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Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190802225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080222
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080222
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-22
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1908
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X 288 Bauer« gepfändet. Eine Massen- pfändung von Bauern hat in Oldenburg statt gefunden. Es handelt sich um jene Protestler, die die Zahlung des auf ihrem Besitz ruhenden Grundzinses verweigern, weildieAgrargesetzgebung in Preußen einen andern Weg genommen habe, als in Oldenburg. Die Angelegenheit ist jetzt soweit gediehen, daß bei insgesamt 289 Bauern sür 67 000 Mk. Sachen gepfändet worden sind. Die demnächst stattfindende Zwangsversteigerung will man zu einem großen Feste gestalten, u. a. sollen dabei Musikkapellen muntere Weisen aufspielen. Ein gefährlicher Einbrecher wurde von der Kieler Polizei in der Person eines Schnei ders Nohl auf dem Bahnhofe verhaftet. Der Bursche führte einen Revolver nebst Patronen, sowie ein Portemonnaie mit gestohlenem Gelds im Betrage von über 450 Mk. bei sich. Hier brachte er es fertig, trotzdem sechs Polizei beamte anwesend waren, dem Beamten, der das Geld an sich genommen, dieses wieder aus der Tasche zu stehlen! Als der Beamte das Geld abliefern wollte, durchsuchte er vergeblich alle Taschen danach. Schließlich fand es sich bei dem frechen Burschen. x Die Harmonika de» Amerikaners. Im Gasthofe zu Untersachsenberg hält sich zur Zeit ein junger Mann aus Springwally im Staate Illinois auf, der eigens zu dem Zwecke die weite Reise von seiner Heimat nach Deutsch land unternommen hat, um sich in dem durch seine Musikinstrumente bekannten Vogtlande eine (ausgerechnet eine einzige) Zugharmonika bauen zu lassen. Die Harmonika, ein sog. Bandoneon, soll gegen 300 Mark kosten und eigens nach den Angaben des reichen Dankees angesertigt worden. Während der auf etwa vier Wochen berechneten Lieferzeit wohnt der junge Amerikaner in dem oben erwähnten Gasthofe und wartet geduldig, bis er mit feiner Harmonika unterm Arm glücklich wieder die Heimreise antreten kann. Echt amerikanisch! X Tod eines Doppelmörders im Irrenhaus«. Der aus Jeßnitz stammende geisteskranke Doppslmörder, Arbeiter Ferdinand Wittig, ist in der Landesrrrenanstalt zu Bern burg gestorben, in der er etwa 25 Jahre hin durch auf Kosten der Jeßnitzer Gemeinde armenkasse verpflegt worden war. Wittig halte in den 80er Jahren vorigen Jahrhunderts in einem Wahnsinnsanfalle seine beiden Kinder, Knaben im Alter von 10 und 6 Jahren, mit dem Rasiermesser getötet. Nach längeren Be obachtungen wurde er außer Verfolgung gesetzt und der obengenannten Anstalt überwiesen. Er hat ein Alter von 65 Jahren erreicht. Die Tat eineS Irrsinnige«. In Waid hofen an der Thaya (Österreich) hat der Schlosser Zinnel in einem Tobsuchtsanfall seine Frau und sein Töchterchen bestialisch ermordet. Als er vor zwei Jahren sein Haus anzündete, wurde er in eine Irrenanstalt gebracht. Kürzlich wurde er als gänzlich geheilt entlasten. Nach wenigen Tagen wurde er wieder tobsüchtig. Er hat sich nun selbst der Gendarmerie gestellt. Ei« entsetzlicher Unfall. Dem Mühlen besitzer Hermann Münter in Eichen bei Laasphe wurde vom Zahnrad des Mühlengetriebes der Kopf abgerissen. Eine schwere Keffelexplofion in der amerikanischen Baumwollspinnerei und Weberei in Forchheim hat zwei Arbeitern das Leben ge kostet, während ein dritter lebensgefährlich ver letzt wurde. Wie darüber berichtet wird, er folgte die Kesselexplosion infolge Platzens eines Siederohres. Ein Monteur und ein Kessel heizer, die beide verheiratet sind, wurden getötet und ein Schlosser tödlich verletzt. Ei« rätselhafter Barfall hat sich in Au, am linken Donau-Ufer, bei dem Dorfe Jedlersee ereignet. Dort wurde ein junger Mann mit zerschmetterter rechter Hand und einer Wunde am Kopfe aufgefunden. Er wurde ins Spital geschafft, wo er eine romantische Geschichte er zählte. Er heiße Perutz, sei Gymnasiast und aus Rußland geflüchtet, wo er als Revolutionär verdächtig gewesen sei. Infolge Not und Ent ehrung habe er sich erschießen wollen, der 'olver sei aber explodiert, seine rechte Hand sei zerschmettert und sein Kopf verletzt worden. Diese Angaben stellten sich als unwahr heraus. Die Polizei glaubt, Perutz habe Sprengstoff bei sich getragen, durch dessen Explosion ihm die Hand zerschmettert wurde. In seiner Gesell schaft befand sich ein zweiter Ruffe, namens Krasnow, ein Fabrikarbeiter, der aber Perutz erst ganz kurze Zeit kennen will und angeblich bei dem Schuß nicht anwesend war. Er habe ihn erst verwundet aufgefunden und in ein nahes Gasthaus zur Hilfeleistung geleitet. Generalversammlung -es Bundes -er Lan-wirte. Im Zirkus Busch in Berlin hielt am 17. d. der Bund der Landwirte in Gestalt einer Generalversammlung seine alljährlich um diese Zeit wiederkehrende große Heerschau ab. Mehr Geheimrat v. Köller. Geheimrat v. Köller, der greise Veteran des Preuß. Abgeordnetenhauses, dem er lange Jahre als Präsident Vorstand, beging am i7. d. seinen 85. Ge burtstag. Selt dem Jahre 1903 ist er Ritter des Schwarzen Adler-Ordens. als 5000 Personen, darunter in bemerkens werter Zahl auch Damen, mochten in Kopf an Kopf gedrängter Menge das Haus von der Arena bis zur Galerie füllen, als zur festge setzten Stunde ReichStags-Abg. Dr. Rösicke (Görsdorf) die Versammlung eröffnete. Er warf einen Rückblick auf das jüngste Jahr. Im Vordergrund seiner Betrachtung stand zunächst die Blockpolitik. Politisch, so erklärte er, könne der Bund sehr wohl diese Politik gutheißen, so lange sie darauf ausgehe, dem Liberalismus Gelegenheit zu geben, sich national beteiligen zu können. Der Bund schenkt dem Fürsten v. Bülow Vertrauen, und so lange der Bund keine Veranlassung habe, dem Kanzler zu miß trauen, werde er seine Politik unterstützen. Redner berührt sodann die Skandalprozeffe der letzten Zeit und betont, daß Gesundung der hier gezeigten Verhältnisse nur vom Lande zu erwarten sei. Das Land sei der Dungboden der Nation, daher werde der Bund die innere Kolonisation unterstützen. Durch zweckent- sprechende Einrichtungen müsse dem Mangel an Arbeitskräften entgegengetreten werden. Das Ziel müsse sein, ein gutes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herzustellen bezw. zu erhalten und es müsse jedem Arbeiter die Möglichkeit gewährt sein, eigener Herr auf eigener Scholle zu werden. Dazu aber sei eS nötig, daß die Landwirtschaft prosperiere und blühe, dann gehe es dem gesamten Vaterlande wohl.! Jetzt sei eine Zeit des Friedens ange- - brochen. Möge sie dem Bunde erhalten! bleiben. Der Bundesvorsitzcnde Frhr. von! Wangenheim hielt dann eine längere Rede über z die wut chajtluhen Verhältnisse und erklärte u. a.: > Keine Änderung des preußischen Wahlrechts! ' Denn man täusche sich nicht : die Macht der t Sozialdemokratie ist keineswegs erschlagen. Der Bund sei der wahre Schützer des allge meinen Wahlrechts gegenüber der Sozial demokratie, die es zu zerstören drohe durch den gefahrvollen Gebrauch, den sie davon machen. Der Bund sei nicht geschaffen für die Groß grundbesitzer. Er trete ein für den Bauern- und den Mittelstand. Mit der Versicherung, daß der Bund zum Kaiserhause in Treue und in Ver ehrung beharren werde, schließt Frhr. v. Wangen heim. Unter allgemeinem Jubel nimmt sodann der ehemalige Landwirtschaftsminister v. PodbielSki das Wort: „Von der heimatlichen Flur kommend, trat ich, durch das Vertrauen Sr. Majestät berufen, in den Reichs- und Staatsdienst. Aus diesem Dienste geschieden, bin ich zu meiner Flur zurückgekehrt und will wieder ein Förderer der Landwirtschaft sein. Tiefbewegt stehe ich vor Ihnen, um Ihnen für das Vertrauen zu danken, das Sie mir ent gegenbrachten. Es waren diese Zeichen der Liebe und Anerkennung von Herzen gekommen und zu Herzen gedrungen. Der Bund der Landwirte hat erreicht,' daß das Streben, das um die Mitte des vorigen Jahrhunderts allein der Förderung von Handel und Industrie galt, nun auch der Landwirtschaft zugewendet wurde. War es denn überhaupt unberechtigt, daß die deutsche Landwirtschaft nach Schutz ver langte? Darum war es eine ganz falsche Politik, Zwietracht zu säen zwischen dem Handel und der Industrie und der Landwirtschaft. Denn es ist doch klar, daß, wenn Handel und Industrie blühen, auch die Landwirtschaft für ihre Erzeugnisse auf besseren Absatz rechnen darf. Zweifellos befinden wir uns heute in einer wirtschaftlichen Krisis. Aber sie würde ver heerender wirken ohne den guten Stand unsrer Landwirtschaft. Neben ihr sollen Handel und Wandel bleiben. Wir dürfen uns ferner nicht verschließen, wie der Kampf ums Dasein heute rücksichtsloser geführt wird als je. Da sind es gerade die Landwirte, die da wissen, daß nicht die wilde Jagd nach dem Glück, sondern die stetige Arbeit den Lohn und die Ernte verheißt. Ich las neulich von der Hörigkeit der Leute auf dem Lande. Wo aber liegt in Wirklichkeit die Hörigkeit? Sie liegt bei den Arbeitern in den Städten, da man dort von der Macht des Kapitals abhängig ist. Wir als Landwirte brauchen nicht um die Massen zu buhlen, die heute Hosianna rufen und morgen mit Dreck uns bewerfen. Halten Sie daran fest: Im Vaterlande ruhen die Wurzeln Ihrer Kraft. Halten Sie daran fest, daß ehrliche Arbeit noch immer ihren Lohn trägt. Halten Sie auch daran fest, daß, wenn man sich beklagt über die Teuerung in ihren Erzeugnissen, daß die Pro duktion entsprechend der Verteuerung der Arbeits löhne kostspieliger werden muß. Ich hoffe, daß von weit und breit, aus allen Schichten der Be völkerung, der Berufe die deutschen Männer herbeieilen werden, um uns Männern vom Bunde die Hand zu drücken und ihren Genossen. Sodann richtetete v. Podbielski einen Appell an die Männer und Frauen, ihre Söhne zur Gottesfurcht, zur Treue zu Kaiser und Reich und zur Liebe für die Landwirtschaft zu erziehen. Dann," so schließt der Redner, „wird unserm Deutschland ein Geschlecht erstanden sein, das, aus freien Männern bestehend, dem Kaiser dient, um unser Land zum blühendsten aller Länder zu machen. Das ist der Wunsch eines alten Mannes." Sodann sprach Dr. Ortel-Berlin: Die Knaben jahre hat der Bund hinter sich. Auch sonst ist manches anders geworden. An Stelle des Reichskanzlers, der sich auf die Manschette ge schrieben hatte, daß die Agrarier unheimliche Leute seien, ist ein Kanzler getreten, der auf seinen Leichenstein die Inschrift sich wünscht: „Dieser war ein agrarischer Reichskanzler." Die Straßendemonstranten haben erfahren, daß das Gefüge des preußischen Staates so fest ist, daß es nicht weggeschrien und wegdcmonstriert werden kann. Wir Agrarier sind die Leibgarde des Königtums. Am Bauernwefen soll noch einmal Deutschland genesen. — Es wurden zum Schluß folgende Beschlüsse angenommen: „Eingedenk seines Grundsatzes, des Volkes und des Vaterlandes Wohl über den Streit der politischen Meinungen zu stellen, begrüßt der Bund der Landwirte die vom Reichskanzler Fürsten v. Bülow eingeleitete Blockpolitik al» den Versuch einer Verständigung im Kampfe für die Erhaltung und Förderung der natio nalen Güter. Der Bund ist bereit, hierbei mit zuarbeiten, um nationale Ziele zu verfolgen, über den Parteien stehend, lehnt er es jedoch ab, sich von der Verfolgung seiner, die allgemeine nationale Wohltat anstrebenden wirtschaft lichen Ziele irgendwie abdrängen zu lassen." — „Der Bund der Landwirte steht auf dem Standpunkt, daß den Einzelstaaten das ihnen bei der Gründung des Reiches gewährleistete ausschließliche Recht der Erhebung direkter Steuern zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts ihres Staatshaushalts unbedingt erhalten bleiben muß, während anderseits das Reich die indirekten Steuern für seinen Haushalt auszubauen hat. Der Bund ist bereit, an einer großzügigen Ordnung der Reichsfinanzen auf dem Gebiete der indirekten Steuern tatkräftig mitzuarbeiten. Er lehnt es aber ab, durch Herausgreifen einzelner Gegenstände die bisherige Flickarbeit fortzusetzen. Er fordert im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit eine zeitgemäße Besteuerung derjenigen Erzeugnisse, die nach ihrer steuerlichen Ertragsfähigkeit dazu besonders geeignet sind, und warnt vor einer weiteren einseitigen Belastung der landwirtschaftlichen Industrien, die die Grundlage für den Hack- sruchtbau und damit für einen rationellen Betrieb der Landwirtschaft bilden. Tum fall frieäberg. Infolge schwerer Nervenüberreizung, ver anlaßt durch seine aufreibende Tätigkeit in der Friedberg-Affäre, die ihn fortgesetzt Tag und Nacht in Atem hielt, ist Kriminal kommissar Waldemar Müller so schwer erkrankt, daß er bis auf weiteres vom Dienst enthoben werden mußte. Die Nervenüberreizung des Kommissars Müller hatte den bedauernswerten Beamten da zu geführt, Verhaftungen vorzunehmen, die bei näherer Prüfung nicht aufrechterhalten werden konnten. Eine der ersten Amtshandlungen, die der Untersuchungsrichter vorgenommen hat, war die Haftentlassung des Rechtsanwalts Caro. Dieser war auf Veranlassung des Kriminal kommissars Müller sistiert und später dem Untersuchungsgefängnis zugeführt worden, weil Fluchtverdacht bezw. Gefahr von Zeugen- Verständigung vorzuliegen schien. Beide Gründe scheint der Richter nicht sür stichhaltig er achtet zu haben, denn der Anwalt ist ohne Stellung einer Kaution aus dem Moabiter Untersuchungsgefängnis entlassen worden. Auch die unter dem Verdacht der Kuppelei und der Erpressung verhafteten Mutter und Tochter Schkybal, denen eine so verhängnisvolle Nolle in der Affäre Friedberg-Bohn zugeschrieben wurde, sind ebenfalls ohne Stellung einer Kaution mit Zustimmung des Staatsanwalts vom Untersuchungsrichter entlassen worden. Die erhobenen Beschuldigungen konnten nicht aus rechterhalten werden. — Waldemar Müller hat das Gymnasium in Kiel besucht, war dann Offizier in Stade und Bremen, später Polizei leutnant in Berlin und trat hierauf zur Kriminal polizei über. Die Friedberg - Affäre, die ihm übertragen wurde, hätte ihn wahrscheinlich nicht ruiniert, wenn der sehr ehrgeizige Beamte nicht von Bohn überlistet worden wäre. Dieser schlaue Verbrecher wäre sicherlich von hier nicht ent kommen, wenn er nicht auf den Trick gekommen wäre, nach dem Verschwinden Friedbergs selbst zu Müller zu gehen, ihm den Flüchtigen als Betrüger zu denunzieren und sich selbst so geschickt als den Geschädigten hinzustellen. Von einem schweren kriminalistischen Mißgriff kann nach den vorstehenden Ausführungen keine Rede sein. Müller war in begreiflicher Nerven- zerrültung. Er hatte Mele Tage lang in seinem übergroßen Arbeitseifer keinen Schlaf gesucht, und unter dieser Überanstrengung litten natur gemäß seine Nerven. Daß man ihn mit den Ermittelungen betraut hatte, war eine Folg^ seiner vielerprobten Tüchtigkeit und Rührigkei die von allen Setten an ihm so gerüh wird und blickten auf die züngelnden Flammen und ms die hin und her wogenden Menschen. Leska hatte die Villa nicht verlasten, die mehr als zweihundert Schritte von den Fabriken entfernt auf einer kleinen Anhöhe lag. Bon einem Fenster der Billa aus beobachtete sie die Feuersbrunst, und sah mü Staunen, wie ihr Gatte auf der Brandstätte wie ein General kommandierte. Dort stand er mutig in seiner vollen RanneSkraft, überall hin mit lauter Stimme Befehle erteilend, aber das Feuer griff trotzdem immer mehr um sich. „Die Formen! Sie müssen gerettet werden, st« sind unersetzlich!" rief Brandhorst jetzt. „Es geht nicht mehr, gnädiger H«r," wurde ihm geantwortet, „der ganze Raum ist voll Feuer und Qualm, die Decke kann jeden Anaen- «i« einstürzen." „Dann ist eben keine Sekunde mehr zu versäumen!" rief Brandhorst tollkühn. Leska sah ihn davonstürmen, sie hörte Rufe des Schreckens, des Entsetzens, und sah, wie der Doktor und Adloff hinter ihm hereilten. Ein namenloses Angstgefühl schnürte ihr das Herz zusammen. Sollte sie aus der Billa eiken und versuchen, ihn zurückzuhallen? Sie war vielleicht die einzige, die es vermochte. Ihrem Ruf, ihrer Bitte würde er folgen. LeSka eilte in raschem Lause nach der Brandstätte Uh bald stand sie mitten unter der erregten Menge. Adloff und der Doktor traten zu ihr heran. .Lersuchen Sie es, ihn zurückzuhalten," sagte ersterer, „auf die geliebte Stimme seiner Frau da wird er, da muß er bören! Er ist noch nicht weit in das brennende Gebäude vor gedrungen." Leska trat an die Türöffnung heran, durch welche Brandhorst vor wenigen Augenblicken hindurch gegangen war. „Bernhard!" rief sie, „ich bitte dich, kehre um, setze dein Leben nicht aufs Spiel einer solchen Sache wegen!" „Leska! Du! Du rufst mich?" klang es dumpf zurück. „Du bangst um mein Leben, du — deine Stimme! Es ist die einzige, die mich zur Umkehr zwingen kann. Ich komme, Leska, mögen die Formen dahin sein, sie gelten mir nickts in diesem Augenblick!" Leska sah Brandhorst aus dem Rauch und Qualm austauchen. Plötzlich ertönten neue Schreckensrufe, dann erfolgte ein Krach, ein gellender Schmerzensschrei. — Adloff riß Leska von der Türöffnung zurück. Dann drang er hinein in den von Schutt und Trümmer angefüllten Raum, der Doktor und einige Arbeiter folgten ihm. „Die Decke ist eingestürzt. Warum mußte er hineingehen, nun büßt er es vielleicht mit dem Leben," hörte Leska die Stimmen um sich herum. Der Amtsrichter trat zu ihr heran. „Ich darf Sie wohl fortführen, gnädige Frau," sagte er. „Wer weiß, was für ein An blick " „Pein, nein," unterbrach sie ihn. „Lassen Sie mich hier, sie bringen ihn schon und ich muß meinem Dianne in dieser schweren Stunde beisteben." Die Menschen traten zurück. Eine beäng stigende Stille herrschte, als man nun Brand horst, den alle noch vor wenigen Minuten in voller Lebenskraft gesehen, blutend, bis zur Un kenntlichkeit entstellt, vorübertrug. Zwei Augenpaare begegneten sich in diesem erschütternden Moment; diejenigen Leskas und Adloffs. Warme Dankbarkeit lag in Leskas Blick, daß sie dem vielleicht Sterbenden schuldlos gegenübertreten durste, Adloff allein dankte sie es. — Es wäre Schuld — Verrat an deinem Mann! Mit diesen Worten hatte er sie zurück gewiesen. Wäre Adloff in jenen kritischen Augenblicken nicht fest geblieben, wie ständen sie jetzt beide da! Langsam folgte sie am Arme des Amts richters dem traurigen Zuge, Martha fchloß sich ihnen laut jammernd und klagend an, dabei hin und wieder einen bösen, haßerfüllten Blick auf Leska werfend, als trüge diese die Schuld an dem Unglück. Auf einem Settenwege näherte sich jetzt Martina mit ihrem Manne dem traurigen Zuge. LeSka eilt« ihnen entgegen. „O Martina!" rief sie and wett« brachte sie nichts üb« die Lippen. Die junge Frau Oberförster schlang die Arme um sie, und in den Armen d« Jugend freundin löste sich die furchtbare Erregung der letzten Augenblicke bei Leska in Tränen auf. Und weit« ging dann der trübselige Zug in Brandhorsts Villa, wo d« Arzt, Leska, Martha und Adloff sich alle erdenkliche Mühe gaben, um den schwer verunglückten Mann am Leben zu erhalten. 16. Brandhorsts Fabriken brannten zum größte« Teile noch während der Nacht nieder und die Flammen boten in der bergigen Umgebung «« schrecklich schönes Schauspiel dar. In sonniger Klarheit brach dann der ne» Tag an und der blaue Himmel verriet nicht» von den Schrecken des Brandes. Der Doktor und Adloff hatten die Nackt an Brandhorst» Lager gewacht. Noch war Leben in ihm, di« Verletzungen aber, die er durch den Einsturz der brennenden Decke «litten, waren tödlich. D« Doktor vermochte nichts weiter zu tun, al» die Schmerzen des Verunglückten durch künst liche Mittel zu betäuben und dem schwer Atmenden frische Luft zuzuführen. Durch di« deshalb geöffneten Fenster flutete warme» Sonnenlicht. Draußen jubelten die Vögel de» Sommertag entgegen, und Rotendüfte strömte« hinein in das Zimmer. Es schien, als wollt« die Welt sich dem Sterbenden noch einmal i« ihrer ganzen Schönheit zeigen. Sein Blick irrt« nach dem Fenster, gramvoll zuckte es dabei üb« das bleiche Gesicht. Er wußte, daß es sein letzt« Lebenstag heute war. Zum letzten Mal« sah er die Sonne, den blauen Himmel und die schöne heimatliche Gebirgswelt. Darum bat « wiederholt, das Fenster zu öffnen und do« schönen Tag Eingang zu verschaffen in da» Sterbezimmer. I« sSchluß folgt.»
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