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Allgemeiner Anzeiger : 25.09.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191209256
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120925
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-09
- Tag 1912-09-25
-
Monat
1912-09
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.09.1912
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N' ver Stoß gegen Deutschland. Die jetzt abgeschloffenen Manöver in Deutschland geben dem ,Echo de Paris' erneut Anlaß, sich sür die Wiedereinführung der drei- jährigen Dienstzeit für alle Truppengattungen energisch einzusetzen. Das Blatt richtet an den Kriegsminister Millerand die dringende Auf forderung, die durch Wiedereinführung des Zapfenstreichs mit Musik geweckte patriotische Stimmung rasch und nachdrücklichst auszunutzen. Millerand sei der rechte Mann, über die Be denken einiger vor dem radikalen Parteichef zitternder Minister zu triumphieren. Die Wählerschaften würden, wenn man in das zu schaffende Gesetz über die dreijährige Dienstzeit gewiffeAusnahmebestimmungenaufnehmenwürde, sich nicht allzu widerspenstig zeigen. Auf den Ministerpräsidenten Poincarö wird von militä rischer Seite eingewirkt, sich auf der Höhe seiner patriotischen Aufgabe zu zeigen. Er habe fa die Überzeugung ge wonnen, daß die schwerfällige Mobilisierung der russischen Armee ein sehr ernstes Hindernis des erfolgversprechenden Ansturmes gegen Deutsch land sei. Frankreich müsse daher aus eigenen Kräften diesen Stoß unternehmen, und die drei jährige Dienstzeit für alle Waffengattungen sei die sicherste Bürgschaft des Gelingens der von der Bevölkerung so heiß ersehnten Revanche. Der Artikel entstammt der Idee eines Generals, der zum Schluß seiner Ausführungen erklärt, daß der größte Teil der Generalität seiner Meinung sei. Heer und Volk sehen in der Neuordnung von Frankreichs Mittelmeerpolilik ein bedeutsames Zeichen dafür, daß die Regie rung entschlossen sei, ihr Zaudern und ihre Hoff nung auf fremde Hilfe aufzugsben und auf eigene Faust zu handeln in einem Augenblick, der zur Entscheidung dränge. In einem andern Artikel führt das Blatt aus, die geplante Zu sammenziehung der französischen Seestreitkräfte im Mittelmeer habe bei den Dreibundmächten große Bestürzung hervorgerufen, was das beste Zeichen der Schwäche sei. — Die Schreibereien der deutschfeindlichen Blätter sind nicht ernst zu nehmen. Der Dreibund ist durchaus nicht in Schrecken versetzt. In Berlin und Wien hat man sich zu dem Schritt Frankreichs noch nicht geäußert und die Meinung Italiens, das ja zunächst interessiert ist, kommt in einem halbamtlichen Blatte zum Ausdruck, das sich in keiner Weise bestürzt zeigt, sondern ganz sach lich ausiührt: „Frankreichs Maßnahme und das zugehörige französisch-englische Einvernehmen versetzt natürlich Italien in die Notwendigkeit, seine äußerpolitischen Beziehungen einheitlicher zu gestalten und in Zukunft Zwiespalte auszu schließen, wie sie bei dem gesteigerten Gegensatz zwischen Italiens Verbündeten und den Entente mächten sicher eintreten würden, wenn Italien fortsühre, zur See mit England und Frank reich und zu Lande als Dreibundmacht Ob liegenheiten zu haben. Freilich wird Frank reichs Maßnahme auch viel zu sehr als Äuße rung französischer Mißgunst gegen Italien und des französischen Anspruchs auf Vorherr schaft im ganzen Mittelmeer empfunden, um nicht auch einzelne Kundgebungen des italienischen Willens hervorzurufen, diesem Anspruch entgegen zuwirken, erstens durch Verstärkung der ita lienischen Flottsnmacht und zweitens durch ein Zusammenwirken mit Osterreich-Ungarn. Die Lage ist so, wie sie vor zwei Jahren der Minister des Äußeren San Giuliano vor dem Parlament schilderte, als er sagte, daß Italien ein Interesse daran habe, Österreich-Ungarn zur See stark werden zu sehen." — Mt diesen Worten ist ganz deutlich gesagt, daß Italien entschlossen ist, sich völlig an den Dreibund — auch hinsichtlich seiner Miitelmeerintersffen — anzuschtießen. Die Maßnahme Frankreichs, die eine Drohung gegen Italien sein sollte, hat also zunächst die Wirkung, daß Italien künftig alle Schwankungen in seiner äußeren Politik vermeiden und damit die innere Geschlossenheit des Dreibundes erhöhen wird. Der „Stoß gegen Deutschland" ist also nicht vernichtend. Auch gegenüber dieser neuen Rüstungsmaßnahme unsres westlichen Nachbars können wir ruhig bleiben und abwarten, was die Zukunft bringt — wenn wir auf der Wacht sind. Politilcke Kuncilckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat aus Anlaß der Beendigung der Manöver der Hochseeflotte dem Chef der Flotte, Admiral v. Holtzendorff, den Schwarzen Adlerorden verliehen. * Gegen die Boxkämpfe unter den Schülern und andre Ausschreitungen sport licher und turnerischer Art wendet sich ein Erlaß des preußischen Unterrichtsministers, der darauf aufmerksam macht, daß das Boxen nicht zu den lehrplanmäßigen Übungen des Turnunterrichts gehört. Eine Unterweisung hierin ist unstatthaft. Auch darf das Boxen der Schüler in den Räumen und auf den Plätzen der Schule nicht geduldet werden. Es ist mehrfach beobachtet worden, daß sich einzelne Schüler in dem Be streben, andre durch ihre Leistungen zu Über treffen, beim Turnen, Spielen oder Sport zu übermäßiger Anspannung ihrer jugendlichen Kräfte Hinreißen lassen. Solche Übertreibungen können zu ernstlicher Schädigung der Gesund heit sowie zu Störungen der gesamten Körper entwicklung führen und sind geeignet, weitere Kreise gegen turnerische und sportliche Betäti gung überhaupt bedenklich und mißtrauisch zu machen. Ihnen muß daher von allen Freunden gesunder Leibesübungen, insbesondere von den Turnlehrern und Spielleitern nachdrücklich ent gegengetreten werden. * Zu der Aufhebung einer Ein geborenenbande in Südwestafrika berichtet das Gouvernement weiter, daß die auf der überfallenen Buschmannswerft ansässigen Eingeborenen früher zu den Leuten Simon Koppers gehört hatten und wegen schlechter Behandlung auf deutsches Gebiet entlaufen waren. Die Eingeborenenbande soll bei dem Überfall auf Vie Buschmannswerst den Zweck verfolgt haben, diese entlaufenen Leute wieder zurückzuholen. — Jedenfalls darf man als fest stehend ansehen, daß nicht Simon Köpper selbst die Grenze überschritten, sondern einige seiner Leute hinübergeschickt hat, die alsbald unsckiädlich gemacht wurden. Die erhöhte Auf merksamkeit dec Grenzbehörde wird hoffentlich dafür Sorge tragen, daß es bei dem fehl- geschlagenen Versuch, neue Unruhe in unsre Kolonie zu tragen, sein Bewenden habe. Osterreich-Ungar«. * Infolge der letzten Vorkommnisse im ungarischen Parlament haben die Regierungsgegner beschlossen, auch die Ver handlungen der Delegation (Vertreter beider Neichshälften) zu verhindern. Infolgedessen sind in Wien umfassende Maßnahmen getroffen worden, um die Beratungen der gemeinsamen Vertreter vor jeder Störung zu sichern. England. * Der plötzliche Abbruch der Manöver hat in ganz England gewaltigen Eindruck ge macht. Die Regierung hat sich deshalb veran laßt gesehen, eine beruhigende Erklärung zu erlassen, in der ausgeführt wird, der Abbruch der Manöver sei erfolgt, weil der ausgezeichnete Aufklärungsdienst der Flugzeuge weitere Operationen zwecklos gemacht habe. Schweiz. *Die in Genf tagende interparlamentarische Konferenz sprach sich einstimmig sür den Grund satz eines internationalen Zwangs schiedsgerichts aus. Praktische Bedeutung dürfte dieser Beschluß jedoch kaum haben, da die Friedenskonferenzen im Haag hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit an die Grenze des Erreich baren angekommen sind. Rußland. * Das Marineministerium hat jetzt mit der Ausführung des „kleinen Flotten programms" begonnen. Mit einem Kosten aufwand von 20 Millionen Mark sollen zunächst die vier größten Wersten des Zarenreiches er- weitert werden. Der Ausgabeetat des russischen Marineministeriums für 1913 ist auf 460 Mill. Mark festgesetzt, davon entfallen 139 Mill. Mk. auf den Schiffbau des kleinen Programms, 36 Millionen auf den Weiterbau von vier Linienschiffen und 56 Millionen auf den Weiter bau von Schiffen der Schwarzmeerflotte. Balkanstaaten. * Die Nachrichten von der türkisch- montenegrinischen Grenze lauten beunruhigend. Bei Zusammenstö ßen der Truppen mit den Malifforen, unter denen sich angeblich zahlreiche Montenegriner befinden, wurden 25 Soldaten getötet und 85 verletzt. Von den Aufständischen sollen 118 gefallen und 97 verwundet worden sein. Die türkische Regierung hat sich infolge dieses Zwischenfalls zu energischen Maßregeln entschlossen und sechs Bataillone nach den bedrohten Grenzorten gesandt. Auch an der serbischen Grenze regt sich's wieder. Die Regierung in Belgrad hat an die Türkei eine Note gerichtet, daß sie der Volksstimmung, die immer erbitterter werde, nicht gebieten könne; sie werde zum Einschreiten gezwungen, falls die Türkei nicht umgehend die mazedonischen Reformen durchführe. Vom loLialäemokratilcbeli Parteitage. Am vierten Verhandlungstage setzte der sozialdemokratische Parteitag in Chemnitz die Aussprache über das Stichwahlabkommen mit der fortschrittlichen Volkspartei fort. Nach längerer Debatte lief ein Antrag des Reichs- tagsabg. Stadthagen ein, der das Stichwahl abkommen insoweit bedauert, als es die Dämpfung empfiehlt. Nach weiteren Aus führungen erklärt im Schlußwort Scheidemann: Die Genossen stellen es so hin, als ob wir den Freisinnigen gegenüber in einer besonders an genehmen Lage gewesen wären. Das ist durchaus nicht der Fall. Wir waren an die Stichwahlparole gebunden, die der vorjährige Parteitag in Jena beschlossen hatte. Die Stichwahlparole schrieb nur sehr minimale Be dingungen vor. Das wußten natürlich die Freisinnigen. Sie wußten, daß wir durch den Parteibeschluß gefesselt waren und für sie selbst für den Fall stimmen mußten, daß sie in manchen Kreisen für die Gegner eintraten. Wir verdienen kein Lob, wir haben nur unsre Schuldigkeit getan. Wir verdienen aber auch keinen Tadel, und deshalb ersuche ich dringend, über alle Anträge zur Tagesordnung überzu gehen. Mit großer Mehrheit beschloß der Parteitag demgemäß. Er billigte also nachträglich das vielumstrittene Stichwahlabkommen. Es kam dann im Verlauf der weiteren Verhandlungen zu einem Zusammenstoß zwischen Radikalen und Revisionisten wegen der von den Radikalen in Eisenach einberufenen Sonderkonferenz. Ein vom Abg. Ledebour eingebrachter Anttag, wo nach unverbindliche Besprechungen einzelner Ge nossen unvermeidlich feien, wurde von Hoch unterstützt, von David und Frank bekämpft. Nachdem ein Antrag Sindermann eingelaufen war, der Parteitag solle den dringenden Wunsch aussprechen, daß die Genossen künftighin Sonderkonferenzen bestimmter Richtung ver meiden, trat Bebel in längerer Rede für An nahme dieses Anttages ein. — Zum Schluß erinnerte der Vorsitzende an die Budapester Vorgänge und erklärte, die deutsche Sozial demokratie begleite diese Kämpfe der ungarifchen Arbeiter sür das Wahlrecht mit voller Sym pathie und sende den ungarischen Kämpfern die besten Grüße. Die Luftfahrt nach Kopenhagen. - — 800 Kilometer i» 12 Stunden. — Die Fahrt des Zeppelinluftschiffes „Hansa" von Hauwurg nach Kopenhagen, auf die man weit über Deutschlands Grenzen hinaus mit großem Interesse blickte, hat am 19. d. Mts. statt gesunden und einen glänzenden Verlauf ge nommen. Auf der Heimfahrt wählte man den geraden Weg, der in der Luftlinie 300 Kilometer mißt. Das Luftschiff, das Graf Zeppelin per sönlich führte, war mit zehn Passagieren an Bord kurz vor 4 Uhr aufgestiegen. Um V-11 Uhr traf das Luftschiff über Kopenhagen ein und wurde von der Bevölkerung begeistert begrüßt. In langsamer Fahrt fuhr die „Hansa" in etwa 200 Meter Höhe zum Flugplatz. Sie führte darauf eine Rundfahrt über der Stadt aus, wobei sie dicht an dem auf der Kopenhagener Reede liegenden englischen Kreuzergeschwader vorüberfuhr. Das Luftschiff überflog die Lange- linie und dann in langsamer Fahrt die See ländische Küste aufwärts und beschrieb einen riesigen Bogen um die Stadt. Bei der Landung brachte eine riesige Volksmenge dem Grafen Zeppelin nicht endenwollende Huldigungen dar. Die Rückfahrt wurde bereits nach einer Stunde angetteten. Das Luftschiff nahm diesmal direkten Kurs nach Schweden, um über Malmö zu fahren, wo sich Tausende von Zuschauern am Strande versammelt hatten, um das Riesenluftschiff zu begrüßen. Graf Zeppelin ging bis auf hundert Meter nieder und machte zwei Schleifen über dem Badeort. Das Wetter war außerordent lich günstig, die Fernsicht so klar, daß die Passagiere noch in der Nähe von Malmö in 300 Meter Höhe das „nordische Venedig" in vollem Sonnenglanz liegen sehen konnten. Es wurde dann die südliche Richtung einge schlagen und auf die Spitze der Insel Laland zugehalten. Von dort aus wurde Kurs nach der Mecklenburger Bucht genommen, und zwar nach Arendsee, das ebenfalls glatt überflogen wurde. Dann wurde weiter über die Halbinsel auf Wustrow zu geflogen. Von hier aus kreuzte die „Hansa" die Wismarer Bucht in der Richtung nach Travemünde. Um 3 Uhr 30 Min. wurde Lübeck überflogen. Um 3 Uhr 45 Min. wurde die „Hansa" in Hamburg von der Luftschiffhalle in nördlicher Richtung ge sichtet. Um 4 Uhr 5 Min. kreuzte sie schon über dem Hamburger Flugplatz und zeigte die rote Landungsflagge. Das Luftschiff wendete aber wieder, um gegen den Wind zu kommen, machte noch einmal zwei Schleifen über Hamburg und steuerte dann direkt auf hie Halle zu, wo es um 4 Uhr 40 Min. landete. Die Rückfahrt stellt einen Rekord dar, da die „Hansa" eine zweihundertzehn Kilometer lange Strecke über der offenen See zurück gelegt hat. Der Eildampfer braucht zur Be wältigung dieser Strecke reichlich acht Stunden, während die „Hansa" etwa 3^ Stunden zu diesem Fluge benötigte. Der Rekord dieses Seefluges dürfte in nächster Zeit wohl nur von einem andern Schiff des gleichen Systems erreicht oder gar übertroffen werden. Es hat sich hier gezeigt, daß ein Zeppelin- Luftschiff imstande ist, eine Fahrt über Land und Meer in einer Gesamtlänge von 800 Kilometern in der Fahrzeit von etwa zwölf Stunden zurückzulegen. Graf Zeppelin war über den Verlauf der Fahrt außerordentlich zu frieden. Er drückte auch der Mannschaft seine große Zufriedenheit aus. — Sämtliche Teil nehmer an der Kopenhagenfahrt waren von dem Empfang, der ihnen in der dänischen Hauptstadt bereitet worden ist, entzückt. Wenn man den Wert dieser Fahrt richtig einschätzen will, so muß man sich vor Augen halten, daß nicht die Länge der zurückgelegten Strecke für die Beurteilung des Erfolges maß geblich ist — Zeppelin-Lustschiffe haben schon weitere Fahrten gemacht — sondern die Tat fache, daß ein deutsches Lenkluftschiff über das Meer in ein fremdes Land gefahren ist. Das Luftschiff „Hansa" ist das dritte Zeppelin-Luft schiff, das für weite Passagierfahrten bestimmt ist. Die Maße des Luftschiffes find folgende: Länge 148 Meter, Durchmesser 15 Meter und 18 700 Kubikmeter Inhalt. Drei Motoren von je 170 Pferdekräften und vier Luftschrauben verleihen dem Luftschiff eine Eigengeschwindig keit von 21 Sekunden-Meter und machen es damit zum schnellsten Luftkreuzer der Welt. Die „Hansa" kann in zwei Gondeln zwanzig bis dreißig Personen gleichzeitig befördern. U Bns I-icbt gebracht. 4! Roman von H. Köhler. Tas war jetzt ein Fragen und Erzählen unter den fröhlichen, guten Menschen, und die Frau Professor führte dann den Justizrat in sein Zimmer hinauf, das sie ihm eingerichtet hatte, als ob er sich dort für Lebenszeit ein- auartieren solle; und Rosa nahm Käthchen und Elisabeth unter den Arm und fprang mit ihnen nach deren Gemach, das eher einem Puvpen- stübchen aus dem Feenreiche, als einem Wohn ort für irdische Wesen glich. Dann sollten sie, begreiflich, noch einmal zu Mittag speisen, was aber natürlich entschieden abgelehnt werden mußte; denn es war kaum vier Uhr vorbei, und nur dem Kaffee konnte und wollte der Justizrat nicht' ausweichen, der hinunier in die mit schon reifen Trauben be hangene Weinlaube getragen und dort mit einer guten Zigarre genossen wurde. Aber die Mädchen hatten keine Ruhe dort und einander so unendlich viel zu erzählen — eigentlich, merkwürdig, da sie sich fast wöchent lich bogenlange Briese schrieben —daß es ihnen in der Laube keine Ruhe ließ und sie jetzt Arm in Arm durch den Garten wanderten, um sich endlich einmal ordentlich auszusprechen. „Sage 'mal, Rosa," fragte da Elisabeth endlich, die bis jetzt die Stillste gewesen war, denn immer noch suchte sie in ihrem Gedächtnis nach dem Bild des Fremden, und ärgerte sich dabei eigentlich über sich selber, daß ein ihr vollkommen fremder Mann, der ihr doch höchst gleichgültig sein mußte, ihre Gedanken so in Anspruch nehmen konnte, was ist das für eine Klara Paßwitz, von der du vorhin sprachst?" „Klara? Ei die Tochter des Medizinal rats, der auch mit deinem Vater sehr befreundet ist!" rief Rosa, „und ein liebes gutes Mädchen — aber ja so, das wollte ich dir ja noch erzählen, weil du mich vorhin nach ihrem Bräutigam fragtest, der uns an der Lan dungsbrücke grüßte." „Kennst du ihn denn, Lily," fragte Käthchen erstaunt. „Nein," lächelte die Schwester; „aber lein Gesicht muß ich schon irgendwo einmal gesehen haben, kann mich aber nicht besinnen wo, so viel ich mich auch schon deshalb abgequält habe." „Nun, das müßte bei uns in Hoßburg ge wesen sein," meinte die Schwester. „Vielleicht war er einmal dort zum Besuch." „Ich glaube kaum," sagte Rosa,. „denn so viel ich weiß, ist er erst vor ganz kurzer Zeit von Paris zurückgekehrt, wo er sich durch Spekulation ein bedeutendes Vermögen erworben und sich jetzt hier in der Nachbarschaft — wenigftens nicht so weit entfernt — angekaust hat." „Und er wird Klara Paßwitz heiraten?" „Ja, das ist eine wunderliche Geschichte," meinte Rosa geheimnisvoll. „Mara kannte ihn fast noch gar nicht, er war nur ein paarmal, von irgend jemand — ich weiß nicht von wem — an ihren Vater empfohlen, in ihrem Hause gewesen, hatte aber viel mit dem Vater verkehrt und diesen auch einmal bewogen, ihn mit der Tochter auf seinem Gut zu besuchen — es liegt ein Stück den Rhein hinauf, irgendwo da hinter Godesberg — und von dem Augenblick an schien die Sache zwischen ihm und Klaras Papa abgemacht zu sein, ohne daß Klara — doch als die Hauptperson — nur be sonders darum gefragt worden wäre." „Und liebt sie ihn denn nicht?" fragte Käthchen rasch. „Ja," meinte Rosa, sehr altklug die Achseln zuckend, „das ist eine Sache, hinter die ich selber noch nicht recht kommen kann. Manchmal scheint es mir allerdings, als ob sie ganz mit der Ver bindung einverstanden wäre, und dann wieder sieht sie so unglücklich aus, als ob ihr das Herz über irgend einem geheimen Gram brechen wolle. In der Stadt sagt man auch allgemein, daß es nur eine gezwungene Heirat wäre, zu der sie ihr Vater gedrängt hätte." „Aber er wirb doch wahrlich seine Tochter nicht zu einer Heirat zwingen wollen!" rief Käthchen. „Er wird sie gerade nicht zwingen," meinte Rosa, „aber ihr solange damit in den Ohren gelegen und von der guten Partie gesprochen haben, bis sie ihn zuletzt heiratet, um nur nichts mehr von der Sache zu hören." „Das wäre auch eine eigene Manier, jemand los zu werden," lachte Käthchen, „mau heiratet ihn einfach." „Kennst du den jungen Herrn näher, Rosa ?" fragte Elisabeth. „Näher? Er war ein paarmal mit Paß« witzens bei uns." „Und sind sie schon verlobt?" „Auch daraus bin ich noch nicht recht klug geworden," meinte Rosa, „in der Stadt heißt es allerdings so, Klara weicht aber allen Fragen aus. So viel ist sicher, daß sie die Trauung noch eine Zeitlang hinausgeschoben hat; denn wäre die schon bestimmt, so würde ich es ge wiß erfahren haben. Herr von Berger scheint allerdings nicht damü einverstanden; wenn Klara aber einmal ihren kleinen Trotzkopf aufsetzt, ist auch nicht viel mit ihr anzufangen.' „Das wäre ein sonderbares Verhältnis," sagte Elisabeth kopfschüttelnd, „wo sich die Braut vor der Trauung fürchtet und sie solange als mög lich hinauszuschieben sucht." „Und ich weiß wirklich nicht recht weshalb!" rief Rosa; „denn Berger ist in der Tat ein liebenswürdiger Mensch und, wenn er nicht gerade seine „finstere Stunde" hat, wie wir es nennen, fast ausgelassen lustig und dabei un erschöpflich in geselliger Unterhaltung. Wir haben einige wirklich herrliche Abende in seiner Gesellschaft verlebt, und da hat er sich so liebens würdig gezeigt, daß ich ihm selber gut sein könnte." „Dann überläßt ihn dir Klara vielleicht," lachte Käthchen, „und damit wäre euch am Ende beiden geholfen." „Wer Käthchen!" rief Rosa vorwurfsvoll, „du bist doch ein ausgelassen Ding geworden." „Ach was," lachte Käthchen, „wunderbarere Sachen find schon vorgekommen. Ist er denn hübsch?" „Sehr hübsch," sagte Rosa, die aus den Scherz der Freundin einging, „und sehr reich dabei." „Also, was willst du mehr?" neckte Käthchen,.
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