Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 12.10.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191210123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19121012
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19121012
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-10
- Tag 1912-10-12
-
Monat
1912-10
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.10.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Der Uampf mn den Frieden. T Nach lagslangen Verhandlungen ist end lich zwischen den Großmächten in letzier Stunde eine Vereinbarung über ihre Stellung zur Lage aui dem Balkan getroffen worden. Bemerkens wert ist, daß auch das zögernde und schwankende England für einen gemeinsamen Schritt gewonnen worden ist. Wenn auch dieser „gemeinsame Schritt", wie immer diplomatische Mgßnahmen, die die ganze Welt bewegen, mit dem Schleier des Geheimnisses umkleidet wird, so ist nach dem, was über die Verhandlungen der Kabinette bekannt geworden ist, kaum noch zweifelhaft, was die Mächte be schlossen baden. Die Bereitwilligkeit, die Forde rung nach Reformen für Mazedonien in Kon stantinopel mit allem Nachdruck zu unterstützen, wird den Kabinetten in Athen, Sofia, Belgrad und Cetinje ebenso offen dargelegt werden, wie die Nutzlosigkeit eines kriegerischen Vor gebens, soweit es auf Landerwerb abzielen sollte. In ihren Entschließungen über Krieg oder Frieden bleiben die Regierungen natürlich irei, und iie ha. en es mit sich selber abzu machen, ob sie an die Geschlossenheit der Groß mächte und an die Ernstlichkeit ihres Vorsatzes, das Mächteverhältnis aui dem Balkan unter allen Umständen unangetastet zu lassen, glauben wollen oder nicht. Aber die Verantwortung für die kommende» Ereignisse tragen sie. völlig allein. Was die Türkei an belangt, so ist sie den verhandelnden Mächten insofern zuvorgekommen, als sie verkündet hat, sie werde das (bisher nicht angewandte) auf Mazedonien bezügliche umfassende Neformgesetz von 1880 auf alle christlichen Gebiete ausdehnen, und auch nachdrücklichst zur Anwendung bringen. Akan wird also den türkischen Staatsmännern nicht die Anerkennung versagen können, daß sie nicht alles getan hätten, um einen Waffeugang zu vermeiden. Die Lage ist also klar. Und! der englische Minister des Äußeren, Grey, der erst jetzt nach London zurückgekehrt ist, hat sie im Unterhause folgendermaßen treffend gekenn zeichnet: „Die Lage auf dem Balkan ist so ernst, daß man trotz der Bemühungen der Groß mächte kaum glauben kann, es werde sich ein Bruch des Friedens vermeiden lassen. Die beiden Punkte, auf die sich die Aufmerksamkeit der Mächte hauptsächlich gerichtet Hal, sind der Ausdruck ernster Miß billigung eines Friedensbruches auf dem Ballan und die Notwendigkeit, die Reformen in der europäischen Türkei wirklich durchzuführen. Diese Notwendigkeit ist bereits von der türkischen Re gierung zugegeben worden, und die Einführung wirksamer Reformen sollte der Türkei den fried lichen Besitz ihrer europäischen Provinzen sichern. Dre Schwierigkeit ist aus der einen Seite für die Türkei, angesichts der Mobilisierungen der Balkanstaaten zu Reformen zu schreiten, und anderseits die Ballanstaaten zu überzeugen, daß die versprochenen Reformen das Wohlergehen der mazedonischen Bevölkerung wirksam sichern werden. In Rußland und Österreich, den europäischen Großmächien, die am un- miitelbarsten am Balkan interessiert sind und deren Grenzen durch einen Krieg in jener Gegend am meisten in Mitleidenschaft gezogen würden, herrsch! der eifrigste Wunsch, den Frieden aufrecht erhalten zu sehen, und dies ist, meiner sesten Überzeugung nach, eine Bürgschaft dafür, daß, wenn trotz aller Bemühungen der Friede aus dem Balkan gebrochen wird, keine der europäischen Großmächte in den Krieg hinein gezogen werden wird!" Es ist recht bezeichnend für unsre Zeil, daß der Staatssekretär auf eine Anfrage aus dem radikalen Lager, warum der Balkanstreit nicht vor das Haager Schiedsgericht gebracht worden ist, die Antwort verweigerte, „um nichts zu tun, was die Einigkeit der Mächte irgendwie stören könnte." Die Schieds gerichtsidee hat offenbar seit dem Ausbruch des Tripoliskrieges allen Kredit verloren. Daß übrigens das geschlossene Borgeyen der Groß mächte Lie Haltung der Balkasstaaten vorläufig wenigstens nicht beeinflußt, zeige» die teilweise amtlichen Äußerungen der Presse zu dem neuen Refounoorschlag der Türkei. Besonders in Serbien, wo man schon vor zwei Jahren, als Bosnien und die Herzegowina Österreich angegliedert wurden, am liebsten los geschlagen hätte, will man sich nicht zufrieden geben, und trotz der Enttäuschung, die Ruß lands Zurückhaltung unzweifelhaft im Lande hervorgerusen hat, wird die Mobilisation fortgesetzt. Studenten werden Heimberufen, Deserteure amnestiert. Auch in Griechenland und Bulgarien ist die Stimmung nach wie vor kriegerisch, und in Montenegro hat man sogar bereits den Krieg erklärt. Der kleinste der Balkanstaaten hat offenbar nicht abwarten wollen, ob die Vermittlung der Mächte Erfolg hat. Er hat die Beziehungen zur Türkei jählings abgebrochen und will nun die Waffen den alten Streit entscheiden lassen. Damit sind die Friedensaussichten natürlich bedeutend ge sunken; denn auck die andern Balkanstaaten werden dem Willen der Völler nachgeben müssen. äKLebter. Poktilcke Kuncllckau. Teutschlaud. *Kaiser Wilhelm wird am 19. Ok tober d. Js. in Wilhelmshaven der Enthüllung des von ihm der Nordseestation gestifteten Denkmals des Admirals v. Coligny beiwohnen. * Prinz Heinrich von Preußen, der auf der Rückreise von Japan in Tsingtau Aufenthalt genommen hat, empfing dort eine Abordnung der deutschen Vereinigung aus Schanghai und nahm in mehrstündiger'Audienz einen Vortrag über die Notwendigkeit nachdrück licherer, zielbewußterer Förderung der all gemeinen deutschen Interessen in China entgegen. — Die Ausführungen fanden das vollste Interesse des Prinzen, der von der Notwendigkeit einer zielbewußieren Förderung überzeugt wurde und zusagte, sie in Deutschland nachdrücklich zu fordern. * Der russische Minister des Äußeren S a - sonow, der in England und Frankreich mit den leitenden Männern verhandelt hat, ist in Berlin eingetroffen, um auch hier mit vem Leiter der auswärtigen Politik Rücksprache — beson ders über das Baikanproblem — zu nehmen. *Aus Einladung der deutschen Regierung findet in Berlin eine internationale Konferenz zur Regelung des Ausstellungs- Wesens statt, an der Verrreter aller Kulturstaaien teilnehmen. O Die von verschiedenen Seiten verbreitete Nachricht, daß dem Reichstage demnächst eine Vorlage betr. die Heranziehung der Ersatzreserven zu jährlich mehrwöchiger Ausbildung im Heeresdienst zugehen werde, ist nach einer halbamtlichen Erklärung unzutreffend. Frankreich. G Der Generalstabschef Joffre, Ober kommandierender aller französischen Heere für den Kriegsfall, hat allem Anschein nach mit seiner herben Kritik der letzten großen Manöver in Frankreich an den leitenden Stellen Anstoß erregt. Er ist nämlich zum Generalresidenten für Algerien bestimmt. Dort hat er in der Wüsteneinsamkeit Zeit, darüber nachzudenken, ob es zweckmäßig ist, seinem Vorgesetzten — in diesem Falle dem Kriegsminister — die Wahr heit zu sagen. *Jn Senatorenkreisen wächst der Wider stand gegen die geplante Einführung der Verhältniswahl. Es sind daher beim Wiederzusammentritt der Parlamente scharfe Kämpfe zu erwarten. Balkanstaate«. * Trotz der italienischen Ableugnungsversuche wird in unterrichteten Kreisen versichert, daß die türkisch-italienischen Friedens oerhandlungen bis auf einen Punkt be endet sind. Amerika. * Die amerikanische Regierungs truppen, die zum Schutze der Fremden in Nikaragua gelandet sind, haben nach an fänglichen Niederlagen gegen die Rebellen, bei Leon einen entscheidenden Sieg über die Auf ständischen erfochten. Leon, das von ihnen be setzt war, hat sich den Regierungstruppen er geben. Im übrigen dauert allerdings die Re volution fort. — In Mexiko, der Hauptstadt des gleichen Landes, wo noch immer der Auf stand tobt, kam es zu einem schweren Straßen kampf, in dessen Verlauf 300 Menschen getötet worden sind. Asten. G Die persischen Regierungs truppen, die in den letzten Monaten nicht gerade glücklich im Kampfe gegen die Rebellen waren, haben im Nordosten des Reiches einen entscheidenden Sieg ersochten. Man hofft bald den Aufstand zu beenden. Von einer Wieder kehr des entthronten Schahs Mohammed Ali, die Rußland dringend wünscht, will man in Persien nichts wissen. Ob man sich freilich den russischen Wünschen wird erfolgreich wider setzen können, ist zweifelhaft. für unä v>iäer äas frauenstimmreckt. Auf dem Parteitag der Fortschrittlichen Volkspartei, der in Mannheim stattfand, kam es infolge eines Antrages, die Forderung des Frauenstimmrechts in das Parteiprogramm auf zunehmen, zu langen, erregten Debatten. Von den Ausführungen der verschiedenen Redner verdienen die des Reichstagsabgeordneten Konrad Haußmann besondere Beachtung. Er sagte u. a.: „In der vorliegenden Frage sind so viele Nuancen vorhanden, daß es er wünscht ist, daß diese wichtigste aller Kultur fragen auf dem Parteitag eine ganz offene Aussprache findet. Nachdem der Antrag auf Abänderung des Parteiprogramms zurück gezogen ist, betrachte ich den Antrag Bäumer (der verlangte, der Liberalismus müsse sich grundsätzlich für die Gleichberechtigung der Frauen auf politischem Gebiet aussprechen) nur noch als eine akademische Sympathiekundgebung für die Frauenbewegung. Der Gesichtspunkt der Agitation muß ausscheiden. Gewiß ist uns jede Frau, die demokratisch fühlt, willkommen. Aber wenn die Frauen, die sonst nicht auf demokratischem Boden stehen, sich unsrer Partei nur deshalb anschließen, um das Stimmrecht zu bekommen,. so wäre das keine Bereicherung der Partei. Wenn für ein Bruchteil von Gegenständen die Mitwirkung der Frau durch aus erwünscht ist, so kann nicht gesagt werden, daß nun diese Mitwirkung auch für die ganze gesetzgeberische Tätigkeit notwendig ist. Die meisten Frauen lesen die Zeitung von hinten nach vorn und nicht von vorn nach hinten. Demokratisch ist, sich nach der Ansicht und Meinung des Volkes zu richten. Nun sind aber 95 Prozent aller Frauen heute noch Gegner des Frauenstimmrechts und 65 Prozent der Männer sind es gleichfalls. Sollen wir trotzdem das Frauenstimmrecht in das Programm aufnehmen? Dann wären wir keine Demokraten. Nichts ist gefährlicher, als falsche Ideale aufzu stellen. Das Ideal der Frauenbewegung ist ut, aber eine Politisierung der Frau ist nicht gut. Wir sind darüber einig, daß unser öffent liches Leben heute viel zu zersplittert ist. Die Zersplitterung würde noch größer werden, wenn nun auch noch die Frauen in die politische Arena herabsteigen. Wir sehen ja, wie die Frauen bewegung in England wirkt, und wir sehen es auch bei der Sozialdemokratie. Wenn man manchen Sozialdemokratenunier vier Augenspricht, dann äußert er über das Wahlrecht sehr eigentüm liche Gedanken. Deshalb sollten Sie diese noch nicht spruchreife Frage nicht entscheiden im Gegensatz zu einer ganzen Parteileitung. Wir wollen durchaus eintreten für die Erweiterung der Frauenrechte, aber wir wollen nicht das Ziel der Gleichberechtigung aufstellen. Ich bitte Sie auch, nicht aus Arger gegen irgendeine Partei leitung sich nun für das Frauenwahlrecht ent scheiden zu wollen. Wir wollen einen ehrlichen Frieden, wir begrüßen die Frauenbewegung, aber wir lehnen das falsche Ziel der Politisie rung der deutschen Frau mit Nachdruck ab." — Der Parteitag lehnte die Anträge auf Ab änderung des Programms (Einführung der Forderung des Frauenstimmrechts) ab, nahm aber den Antrag an, daß sich der Liberalismus grundsätzlich sür die politische Gleichberechtigung der Frauen erklärt. Neer unä floNe. — Das Kriegsministerium hat an die Generalkommandos eine Rundfrage gerichtet, die sich auf neue Vorschläge zu einer besonders gearteten Ausbildung der Einjährig-Frei- Willigen bezieht, aus denen sich das Reserve- ossizierkorps rekrutiert, dessen praktische Aus bildung der Heeresverwaltung bekanntlich mit Recht am Herzen liegt. Um sie mehr wie bis her zu heben, steht in Frage, bereits die Ein jährigen innerhalb der Generalkommandos zu besonderen Kompanien zusammenstellen, die ein Vierteljahr lang im Winter und im Vorfrüh ling auf den Truppenübungsplätzen tätig sein sollen. Die eingelaufenen Antworten haben aber im wesentlichen diese Neuerung nicht be fürwortet, weil zahlreiche Bedenken dem ent gegenstehen. Es ist vor allem geltend gemacht worden, daß die Einjährigen während der Zeit dieser besonderen Ausbildung verhältnismäßig lange den Verbänden ihrer Truppenteile, denen sie angehören, entzogen werden, und damit auch dem erzieherischen Einfluß ihrer eigentlichen Vorgesetzten. — Die Stadt Köln hat mit dem preußischen Kriegsministerium einen Vertrag über die Er richtung eines Militärflugplatzes bei Köln abge schlossen. Es ist ein umfangreiches Gelände erworben worden, auf dem neben dem Flugplatz auch eine Luftschiff- und Fliegerkaserne errichtet werden soll. Zurzeit unterhandelt das Kriegs- ministerium wegen Ankaufes weiteren Geländes zur Errichtung einer Fliegerschule in der Nähe der Militärlustschiffhalle. — Die Linienschiffe des ersten Geschwaders haben Wilhelmshaven verlaffen, um bis zum 18. d. Atts, vor Helgoland Einzelübungen ab zuhalten. — Der am 20. August zur ersten Indienst stellung gelangte neue Kreuzer „Magdeburg" hat jetzt den Hauptteil seiner Probefahrten er ledigt. Dieser erste mit Bergmann-Turbinen maschinen ausgerüstete Kreuzer erreichte eine mittlere Höchstgeschwindigkeit von 27,5 Seemeilen in der Stunde, ist also etwas schneller als die andern neueren Turbinenkreuzer. Von uncl fern. Zehn Arbeiter ans einem Kalischacht verletzt. Durch Entzündung von Gasen wurden auf dem Kalischacht in Nebra (an der Unstrut) zehn Arbeiter an Händen und Füßen verbrannt, so daß sie sämtlich in das Hallesche Krankenhaus Bergmannstrost gebracht werden mußten. In einer Amtskanzlei beraubt. In München wurde vormittags einer in einer Anwaltskanzlei beschäftigten Maschinenschreiberin ein in einem Briefumschlag befindlicher Bar betrag von 620 Mark von einem unbekannten Manne entrissen. Der Täter ist entkommen. LL Habicht und Henne. Ein recht inter essantes Naturschauspiel bot sich Fußgängern in den letzten Tagen in Schluiszen. Man sah plötzlich aus großer Höhe einen Habicht in einen Hof niederstoßen, um dort aus einer Kücken herde ein Kücken zu packen, um es mit in die Luft zu nehmen. Der Habicht hatte jedoch seine Rechnung ohne die Henne gemacht. Diese flog dem Habicht aufs Kreuz und bearbeitete von dort aus den Kopf des Räubers derart, daß er bald beide Augen eingebüßt hatte. Alle Versuche des Habichts, sich aus den Krallen der Henne zu befreien, blieben erfolglos. Passanten brachten dis Tiere schließlich auseinander und setzten den Habicht gefangen. Am nächsten Morgen jedoch starb dieser an den erlittenen Verletzungen. Der Fall, oatz sich eine Henne so erfolgreich gegen einen Habicht behauptet, ist gewiß selten. A Ans lUckt gekrackt. bs Roman von H. Köhler. «gocUetzsnL. „Nein — nicht böse Mann," bat aber Jeanette — „Tante Lily soll Jeanette was erzählen." „Gut, Herz — also will ich dir etwas er zählen," ging Elisabeth auf den Wunsch der Kleinen ein, „eine recht, recht hübsche Geschichte von einem Prinzen und einer Prinzessin und einem großen Schloß, in dem sie wohnten, und einem bösen, bösen Riesen, der das Schloß stürmen und den Prinzen totmachen wollte." Böse Mann," sagte die Kleine leise und nestüte sich auf der Fußbank neben Elisabeth nieder. „Ja, mein Kindchen," nickte das junge Mädchen, „das war wohl ein böser Mann. Der Prinz und die Prinzessin aber waren sehr gut und lebten so glücklich miteinander. Sie wohnten in einem schönen großen Schloß aus lauter Gold und Elfenbein gebaut, und hatten einen Garten rings darum her, in dem die wundervollsten und herrlichsten Blumen blühten und die delikatesten Früchte hingen." „Apfel," sagte Jeanette, die indessen an ihrem Bonbon knuiperte, aber aufmerksam -uhörte. „Äpfel und Birnen," erzählte Elisabeth weirer, „goldene Nüsse, Trauben, Aprikosen und Gott weiß was alles. Kinder hatten sie nicht, aber ein kleines braunes kluges Hündchen, das ihnen überall nachfolgte und die hübschesten Kunststücke machen konnte." l „Pello," sagte Jeanette. „Und das hatten sie so lieb," erzählte Elisabeth Wetter, wie man es gar nicht be schreiben kann. Es lief auch immer hinter ihnen drein und versteh sie keinen Augenblick. Der böse Riese wäre auch gern schon heimlich in das Schloß eingebrochen, aber das Hündchen paßte vortrefflich auf, und jedesmal, wenn er nm in die Nähe kam, bellte es so laut und machte einen solchen Spektakel, daß die Leute alle herbeiliefeu, und dann mußte der alte böse Riese laufen, was er nm konnte, damit sie ihn nicht erwischten. — Eines Tages war das kleine kluge Hündchen gm viel herumgelaufen und recht müde geworden, so müde, daß es sich auf sein Nettchen legte und fest schlief und sich um gm nichts kümmerte, was dmußen vorging." „Aber da kommt ja nachher der böse Mann," rief die Kleine ängstlich und vergaß selbst die Zuckersachen, die sie in der Schürze hielt. „Da kam der alte häßliche Riese," erzählte Elisabeth Wetter, „und schlich sich vorsichtig herum —" „Und wie er die Tür aufmachte, klingelte es," rief Jeanette. „Da klingelte es," bestätigte Elisabeth, „und das hörte das kleine Hündchen, sprang schnell in die Höhe und bellte. — Wie aber der Riese ins Zimmer kam, wollte er die Prinzessin auf- sassen und forttragen, und da fuhr das Hündchen auf ihn zu —" „Und biß ihm groß Loch ins Bein — so groß wie bei Lily." „Ja und biß ihn," rief Elisabeth, deren eigenes Herz in fast fieberhafter Erwartung bei der Erzählung schlug, „und dann sah er sich nach der Prinzessin um, und die kannte ihn gar nicht, denn er trug einen großen grauen Bart — nicht wahr, Jeanette?" Jeanette bmg ihr kleines Gesicht in den Händen und fürchtete sich; aber sie erwiderte nichts. „Trug der Mess einen Bart, Jeanette?" fragte Elisabeth leise; „weißt du nicht, mein Kind?" „Böse Mann — böse Mann l" stöhnte die Kleine. „Jeanette will zu Mama — hat mmen Pello tot gemacht." „Aber weißt du gm nicht, wie er aussah, liebe Jeanette?" bat das junge Mädchen, kauerte sich nieder zu ihr und schlang ihren Arm um sie. „Jetzt brauchst du dich doch nicht zu fürchten, Tante Lily ist ja bei dir — komm, sag' mir, mein Herz." „Jeanette will zu Mama," bat aber die Kleine, der Elisabeths Erzählung wahrscheinlich wieder die alten furchtbaren Eindrücke jenes Tages zu lebhaft vor die Seele heraufoe- schworen hatte. Sie fürchtete sich ernstlich und wollte sogar ihre Zuckerdüte im Stich lassen. Elisabeth bekam ihre Not, sie nur wieder so wett zu beruhigen, daß sie noch oben blieb und erzählte ihr jetzt von den großen Dampfbooten und den vielen geputzten Menschen, von dem herrlichen Obst und dem blitzenden Wasser, bis das Kind das alte Schreckbild vergessen hatte, und wieder lachte und zuhörte. Da ging plötzlich die Tür auf, und der Justizrat trat ins Zimmer, Jeanette aber, noch immer nicht ganz beruhigt, erschrak so darüber, daß sie aufs neue zu weinen anfing und sich ängstlich an Elisabeth anklamincrte. Dic e war froh, als das Mädchen gerade von unen herauf kam, um Jeanette abzuholen. „Was hatte denn nur die kleine Lily?" fragte der Justizrat, als sie fort waren. „Jie ist doch sonst immer so munter und hat sich noch nie vor mir gefürchtet." „Ach, die alte Geschichte, Papa," sagte Elisabeth, „ich fragte sie nach dem „bösen Mann", und das scheint sie noch immer zu erschrecken. Hat man denn in der ganzen langen Zeit unsrer Abwesenheit keine Spur von dem Mörder gefunden?" Der Justizrat schüttelte mit dem Kopf. „Nicht die Spur," sagte er, „drei Menschen' haben sie allerdings wieder indessen verhaftet, mußten sie aber wegen Mangel an Beweisen auch ebensobald freigeben; ich habe drüben einen ganzen Stoß von Akten über die Sache; das einzige Unglück ist, daß die alte gute Dame! kein Buch geführt, nicht einmal ein Verzeichnis ihrer Wellpapiere und deren Nummern hinier- lassen hat. Wie soll man ihnen jetzt aus die Spur kommen? Der jetzige Besitzer darf sie ankieten, wem er will, ja hier im Ort selber verkaufen; es kann ihm niemand beweisen, daß sie früher im Besitz der Ermordeten gewesen." „Und die Juwelen?" „Ja, mein liebes Kind, das ist ebenso un sicher," sagte der Vater. „Ein hiesiger Juwelier hat allerdings einmal einen Teil derselben in Händen gehabt, wenn der Dieb aber nur di«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)