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Allgemeiner Anzeiger : 16.11.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-11
- Tag 1912-11-16
-
Monat
1912-11
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.11.1912
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Der Streit um äie Aäria. Die Augen der Welt sind ganz plötzlich von dem orientalischen Kriegsschauplatz abgezogen und nach Budapest gelenkt worden, in dessen Hofburg,' wenn nicht alles trügt, schwerwiegende Entschlüsse gefaßt worden sind. Dort waren Kaiser Franz Joseph, der Thronfolger Erz herzog Franz Ferdinand und ein großer Stab von Generälen versammelt, und wenn auch nicht amtlich zugegeben wird, daß es sich um die Mobilisation bandelt, so ist es doch in Öster reich offenes Geheimnis, daß die österreichisch- ungarische Armee bereit ist, den Forderungen der Wiener Diplomatie an Serbien jeden Augenblick den geeigneten Nachdruck zu verleihen. Vielleicht hätte man in Österreich noch mit einer solchen offenbar die Welt beunruhigenden Beratung gezögert, vielleicht auch hätte man sie den Augen der Welt mehr verborgen; aber die serbischen Ansprüche auf die Häfen am Adria tischen Meere werden mit solchem Nachdruck er hoben, daß Osterreich-Ungarn zur Wahrung seiner Interessen ernste Maßregeln am Platze hält. Einen bedeutungsvollen Vermittlungs versuch hat der italienische Gesandte in Belgrad gemacht. Er besuchte den Ministerpräsidenten, dem er den Wunsch aussprach, Serbien möge Albanien nicht angreifen, weil auch Italien Rechte auf Mbanien geltend mache. Pasitsch antwortete jedoch, er könne diesem Wunsche nicht entsprechen, weil die Albanesen ebenso wie die Türken Feinde des Balkanbundes seien und nach den blutigen Kämpfen mit den Waffen bezwungen werden müßten. Das serbische Volk besteht auf der Forderung eines Weges zur Adria. Bei dieser Spannung, die sich plötzlich aus dem Siegeslauf der Serben ergeben hat, ist der BePch von besonderer Bedeutung, den der Präsident der bulgarischen Sobranje Danew in Bustavest gemacht hat. In bezug auf die Mission des Sobranjepräsidenten Danew meldet der ,Pester Lloyd', daß in der Unter redung mit dem Minister des Auswärtigen Graten Berchtold alle auf der Tagesoronung stehenden wichtigen Fragen erörtert worden leien. Die Mission zeige, daß die Männer der bulgarischen Regierung ausrichtig bestrebt seien, alle bestehenden Streitfragen im Einvernehmen mit Österreich-Ungarn und mit Berücksichtigung der Interessen der österreichisch - ungarischen Monarchie suszutragen. Es kann nicht davon die Rede sein, daß der Balkanbund die weit gehenden Ansprüche Serbiens unterstützt. Unmittelbar nach Beendigung des Krieges mit der Türkei werde der Besitzstand der krieg führenden Mächte einer entsprechenden Korrektur unterzogen werden müssen, und es sei deshalb belanglos, was augenblicklich jeder kriegführende Teil in seiner Macht halte. Was Albanien betreffe, scheine Bulgarien ein selbständiges Albanien zu wünschen, es fordere nur, daß in Albanien nicht solche Gebietsteile einverleibt werden, die meist von Bulgaren bewohnt sind. Unter solchen Umständen ist Österreichs Stellung gegen Serbien nicht ungünstig, der österreichische Gesandte in Belgrad hat denn auch in einer Unterredung mit dem serbischen Mi nisterpräsidenten betont, daß Österreich unter keinen Umständen geneigt sei, den Wünschen Serbiens auf Erwerb eines Hafens an der Adria nachzugeben. Ferner drückte der Gesandte die Wünsche seiner Regierung auf weitgehende Be günstigungen handelspolitischer Natur und auf außerordentliche Garantien in bezug auf die österreichische Ausfuhr nach Saloniki aus. In diplomatischen Kreisen hofft man trotz der augen blicklichen Spannung auf eine friedliche Lösung des Streites, die ganz sicher nicht lange auf sich warten lassen wird — falls Rußland den Serben nicht den Rücken stärkt. Der Gedanke, daß noch in letzter Stunde der Balkanbrand auf Europa übergreifen könnte, weisen die Kabinette weit von sich. Hoffentlich sind die Ereignisse nicht stärker, als die Wünsche der Diplomaten. * * * Vom Krieqsschauplatz. Bulgarische Erfolge vor Adrianopel. Die Türken verteidigen die Befestigungslinie Adrianopels mit Zähigkeit und, wenn auch die i Bulgaren wiederum wichtige Stellungen auf der Westfront erobert haben, so zeigen die Kämpfe doch, daß die Türken zurzeit an eine Übergabe noch nicht denken. Ferner muß man in Betracht ziehen, daß die Belagerer meist nm aus mäßig ausgebildeten Landwehrtruppen be stehen. Freilich, wenn die Lebensmittel in der eingeschlossenen Festung knapp werden — und das ist zu befürchten — dann wird der Wider stand der tapferen Besatzung doch bald ge brochen sein. Die Bulgaren vor der Tschataldscha- stellung. In militärischen Kreisen Konstantinopels nimmt man an, daß der Aufmarsch der Vortruppen der Bulgaren vor Tschataldscha nunmehr beendet ist. Bulgarische Berichte besagen dagegen, daß die Tschataldschastellung bereits durchbrochen sei und daß man nur die Ankunft der serbischen Feldhaubitzen abwarte, um zum Sturm vor zugehen. Die Unterwerfung der Arnanten durch die Serben. Sämtliche Arnautendörfer in der Umgegend von Djakowitza haben sich den Serben überliefert, andre folgen nach. Unter den Arnauten herrscht großer Schrecken infolge der anhaltenden Er folge der Serben. Man nimmt an, daß die Arnauten sich bald alle ergeben werden, nach dem sie eingesehen haben, daß ihre Sache mit der Türkei verloren ist. Meuterei in der türkischen Besatzung von Skntari. Eine Anzahl türkischer Soldaten vom Fort Tarabosch bei Skutari meuterte und flüchtete in der Nacht vom d. auf den 10. d. Mts. Vom türkischen Kommandanten durch Signale benachrichtigt, eröffnete das Fort Brdica das Feuer auf sie und tötete viele. Andre würden durch Schüsse der Montenegriner getötet und einige überlebende gefangen genommen. Nach ihren Erzählungen ist das Leben auf den Höhen von Tarabosch bei der herrschenden Kälte unmöglich geworden. Es fehlt an allem: Kleidung, Feuerung, Lebensmitteln. Die Über gabe des Tarabosch und damit von Skutari ist nicht zu vermeiden. Die Bulgaren beim Einzug in Saloniki. Nach Meldungen aus Sofia haben bei der Be setzung von Saloniki auch bulgarische Truppen abteilungen mitgewirkt. Die Meldung über den Einzug der Brigade des Generals Todorow, bei der sich die Prinzen Boris und Cyrill be fanden, in Saloniki hat in Sofia allgemeine Genugtuung und merkliche Entspannung hervor gerufen. Es wird angenommen, daß die türkische Garnison erst angesichts der vorrückenden Bul garen vorgezogen hat, sich den Griechen zu übergeben. Eingreifen der türkischen Motte. Der Kommandant der türkischen Flotte teilte dem Großwesirat mit, die Flotte habe eine bul garische Batterie in der Nähe von Rodosto ver nichtet. Planlos wie alle Maßnahmen der Türken seit Beginn des Krieges, erscheint auch dieser Flottenoorstoß. Die Flotte wäre bester zu verwenden, um vom Meere aus die Ver teidiger bei Tschataldscha zu unterstützen. Die Mohammedaner Indiens rühren sich. In einer von einflußreichen Mohammedanern und Hindus zahlreich besuchten Versammlung in Kalkutta (Indien) wurde die Sperre euro päischer, besonders englischer Waren empfohlen als Protest gegen die Stellungnahme Englands und andrer europäischer Mächte gegenüber der Türkei. Ein bekannter Hinduführer, warnte Europa davor, einen mohammedanischen Reli- gionskrieg heraufzubeschwören. poUMAe Auncjsckau. Teutschla«b. *Der Grotzherzog von Baden ist durch eine leichte fieberhafte Erkrankung ge zwungen, bis aus weiteres das Bett zu hüten. * Der Reichstag wird, wie nunmehr feststeht, seine erste Sitzung am 2ö. November abhalten. Die Präsidentenwahl wird im Reichs tage noch im Laufe der letzten Novemberwoche erfolgen. Wie in parlamentarischen Kreisen verlMet, wird gegen die Wiederwahl des Abg. Kämpf seitens der bürgerlichen Parteien kein Einspruch erhoben werden. Es scheint, soweit eS sich bis jetzt beurteilen läßt, keine Neigung vorhanden zu sein, die Präsidenten frage wie im Febmar d. Js. wieder aufleben zu lassen. Das alte Präsidium dürste aus diesem Gmnde seine Geschäfte für den Rest der Session weiterführen. Ob bei Beginn einer neuen Session die Präsidentenfrage wieder von neuem angeschnitten werden wird und eine Neuverteilung der Sitze im Präsidium nach den Stärkeverhältniffen der Parteien vorgenommen werden wird, läßt sich jetzt noch nicht sagen. * Die Nachricht, die Regierung wolle anstatt der geplanten Besitzsteuer, deren Vorlage bekanntlich vom Reichstage gefordert worden ist, eine Anzahl andrer Steuern, darunter eine Wehrsteuer und eine Junggesellen- steuer, in Vorschlag bringen, entspricht nicht den Tatsachen. An dem Entwurf eines Besitz steuergesetzes wird vielmehr an den beteiligten Stellen mit Eifer gearbeitet. * über eine neue Gebührenord nung für Zeugen und Sachverstän dige haben im Reichsjustizamt erneute Ver handlungen stattgefunden. Dabei handelt es sich darum, festzustellen, ob der Entwurf dem Reichstage noch in der Tagung zugehen oder ob zunächst eine Erhöhung der Gebühren für Sachverständige angestrebt werden soll, da finanzielle Bedenken gegen die Erhöhung der Zeugengebühren sprechen. * Eine reichsrechtliche Regelung der Wanderfürsorge ist im Reiche beab sichtigt. Durch Reichsgesetz soll den Bundes staaten die Verpflichtung auferlegt werden, Ein richtungen zu treffen, zu unterhalten und zu verwalten, um mittellosen, arbeitsfähigen Männern, die Arbeit suchen, Arbeit zu ver mitteln und ihnen gegen Arbeitsleistung Be köstigung und Obdach zu gewähren, wenn sie außerhalb ihres Wohnortes Arbeit suchen. Solche Gesetze bestehen bereits in Preußen und Württemberg. * Die Untersuchung gegen die kürzlich von der Schutztruppe an der Ostgrenze von Deutsch-Südwestafrika aufgegriffene elfköpfigs Bande von Kopperleuten hat schwer belastendes Material zutage gefördert. Das Gericht verurteilte fünf von ihnen wegen Auf ruhrs zum Tode, die übrigen sechs zu zehnjähriger Kettenhafi bei gleichzeitiger SIrafverschickung. Lfterreich-Ungarn. * Kaiser Franz Joseph hat an König Viktor Emanuel eine Depesche mit herz lichen Geburtstagswünschen gerichtet und zugleich dem König seinen Glückwunsch zu den Erfolgen in Tripolis ausgesprochen. * Im österreichischen Abgeord netenhause kam es aus geringfügigem Anlaß zu einem Streit zwischen den Tschechen und Deutschen, der bald zu einer wüsten Rauf- szene wurde. Erst nach längerem Hand gemenge gelang es, die Ruhe wieder her zustellen. England. * In England hat man die Türkei völlig aufgegeben. Das zeigt der Beschluß der Admiralität, zwei Dread noughts anzukaufen, die jetzt für die Türkei auf englischen Werften gebaut werden. Die Admiralität fürchtet, daß der Ankauf der zwei Dreadnoughts, die Januar 1914 schon in Dienst gestellt werden können, durch eine fremde Nation das Gleichgewicht der Seemacht in Europa ernstlich stören könne. Die Türkei sei nicht in der Lage, die Schiffe zu bezahlen. * Bei der Abstimmung über einen von < unionistischer Seite eingebrachten Zusatzanirag zum irischen Selbstverwaltungs gesetz erlitt die Regierung eine Nieder lage. Mit Rücksicht auf die Orientkrise be schloß das Kabinett jedoch, bis auf weiteres im Amte zu bleiben. Belgien. "Infolge der Uneinigkeit des Ministeriums über die Gestaltung der neuen Heeresvorlage ist es ganz unerwartet zu einer Minister- krise gekommen. Der Ministerpräsident hatte dem Kabinett einen Plan für die Heeresreor ganisation vorgeschlagen, der zwar die allgemeine Dienstpflicht vorsteht, aber die Stärke des Heeres alljährlich von den Kammern dem je weiligen Bedürfnis entsprechend genehmigen lasten will. Der Kriegsminister mißbilligte diesen schwankenden Grundsatz und legte ein weiter gehendes Projekt vor. Der Ministerpräsident erklärte jedoch, zurücktreten zu wollen, wenn sein Plan nicht angenommen werde. Infolge dessen ist der Kriegsminister zurückgetreten. Spanien. * Ministerpräsident Canalejas, der seit dem Febmar 1910 im Amte war, wurde am 12. d. Mts., als er von einem Ministerrat kommend, vor dem Schaufenster eines Buch händlers in einer der belebtesten Straßen von Madrid stand, durch einen Anarchisten mit zwei Revolverschüssen ermordet. Der Täter verübte unmittelbar nach dem Atten tat Selbstmord, indem er sich zwei Kugeln in die Schläfe schoß. — Der Ermordete hat sich besonders um den spanisch - französischen Marokkoausgleich, in dem er lebhaft die Interessen seines Vaterlandes wahrnahm, ver dient gemacht. Ruhland. *Die Wahlen zur vierten Duma haben mit einem entscheidenden Siege der Rechten, die 97 Plätze gewann, geendet. Die Regierung wird in der neuen Duma, die am 28. d. Mts. zusammentritt, eine sehr starke Mehrheit haben, die sie vor allem in den Rüstungsplänen unterstützen wird. - > "" * Aber die versicherungspflicht für die am 1. Januar beginnende Angestellten versicherung herrscht vielfach zumal in Frauen- kreisen noch Unklarheit. Ganz allgemein erstreckt sich die Versicherungspflicht aus alle Angestellten, die weder zu der handarbeitenden Bevölkerung noch zu den Unternehmern gehören. Eine Ver sicherungspflicht nach der Reichsversicherungs- ordnung befreit nicht von der Angestellten versicherung. Drr Versicherungszwang beginnt mit dem ersten Tage des 17. Lebensjahres und reicht bis zum vollendeten 60. Lebensjahre. Zunächst find von den Bureau-Angestellten die jenigen zu versichern, die nicht mit niederen oder lediglich mechanischen Dienstleistungen be schäftigt werden. Beispielsweise gehören dazu die Maschinenschreiberinnen der Rechtsanwalts- Bureaus, deren Beschäftigung es ist, Schrift sätze oder Kostenverrechnungen anzufertigen oder Stenogramme aufzuuehmen. Die Schreiberin, die nur Abschriften mit der Hand oder mit der Maschine fertigt, ist nicht versicherungspflichng. Die Hausangestellten unterstehen der Versiche rung, wenn ihre Tätigkeit nicht hauptsächlich auf körperlicher Arbeit beruht. Ferner sind vsr- sicherungspflichtig Privatsekretärinnen, Mider- fräulein, Gesellschafterinnen, Hausdamen, Reprä sentantinnen, das Personal an Bibliotheken, das Verwaltungs- und Wartepersonal an Krankenanstalten, sowie Schriftstellerinnen und Redakteurinnen, soweit sie zur Presse gehören. Versicherungspflichtig sind auch Gehilfinnen in Apotheken, Schauspielerinnen, Artistinnen und Angehörige eines Orchesters, wenn sie einem Dirigenten oder einem sonstigen Unter nehmer unterstellt sind. Sodann erstreckt sich die Versicherung auf Lehrerinnen und Erziehe rinnen in abhängiger Stellung, sofern ihre Tätigkeit sich auf die geistige Entwicklung auf dem Gebiete der höheren und elementaren Wissenschaften, der Künste sowie auf die Bil dung des Charakters richtet. Auch die Unter weisung in körperlichen Übungen, die der Er ziehung dienen, gehören dahin. Der Unter richt in mechanischen Fertigkeiten, wie beispiels weise im Schneidern, ist nicht hier mit einbe griffen. Sodann sind Lehrerinnen und Erziehe rinnen, die nicht an einer Anstalt unterrichten, sondern bei wechselnden Austraggcbern Stunden geben, versicherungspflichtig. K Der Sturm brickt los. 4j Historische Novelle von A. Lindner. (Forts-tzuig.) 5. In einem niedrigen Zimmer, so anständig man es eben in einem litauischen Dorfe be kommen konnte, schritt die bekannte hohe Gestalt des Generals Jork in einiger Erregung auf und ab. Das weiße Kopfhaar streifte den m der Mitte durchlaufenden Deckbalken — der litauische Zimmermann hatte offenbar nicht auf eine Figur wie Jork gerechnet. Es lebt sich ungemütlich in einem Raume, dessen Decke von unsrem Scheitel kaum einen Zoll entfernt ist; obgleich man nicht anstößt, fürchtet man es dennoch bei jedem Schritte. Jork schien daran gewöhnt zu sein. Eine gleich hohe Gestalt stand mehr in der Nähe der Tür, in ehrerbietiger Haltung ver harrend und den Hut mit dem Federbusche in der Hand tragend. Das war der Major von Kleist. „Sagen Sie mir das doch noch einmal, Kleist!" rief der General im Auf- und Abgehen, die Hände auf den Rücken gelegt. „Was sagte der Herzog von Tarent, als ich über schlechte Verpflegung klagen ließ? Was sagte der Macdonald?" „Er meinte" — lautete Kleists Erwiderung — „Ew. Exzellenz sei ein —" Kleist stockte. „Na was? Ein — ? Heraus damit I" „Gin ewiger Querulant. Er, der Herzog, f«i anders berichtet." „Querulant. Weiter!" „Ich berichtete, wie unsre Pferde krepierten." »„An der Fettsucht!"" schrie der Herzog." An der Fettsucht also! Weiter!" Auf der hohen Stirn des Generals schwoll die Ader. „Wie man unsern Soldaten," fuhr Kleist fort, „aus den Fourage-Magazinen nur ver dorbene Vorräte verabreiche, die besseren aber ms französische Lager führe." „„Wir haben hier auch kein Weißbrot!"" war die Antwort." Jork blieb stehen und blitzte seinen Offizier mit den feurigen, stark umbuschten Augen an, als er sagte: „Ich wundere mich nur, Kleist, daß man das preußische Korps nicht dazu verwendet, der Großen Armee vorauszuziehen und die Wölfe mit brennenden Strohwischen von ihrem Wege zu treiben." Dock nahm sein Hin- und Hergehen wieder auf. „Ist kein neues Schreiben vom russischen Kommandanten eingegangen?" „Bis zur Stunde noch nicht." „Er kann mir sowieso vom Leibe bleiben. Will mich zum Übertritt ködern, meinen König vertragsbrüchig machen. Aber geben Sie acht, Kleist, in Ruhe läßt uns dieser Versucher nicht. Und dazu keine Instruktion von Berlin, kein Sterbenswörtchen von Seiner Majestät! Der Adjutant von Seydlitz, den ich deswegen nach Berlin geschickt habe, könnt« doch längstzurücksem." „Der König kann uns ja nichts melden, mein General," erwiderte der Major. „Sein Wille ist durch Vertrag gebunden. Die fran ¬ zösische Besatzung umschnürt ihn und seine Regierung. Tausend Spione behorchen sein Kabinett. Seydlitz wird auf eine Gelegenheit paffen müssen, den König allein zu sehen." „Die Pest über diese Blutsauger!" brauste der General auf und stampfte den Fuß auf den Boden. „ Spandau und Pillau haben sie uns richtig aus den Händen gewunden. Sie wollen Preußen im Knebel behalten, falls die Sache mit Ruß land schief geht. Kleist, ist diese Lage mit der Ehre eines preußischen Soldaten verträglich?" „Was ist zu tun, General?" fragte Kleist achselzuckend. Jork trat an ihn heran. „Muß ich das noch sagen? Was Ihre Kameraden schon längst getan haben und noch täglich tun. Denken Sie an Doyen, Clausewitz, Tiedemann." Kleist machte erschrocken eine Bewegung rück wärts. „Zu den Russen überlaufen?" „Warum nicht?" fuhr Jork in seiner kurzen, scharfen, hartrissigen Manier fort. „Jede Truppe ist gut genug, wo mau den Tod feind bekämpfen darf. Laust über! Ich hcU? euch nicht." „Und Exzellenz selbst?" „Bleib' auf meinem Posten. Ich muß meinem Könige doch einen Mann erhalten, das sehen Sie ein." „General!" rief Kleist nachdrücklich, „und bin ich keiner?" Jork fuhr sich durchs Haar. Ein Zug, ge mischt aus Schmerz und Ingrimm, üef über die scharfgezeichneten Züge, dann drückte er seinem Major die Hand. „Lassen Sie es gut sein, Kleist. Ich weiß in diesen Tagen manchmal nicht, was ich rede. Noch sind wir unsres Königs Soldaten - bis Jork drehte sich um und starrte gedankenvoll durch das Fenster. Dann beendete er: „Bis es anders kommt." „Exzellenz meinen, wenn der Rückzug Napo leons —" Der General fuhr wieder herum und blitzte den Sprecher an. „Wollen Sie still sein, Kleist, das hab' ich nicht gemeint — aber — es liegt doch auch eine Hoffnung drin." Die Tür ging auf und Kleist trat vor einer eiutretenden Wache beiseite. „Was gibt's?" „Oberst Reynier und ein kaiserlicher Offizier!" „Reynier!" knirschte Jork. „Den haben sie mir auch ins Quartier gesetzl, wie ein Kuckucksei. Der soll spioniere» und rapportieren. Mag eintreten, dann soll ihn der T holen!" 6. Die Wache trat wieder ab, ließ aber die Tür auf. Gleich darauf erschien in goldgestickter Uniform der französische Oberst mit Karl Ostarp, den er nach kurzem Gruße in französischer Sprache vorstellte: „Mein General, ich habe die Ehre, Ihne» den Oberst Ostarp vorzustellen, der vom kaiser lichen Generalquartier kommt." „Vom Kaiser?" unterbrach ihn Jork erstaunt. „An mich? Und was will Se. Majestät?" „Er wünscht, daß ich Euer Exzellenz oh»»
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