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Allgemeiner Anzeiger : 14.12.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191212141
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-12
- Tag 1912-12-14
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Monat
1912-12
-
Jahr
1912
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- Allgemeiner Anzeiger : 14.12.1912
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Vie Erneuerung des Dreibundes. Die jetzt zu gleicher Zeit in Wien und Berlin bekannt gegebene Erneuerung des Drei bundes bat in der europäischen Presse ein leb haftes Echo gefunden. Es fehlt nicht an Stimmen, die rund heraus erklären, nicht die Tatsache der Erneuerung, wohl aber die Art der Ankündigung sei eine kriegerische Fanfare. Vielleicht ist es gut, den Schreiern den Wort laut dieses Vertrages ins Gedächtnis zu rufen, wenigstens soweit das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn in Betracht kommt. Die diesbezüglichen Bestimmungen lauten: „Sollte wider Verhoffen und gegen den auf richtigen Wunsch der beiden Hohen Kontrahenten eines der beiden Reiche von feiten Ruhlands angegriffen werden, so sind die Hohen Kontra henten verpflichtet, einander mit der gesamten Kriegsmacht ihrer Reiche beizustehen und dem gemäß den Frieden nur gemeinsam und über einstimmend zu schließen. Würde Einer der Hohen kontrahierenden Teile von einer andern Macht angegriffen werden, so verpflichtet sich hiermit der andre Hohe Kontrahent, dem Angreifer gegen seinen Hohen Verbündeten nicht nur nicht beizustehen, sondern mindestens eine wohlwollende neutrale Haltung gegen den Hohen Mitkontrahenten zu bewahren. Wenn jedoch in solchem Falle die an greifende Macht von feiten Rußlands, sei es in Form einer Vereinigung, sei es durch militä rische Maßnahmen, die den Angegriffenen be- droyen, unterstützt werden sollte, so tritt die im Artikel 1 dieses Vertrages festgesetzte Ver pflichtung des gegenseitigen Beistandes mit voller Heeresmacht auch in diesem Falle sofort in Kraft, und die Kriegführung der beiden hohen Kon trahenten wird auch dann eine gemeinsame bis zum gemeinsamen Friedensschluß." Keine Deutelei vermag aus diesen klaren Bestimmungen Angriffsabsichten herauszulesen; wenn also die beiden Regierungen der Welt die Erneuerung ihres Vertrages bekannt geben, so kann sie nur die Absicht leiten, vor aller Welt zu betonen, daß dieses Friedensbündnis auch jetzt aufrecht erhalten bleibt, trotz des kriege rischen Lärms, der in diesen Tagen immer wieder durch Europa schallt. In diesem Sinne schreibt denn auch .Giornale d'Jtalia': Die vor zeitige Erneuerung des Dreibundes zeigt, daß die drei Mächte das gegenwärtige europäische Gleichgewicht und den Frieden, um den sich der Dreibund ohne Zweifel wohl verdient gemacht hat, aufrechterhalten und einträchtig an die Lösung der Orientkrise herantreten wollen. Man täte im Ausland unrecht daran, die Er neuerung als Herausforderung einer Mächte gruppe an die andre zu deuten. Italien kann nicht umhin, seine durchaus friedliche auswärtige Politik fortzusetzen, eine Politik des Gleich gewichts zwischen den Bündnissen und Freund schaften. Besonders bemerkenswert ist die Ruhe und korrekte Haltung, die die englische Presse in ihrer überwiegenden Mehrheit gegenüber den französischen durchaus nicht vereinzelten Hetzver- suchen bewahrt. Ausdrücklich hebt z. B. der .Standard' hervor, es wäre unmöglich, einen Grund zu finden, um Deutschland, Österreich und Italien nicht zur Erneuerung des Drei bundes Glück zu wünschen. In dem Vertrage ist keine Änderung gemacht worden; er bleibt demnach ein Abkommen für die Verteidigung. Als solches ist es 30 Jahre hindurch wirksam gewesen, nicht als eine Bedrohung, sondern als eine Stütze des europäischen Friedens. „Wir müssen hoffen, daß seine Wirksamkeit in den Jahren, für die es verlängert worden ist, ebenso segensreich sein werde." Auch in der maßgebenden russischen Presse zeigt sich keine Nervosität, kein übelwollen. Politische Kunclschau. Deutschland. *Die Beratungen der Finanzminister der Bundesstaaten über die Besitz st euer- Vorlage werden am 4. Januar beginnen und drei bis vier Tage dauern. * Aus Monrovia, der Hauptstadt Liberias, wird gemeldet, daß daS dort einge troffene deutsche Kanonenboot „Panther" einen Teil der aus ihren Plantagen und Besitzungen im Innern Liberias vertriebenen deutschen Pflanzer und Kaufleute vorerst an Bord genommen hat. Es gewinnt mit dieser Meldung den Anschein, daß die Maßnahmen der Kanonenboote „Panther" und „Eber" gegen den Negerstaat an der westafrikanischen Küste noch nicht beendet sind. Osterreich-Ungar«. -Aufsehen in politischen und militärischen Kreisen Wiens erregt die Nachricht, daß der Kriegsminister General v. Auffenberg Kaiser Franz Joseph seine Abdankung überreicht und der Kaiser diese angenommen hat. Zu seinem Nachfolger ist der Sektionschef im Kriegsministerium, Feldzeugmeister Krobatin, ernannt worden. Der Rücktritt des Generals v. Auffenberg erfolgte aus persönlichen Grün den, angeblich wegen eines Konflikts mit dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand bezüg lich der Mobilisation. Gleichzeitig erfolgte auch der Rücktritt des Chefs des Generalstabes Schemua von feinem Amt, dessen Leitung Schemuas Vor gänger, Armeeinspekteur Frhr. Konrad v. Hötzendorf, wieder übernimmt, über den Grund zu diesem Personenwechsel verlautet, in militärischen Kreisen habe schon lange der Wunsch bestanden, daß an die Spitze des General stabes eine Persönlichkeit treten solle, die sich des Ansehens und der Autorität erfreue, wie sie Konrad v. Hötzendorf genoffen habe. Felv- marschalleutnant Schemua tritt in den Ruhe stand, während General v. Auffenberg an Stelle Konrad v. Hötzendorfs zum Armeeinspekteur ernannt wird. — Im Gegensatz zu mancherlei alarmierenden Gerüchten, erklärt die Wiener Regierung, daß dieser Wechsel durchaus nicht auf eine Verschärfung des Konfliktes mit Serbien deute. Es sei vielmehr eine Ent spannung eingetreten, da sonst kein Wechsel in den leitenden Stellen vorgenommen worden Wäre. Balkanstaate«. -König Karol hat das rumänische Parlament mit einer Thronrede eröffnet, die mit Rücksicht auf die Umgestaltung auf dem Balkan mit großer Spannung erwartet worden ist. Der König wies auf Rumäniens friedliche Absichten hin, betonte aber, daß die Interessen des Landes bei der bevorstehenden Neuge staltung nicht vernachlässigt werden dürften. Mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit schloß der König mit dem Hinweis auf die Tapferkeit der Armee, die jederzeit bereit sei, für die Größe des Vaterlandes einzutreten. * Der heldenmütige Verteidiger von Skutari, Hassan-Riga, hat erklärt, er könne die ihm durch Vermittlung des deutschen Gesandten in Cetinje gemachte Mitteilung vom Waffen- still stand nicht als eine amtliche Nachricht seiner Regierung betrachten und werde daher weiter kämpfen. Demgemäß dauert derKampf um Skulari unvermindert fort. Die Türken machen täglich Ausfallversuche. — Auch die griechisch-türkischen Kämpfe dauern an. BeiGalipoIi wurden griechische Truppen, die auf dem Marsch gegen die Dardanellen befestigungen begriffen waren, von den Türken zurückgeschlagen. — Ein eigenartiges Bild, dieser Krieg während des Waffenstillstandes. Aus clem Aeickstage. Der Reichslag nahm am Montag zunächst in dritter Lesung das Gesetz über den Zusammenstoß von Schiffen ohne Erörterung an und setzte dann die erste Lesung des Petroleummonopols fest. Abg. Graf Westarp (kons.) stand dem Monopol sym pathisch gegenüber, lehnte aber jede Verteuerung des Petroleums ab. Die Verknüpfung mit der Vete ranenfürsorge sei unzulässig. Abg. Rupp-Mar burg (wirtsch. Vgg.) stand dem Reichsmonopol sym pathischer gegenüber als dem Privatmonopol. Abg. Frank (soz.) hielt ein die Verteuerung des Petro leums ausschließendes Reichsmonopol für notwendig. Auch Abg. Colshorn (Welfe) hatte Bedenken gegen die Vorlage, ebenso oer Abg. Erzberger (Zentr.), der ein Kartellgesetz gegen alle Privat monopole torderte. Reichsschatzsekretär Kühn ver teidigte nochmals die Verwendung der Überschüsse für die A-teranen. Abg. Marquart (nat.-lib.) bezeichnete die Entschädigungen für die Angestellten als unzulänglich, während Abg. Trendel (Zentr.) bedauerte, daß ein Schutz der Konsumenten nicht vorgesehen sei. Darauf schloß die Aussprache und die Vorlage ging an eine Kommission von 28 Mit gliedern. Es folgten Wahlprüfungen. Die Wahl des Abg Bruhn (Reformp ) wurde nach kurzer Er- örterung für gültig erklärt, während bezüglich der Wahlen der Abgg. Herzog (wirtsch. Vgg.) und Kopsch (fortschr. Vp.) Beweiserhebung beschlossen wurde. Am DlenStag wurden zunächst kurze An fragen behandelt. Eine Anfrage des Abg. Schiffer (nat.-lib.) wünscht Auskunft darüber, ob noch vor der allge- gemeinen Reform des Strafrechts ein wirksamer Schutz gegen geisteskranke Verbrecher geplant ist. Staatssekretär Lisco antwortete, daß in dem neuen Strafgesetzbuch angeordnete Maßnahmen nur im Zusammenhänge mit der allgemeinen Revision deS Strafgesetzbuches behandelt werden können. Abg. Fehrenbach (Ztr.) wünscht Auskunft über das Verbot von Jesuitenvorträgen in Frei burg i. Br., das im Widerwruch mit den bisherigen Erklärungen deS Reichskanzlers steht. Staatssekretär Lisco erklärt, daß der Reichs kanzler die badische Regierung um Auskunft darüber ersucht hat. Es folgt die freisinnige Interpellation über die Koalitionsfreiheit der Siaatsarbeiter. Abg. Müller-Meiningen (fortschr. Vp.) be gründet die Interpellation. Ein typisches Beispiel, wie daS Vereinsrecht und die Koalitionsfreiheit um gangen werden, bietet daS Vorgehen gegen den Militär- arbeiterverband. Dadurch wird bloß der letzte Militär arbeiter der Sozialdemokratie in die Arme getrieben. Wir müssen alle Angriff« auf dasKoalitionsrecht energisch zurück messen. Es muß gegen die v orgcgangen wer den, die die Rechte der Arbeiter einschränken. Gewiß dürfen Armee und Eisenbahn durch einen Streik nicht lahmgelegt werden. Aber ein gewisses Maß von Selbstverwaltung müssen Arbeiter dieser Ein richtungen haben. Redner wendet sich gegen die Enzyklika. Staatssekretär Delbrück: Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß die Gesetzesbestimmungen erheblich üoerschätzt werden, und darin liegt die Quelle der Klagen. In keinem Gesetz ist eine Er örterung über das Koalitions recht vorhanden. Also muß die Quelle wo anders liegen. Die Vereins- srciheit bedarf der Reglementierung im eigenen Interesse derer, die sich des Rech.s bedienen wollen. Jede Freiheit hat ihre natürlichen Grenzen. Der Beamte, der in den Dienst des Staates tritt, unterwirft sich gewissen Beschränkungen. Selbst verständlich genießt der Beamte Vereins- und Vcr- sammlungsrecht und alle übrigen staatsbürgerlichen Rechte. Aber der Staat ist berechtigt und verpflichtet, diese Rechte soweit zu beschränken, als es im Interesse des Staates liegt. Der Staat ist auch in der Lage, das Recht seiner Arbeiter so weit zu beschränken, als eS im Interesse der Betriebe liegt. Er kann diese Beschränkung eintreten lassen in allen Betrieben der Heeres- und Marineverwal tung, wo deren Schlagfertigkeit gefährdet ist. Auch insoweit, wenn die Betätigung des Vereins- und Koalitionsrechts den Zwecken des StaateS zuwider läuft. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Staat berechtigt ist, die Koalitions- und Versamm lungsfreiheit zu beschränken, soweit es nötig ist, um die Staatseinrichtungen schlagfertig und leistungs fähig für die Ausgaben des Staates zu erhalten. Dem umstrittenen Erlaß des Knegsministers ist all seitig zugestimmt woroen. Und wenn das Haupt einer anerkannten Kirchengemeinde Ratschläge gibt, wie sich ihre Anhänger in Fragen des Koalktions- rechts zu Verhalten haben, so wird dagegen ein Vor wurf nicht erhoben werden können. Zumal dann nicht, wenn derartige Ausführungen in Form von Ratschlägen gegeben werden und solange diese nicht durchgesetzt werden in einer Form, die den Gesetzen zuwiederlaufen. Die Enzyklika hat zu keinem rechts widrigen Eingriff aufgefordert. . Preuß. Kriegs Minister Frhr. v. Heeringen: Der Militärarbeiterverband hat lange Zeit eine masslose Agitation geführt. Einzelne belanglose Vorgänge sind in ge hässiger Weise aufgebauscht worden. Dagegen mußten wir einfchreiten. Die Kritik muß sich doch auf wahre Tatsachen aufbauen. Der Militärarbeiter- verband hat die Freiheit der Kritik aufs schwerste mißbraucht. Der Erlaß richtet sich in keiner Weise gegen das Koalitions- und Vereinsrecht. An den bisherigen Grundsätzen hält die Heeresverwaltung strikte fest. Nach einer Erklärung des bayrischen Militär- Bevollmächtigten Oberst Wenninger, daß man in Bayern, ehe man Maßregeln ergreift, die Wirkung des preußischen Erlasses abwarten wolle, folgt die Besprechung der Interpellation. Aba. Bauer (wz.): Die Sozialdemokratie muß - wieder einmal das Recht der Siaatsarbeiter verteidigen. Unzufriedenheit läßt sich durch Stockorügel auf den Magen wohl eindämmen, aber nicht beseitigen. Die Arbeitnehmerorganisationen, die den Verzicht auf daS Streikrecht de- und wehmütig versichern, geben sich selbst aus, denn sie versschten auf jedes wahre Koaliiionsrccht. Die Mißachtung der Rechte der freien Persönlichkeit wirkt aufreizender als die Rede eines Agitators. Das KoalilionSrecht ist letzten Endes eine Machtfrage. Abg. Schirmer (Zentr.): ES ist zuzugeben, daß die Behörden den Arbeitnehmerorganisationen nicht immer gereckt gegenübertreten. Aber die Ursache ist der von den Fortschrittlern und Sozialdemokraten in die Arbeiterkresse getragene Radikalismus. Wir wünschen eine unabhängige Arbeiterbewegung unter den Staatsarbeitern zur Hebung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Wollen wir Schutz des Koalitionsrecht«, so gehen wir nicht zu den Roten, da haben wir viel mehr Vertrauen zu unsern Re gierungen. Das Haus vertagt sich. Tur Verhaftung äes öankäiebes Kruning. Der jetzt in Winnipeg (Kanada) verhaftete Bankräuber Brüning hatte in jedem seiner chiffrierten Briefe seinen Verwandten große Vorsicht angeraten, diese Vorsicht hat er aber selbst im Übermut einmal außer acht gelassen, und das sollte ihm zum Verderben werden. Er halte eine vom 30. Oktober aus Hoboken- New oct datierte Karte einem andem An- gestellien der Dresdner Bank gesandt, der sie am 11. November erhielt. Auf dieser Karte schrieb Brüning ironisch, daß er eine gute Über fahrt gehabt und sich drüben sehr wohl fühle. Nachdem durch die Schriftsachverständigen fest gestellt war, daß die Karte von Brüning selbst geschrieben war, wi^de sie der Behörde über einige Tage, nachdem die Photographie an oie Postämter versandt war, lief in Osnabrück ein postlagernder Brief aus Amerika ein. Dem sortierenden Beamten fiel es auf, daß ein aus Amerika gesandter Brief postlagernd gesandt wurde. Er verglich die Handschrift des Briefes mit der Photographie und stellte fest, daß die Schrift übereinstimmte. Nun verständigte er seine Vorgesetzten, und diese übergaben den Brief dem Untersuchungsrichter. Nach Öffnung stellte man fest, daß der Brief in Geheimschrift abgefaßt war; er wurde kopiert und dann wieder in das Postfach gelegt. Schon wenige Stunden später wurde er von Hatte abgeholt. Inzwischen machte man sich an die Entzifferung des Briefes und hielt nun den ersten Beweis in Händen. Die Entziffe rung wurde in den späteren Briefen wesentlich dadurch erleichtert, daß Brüning jeden Brief mit „Lieber Wilhelm" anfing. Die Geheimschrift bestand zumeist in Ziffern, und in den obigen Worten waren schon so viele Ziffern enthalten, daß die Beamten verhältnismäßig leicht das übrige feststellen konnten. Uber den zugleich mit Brüning verhafteten Berman, dessen sich der Bankdieb bei seinem Briefoerkehr mit den Verwandten als Mittels person bediente, wird aus Osnabrück berichtet: Der von hier vor zwei Jahren flüchtig ge wordene Hilfsschreiber Bermann, der in den Verdacht geraten ist, ein Genosse von Brüning zu sein, heißt richtig Hermann Heinrich Ber mann und ist geboren zu Osnabrück am 28. November 1885. Seine Ehefrau hatte im September vorigen Jahres zuletzt einen Brief von ihm erhalten. Er ersuchte sie damals, in eine Ehescheidung zu willigen, da er die Ab sicht hätte, nach Nordamerika auszuwandern. Die in kümmerlichen Verhältnissen lebende Frau bat ihn flehentlich, zurückzukehren, erhielt aber hieraus keine Antwort mehr. Von einer früheren Bekanntschaft ihres Diannes mit Brüning weiß die Frau nichts. O Der Sturm brickt los. 12) Historische Novelle von A. Lindner. 17. Wir stehen in der ersten Hälfte des Februars 1813 und find wieder in Königsberg. In den schneebedeckten Straßen sah man ein reges Leben; offenbar viele Männer, die nicht zur Bürgerschaft der Stadt, sondern zum Stande der Landbesitzer und Beamten aus andern Bezirken gehörten. Auch vielerlei Bauernvolk trieb sich durcheinander, die wenigen Wunder der ostpreußischen Hauptstadt anstaunend. Alle großen und kleinen Gasthöfe waren mit Fuhr werk, das aus dem Lande hierhergeeilt war, überfüllt. Aber die Menschenmasse zeigte einen merkwürdigen Eindruck. Von Lärmen und aus gelassener Lust, wie sie bei Messen und Volks festen zu finden, war keine Rede. Im Gegen teil lag eine feierliche Spannung auf den Ge sichtern, wie eine Menge sie wohl verraten mag, die sich au einem Wallfahrtsort zusammen gefunden hat und eines Wunders gewärtig ist. Die Vornehmeren dieser Menschen gehörten den preußischen Landständen an, die durch den Freiherrn vom Stein mit Hilfe angesehener Patrioten der Provinz nach Königsberg berufen worden waren. Noch stand die Beschlußnahme über das Scharnhorstsche Projekt, das heißt über eine allgemeine, in Landwehr und Land sturm bestehende Volksbewaffnung aus, war aber in den nächsten Tagen zu erwarten. Bei alledem darf aber nicht vergessen werden, daß der König von Preußen mit dieser ersten Regung des Volkes nichts zu tun hatte und nichts zu tun haben konnte. Was hier geschah, nahm der Freiherr vom Stein, gestützt durch Rußland, ganz allein auf seine Schultern. Noch immer waren eine Anzahl wichtiger Festungen Preußens in den Händen Napoleons und noch immer der König in den diplomatischen Händen des französischen Empire. Gräff war nach Berlin gegangen und noch nicht zurück. Elise Delbrück wußte das nicht, sie haste, seit das Dorische Korps wieder in Königsberg eingerückt war, von dem militärischen Vergehen Gräffs gehört und wußte, was möglicherweise darauf stand. Sie glaubte ihn in festem Ge wahrsam gehalten, bis das knegsrechtliche Urteil vom Könige bestätigt sein werde. So hatte ihr der General Dork bei seinem ersten Besuche im Hause Delbrücks gesagt. Er hatte seine Gründe dazu. Die aus Rußland flüchtenden Franzosen kamen nur noch einzeln. Der Hauptsstom des Elends war längst durch die preußische Provinz dem Rheine zugerauscht. Die Bevölkerung kümmerte sich um die Nachzügler und um ihren Jammer schon fast nicht mehr. Die glimmende Begeisterung, die sich herauszubrechen sehnte, verschlang alle Interessen. Der unglückliche Soldat, den die Not durch eine Stadt Hindurch trieb, denn sonst hätte er sie gern gemieden, die Füße mit Frostbeulen bedeckt, statt des Schuh werks nur wollene Kleiderlumpen oder Stroh- bündelchen, statt andrer Kleidung Pferdedecken über verfaulten Hemden, Monturstücke zur Be deckung des Kopfes über den abgezehrten hohl äugigen Mienen — wie manchmal hatte er wenigstens einen Strumpf von einem barm herzigen Feinde zugeworfen bekommen oder ein Stück verschimmelten Brotes, das er mit Heißhunger hineinschlang. Jetzt aber auch das nicht mehr. Die Strümpfe trug man nach dem Rathause ins Depot für die auszurüstende Landwehr. An den durch die Stadt wankenden Nachzügler kehrte sich niemand mehr. In der Not hat man ein Auge für die Not. Wenn aber die Hoff nung wieder einzieht in die Herzen, so reißt sie weit über die Spuren der Gegenwart nach der rosigen Zukunft hin, und in solchen Tagen nehmen die Menschen leicht den Schein der Selbstsucht und Gefühllosigkeit für fremde Not an. Aber nur den Schein. Die Menschen haben nicht Zeit zum Erbarmen, dazu ist der himmelstürmende Trieb der jungen Hoffnung und die Begeisterung für etwas, was kommen soll, viel zu mächtig. 18. Wir befinden uns wieder in Delbrücks Hause, aber nicht in dem Zimmer, wo unsre Erzählung begann, sondem im sogenannten Putzzimmer. Vor einer Kommode, deren Kästen aufgezogen sind, steht Elise, den Inhalt derselben um kramend und zum Teil auf den Boden werfend. Käthe steht neben ihr, die ausgesonderten Sachen in ihre Schürze aufnehmend. Soeben warf Elise abermals einen Gegen stand in die Schürze Käthes. „Ach du Gott!" seufzte diese mehr als sie schrie. „Auch das schöne Armband von lautere« Golde." „Fort damit!" rief Elise. „Wir brauche« kein Gold mehr, wir brauchen Eisen!" Abermals fiel ein Gegenstand zum Opfer. „Was?" schrie Käthe jetzt laut auf. „Auch die schönen Ohrringe, die deiner seligen Mutter gehört haben?" Elise richtete den Kopf auf und schob de« obersten Kasten zu. „Würden mir," sagte sie, während eine sonderbare Glut in ihrem Auge flammte, „die Vorwürfe meiner Mutter be deuten, so ost ich sie funkeln sähe. Weißt dn nicht, daß die Königin Luise einst ihren Erb schmuck zum Altar des Volkes trug? Und wenn sie ein Unrecht beging, so trägt sie die Krone des Himmels dafür. Kein deutsches Mädchen darf sich wieder schmücken, so lange noch ein Feind auf deutscher Erde steht." „Ja, sag' mir nur," meinte Käthe, „wer eigentlich dieser Feind ist. Alle Welt exerziert, kein Mann nimmt sich mehr die Zeit zum Essen, gleich ist er wieder draußen und schwingt den Säbel, und weiß keiner, gegen wen es geht. Du bist doch sonst nicht so dumm, Elise, weißt du nicht, ob es den Russen oder den Franzosen gilt?" „Ich weiß es, Käthe, und jeder weiß es, wenn sich auch der König noch nicht erklärt hat. Denn er ist es noch nicht imstande. Aber vielleicht in wenigen Tagen. Es gibt Krieg. Was ist weiter zu wissen nötig?" Käthe trat ganz nahe an Elise heran. „Elise, sag' mal, ist es denn wahr, daß der General Dort ein Verräter ist?"
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