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Allgemeiner Anzeiger : 06.11.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-11-06
- Sprache
- Deutsch
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- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-11
- Tag 1912-11-06
-
Monat
1912-11
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.11.1912
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Des Oramss letzter )4kt. Türken qeschlagen. — Allgemeine Verzagtheit in der Türket. S Es ist den Türken nicht gelungen, ihre ielbstgewählte befestigte Verteidigungslinie Lüle Burgas—Bunar Hissar gegen den bulgarischen Ansturm zu halten. Zwar hat, was von bul garischer Seite nicht bestritten wird, der Ostflügel bei Wisa einen erfolgreichen Vorstoß unter nommen und auf einen Augenblick die Bulgaren zurückgedrängt. Aber der Erfolg ist wertlos, nachdem es den Bulgaren gelungen ist, das Zentrum der türkischen Streitmacht zurückzu werfen. Auf jeder Seite der Kämpfenden standen sich drei Tage lang je 150 OVO Mann gegenüber. Auch die Türken hatten also ihre Houpimacht eingesetzt. Es ist ihnen kein Erfolg beschieden gewesen, ja die amtlichen bulgarischen Berichte melden, das türkische Heer sei völlig geschlagen und zur wilden Flucht genötigt worden. Damit ist die Entscheidung zugunsten der bulgarischen Waffen gefallen, und auch die an fänglichen, vielleicht etwas aufgebauschten Erfolge der über Wisa vorgegangenen türkischen Streit kräfte konnten offenbar an dieser Tatsache nichts ändern. Ob die türkische Heeresleitung unter diesen Umständen noch in der Lage ist, in der Linie Serai—Tschorlu nach diesem Mißerfolg und in so kurzer Entfernung vom Schlachtfeld der letzten Tage nochmals Widerstand zu leisten, darf stark bezweifelt werden. Es dürfte nur möglich sein, wenn neue Truppen bereitgestellt werden könnten, um eine Entscheidungsschlacht zu liefern. Lon bulgarischer Seite wird über die Schlacht berichtet: „In der Schlacht, die mit den Haupt- streitkräften der türkischen Armee in Stärke von 150 000 Mann auf der Linie Bunar Hiffar— Lüle Burgas drei Tage tobte, hat die bul garische Armee den Feind geschlagen und ge zwungen, sich aus seinen befestigten Stellungen unter stürmischem Nachdrängen der Bulgaren zuröckzuziehen. Die bulgarische Armee hat die energische Verfolgung des Feindes ausgenommen, der sich in Unordnung und Panik auf Rasby und Tschorlu zurückzog. Eine große Zahl von Kanonen, Munition, Fahnen und andern Kriegstrophäen ist den Bul garen in die Hände gefallen, ebenso zahlreiche Gefangene. Die bulgarischen Verluste sind ver hältnismäßig unbedeutend. Die Dörfer Aiwali bei Lüle Burgas und Marrasch im Westen von Adrianopel sind von den Türken eingeäschert, die gesamte christliche Bevölkerung niedergemacht worden. Auch sämtliche Dörfer in der Gegend von Melnik haben die Türken in Brand gesteckt." Türkische Meldungen besagen dagegen: „Der bulgarische Angriff sei bei Schongura ge scheiter!. Bei Hasköj, zwischen Adrianopel und KuMisse, sowie bei Lüle Burgas tobte ein furchtbarer Kampf. Wir haben 15 Kanonen erbeutet und fast ein ganzes bulgarisches Regiment gefangen genommen. Der Feind floh an verschiedenen Stellen in Unordnung. Ein Adrianopeler kombiniertes Korps hat Befehl erhalten, die Offensive zu ergreifen. Eine Kolonne stieß gegen Kadinköj westlich der Maritza vor, eine zweite brachte dem Feind Niederlage auf Niederlage bei. Die vom Feind gegenüber unsern Befestigungen erbauten Ver schanzungen wurden durch unsre Artillerie zer stört. Unsre Truppen besetzten Tschermen. Eine starke feindliche Abteilung wurde zwischen Marrasch und Kadinköj durch zwei türkische Ab teilungen eingeschloffen. Ferner wurde ein feindlicher Flugapparat von üskutarköj nordöst lich Mustapha-Pascha aus heruntergeschossen." Diese Meldungen vermögen indes den bulga rischen Sieg nicht abzuschwächen. Im übrigen ist man in Konstantinopel, wo das türkische Vordringen bei Wisa durch so hosf- nungsftohe Telegramme Nasim-Paschas ange kündigt wurde, schweigsam geworden. Die türkische Bevölkerung glaubt nicht mehr an den Sieg, in den Fremdenkolonien fürchtet.man die s Rachsucht der gereizten Volksmassen und, trotzs der beruhigenden Versicherungen der türkischen j Regierung, eine allgemeine Metzelei, und eng lische und französische Kriegsschiffe sind zum Schutze der anscheinend Bedrohten nach Mn- stantinopel unterwegs. Die Lage der Türken ist hoffnungslos. Muß die Armee auch die Stellung Tschorlu—Jstrandza aufgebsn, so dürste der Augenblick für einen Vermittlungsversuch gekommen sein. Es ist kaum anzunehmen, daß König Ferdi nand den Wunsch hegt, durch eine Eroberung Konstantinopels die Eifersucht Rußlands zu erregen. Auch in Konstantinopel werden jetzt schon Stimmen laut, die den Vermittlungsschritt der Mächte anrufen, und es ist ja auch klar, daß der türkischen Regierung nach einer neuen Niederlage kaum noch etwas andres als ein schneller Friedensschluß übrig bleibt. Die ver bündeten Balkanstaaten wollen, wie über Wien berichtet wird und wie zu erwarten war, nur gemeinsam ihre Bedingungen formulieren und vertreten, und diese Bedingungen werden gleich bedeutend mit dem Ende der europäischen Türkenherrschaft sein. Schon wendet sich alles den siegreichen Bulgaren zu, alles von den Besiegten ab. Die türkische Armee verteidigt jetzt ihr letztes Bollwerk, des Dramas letzter Akt hat begonnen. * * * Vom Kriegsschauplatz. Aus Sofia wird gemeldet: Die Hauptschlacht ist gewonnen. Adrianopel ist eingeschlossen, der Rückzug nach Konstantinopel ist nach allen Seiten abgeschnitten. Ein Nachschub von Truppen und eine Zufuhr von Lebensmitteln für die Türken ist fast unmöglich, so daß man sagen kann, der Friede wird 'ehr bald vor den Toren Konstanti nopels geschlossen werden. Man spricht von der Gefangennahme des .Kriegsministers und Generalissimus Nasim-Pascha. — Zwischen den Balkanregierungen finden gegenwärtig Ver handlungen statt, um die Forderungen fest zustellen, die die Regierungen erheben werden. Besetzung von Thasos und Jmbros durch dis Griechen. Die griechische Flotte hat die Inseln Thasos und Jmbros besetzt und dort die griechische Flagge gehißt. Der Kreuzer „Canaris" und ein Torpedoboot wurden abgesandt, um auch die Insel Strati zu besetzen. Damit bedroht Griechenland ernsthaft die Dardanellen. Griechische Kriegsschiffe an der tripolitanischen Küste. Nachrichten aus Neapel zufolge kreuzen in den libyschen Gewässern griechische Kriegsschiffe, um die Rücksendung der türkischen Truppen aus Nordafrika zu verhindern. Eine Niederlage der Montenegriner bei Skutari. Wie die .Reichspost' meldet, haben die Monte negriner bei Berdica, Beltoja und Truschi in der Bojana-Ebene bei Skutari eine Niederlage erlitten. Der Angriff machte das südliche Vor feld von Skutari frei. Dis Einnahme von Skutari ist damit verzögert, wenn nicht unmög lich gemacht. Neue Erfolge der Serbe». Bisher eroberte Serbien 33 000 Quadratkilo meter mit 1200 000 Einwohnern, alle Ver bündeten zusammen gegen 70 000 Quadrat kilometer mit 1,5 Millionen Einwohnern. Es ist beabsichtigt, die nächste Skupschtinasitzung in dem eroberten Usküb abzuhalten, der alten serbischen Zarenstadt, wo im vierzehnten Jahrhundert der bedeutendste serbische Zar, Duschan, der mächtige, vor versammelten Würdenträgern des Reiches sein Gesetzbuch, eine hochbedeutende mittelalter liche Gesetzsammlung, herausgab. Die jetzigen Skupschtinasttzungen sollen demnach eine Fort setzung jrner mittelalterlichen Gesetzgebungstätig- keit in Usküb darstellen. Dort soll die An gliederung der eroberten Gebiete feierlich voll zogen werden. Österreich und Serbien und die Sand schakfrage. Der Generalsekretär des serbischen Auswärtigen Ministeriums Jowanowitsch, der in österreichischen Regierungskreisen geschätzt wird, ist zum Ge sandten in Wien ernannt worden. Er soll auf ! beiderseitigen Wunsch eine direkte Verständigung ^Serbiens und Österreich-Ungarns über die Sandschakfrage versuchen. Das Problem wird wahrscheinlich auf handelspolitischem Gebiete Lösung finden, namentlich durch die Neutrali sierung eines Handelsweges durch den Balkan. Politische Kuncllckau. Deutschlaud. *Jn Gegenwart des Kaiserpaares hielten die amerikanischen Austauschprofessoren, der Geschichtsforscher Sloane von der Columbia- Universität und der Mediziner Minot von der Havard-Universität, in der neuen Aula der Universität in Berlin ihre Antritts vorlesungen. *Bei den bevorstehenden Beratungen des Militäretats im Reichstage wird voraussichtlich wieder die Frage angeschnitten werden, ob der Fortbestand der Jnvalidenhäuser wegen der dadurch verursachten Belastung des Heeresetats notwendig erscheint. Die Heeres verwaltung wird sehr entschieden für deren' Er haltung eintreten, da sich die Jnvalidenhäuser als eine wertvolle und segensreiche Einrichtung für die Armee dauernd erwiesen haben. 70 Offiziere und Mannschaften finden in den Jnvalideninstituten eine Zuflucht für das Alter und Pflege in oft schwerer Krankheit. Es kommt hinzu, daß das Jnvalidenhaus in Berlin den mit Glücksgütern nicht gesegneten Insassen die Möglichkeit bietet, Familienmitglieder für einen Beruf auszubilden, denen dabei die Vorteile des Elternhauses erhalten bleiben. * Gelegentlich einer Anfrage über das Enteignungsgesetz kam es impreußi- schen Abgeordvetentenhausezu sehr erregten Debatten zwischen den Gegnern des Gesetzes und der Regierung. * Wie jetzt bekannt wird, hat das Ministerium des Innern durch die Vermittlung der Nach geordneten Behörden eine Rundfrage über die Kassenarztfrage veranstaltet. Die Angelegenheit wurde zunächst ganz vertraulich behandelt, in jüngster Zeit ist die Behörde aber infolge verschiedener Rückfragen der Kranken kassen davon abgegangen. Das ministerielle Ersuchen soll dazu dienen, der Aufsichtsbehörde einen Überblick zu verschaffen, wie zurzeit die Verhältnisse zwischen Ärzten und Krankenkassen geregelt sind, und wie sich mit dem Inkraft treten der Reichsversicherungsordnung voraus sichtlich gestalten werden. Im einzelnen soll festgestellt werden, in welchem Umfange in den einzelnen Bezirken die freie Arztwahl, das Kaffenarztsystem, die bedingtfreie Arztwahl besteht. *Eine neue indische Gaunerei in Deutsch-Ostafrika wird von der,Deutsch- Ostafr. Ztg.' gemeldet. Danach haben sich die indischen Kaufleute für eine kürzlich stattgehabte regierungsseitige Revision, bei der eine Anzahl Hohlmaße, die zu klein waren, beschlagnahmt und die Inder gezwungen wurden, diese durch gesetzlich geeichte Maße zu ersetzen, dadurch schadlos gehalten, daß sie bei einer nächtlichen Versammlung in ihrer Moschee beschlossen, die Reispreise zu erhöhen, da ihr Ver dienst durch den Zwang, nach richtigem Maße zu verkaufen, zu sehr geschmälert sei. Die Be gründung dieser Preiserhöhung zeigt fast noch deutlicher als der Gebrauch falscher Maße, wie sehr durch die indischen Händler der ehrliche Geschäftsverkehr beeinträchtigt wird, ganz ab gesehen davon, daß durch den Getreidewucher der Inder die Lebenshaltung der Eingeborenen und die Bewirtschaftung der Pflanzungen in unerhörter Weise verteuert wird. England. * Die Mitglieder derdeutsch«englischen Verständigungskonferenz, die in London tagte, waren am 1. d. Mts. sämtlich Gäste König Georgs auf Schloß Windsor. In einer kurzen Ansprache hob der Monarch hervor, wie sehr er den Arbeiten der Konferenz Erfolg wünsche. Amerika. * Amerikanische Blätter hatten behauptet, daß die amerikanischen Petroleum-Gesellschaften und der Botschafter der Ver. Staaten HL Der Strirm bricbt los. 1j Historische Novelle von A. Lindne r.*) 1. . Nui den Türmen der preußischen Stadt Königsberg hoben alle Uhren die Hälfte der zehnten Morgenstunde aus. Es war ein klarer, steifer Dezembermorgen, und mit röt lichem Hauche, wie er dem Winter eigen, lag die tiesstehende Sonne auf dem Schnee der Dächer, oder spiegelte sich auf dem breiten ge frorenen Spiegel des Pregelstromes. Wir sind im Hause des Gymnasialdirektors Delbrück. Derselbe sitzt im langen, schlafrock- ähnlichen Tuchrock am breiten, mit Büchern be deckten Tische, neben sich die gefüllte Kaffeetaffe, im Mund die lange Pfeife, in den Händen ein aufgeschlagenes Buch, das er mit dem Varinas einräuchern zu wollen schien, so dicht bläst er Tabakswolken über die unglücklichen lateinischen Wöner hin, daß Ariovist und Ambiorix samt allen Kelten und Germanen schier zu ersticken drohen; denn das Buch sind die gallischen Kommentare Julius Cäsars. Aber der Professor Delbrück war nicht allein. Wir haben noch drei Personen als im Zimmer anwesend zu nennen. Da ist erstens des Professors Töchterchen Elite, eine schlanke, blonde, blauäugige, echte Germanentochter, in s deren Augen allerlei Ideale leuchten. Sie sitzt auf dem erhöhten Fenstersitz und blickt wie geistesabwesend in die Straße hinaus, wo in *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. diesem Augenblick nichts weiter zu sehen ist, als güterbeladene Rollwagen, die nach den Lade plätzen hinunterfahren, kreischende Fischhändle rinnen und in die Hände pustende Lehrjungen oder zur Post eilende Kommis. Ihre rechte Hand läßt verstohlen zwischen Stuhl und Fensterwand einen Brief am Kleide hinab- hängen, und zwei Finger pressen denselben so auffallend, daß es den Anschein hat, als wenn sie dem Briefe gerade diesen Platz angewiesen habe, um ihn den übrigen zu verbergen. Eine zweite Figur, lang aufgeschossen, zu geknöpft bis an den Hals, mit einem faden scheinigen, durch die Länge der Zeit glänzend gewordenen Rocke, der oben eine rote, kattunene Halsbinde sehen läßt, steht an der andern Seite des Studiertisches. Es ist der Famulus des Gymnasiums, Ehrenfest, zwar stramm noch an Haltung, aber verwittert in seinen Gesichts zügen, deren ausschließlicher Charakter Pedan terie ist. Die dritte Gestalt ist eine militärische. Der Hauptmann Gräff ist mit einem Auftrag des Generals Jork aus dem preußischen Haupt quartier bei Tauroggen, auf russischem Gebiet jenseits der Memel, in der ostpreußischen Haupt stadt eingetroffen, hat einige Tage daselbst zu tun gehabt und scheint, wie er so auf den Säbel gestützt und den Tschako in der Hand haltend, an der Tür steht, von der Familie Delbrück sich verabschieden zu wollen, wozu ihn der gelehrte Eifer des Professors noch nicht hat kommen lassen. Der warmglühende Blick, den er bisweilen auf die in Gedanken versunkene Elise wirft, verrät uns nicht bloß, daß er im allgemeinen ein Freund des Hauses Delbrück, sondern zu der Tochter noch in besonderem, viel leicht zärtlicherem Bezug stehen müsse. „Llomiusm esse darbarum!" ruft der Pro fessor aus dem Buche, aber in fragendem Tone, wie etwa der Lehrer, der dem Schüler einen Text zum übersetzen vorsagt. „Er sei ein Barbar!" lautet die Über setzung, aber die Stimme kommt nicht vom Famulus, nicht vom Hauptmann, sondern vom Fenster her, von Elise. „Richtig, mein Kind," fährt der Professor fort. „Die Wälschen nannten die Germanen von jeher Barbaren, die nicht im Besitz der griechischen und römischen Zivilisation waren. Irrwunämn —" „Aufbrausend," antwortet die gelehrte junge Dame, aber stets noch mit demselben abwesenden Augenausdruck, der das übersetzungsgeschäft als etwas ganz Mechanisches erscheinen ließ. „Nsmsrarium —" „Tollkühn Der Vater nickte befriedigt. „Das wären dann die Hauptzüge im Charakter Ariovisti -" Der Famulus an der andern Seite hob den Vorderarm und tat einen steifen Schritt den Tisch entlang. Der alte Gelehrte lächelte zu ihm hinüber. „In Seinem nicht, Famule Arioviste, in Seinem nicht. Er ist vielmehr ein de- und wehmütiger, ein verzagter Mann, obwohl ein Namensvetter jenes Feldherrn Ariovistus, welcher Name, in das Einheimische übertragen, gegen das vom Deutschen Reiche beabsichtigte Petroleum-Monopol in Berlin förm lichen Einspruch erhoben hätten. Diese Behauptung wird von der Regierung der Ver. Staaten entschieden zurückgewiesen. — Es liegt kein Grund zu einer Einmischung in Deutsch lands innere Angelegenheiten vor. * Der Vizepräsident der Ver. Staaten Sherman ist, 57 Jahre alt, gestorben. — Er war 1908 mit Taft zusammen gewählt worden und trat auch in dem gegenwärtigen Wahlkampf als republikanischer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten auf. Eine Prophezeiung M-ul Hamids. (Ein Gespräch des Sultans mit König Oskar von Schweden.) In einer Unterredung, die Abdul Hamid zu der Zeit, als er noch Sultan war, mit dem König Oskar von Schweden hatte, sprach er sich über die Aussichten eines jungtürkischen Heeres in einer Weise aus, die heute bei dem Versagen der Jungtürken im Kriege geradezu als prophetisch bezeichnet werden muß. Das Gespräch fand schon vor mehr als 25 Jahren statt, als der König Oskar von Schweden wegen der Erkrankung seines Sohnes, des Prinzen Karl, nach Konstantinopel kam. Der Sultan äußerte sich folgendermaßen: „In unserm Islam liegt unsre Einigkeit und unsre Stärke. Nehmen Euer Majestät dem gemeinen Soldaten den Glauben, daß sein Tod auf dem Schlachtfelde ihm das Paradies öffnet, und sein Mut, seine Freudigkeit, mit denen ec jetzt kämpft und Großes dadurch vollbringt, wird wankend werden. Der Islam ist die Stütze, die feste Stütze des Kalifen, und ein Sultan ist in erster Linie Kalif und dann Herrscher. Euer Majestät ersehen daraus, daß ich deutsche Offi ziere als Reformer herberufen Habs, daß ich den Fortschritt, die Reform auf gewissen Gebieten fördern will. Es ist der Anfang, und nur lang sam kann es sich weiter entwickeln, soll es zum Segen sür ein Volk werden, das bisher streng abgeschlossen von allem lebte. Ich bin nicht für eine Kultur, die nur Sozialisten ins Land bringt, mit jenen aufgeklärten Ideen, die nur den einfachen Mann irreleiten. Bis jetzt kennen wir keine Sozialdemokratie, gibt es erst überall Eisenbahnen, sodaß man leicht ins Land ein dringen und reisen kann, dann werden körper lichen und seelischen Krankheiten die Tore ge öffnet, und ich gestehe, davor bangt mir! Ich sehe schon die Schwierigkeiten beim Militär! Der Muselmann gehorcht blindlings dem Musel mann, seinem Vorgesetzten — dem Reformer, dem Christen, dem deutschen Offizier würde ich kaum im Falle eines Krieges dir Machtvoll kommenheit einräumen können, wie ich sie dem Muselmann seinen Untergebenen gegenüber geben kann. Ich würde mit solcher Reform einen Konflikt heraufbeschwören, der sich dereinst rächen dürste. Im Glauben, im Althergebrachten wurzelt die Disziplin meiner Soldaten. Gibt man ihnen dafür Freiheit, Gleichheit, muß man sie erst dazu erziehen und bilden von der Kinderstube an. Ich bin zu alt zu solchem großen Kampf, ich will nur die Vorbildung geben, die Früchte der Reform, die ohne Kampf nicht reifen werden, wird und soll mein Volk nach mir ernten. Euer Majestät sehen, ich bin nicht gegen die Reform in gegebenen Grenzen. Niederreißen ist leichter als Aufbauen, nur auf festem Fundament kann man Großes aufbauen. Ich arbeite am Fundament, damit meine Nach kommen ihr Reformreich darauf ausbauen können. Sonst würde das ganze Gebäude zusammenstürzen und unter seinen Trümmern die Reformer begraben, die nicht die Zeit der Reife abwarten tonnten. — Ich danke Euer Majestät, daß Euer Majestät mir Gelegenheit gaben, mich einmal gegen einen Vorwurf zu verteidigen, der — ich weiß es wohl — mir allgemein gemacht wird. Ich wünsche aber Euer Majestät und mir, daß wir die Um wälzung nicht noch erleben." Dieses vor einigen Jahren in der .Deutschen Revue' ver öffentlichte Gespräch zwischen Abdul Hamid und König Oskar gewinnt heute ein ganz besonderes Inters sse. in'. allerdings bedeutet „Ehrenfest". Jetzt reich' Er mir des Cäsaris fünftes Buch." Ehrenfest griff auf dem Tische mit dem langen Arme eine zweite Ausgabe des Cäsar auf, schlug die Blätter um und reichte seinem Herrn das Buch mit den Worten: „Sechstes Kapitel: Oommsutamorum." Delbrück schob die Augenbraunen erstaunt in die Höhe und fragte: „Woher weiß Er, Famule, daß ich daS sechste Kapitel wünsche — ?" „Haben in diesen kriegerischen Zeiten," ant- wartete Ehrenfest mit jenem langweiligen Pathos, wie ihn halbgelehrte Diener eines Ganz- gelehrten anzunehmen pflegen, „haben deS öfteren die germanischen und gallischen Feld- hauplleute mit unsern Schülern in Vergleich ge zogen. Nach Ariovistum nehmen wir den Dum- vorigem." „Gut, Famule," nickte der Professor. „Den Vertreter der gallischen Nasse: Dumnorix — Napoleon; Ariovistus — General Jork." „Bst! Bst!" machte Ehrenfest, indem er wamend den Finger hob. „Er nicht, Arioviste Famule, Er nicht!" rief, Delbrück etwas unwillig. „Was hätte Er denn für Ähnliches mit dem General Jork? Aber was will Er denn?" Die letzte Frage bezog sich auf den fort- während ängstlich wackelnden Finger des alten > Dieners, der seiner steifen Haltung einen Stoß . gab und sich leicht über den Tisch neigte mit den gedämpften Worten: „Der französische Kommandant — Tugend bund — Verwarnung —"
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