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AMMeBMOeMMmM -»i^nerkaib ^ss^ Dculjchen Äeschss. 2li-ykmikg!i«'bi-- ii^ ^ Acils bc^kchnet. — In dem illustrierteri Teil: für Mitglicdec ^ 4i3S Work jährlich? Nach ^d-m°«unlnnd ^e^dlg« ?l-l"ng !: «nnm^S p"°?^S.^3ch0M^/K.2SM? "illrMchl- Z Silber Lmpzig oder dur^ Kreuzdnnd. nn Nichlmit^lieder in rr Mitglieder 40 Hk-, 32 M„ 60^W-, ldd M. — Deilagen werden N Nr. 87. Leipzig, Fretiag den 14, April 1916, LL 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Der deutsche Buchhandel. Nach vieljähriger persönlicher und sachlicher Erfahrung, Von Professor vr, Hermann Conrad, (Schluß zu Nr, 8S u, 88,) Was unserer wissenschaftlichen Literatur ihre die englische und französische überragende Bedeutung gibt, sind die massen haften Monographien aus jedem Gebiete, Zufammenfassende Werke gibt es überall, wenn auch bei uns mehr als anderwärts. Aber deren Verfasser können doch im allgemeinen nur das bisher Geleistete zusammenfassen. Jedes wissenschaftliche Gebiet, ob es eine Geschichts- oder Literaturperiode, ein Zweig der Natur wissenschaft oder der Jurisprudenz ist, setzt sich zusammen aus Tausenden von Einzelfragen; einige mag der solch ein Gebiet beherrschende Gelehrte selbständig gelöst haben; datz er sie alle lösen könnte, ist undenkbar. Der wissenschaftliche Fortschritt in solchen Gesamtdarstellungen würde nur gering sein können, wenn nicht für jede neue eine große Anzahl von neuen Einzcl- forschungen vorläge, die die betreffende Autorität beherrschen - muß können wir nicht sagen, sondern — sollte; denn bei uns in Deutschland sind diese Einzelforschungcn so zahlreich, daß sie einer nicht alle kennen kann; so behaupte ich, daß auf dem Gebiet der deutschen Shakspere-Literalur kein Bio graph alle einschlägigen kleinen Schriften gelesen haben kann, was für den englischen Biographen, der nur in den allersel tensten Fällen Deutsch kann, eine billige Forderung wäre, auch wenn man noch die Aufsätze der englischen Zeitschriften mit hinzunähme. Und wenigstens ähnlich wie auf dem engen Bezirk der Shakspere-Kunde ist es auf allen wissenschaftlichen Gebieten auch. Ich selbst habe über deutsche und englische Literatur geschichte und im Nebenamt auch über Geschichte gearbeitet und habe in jedem Buch oder Aufsatz, wie das heute auf unseren Universitäten schon dem jüngsten Anfänger zur Pflicht gemacht wird, Vollständigkeit des Materials des bisher auf dem betref fenden Spezialgebiet Geleisteten angestrebt (wenn auch -- natür lich — nicht immer erreicht); ohnedies könnte man bei der Über masse der wissenschaftlichen Kleinarbeit in Deutschland leicht eine längst gemachte Entdeckung von neuem machen, und dann will man doch aus den Mängeln des Fremden Vorzüge des Eigenen herauslocken. Ich weiß daher aus eigener Erfahrung, daß auf diesen drei Gebieten eine außerordentliche Fülle von Einzelsorschungen von umfangreichen Monographien bis zu be scheidenen Broschüren vorhanden ist. Eine Reihe von Universi tätsdozenten, wie Erich Schmidt und Brandl, Franz Schultz, Morsdach, Schick und Waldberg, Kaluza, Hoops, Brandl und Heusler und Franz Schultz u, a,, haben Sammlungen solcher Monographien zunächst Wohl zur Bekanntmachung ihrer befähigt sten Schüler angelegt; sie bestehen deshalb meist aus kleineren Spezialstudien, aber auch hervorragende wissenschaftliche Werke sind darin veröffentlicht, wie Kaluzas »Englische Metrik« in seiner »Normannia«, Aronsteins »Ben Jonson« in Schicks »Literarhistorischen Forschungen«, des Amerikaners Churchill »kiebarcl III, Up to Zbabsspears« in Brandls »Palästra«, Aus der jahrzehntelangen Lektüre der »Umschau«, zu der mich meine gymnasiale Unbildung in den exakten Wissenschaften geführt hat, ersehe ich, datz dieselbe Erscheinung auf dem Ge biet der Naturwissenschaft vorhanden ist. Von meinen Söhnen habe ich erfahren, daß auf den Gebieten der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaftslehre ein Reichtum von Spezial arbeiten — auf dem elfteren ein besonders großer — existiert. Und so ist es überall. Es ist sicher, daß diese Monographien, von einzelnen abgesehen, nur in einer geringen Anzahl von Exemplaren verkauft werden können und daß die Verfasser in den meisten Fällen auf Honorar verzichten müssen. War die Kosten der Herstellung betrifft, so habe ich mir sagen lassen, daß für einzelne von den Sammlungen Fonds — ob ausreichende? — existieren; die für die andern müssen die Verleger tragen, wie ich glaube, in der Voraussetzung, daß die Pflege bestimmter Gebiete ihnen den Verlag einträglicherer Schriften auf diesen selben Gebieten verschaffen wird. Diese Spezialstudien kommen also wieder zustande durch den doppelten Idealismus der gelehrten Arbeiter und der Verleger, die hier mit einem Minus vorlteb nehmen. Und danken wir Gott, daß es so ist! Denn was sollte aus dem majestätisch dahinfliehenden Strome der deutschen Wis senschaft werden ohne diese unablässigen Zuflüsse aus zahllosen größeren und kleinen Quellen, wenn unsere Verleger bornierte Materialisten wären wie die englischen, die alles von sich wiesen, was nicht unmittelbar Geld einbrächte? Ein paar faktische Ver anschaulichungen der Folgen dieser verschiedenen Verlagsgrund sätze: Wollten wir die englische Literatur allein nach den in Deutschland geschaffenen Schriften darüber und Übersetzungen daraus studieren, so würden wir immerhin erkleckliche Erfolge erreichen, obgleich es keinem von uns einfallen würde, die Ori ginalschöpfungen und großen literarhistorischen Werke der Eng länder — Kleinarbeit ist relativ wenig vorhanden — unbenutzt zu lassen. Wollte ein Engländer die deutsche Literatur nach englischem Material studieren, so wäre das eine absolute Unmöglichkeit: Übersetzungen gibt es äußerst wenige, literarhistorische Arbeiten fast gar keine, aus dem einfachen Grunde, weil nur ein paar Gelehrte überhaupt Deutsch verstehen und die »gebildete« Ge sellschaft nichts vom deutschen Geistesleben weiß. Carlyle hat ein Leben Schillers geschrieben und tüchtige Goethe-Studien gemacht, Matthew Arnold hat eine gewisse Kenntnis unserer klassischen und neuesten Literatur gehabt; Dowden in seinen »Uits- rarz- Stuckies«, Saintsbury in feiner »Muetoentb Oentur^ läte- ratura« haben neben andern auch über die deutsche Literatur geschrieben, Herford hat sogar — wo hat er nur den Verleger dafür herbekommen? — ein Spezialwerk über die literarischen Beziehungen zwischen Deutschland und England im 16, Jahr hundert veröffentlicht — das mögen einige Beispiele sein. Wie es aber in Wirklichkeit auf diesem Gebiete in England steht, das haben die Schimpfereien um Weihnachten 1914 in den Times bewiesen: dort hat eine Reihe von Gelehrten, die sich auf gewisse,, Gebieten der Wissenschaft einen Namen gemacht hatten, sich nicht gescheut, die ihnen offenbar ganz unbekannte deutsche Literatur herunterzureißen, und dabei eine Unwissenheit bewiesen, die sie in den Augen der Times-Leser geschändet haben würde, wenn darunter nach deutschen Begriffen gebildete Menschen gewesen wären. Da sie aber wußten, daß deutsche 429