kriminalbeamter werde mit einem Polizeihunde erscheinen und sowohl die Bestohlene als auch sämtliche Mitglieder der Arbeiterschaft beschnüffeln lassen, so daß, da der Hund mit unfehlbarer Sicherheit arbeite, der Dieb oder die Diebin bald ermittelt sein werde. Und was geschah? Am andern Tage fehlte eine Arbeiterin; sie ließ sich krank melden und das ihrer Kollegin abhanden ge kommene Geld mit dem Bemerken zurück bringen, sie habe es „irrtümlicherweise" mit genommen. Von einer Anzeige des Vorfalls wurde abgesehen, dagegen die Arbeiterin, die sich so merkwürdig „geirrt" hatte, entlassen. Der „Polizeihund" hatte hier seine Schuldig keit getan. Schülerstreik mit Bomben. In Caftro- villaria, wo, wie in vielen andern italienischen Städten, die Gymnasiasten streiken, haben einige vielversprechende Schüler Dynamilbomben fabri ziert, um das Schulhaus in die Luft zu sprengen. Als dieser Tage einige Gymnasiasten den Aus stand brechen wollten, wurden ste von den Streikführern mit Bomben attackiert. Dieser Kanonade ist leider ein Schüler zum Opfer ge fallen. Die „Herren Jungens" können es noch weit bringen. K Onter äer l^aske. 3j Roman von Lady Georgina Robertson. iKcn'tbmi«., Ein neuer, bitterer Schmerz! Mit zitternden Händen halfMathilde,dieKranke in die gewünschte Lage zu bringen, dam trat sie ans Fenster. Bei jedem Rauschen des Windes horchte Ellen auf, das Bewußtsein schwand, sie phantasierte von Engeln, die sie holen würden und klagte, daß ihr Name noch immer nicht gerufen wäre. Dann kamen nur ruhige Momente eines kurzen Schlummers, aber keinen Augenblick ließen ihre Hände Lord Chesleigh los. „Ich habe dich so unendlich lieb^ hörte Mathilde sie auf einmal sagen und seine Ant wort war nur ein tiefer Seufzer. Mitternacht war vorüber und keiner der Anwesenden hatte sich vom Platze gerührt. Im Nebenzimmer saßen Ellens alte Kinderfrau und die zur Pflege berufene Wärterin. Beide kamen herbeiaeeilt, als Sir John einen leisen Schrei ausstieß. Ellens Kopf sank schwer zu rück und die Hände wurden schlaff. „Stören Sie fie nicht," sagte Ehesleigh. Sie hatte in seinen Armen sterben wollen; er wollte jetzt nicht den Kopf aufs Kissen gleiten lassen. „Rufe fie an," bat Mathilde. Er beugte sich über die Kranke. „Ellen," flüsterte er. Keine Antwort. „Ellen," wiederhotte er lauter und ein leises Zucken der Lippen Vernet, daß fie das Wort vernommen. Als er zum brüten Male ihren Namen nannte, schlug fie die Augen auf. „Du hast mich zurückgerufen," sagte die Kranke. Die Wärterin kam mit einem kleinen, sil bernen Löffel und flößte ihr ein paar starke Tropfen zwischen die Lippen ein und bemerkte zu Sir John: „Es war eine Ohnmacht, aber es ist noch nicht der Tod." „Gott sei Dank," rief er auS und überzeugte fich, daß die geisterhafte Blässe nachließ. „Bleibe bei mir, Artur," bat Ellen, „ich bin müde, ich möchte schlafen." Lord Chesleigh rührte fich nicht. Das goldige Haupt lag in seinem Arm und bald verrieten leise Atemzüge, daß die Kranke eingeschlafen war. Nach einiger Zeit trat die Wärterin wieder ans Bett und bemerkte, daß die Stirn feucht war. „Ich möchte keine Hoffnungen erwecken, Sir John," sagte ste, „aber dies ist ein gutes Zeichen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Ärzte fich doch irren und Ihre Tochter die Krankheit überwindet." Hoffnung I Welches Glück schließt dies Wort ein, wenn es an einem Krankenbette zuerst wieder Raum gewinnt. Und hier hatte jeder so fest au die Aussage der Arzte geglaubt, daß keinem ein Zweifel an dem Ausgang von Ellens Kranlheit kam. — Wohl kaum je hatte eine so eigentümliche Nachtwache drei Menschen vereint wie hier, kein Wort wurde gesprochen. Lord Chesleigh rührte fich nicht und »erriet mit keiner Miene, was in seinem Innern vorging. Ellen schlief ruhig weiter, zuweilen öffnete fie die Augen, und wenn fie ihn neben fich sah, flützerte fie etwas i von „glücklich sein". Mathilde kniete am ! Bette. So warteten die drei, bis die kurze Som mernacht zu Ende war und der Morgen durch die Fenster schien. Die Wärterin zog die Vorhänge zurück und als fie die Züge der Kranken im Lichte des Tages sah, sagte fie zu Sir John: „Es ist eine große Veränderung in den letzten Stunden vorgegangen. Schicken Sie gleich zum Arzt, die Krifis scheint glücklich vorüber zu sein." Sir John veAieß das Zimmer, nm einen Boten nach London zu senden und es rührte ihn tief, wie alle seine Leute die Freude über die neue Hoffnung mit ihm teilten; einer nach dem andem kam zu ihm, um fich zu erkundigen und alle trösteten ibn mit dem Ausdruck ihrer Teilnahme. Es zeigte ihm am deutlichsten, welche Liebe sein teures Kind im ganzen Hause genoß. Die ersten Sonnenstrahlen erweckten auch Lady Marstone aus ihrem künstlichen Schlummer und fie wagte es kaum, die Frage zu tun, die ihr auf den Lippen schwebte. „Habt ihr mich schlafen lassen, während fie starb?" sagte fie endlich zu der allen Kinder frau und wollte es nicht fassen, als diese von der neu erwachten Hoffnung sprach. „Besser, Barbara? Wirklich besser?" rief sie aus. „Ist es auch wirklich wahr?" Und dann erzählte die alte Frau die ganzen Vorgänge der verflossenen Nacht. Lady Marstone wollte ihren Ohren nicht trauen. „Verheiratet!" sagte sie entsetzt. „Bar bara, fie ist ja noch ein Kind!" „Und doch glaube ich, daß diese Heirat ihr das Leben gerettet hat, Mylady. Sie war immer unruhig, als drücke fie etwas, ihre Blicke wanderten unstet umher, jetzt ruht sie so fried- lich und ein erquickender Schlaf hat die Krank heit gebrochen. Mylady verzeihen, aber ich glaube bestimmt, sie hat Lord Chesleigh immer geliebt und nun wird fie genesen." „Und er, liebt er fie auch, Barbara?" „Er heiratete fie doch, Mylady! Wer könnte auch ihr gegenüber kalt bleiben!" Lady Marstone seufzte und obgleich fie fich nach dem starken Schlafmittel noch nicht er frischt fühlte, eUte fie zu ihrer Tochter. Sie fand diese sanft schlafend in Lord Chesleighs Armen. „Ist es wahr?" flüsterte fie ihrem Gatte» zu, aus die beiden deutend. „Ja, es ist wahr, er hat ihr das Leben gerettet." Sie trat auf Lord Chesleigh zu und drückte seine Hand. „Gott segne Sie dafür," sagte sie, „und schenke Ihnen alles, was Ihr Herz wünscht." Was sein Herz wünschte! Es klang ihm wie Hohn in diesem Moment und seine Blicke, die durchaus nichts davon verrieten, daß die Wünsche seines Herzens erfüllt seien, flogen zu Mathilde hinüber, die mit gefalteten Händen und tief bleichem Gesicht am Fenster stand. Der Londoner Arzt kam und als er die Kranke sah, sagte er im Tone freudiger Über raschung : „Ich bin glücklich, meinen Irrtum ein- gestehen zu können, Miß Marstone wird genesen."
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