Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 27.11.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191211279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19121127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19121127
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-11
- Tag 1912-11-27
-
Monat
1912-11
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.11.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Xein Massen MUltanä! Die Türket lehnt die Friedensbcdin«ungen ab. — Krieg bis zur Erschöpfung oder er neute Verhandlungen? G Die Friedensbedingungen der Verbün deten waren hart! Innerhalb 2t Stunden sollte die Türkei sich entscheiden, ob sie den weitaus größten Teil ihres europäischen Ge bietes von ihren Truppen räumen lassen und so den Gegnern zu eigen geben will, sie sollte die heldenhaft verteidigten Plätze Adrianopel, Janina und Skutari, sowie die bisher mit unbestreitbarem Erfolge gehaltene Tschataldscha- linie aufgeben und endlich die Zahlung einer namhaften Kriegsentschädigung bewilligen. Was die Türken danach behalten sollten, war so viel, wie ihnen nach menschlichem Ermessen auch im allerungünstigsten Falle verbleiben wird: Kon stantinopel mit einem kleinen Vorgelände. Der Oberkommandierende der Tschataldscha- Armee, der zu den Friedensunterhändlern gehörte, ist von Konstantinopel aus angewiesen worden, den Krieg nun mit aller Energie fortzusetzen. In Konstantinopeler Regierungs kreisen erklärt man, die einzige Hoffnung auf den Frieden bestehe jetzt darin, daß die Be dingungen von den Verbündeten wahrscheinlich vor den erfolglosen Angriffen auf die Tschataldscha- Linie aufgestellt worden seien. Vielleicht würden sie jetzt ihren Standpunkt ändern, andernfalls dürfte der Krieg bis zur. Erschöpfung ausgefochten werden. Aus russischer Quelle verlautet, daß sich die Petersburger Regierung bemühe, der Türkei bessere Friedensbedingungen zu verschaffen. Da nach solle sie einen Gebietsstrich erhalten, der bis nach Kirkkiliffe und Adrianovel reicht, nicht nur bis Tschataldscha. Die Nachricht klingt durchaus glaubhaft. Das Zarenreich hat kein Interesse an einem allzu mächtigen Bulgarien, das sich bis in die Nähe der heißumstrittenen Dardanellen ausdebnt. Daß man in Konstanti nopel sich auf irgend eine diplomatische Hilfe stützt, zeigen die von dem Großwesir bekannt gegebenen „äußersten Grenzen der türkischen Zugeständnisse". Kamil-Pascha hat nämlich den Diplomaten erklärt, Adrianopel, Skutari und Janina würde die Türkei wohl räumen,, wenn man eine ent sprechende Entschädigung zahle und wenn den Türken ein beträchtlicher europäischer Besitzstand gesichert sowie auf den Einmarsch in Konstanti nopel, der wegen der Cholera ohnehin fraglich erscheint, verzichtet würde. Eine weitere Haupt bedingung wäre die Unabhängigkeit Albaniens, auf das die Verbündeten ihren Anspruch auf- gsben müßten. Wenn es auch schwer sei, gegen einen triumphierenden Feind, dessen mächtiger Bundesgenosse die Cholera geworden ist, weiterzukämpfen, würde die Türkei wohl den Krieg fortsetzen, wenn die unerfüllbaren Bedingungen ausrechterhalten würden. In Konstantinopel hofft man auf eine Wendung der Ding§. Die Panzerschiffe seien für die Türken eine große Hilfe. Frisch gelandete Truppen könnten den Bulgaren in den Rücken falle». Die Balkandiplomaten, sowie alle andern europäischen werden nun ihre mühseligen Be ratungen aufs neue beginnen müssen. Der Erfolg ihrer Arbeiten wird indessen wesentlich davon abhängen, ob die Bulgaren neue Siege zu erfechten vermögen, oder ob sich tatsächlich ihre Angriffskraft an den gut verteidigten Tscha- taldschawerken bricht. Wenn es wahr ist (es ist ja nur weniges wahr, was vom Balkan berichtet wird!), daß Bulgarien am Ende seiner Kraft ist, wenn es wahr ist, daß in die türkischen Truvven ein neuer, oder richtiger gesagt, der alte Geist ein gezogen ist und daß in ihrem Reiche die Cholera zu erlöschen beginnt, dann könnte Europa vielleicht noch Überraschungen erleben, die jenen gleichkommen, die der Zusammenbruch der Türkei der ganzen Welt bescherte. Die Mächte scheinen sich übrigens inzwischen, wenn auch nicht über eine Beendigung des Krieges, so doch über die Formalitäten des Friedensschlusses geeinigt zu haben. Es heißt, der Standpunkt des Dreibundes in der Friedens-! frage ginge dahin, daß die Zustimmung Europas > zum Friedensentwurf unbedingt eingeholt werden , müsse. Nur wenn die Interessen der Mächte entsprechend berücksichtigt würden, könne Europa dem Frieden zustimmen. Der Dreibund fordere, daß der Friedensentwurf allen Mächten vor gelegt werde, da es sich um eine Änderung des Berliner Vertrages handle. Dieser Auffassung hätten auch England, Frankreich und Rußland beigepflichtet, die den Balkanstaaten nahelegen würden, daß bei den Friedensverhandlungen hierauf Rücksicht genommen werde. Im englischen Unterhause hat denn auch der Staatssekretär des Äußeren Grey auf eine An frage, ob die Großmächte bei der Stellung von Fordemngen an die verbündeten Balkanstaaten oder an Serbien mit Bezug auf seine Gebiets erweiterungen an irgendeinem Teile der adria tischen Küste gemeinsam vorgehen, oder ob Osterreich-Ungarn selbständig seine Forderungen Serbien aufdränge, geantwortet, daß, soweit er unterrichtet sei, es nicht ein genaues Bild der Lage geben würde, wenn er sage, daß irgend eine der Großmächte schon Forderungen an die verbündeten Staaten formuliert hätte. Der Meinungsaustausch sei zwischen den Mächten seit Beginn des Krieges fortgesetzt worden. Die Ansicht der englischen Regierung, die von andern Mächten geteilt werde, sei, daß es nicht wünschenswert sei, wenn bei dem etwaigen Friedensschluß ein Teil der Balkanfrage durch verfrühte Verhandlungen von dem Ganzen ab getrennt werde. Das klingt, als ob tatsächlich die lange ver mißte Einigkeit Europas endlich hergestellt sei; aber es läßt doch die Frage offen, wie sich die Mächte, besonders England, zu den serbischen Ansprüchen stellen. Daher ist eine halbamtliche Budapester Stimme interessant, wonach „sehr bald Österreich-Ungarn vor aller Welt den Beweis führen werde, daß es fest entschlossen ist, für die Geltendmachung seiner Inter essen auf dem Balkan mit größter Ent schiedenheit aufzutreten. Osterreich-Ungarn will der gefährlichen Unsicherheit, die die Neu gestaltung auf dem Balkan im Gefolge hat, ein Ende bereiten und eine endgültige Klärung der schwebenden Fragen anstreben. Es soll nichts unversucht bleiben, um dies auf friedlichem Wege zu ermöglichen; allein bei der herrschen den Spannung muß man sich darauf gefaßt machen, daß diesen Maßnahmen auch militärischer Nachdruck verliehen werden dürfte." Man sieht, trotz aller Erklärungen, die täglich von allen Seiten abgegeben werden, bleibt nach wie vor die Lage ungeklärt und niemand weiß, ob nicht auch der Balkankrieg, wie der Tripoliskrieg, nur ein Ende findet, um Kräfte für einen neuen Waffengang frei zu machen. * * * Vom Kriegsschauplatz. Ein Seegefecht im Schwarzen Meer. Die türkischen Kriegsschiffe, die auf dem nörd lichen an das Schwarze Meer «»gelehnten Flügel der Tschataldscha-Linie die Bulgaren an einer Umgehung der türkischen Stellung ge hindert hatten, sind von vier bulgarischen Torpedobooten angegriffen worden, dw den Kreuzer „Hamidie" beschossen. Nach türkischen Berichten sollen dabei zwei Torpedoboote zum Sinken gebracht, der türkische Kreuzer aber nur wenig beschädigt worden sein. Natürlich be richten die Bulgaren das Gegenteil. Sie be haupten, der „Hamidie" sei gesunken. Der griechisch-bulgarische Konflikt in Saloniki. Das ,Journal' meldet von sehr bedenklichen Streitigkeiten zwischen Griechen und Bulgaren in Saloniki. Die Bulgaren haben dem Kron prinzen von Griechenland vorgeworfen, daß er der türkischen Besatzung so milde Bedingungen gewährt habe, nur damit er selbst in die Stadt einziehen konnte. Einen Tag später, nachdem der König von Griechenland eingezogen war, erklärte der Chef der bulgarischen Truppen, daß auch er in die Stadt einziehen wolle. Als man ihm den Eintritt verweigern wollte, richtete er die Kanonen auf die Stadt und lieb Mitteilen, daß er Gewalt anwenden werde. Es scheint, als ob die Stimmen recht behalten werden, die nach Beendigung des Krieges mit der Türkei bösi» Auseinandersetzungen zwischen den jetzt Verbündeten Voraussagen. Neue Kämpfe bei Tschataldscha. Die Bulgaren griffen nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen erneut das Zentrum der Tschataldscha-Linie an. Sie wurden aber wieder von den Türken zurückgeschlagen. Auch bei diesem Kampfe war die türkische Flotte erfolg reich tätig, indem sie beide Flügel der Bulgaren unter Feuer hielt. Nichts von Übergabe. Der Kommandant von Skutari, der schon ein mal erklärt hat, er werde die Stadt auch dann nicht übergeben, wenn Konstantinopel fallen sollte, erhielt von seinen Offizieren ein Schrift stück zugestellt, das die Zusicherung enthält, die türkische Besatzung werde in Skutari zu sterben wissen, wie auch immer sich die Dinge auf dem Kciegstheater gestalten. — Auch der Komman dant von Adrianopel lehnt alle Bedingungen einer Übergabe ab. Ihm soll vom Sultan der Titel Ghazi „Der Siegreiche" verliehen worden sein. politilcke Aundlckau. Deutschlaud. * Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand hat dem Kaiser in Berlin einen Besuch abgestattet. Der Monarch nahm mit seinem Gaste an der Hofjagd in Springe teil. — Im Hinblick auf die Verwicklungen im Orient bringt man in diplomatischen Kreisen dieser Begegnung besonderes Interesse entgegen, um so mehr, als der Erzherzog sich unmittelbar von Berlin nach Wien begab, um dem Kaiser Franz Joseph seinen Besuch zu machen. "Kaiser Wilhelm wird am 2. De zember seiner Tante, der Großherzogin-Witwe Luise von Baden, die am 3. Dezember ihren 74. Geburtstag begeht, in Schloß Baden einen Gratulationsbesuch abstatten. * Der Kolonialstaatssekretär Dr. Solf hat sich über dis Gesamteindrücke seiner viermonatigen Studienreise nach Afrika höchst befriedigt ausgesprochen. Besonders erfreulich berührt die Bemerkung, daß wir die von allen Vernünftigen erwarteten Kinderkrankheiten jeglicher Neuan- ! siedlung zum größten Teil schon überwunden i hätten. Dr. Solf meinte ferner, der Besuch Englisch-Ostafrikas habe ihm die Möglichkeit eines Vergleichs deutscher und englischer Kultur arbeit unter fast gleichen Verhältnissen gegeben, und er sei als Deutscher stolz, sagen zu können, daß das, was er als Arbeit von deutschen Be amten, Farmern, Kaufleuten und Offizieren kennen gelernt habe, in keiner Weise den Ver gleich mit den wirklich großartigen Leistungen der Engländer in Ostafrika zu scheuen brauche. — Die für die beiden von ihm besuchten deut schen Schutzgebiete so wichtigen zwei Fragen: dis der Arbeiter und der Verkehrseinrichtungen, würden von jetzt ab Gegenstand seiner besonderen Sorge sein. * Die schon vor Wochen angekündigte Denk schrift des R e i ch s sch a tz a m t s zur Besitz steuerfrage ist jetzt fertiggestellt und wird den verbündeten Regierungen übermittelt. Die Denkschrift ist sehr umfangreich und erörtert alle Möglichkeiten, die zu einer Lösung der Besitz - steuersrage führen könnten. Das Reichsschatz amt nimmt zu keiner der besprochenen Lösungs- Möglichkeiten Stellung, beschränkt sich darauf, den verbündeten Regierungen die verschiedenen Wege zu bezeichnen, die in der Besitzsteuerfrage gangbar sind. Die Denkschrift wird im preußischen Staatsministerium zur Besprechung gelange», und erst dann wird der Reichskanzler mit dem Antrag Preußens vor den Bundesrat treten. Die Besprechung der leitenden Minister in Berlin über die Besitzsteuerfrage dürste vor- aussichilich erst kurz vor Weihnachten stattfinden. Es war ursprünglich in Aussicht genommen, die ! Beratung der bundesstaatlichen Minister schon i im Oktober stattfinden zu lassen, doch mußte s dieser Termin verschoben werden, da sich die f Fertigstellung der Denkschrift verzögert hatte. England. Im Unterhause erklärte Marineminister Churchill auf eine wiederholte Anfrage, ob kürzlich ein Zeppelin-Luftschiff Aber England gesichtet worden sei, er habe Nach forschungen anstellen lassen und in Erfahrung gebracht, daß am Abend des 14. Oktober, un gefähr um 7 Uhr, ein unbekanntes Luftfahr zeug über Cherneß gehört worden sei. Ma« habe nahebei Leuchtfeuer aufflammen lassen, doch sei das Fahrzeug nicht dort gelandet. — (Graf Zeppelin hat bereits erklärt, daß eines seiner Luftschiffe sich an dem fraglichen Abend nicht der englischen Küste genähert habe.) Ruhland. * Um den beunruhigenden Kriegs- gerüchten zu steuern, hat der Kriegsmimster auf Befehl des Zaren folgenden Erlaß ver öffentlicht: „Einige Militärs beteiligen sich an der Verbreitung von Gerüchten über Kriegs vorbereitungen und über eine angeblich in Rußland vorbereitete Mobilmachung, und machen andre Leute stutzig durch nicht be gründete Angaben, die im Zusammenhang mit den Ereignissen auf der Balkanhalbinsel ge bracht werden. Der Kaiser geruhte, mir zu be fehlen, Maßnahmen zu ergreifen, um einer solchen Erscheinung ein Ziel zu setzen. In Er füllung deS Allerhöchsten Willens ersuche ich die Chefs der Truppenteile, der Verwaltungen und der Anstalten der Militärcefforts, die ihnen unterstellten Militärchargen davon in Kenntnis zu setzen, daß für den Fall ähnlichen, für Militärs unverzeihlichen leerenGeschwätzes Strafen bis zum Dienstausschluß zur Anwendung kommen werden." Ergebnis -es englischen Militärflugzeug-Wettbewerbes. Es liegt jetzt das amtliche Ergebnis des von der englischen Heeresverwaltung veranstalteten Wettbewerbes für Militärflugzeuge vor. Diese Prüfung hat, wie sich jetzt feststellen läßt, Er gebnisse erzielt, die von allergrößter Bedeutung sind, denn es sind hier zum ersten Male genaue Daten über Gewicht, Geschwindigkeit, Steig vermögen, Betrisbsstoffverbrauch, An- und Aus laufstrecken der teilnehmenden Flugzeuge bekannt geworden. Die Lehren dieser Aiegsflugzeug- Prüfung sind sehr interessant und wichtig für die Zukunft. Es hat sich gezeigt, daß die schnellen, mit überstarken Motoren versehenen Eindecker im allgemeinen für Kriegszwecke nur geringen Wert haben. Sie können allenfalls für An griffszwecke verwendet werden, die Beobach tungsmaschine aber, wie sie sein muß, ist der langsamere Doppeldecker, der Beobachter mit führen kann und der wegen seiner geringeren Geschwindigkeit bessere Beobachtungsmöglich keiten bildet. Er wird besonders für die Zu kunft als Kriegsflugzeug in Frage kommen. Wenn auch schnelle Flugmaschinen im Kriege für manchen Fall, z. B. zu schneller Nachrichten übermittlung bei großen Entfernungen, von be deutendem Vorteil sein können, so sind sie für Beobachtungszwecke darum wenig tauglich, weil der Ausblick schlecht ist und weil der Schrauben wind den Beobachter stark an fruchtbarer Be tätigung hindert. Notwendig ist unbedingt die Ausrüstung mit Mitteln, die den Verkehr zwischen Flieger und Fluggast ermöglichen. Der Lärm des Motors und der Schraubenwind machen die Verständi gung sonst unmöglich. Sehr bemerkenswert ist die Feststellung, daß die Doppelsteuerung der Flugzeuge, die für den Wettbewerb gefordert wurde, sich als völlig unpraktisch, ja sogar als äußerst gefährlich erwiesen hat. Denn es ist eine rechtzeitige Verständigung bei plötzlich notwendig werdendem Wechsel der Führung so gut wie unmöglich, und dadurch besteht die Ge fahr, daß einer der Insassen einen rasch ge faßten Enschluß des andern bei der Steuerung durch eine plötzliche, dem andern unerwartete Gegenmanipulation hindern und das Flugzeug aus dem Gleichgewicht bringen kann. Man wird also in England künftig davon absehen, die Doppelsteuerung auf Militärflug zeugen anzuwenden. Was die Motorenfrage angeht, so haben sich in England die französischen Gnome-Motoren am besten bewährt. Lk. Oki Der Sturm brickt los. 7j Historische Novelle von A. Lindner. >F°rts-Suug.i „Ich will's ja nachholen, deswegen bin ich st, mitgegangen. Ich hab' Ihm auch was mit gebracht, sei Er doch nur nicht böse." Wittich hob sie auf, rührte sie aber w«ter nicht an. „Warum hast du das getan, Käthe? Du wußtest doch längst, daß dir der Wittich gut war, und ließest ihn dennoch mit schwerem Herzen in den Krieg ziehen. Wenn ich nun tot wäre?" Käthe schrie auf. „Ach barmherziger Gott, wie kann Er nur so reden I" „Du hättest," fuhr Wittich mitleidslos fort, „doch wissen können, daß der Soldat doppelt so wacker kämpft, wenn er weiß, daß er für sein Liebstes zu kämpfen hat, für ein Gut, das keinem weiter gehört, als dem einen, selbst nicht dem König; denn das Vaterland, Käthe, ist wohl ein wonniges, hohes Wort, aber es bleibt ein Schatten und Schemen, so lang es nicht ein sichtbarlich Leben gewinnt in Frau und Kindern und in redlich erworbener Habe." Käthe hob schüchtern die Augen zu ihm auf; eine verräterische Feuchtigkeit füllte sie. „Lieber Wittich —" versuchte sie stockend. „Und weißt du, Käthe, daß du dich an unserm König versündigt hast?" „Ich bin des Todes I" rief das Mädchen zusammenfahrend. „Davon weiß ich kein Sterbenswörtchen." Wittich schien es darauf angelegt zu haben, das Herz seiner Käthe unter dem Mühlstein seiner Worte zu Brei zu quetschen. „Du hast ihm einen Soldaten entwertet," fuhr er fort. „Der Kriegsknecht des Eroberers kennt Kriegsehre so lange nur, wie er seinen richtigen Sold erhält. Wenn er sich schlagen läßt, so ist seines Herrn Sache zu Ende. Aber der Soldat, der sein Liebstes verteidigen soll, die Grenzen seines Vaterlandes, die Rechte seines Fürsten, die Sicherheit seiner Habe: der läßt sich nicht schlagen. Er kann fallen, aber aus feinem Mute stehen zehn Rächer auf, und dem Kampfe dieses Volkes — des deutschen Volkes l — kann nur der Sieg folgen, so sicher wie der Frühling auf jeden Winter. An solcher Soldat — der deutfche Soldat, Käthe — Wägt wie der Löwe, weicht den Schlägen aus wie der Fuchs, und schont den Geschlagenen wie ein vernünftiger Mensch. Wenn das Tugenden sind, so hat er sie durch das Bewußtsein dessen, was er daheim gelassen. Ich aber, ich wußte mir nichts daheim, und darum hast du deinem Könige einen verdrossenen Soldaten geliefert." Mit Käthes Fassung war es zu Ende. Erbsengroß rollten die Tränen über ihre Wangen, und die Augen wagte sie gar nicht vom Boden zu erheben, als sie sagte: „Läßt sich's denn gar nicht wieder gut machen, Herr Sergeant?" „O ja," erwiderte er darauf mit zärtlichem, tiefem Tone; „Käthe Kormans soll bloß einmal zu mir sagen: Lieber Wittich I und mir dazu die Lippen Hinhalten zu — beliebigem Gebrauch." Es dauerte eine ganze Minute, ehe die ver schämte Käthe den Kopf hob. Wittich wartete geduldig auf ihren Entschluß. Endlich aber sah sie ihn an und sagte leise: „Lieber Wittich, sei Er mir wieder gut." Da nahm er ihr Gesicht zwischen beide Hände und neigte seinen Mund dem ihrigen zu. In diesem Augenblick pochte es von draußen. Wittich fuhr grimmig hemm. „Der Herr Franzos geruhen ungeduldig zu werden. Er kann warten, denk' ich. Wir haben dem pLrler-vous-krLUtzLio lange genug auf gewartet. Aber sag', Käthe, liebt den» daS Fräulein diesen Ostarp im Ernst?" „Ob im Ernst, das weiß ich nicht. Mr scheint vielmehr, als ob sie den Hauptmann Gräff nicht vergessen könnte, der acht Tage bei uns verweilt hat." „Gräff?" rief Wittich lebendig. „Blitz und Hagel, dann muß sie das herrlichste Mädchen sein, wenn ich ihr diesen Offizier gönnen soll. Benachrichtige deine Herrin, Käthe, ich will diesen Oberst hereinschicken." Das Mädchen sah ihn freundlich an, nickte und wollte gehen. „KätheI" rief^r. „Komm' noch mal Herl" Wie ein gehorsames Hündchen, das am eigenen folgsamen Betragen seine Freude hat, gehorchte Käthe. „Dachtest du, daß ich ihn dir erlassen würde?" Demutselig bot Käthe den Mund hin. „Einen zweite« kriegst du aber nicht, Küche, wenn du den Burschen nicht ausziehst. Das merke dir." — Einige Minuten später stand Karl Ostarp in diesem Hausflur wartend, bis Elise sich ange kleidet hätte und ihn eintreten ließe. 11. Käthe fand ihre Herrin bereits beim An kleiden begriffen. Elise hatte wegen ihres Aus bleibens einen scheltenden Scherz auf den Lippen; als sie aber hörte, daß endlich der Manu da s«„ den sie hier aufgesucht, schwieg sie. Sie hatte zu jedem Wort die Lust verlöre«. Sie fühlte sich beklemmt und belastet und wünschte dies» Stunde vorüber. Endlich standen sich beide im Zimmer gegen über. Karl schritt lebhaft auf sie zu, ihr beide Hände reichend, sie bot ihm aber nur die em» hin und sagte: i „Sei mir willkommen, Karl!" „Endlich sehen wir uns wieder, Elise!" „Es sind ja wohl vier Jahre vorüber!" Elises Stimme klang frostig, auch sah sie ihn dabei nicht an, sondern wie in Zerstreuung neben ihm vorbei durch das Fenster. „Wie schön du geworden bist! So träumt' ich mir dich nicht, in so blonder deutscher Herr lichkeit nicht." - „Das Deutsche wird wohl noch mehr in wendig stecken, lieber Karl." — „Kann mir's denken," scherzte er in wenig geschickter Weise, während er die Stimme immer zärtlicher werden ließ, um in Elstes Brust eine ähnliche zu erwecken. „Ihr lest daheim Klopstocks Oden statt eures Cäsar, schwärmt in germanischen Eichen hainen von zerschmetterten Römeradlern. Ist nicht Papa zum Thor geworden, der mü de«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)