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Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191212048
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-12
- Tag 1912-12-04
-
Monat
1912-12
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1912
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Ein Veruhigrmgstelegramm öes Reichskanzlers. Die Gerüchte von der Mobilmachung der beiden ostpreußischen Armeekorps scheinen an Ort und Stelle, in Königsberg und Allenstein, seM vielleicht weniger als in den kleinen Ländstädtchen und Dörfern der Provinz einige Beunruhigung erzeugt zu haben. Anders ist es nicht zu verstehen, daß der höchste Beamte des Reiches in eigener Person das Wort nimmt, um dem Entstehen einer allgemeinen Beun ruhigung vorzubeugen. Bei dem Oberpräsidium in Königsberg ist nämlich ein Telegramm des Reichskanzlers eingegangen, in dem der Ober präsident gebeten wird, der anscheinend in der Provinz herrschenden Kriegsaufregung, die durch nichts gerechtfertigt sei, entgegenzutreten. Die alarmierenden Nachrichten über angebliche Kriegs vorbereitungen dies- und jenseits der preußisch russischen Grenze entbehrten jeder Grundlage. Bon deutscher Seite seien keinerlei besondere militärische Maßregeln ergriffen worden, auch seien bisher keine Nachrichten über russische militärische Maßnahmen eingegangen, die deutsche Gegenmaßregeln veranlaßt hätten. 6me Lösung äer Krise. Botschaft-rkonferenz über die Balkankrise. — Österreichs äußerste Zugeständnisse. G Der Leiter der englischen auswärtigen Politik, Sir Edward Grey, hat nach längeren diplomatischen Vorverhandlungen jetztdenMächten einen Vorschlag zur Lösung der Streitfragen, die als Folgeerscheinung des Balkankrieges auf getaucht sind, unterbreitet. Danach sollen folgende drei Fragen einer in einer europäischen Hauptstadt tagenden Botschafterkonferenz unter breitet werden: 1) die albanische Frage, 2) die Frage der ägäischen Inseln, und endlich 3) die Dardanellen-Frage. Der österreichisch-serbische Adriakonflikt soll auf dieser Konferenz unerörtert bleiben. Man wird den Absichten Sir Edward Greys, der Einmütigkeit der Großmächte einen neuen Rück halt zu geben, indem er bereits jetzt wichtige Fragen von internationaler Bedeutung dem Gedankenaustausch der Diplomaten unter breitet, volle Sympathie entgsgenbringen, wenn auch der Erfolg dieses Schrittes zweifelhaft ist. Die Begrenzung der geplanten Konferenz auf diejenigen Fragen des vielgestaltigen Balkan- Problems, deren internationales Interesse unbe stritten ist, ist jedenfalls ein guter Gedanke und würde den Verhandlungen, die sonst leicht ins uferlose sich verlausen könnten, erhöhte Aussichten auf Ergebnisse verschaffen. Ausgeschieden bleibt ferner die Neuordnung des europäischen Besitzstandes der Türkei, die lediglich Gegenstand der Friedensverhandlungen mit den Regierungen des Balkanbundes bilden soll. Unklar bleibt allerdings, ob die Adria- srage etwa als ein Bestandteil der für die Kon ferenz in Anspruch genommenen albanischen Frage gelten soll. Sollte das der Fall sein, so Würde Österreich nur unter bestimmten Vor aussetzungen dem Greyschen Vorschlag, den übrigens Bulgarien sofort abgelehnt hat, zuzu- > stimmen bereit sein. Um alle Mißverständnisse in dieser Beziehung zu vermeiden, haben Wiener amtliche Stellen , Lem Pariser ,Temps' das Höchstmaß der Zu geständnisse mitgeteill, die Österreich in voller Übereinstimmung mit Italien in der Adria- Frage zu machen bereit ist: „Österreich erkennt rückhaltlos an, daß Serbien als Preis seiner Waffenerfolge Anspruch auf Altserbien und den - Sandschak Novibazar hat. Auch gegen Serbiens uneingeschränktenBesitz eines Hafens im Ägäischen Meere hat Österreich nichts einzuwenden. Ferner ist man in Wien noch immer gewillt, unter allen erforderlichen Bürgschaften Serbien für seinen wirtschaftlichen Bedarf den Zugang zu einem dalmatinischen Hafen zu gestatten und überdies ein serbisch-montenegrinisches Überein kommen zur Kenntnis zu nehmen,- wonach Serbien politische und wirtschaftliche Rechte aus einen montenegrinischen Hasen erhielte. Das Ä Der Sturm brickt los. Sj Historische Novelle von A. Lindner. li?»rtietzu»g0 „Und daß unser König/ fiel der dritte ein, .nicht zehn Napoleons zu fürchten braucht, so lange der Jork seine Preußen führt. Schreibt das extra für mich hinein!" „Gut, Kinder," sagte Zettlitz mit herab lassendem Kopfnicken. „Und meint ihr nicht, daß das dem General eine rechte Herzens erquickung sein werde? Aber wenn ihr gefragt werdet, von wem das ausgche —" „Vom Fähnrich von Zettlitz, versteht sich, versteht sich l" polterte der zweite Soldat. Zettlitz hätte gern in den Bart geschmunzelt, wenn er einen gehabt. Aber man sah ihm an, daß ihn die Sache recht angenehm kitzelte. „Nun," meinte er, „ich habe gerade keinen Namen genannt; aber ich werde erforderlichen falls nicht leugnen, daß der Gedanke mein Original ist. Jetzt tragt mir den Baum ins Zimmer des Adjutanten; einer von euch mag uns das Wachs beim Wirt besorgen und die Lichter aufkleben. Weiter brauchen wir nichts." — Die Soldaten trugen den Baum in das Nebenzimmer und verließen dann die Woh nung. Zettlitz' Mienen veränderten sich, als er allein war. Der Stolz seiner Intelligenz und Bildung sank zusammen, um einem bedenk lichen Zuge von Sentimentalität und Wehmut Platz zu machen. Es dunkelte bereits stark im Zimmer. Sein Auge, das träumerisch durchs Fenster in die Landschaft irrte, sah freilich nicht letzte und wichtigste Zugeständnis der Wiener Regierung ist, daß Serbien für den wirtschaft lichen Bedarf auch den Zugang zu dem Hafen des künftigen selbständigen Albanien erhalten soll, mit der einzigen Beschränkung, daß das einheitliche Gebiet dieses Zukunftsstaates nicht etwa durch Schaffung eines serbischen Gebiets streifens Einbuße erlitte." In der französischen Presse wird durchgängig anerkannt, daß Österreichs Standpunkt durchaus gerechtfertigt sei und daß die ursprüngliche An schauung, Österreich sei in dieser.schwierigen Zeit als Friedensstörer aufgetreten, ferner nicht mehr haltbar sei. In Paris, Wien und London ist — ganz in Übereinstimmung mit der Ansicht der französischen Presse — das Gerücht ver breitet, daß zwischen den Großmächten gegen wärtig Verhandlungen über einen bei der serbi schen Regierung gemeinsam zu unternehmenden Schritt schwebten. Man will der serbischen Re gierung einmütig zum Ausdruck bringen, daß Österreich-Ungarns Haltung gebilligt werden müsse. — Sollten sich die Mächte wirklich zu einem solchen Schritt aufschwingen können, so dürfte er in Verbindung mit der von England vorgeschlagenen Botschafterkonferenz die Wege zu einer europäischen Konferenz ebnen. Diese Konferenz wird nachgerade zur unab- weislichen Notwendigkeit, denn das Balkan problem gestaltet sich mit jedem Tage schwieriger und mannigfaltiger. Hat doch jetzt das so schweigsame Rumänien wieder einmal etwas von sich hören lassen und durch den Mund eines Ministers zu erkennen gegeben, daß es bei der Teilung der europäischen Türkei unter keinen Umständen leer ausgehen will. Der frühere Kriegsminister und gegenwärtige Domänen minister Filipescu erklärte in einer Versamm lung in Turn-Severin, die auswärtige Lage sei zwar sehr schwierig; Rumänien werde aber daraus nur Nutzen ziehen. Unter anderm werde es einen Zugang zum Adriatischen Meer er reichen. Es könne sein, daß dis vorzüglich vor bereitete rumänische Armee demnächst zum Kampfe fürs Vaterland gerufen werde. — Der neue Staatssekretär im Megsministerium Antonescu forderte in seiner Begrüßung die Offiziere auf, die größte Tätigkeit zu entfalten, denn man könne nicht wissen, was schon der morgige Tag bringen werde. Daß mit der Möglichkeit eines rumänischen Eingreifens jetzt ernsthaft gerechnet werden muß, erhellt auch daraus, daß der österreichisch- ungarische Armee-Inspekteur Frhr. Konrad von Hötzcndorf in Bukarest eingetroffeu ist und ein Handschreiben des Kaisers Franz Joseph an König Karol überbracht hat. Armee-Jnspekleur Konrad v. Hötzendorf ist während seines Auf enthalts in Bukarest Gast des Königs. Diese: Besuch erregt in politischen Kreisen größtes Aufsehen, um so mehr, da er wenige Tage nach dem Besuch des österreichischen Generalstabs- chefs Schemua in Berlin erfolgt. In jedem Falle zeigt er, daß die Frage, ob die Geschicke des Balkans friedlich am grünen Tische oder durch die Gewalt des Schwertes entschieden werden sollen, trotz aller Diplomatenbesprechungen noch keine endgültige Lösung gesunden hat. Man will angeblich in allen Lagern den Frieden, es deutet aber alles darau' hin, daß man nach wie vor mit der Möglichkeit eines Krieges rechnet. Politische Kunäsckau. » Tentschlasd. * Im Auftrage Kaiser Wilhelms nimmt der Kronprinz an den Beisetzungsfeier, lichkeiten für die Gräfin von Flandern (der Mutter des Königs der Belgier) in Brüssel teil. * Die Entscheidung des Bundes rats zu der von der bayrischen Regierung verlangten Erklärung der im Jnlande erlaubten Ordens tätigkeit der einzelnen Jesuiten ist nun mehr gefallen. Amtlich wird sein Beschluß wie folgt mitgeteilt: „Da Zweifel über die Bedeu tung des Begriffs der verbotenen Ordenstätig- keit im Sinne der Bekanntmachung des Reichs kanzlers vom 5. Juli 1872 entstanden sind und die Königlich Bayrische Regierung eine maßgeb- s liche Auslegung dieses Begriffs beantragt hat, hat i der Bundesrat beschlossen: Verbotene Ordens tätigkeit ist jede priesterliche oder sonstige reli giöse Tätigkeit gegenüber andern, sowie die Er teilung von Unterricht. Unter die verbotene religiöse Tätigkeit fallen nicht, sofern nicht landesherrliche Bestimmungen entgcgenstehen, daS Lesen stiller Messen, die im Rahmen eines Familienfestes sich haltende Primizfeier und das Spenden der Sterbesakramente. Nicht untersagt sind wissenschaftliche Vorträge, die das religiöse Gebiet nicht berühren. Die schrift stellerische Tätigkeit wird durch das Verbot nicht betroffen." *Dem Landtag des Fürstentums Reuß j. L. ist eine Vorlage auf Änderung des Wahlgesetzes zugegangen. Statt 16 sollen in Zukunft 21 Abgeordnete nach einem Drei klassenpluralwahlrecht gewählt werden. (Bisher war die Wahl direkt u«d geheim.) Zus clem Keicbstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die Be sprechung der Teuerungsinterpellation in Verbin dung mit dem Gesetzentwurf über vorübergehende Zollerleichterungen fort. Abg. Wendorff (sortschr. Vp.) erklärte, die Teuerung beweise, daß die deutsche Landwirtschaft nicht in der Lage sei, den Fleiich- bedarf zu decken. Der preußische Landwirychafts- miniüer Frbr. v. Schorlemer trat diesen Aus führungen entgegen und betonte, eine Beseitigung der Teuerung könne nicht allein durch Vermehrung der Vichproduküon erfolgen, sondern nur, wenn sich das Volk den andern Nahrungsmitteln mehr zu wendet als bisher. Abg. Löscher (Reichsp.) meinte, daß eine allgemeine Auswärtsbewegung doch nichr zu verkennen und eine Folge unsrer Wirt schaftspolitik sei. Abg. Molkenbuhr (soz.) er klärte, die Absperrung der Grenzen sei ein untaug liches Mittel zur Bekämpfung der Seuchengefahr. Abg. Matzing er (Zentr.) hielt eine Aufhebung der Zölle für nutzlos. Das Gefrierfleisch sei nur ein unvollkommener Ersatz des frischen Fleisches. Präsident des Reichsgesundhellsamtes Dr. Bumm erklär.e die Teuerung sür bedauerlich vom gesund heitlichen Standpunkt. Die Behauptung aber, daß das Volk an „Unterernährung leide", fei nicht halt bar. Die Aufhebung des 8 12 würde schwere Ge fahren mit sich dringen. Am Freitag antwortete zunächst Leg.-Rat Leh mann auf sine Anfrage des Abg. v. Richthofen (nat.-lib.), daß bei den Ereignissen in Saloniki bis her Leben und Eigentum von Deutschen nicht zu Schaden gekommen sind. Sollte sich die Lage wider Erwarten zuspitzen, so sind die auf das östliche Mittelmeer verteilten deutschen Kriegsschiffe imstande, in kurzer Zeit vor Saloniki zu erscheinen. Sodann gab der Preuß. Kriegsminister v. Hee ring e n auf eine Anfrage des Abg. Junck (nat.- lib.) die Versicherung, daß für den Kriegsfall das Erforderliche in die Wege geleitet worden ist. Auf eine Frage des Abg. Mumm (wirtsch. Vgg.) erwidert Geheimrat Reim, daß noch keine Schritte getan seien, um die im Februar vertagte Brüsseler Konferenz zur Revision des afrikanischen Spiritus handels zu einem neuen Zusammentreten zu veran lassen. Auf eine Frage des Abg. Göhre (soz.) ant wortete Staatssekretär Richter, daß er nicht im stande fei, zu sagen, ob es noch in dieser Session möglich werde, dem Reichstag ein Wohnungsgesetz zu unterbreiten. Darauf werden die Erörterungen über die Fleischteuerung fortgesetzt. Der Abg. Sieg (nat.-lib.) tritt für dis Erhaltung unsrer Wirtschaftspolitik ein und erklärt es für notwendig, gerade in schweren Zeiten, wie jetzt, Sorge zu tragen, daß Deutschland mit gutem eigenen Fleisch versorgt werde. Abg. Graf schwerin-Löwitz (kons.) erklärt, auch die Landwirtschaft bedaure die Flevchteuerung. Was sie wünsche, seien gleichmäßig mittlere Preise, bei denen dis Produzenten bestehen könnten, ohne daß der Verbrauch erschwert. werde. Die deutsche Landwirtschaft werde in fünf Jahren in der Lage sein, den Bedarf zu decken. Zum Schluß erklärte der Abgeordnete, daß die Konservativen, wenn sie auch nicht mit allen Ausführungen des Reichs kanzlers voll übsreinstimmten, doch seine Wirt schaftspolitik für richtig hatten und deshalb gegen den sozialdemokratischen Antrag, der sich gegen deS Kanzlers Teuerungsmaßnahmen wendet, stimmen würden, den sie auch formell für unzulässig halten. Staatssekretär des Innern Delbrück: Wir haben in den letzten drei Jahren in jeder Session eine Aussprache über die Teuerung gehabt, und ich habe in jedem dieser drei Jahre am dritten Tage der Verhandlung ein Resümee zu ziehen gesucht. Ich muß ctber sagen, daß es immer im viel: dämmerweißes, fahles Terrain,-das sich nicht einmal mehr vom Horizont unterscheiden ließ, weil fortwährend Schnee siel. „Der General," meinte er vor sich hin, „kann wohl noch über eine Stunde ausbleiben. Es ist das erste Weihnachtsfest, das ich nicht im Kreise der Meinigen verlebe. Wenn's einem Soldaten zukäme, könnte man recht traurig darüber werden." Der junge Mann setzte sich an den Tisch und stützte den Arm auf. „Ich bin recht müde geworden. Ein Marsch durch die Heide bei fußhohem Schnee kann schon ermüden. — Jetzt hat gewiß Mama schon ihr Bäumchen geputzt, und meine kleinen Ge- fchwisler — ach Gott, es ist gerade, als ob ich sie an der Tür wispern hörte — warten draußen, bis sie gerufen werden. Und ich habe niemand, der mir beschert. So weit droben im öden Rußland I — Warum mich Papa auch nur zum General Dort geschickt hat, wo der Dienst so streng ist! — Nun essen sie Schüttchen zu Hause und aus der Küche duftet schon die Punschbowle durchs Haus. — Was mir Mama dies Jahr wohl beschert hätte? Ein neues Portepee, denn dieses ist schon recht schwarz — oder ein hübsches Pferd, einen Braunen, — und was wohl des Majors kleine Luise kriegt, die neben uns wohnt — zwar so klein ist sie nicht mehr — aber die Augen! die Augen!" Und hier war endlich der Monolog zu Ende, — der arme Junge war eingeschlasen I Und die Jugend schläft bekanntlich in solchen Jahren sehr fest, sodaß der Schläfer sich auch nicht rührte, als eine halbe Stunde später der General nach Hause kam, begleitet von Kleist, dem ein Soldat mit zwei Lichtern folgte. Beim Scheine derselben sah man, daß Dork in bedeutender Aufregung war, die er mühsam niederkämpfte. Er durchschritt das Zimmer zwei mal, während der Major auf seine Ansprache wartete. Endlich blieb er stehen: „Sie haben sofort nach der Mühle geschickt, daß der Stein mit Vollmachten herein soll?" „Auf derselben Stelle," antwortete Kleist, „wo der Anfall auf uns geschah." „Dreißig — vierzig Lichter — ach, du gute Mama!" hörte man plötzlich irgendwo in der Stube rufen. Der General sah sich erstaunt um, bis ihm Kleist bedeutete: „Der Fähnrich von Zettlitz liegt hier und träumt!" „Eine Trommel für den Bruder und eine Puppe — sür Hedwig — ja —" klang es weiter aus dem Munde des Schlafenden. „Verstehen Sie das, Kleist?" fragte Aork verwundert. „Exzellenz," war die Antwort, „wir Haben heute den Weihnachtsabend." Der General schien überrascht, dann wandte er das adlerartig geschnittene Gesicht mit einem Ausdruck von Wehmut dem Fähnrich zu und sagte: „Du guter Gott I Und der Junge zündet sich seinen Weihnachtsbaum in den Schneeseldern von Rußland an und behängt ihn mit Äpfeln und goldenen Nüssen. Das kann auch die Jugend nur, während uns Alten die grauen Haare vor Sorg' und Arbeit noch grauer wer den. — Heda!" rief er schließlich und berührte deS Schläfers Schulter. wesentlichen da? gleiche gewesen ist, nämlich daß diese Debatten uns einer Lösung des Problems nicht wesentlich nähergebracht haben. Der Grund liegt darin, daß die Erörterung auf falschen Vor aussetzungen aufgebaut ist. Auf der Linken, die von ihrem Standpunkt aus mit Rechl aus eine Be seitigung der Schwierigkeiten auf dem Fleischmarkt drängt, geht man immer wieder von der von ihnen als erwiesen angenommenen, aber keineswegs be wiesenen Tatsache aus, daß die Fleischnot von unsrer Zoll- und Wirtschaftspolitik herrührt, und deshalb artet die Erörterung immer in einen wirtschaftlichen Kampf aus, bei dem der Wunsch nach Besserung untergeht in einem Streit über allgemeine wirtschaft liche und poliiische Theorien. Bei der internatio nalen Entwicklung des Wirtschaftslebens der Welt ist es selbstverständlich, daß die wirtschaftlichen Vor gänge der einzelnen Länder in immer stärkerem Maße beeinflußt werden durch allgemeine Vorgänge, und daß der Einfluß, den die WirtschastspolM eines einzelnen Standes ausüben kann, verhältnis mäßig gering bleiben muß. Ich habe mich an unsre sämtlichen auswärtigen Gesandtschaften gewandt und gebeten, mir, wenn irgend möglich, ein zuver lässiges, übersichtliches Material über die Preis bildung der Lebensmittel und andrer wichtiger wirt schaftlichen Artikel in den betreffenden Ländern zu gehen zu lassen. Das Ergebnis dieser allgemeinen Umfrage zeigt, daß der Preisstand ' gewissen ' periodischen Schwankungen unterworfen ist. Damit ist zugleich erwiesen, daß in Ländern, in denen . eine ganz verschiedenartige Wirtschaftspolitik vor herrscht und die Verhältnisse in der Landwirtschaft weit voneinander abweichen, sich doch das gleiche Ergebnis zeigt, und danach liegt der Schluß nahe, daß die sehr erhebliche Steigerung bei unsern Nahrungsmitteln, vor allen Dingen beim Fleisch, ihren Grund in den internationalen Wirtschaften hat, in Ursachen, die wir außerstande sind, aus der Welt zu schaffen. Wir pflegen hier deshalb durchaus unfruchtbare Erörterungen. Sie werden diesen Reichstag niemals dazu bringen, an den bewährten Grundlagen unsrer Wirtschafts politik zu ändern. Es muß fcstgestellt werden, daß ein großer Teil der Bevölkerung,, weit über die oberen Zehntausend hinaus, keinen Mangel an Fleisch leidet. Mangel leiden nur diejenigen Kreise, die ihrem ganzen Einkommen nach an sich schon schwer in der Lage sind, sich daS nötige Fleisch zu verschaffen. Hoffentlich gelingt es der Enqueten kommission, recht bald zu einem praktischen Ergebnis auf diesem uns allen am Herzen liegenden Gebier zu kommen. Abg. Gothein (fortschr. Vv.): Ich habe eine allgemeine Preissteigerung schon 1912 beim Zolltarif vorausgesagt. Man hat den Städten geraten, sich selbst an der Flcischproduktion zu beteiligen. Das hat man nur getan, damit sie schlechte Erfahrungen machen, denn die Schweinezucht erfordert eine liebe volle Behandlung, wie nur die kleinen Landwirte ßs dem Vieh angedeihcn lassen können. Hätte man auf unsern Antrag im Oktober vorigen Jahres die Futtermittelzölle auf ein Jahr aufgehoben, dann wären so viel Futtermittel hereingekommcn, daß wir jetzt nicht im entferntesten eine solche Teuerung hätten. Die bestehenden Futtermittelzölle und die Einfuhrscheinsysteme find eine Versündigung gegen die kleinen Landwirte und alle Konsumenten. Abg. Seyda (Pole): Reichskanzler und Regie rung haben in langen Reden ihre Arbeiterfreundiich- keit betont, aber im selben Augenblick haben sie Hunderte von Arbeitern brotlos gemacht — im Wege der Enteignung I Abg. Ricklin (els.-lothr. Zentr.): Ich kann namens der Mitglieder der elsaß-lothringischen Gruppe erklären, daß wir im großen und ganzen mit der Art und Weise, wie der Reichskanzler die Anfrage beant wortet hat, einverstanden sind. Abg. Gebhart (wirtsch. Vgg.): Auch wir Knd befriedigt darüber, daß der Reichskanzler an der be währten Wirtschaftspolitik festhatten will. Abg. Südekum (soz.): Herr Delbrück gab zu, daß die Zölle nur den Zweck haben, die Lebens- mittelpreise hochzuhalten. Es ist gar nicht wahr, daß die deutsche Bevölkerung von der deutschen Landwirtschaft allein mit Nahrungsmitteln und Fleisch versorgt werden kann. An den schrecklichen Teuerung?» und Wohnungsverhältnissen muß ^js Kraft der Nation zugrunde gehen. Ein Schlußantrag wird angenommen. Die Frage, ob ein Antrag zu einer Interpellation spezialisiert werden darf, wird der GefchästsoronungS- kommiffion überwiesen. Der Gesetzentwurf über die vorübergehenden Zoll- erleichtcrungen bei der Fleischeinsuhr geht an eine Kommission von 28 Mitgliedern. Staatssckreiär Delbrück erklärt, daß er die Interpellation über den Wagcnmangel in der zweiten Hälfte der nächsten Woche beantworten werde. Las Haus vertagt sich. Zettlitz zuckte mit dem Kopfe und fuhr mit der Hand über die Augen. Er war aber offen bar noch im Halbschlafs, als er sagte: gut, Soldaten, ich bin immer auf dem Pla Aber jetzt hatte er auch erkannt, wen c sich hatte und schnellte empor. „Verzeihung, mein General — ist deni man hat doch nicht —" Seine Augen such im Zimmer umher. „Na was, mein Junge?" fragte Dork güt „Ich meinte nur — man hat doch d Christbaum nicht ohne mich —" „Abgcleert?" lachte der General. Zettlitz. Leg' Er sich nur aufs Ohr und träum' Er weiter. Dann kann Er die rarsten Sachen zu kosten kriegen, und Er wird's besser als Iori haben. Gute Nacht, mein Junge!" Zettlitz wankte hinaus, nachdem er unge schickt salutiert hatte. „Können Sie sich diesen heimtückischen Über fall erklären, Kleist?" wandte sich Jork jetzt dem Major zu. „Ein Überfall auf den General Uork? Wer kann von unserm nächtigen Ritte nach Poscherun gehört haben? Ich habe, io wahr und gesund ich bin, im Dunkel nichts weiter erkannt, als französische und preußische, also nur befreundete Uniformen." „Ich glaube den Hauptmann Gräff bemerkt zu haben," erwiderte Kleist. „Dummes Zeug!" brauste der alte Degen empor. „Das ist ja unmöglich. Der hat mir den dritten Posten in acht zu nehmen." „Und dennoch," nahm Kleist das Wort wieder, „war es die Stimme Gräffs, die mir zunes: „Retten Sie den General in das Lager,
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